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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 305/12
  5. Verkündet am:
  6. 9. Mai 2014
  7. Weschenfelder
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 989
  19. Die Schadensersatzpflicht des Besitzers nach § 989 BGB ist nicht auf den Wert der
  20. herauszugebenden Sache beschränkt, sondern bestimmt sich nach dem subjektiven
  21. Interesse des Eigentümers an deren Wiedererlangung (Fortführung von BGH, Urteil
  22. vom 5. Mai 1982 - VIII ZR 162/81, NJW 1982, 1751; Senat, Urteil vom 29. Januar
  23. 1993 - V ZR 160/91, NJW-RR 1993, 626, 627).
  24. BGB § 814, § 819 Abs. 1
  25. Die verschärfte Haftung des Empfängers der Leistung entfällt, wenn der Leistende
  26. den Mangel des Rechtsgrunds kennt oder der Empfänger eine solche Kenntnis bei
  27. ihm annimmt. Hat der Empfänger einer Leistung mit einem Vertreter des Leistenden
  28. in sittenwidriger Weise zusammengewirkt, haftet er nur dann nicht verschärft nach §
  29. 819 Abs. 1 BGB, wenn die Leistung auch in Kenntnis des Vertretenen vom Mangel
  30. des Rechtsgrunds erfolgt ist und von diesem deswegen nach § 814 BGB nicht
  31. kondiziert werden kann.
  32. BGH, Urteil vom 9. Mai 2014 - V ZR 305/12 - OLG Frankfurt am Main
  33. LG Hanau
  34. -2-
  35. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  36. vom 14. Februar 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
  37. Richter Dr. Lemke und Dr. Czub, die Richterin Weinland und den Richter
  38. Dr. Kazele
  39. für Recht erkannt:
  40. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
  41. Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. April 2012
  42. aufgehoben.
  43. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  44. über
  45. die
  46. Kosten
  47. des
  48. Revisionsverfahrens,
  49. an
  50. das
  51. Berufungsgericht zurückverwiesen.
  52. Von Rechts wegen
  53. Tatbestand:
  54. 1
  55. Die Klägerin ist Großhändlerin für ausländische Presseerzeugnisse. Der
  56. Streithelfer des Beklagten war ihr Vertriebsleiter. Er veräußerte im Namen der
  57. Klägerin in den Jahren 2005 bis 2009 etwa 294.300 Zeitschriften aus deren
  58. Beständen an den Beklagten zu Preisen von zunächst 1 € und ab Mitte 2007
  59. von 0,12 € je Zeitschrift. Einen weiteren Betrag von 0,05 € je Heft zahlte der
  60. Beklagte auf ein Privatkonto des Streithelfers. Der Beklagte bot diese
  61. Zeitschriften u.a. auf einer Internetplattform zum Kauf an; er verkaufte auf
  62. diesem Weg 39.843 Zeitschriften und erzielte daraus einen Erlös von insgesamt
  63. 266.748,07 €.
  64. -3-
  65. 2
  66. Bei den an den Beklagten veräußerten Zeitschriften handelte es sich
  67. nach dem Vortrag der Klägerin um sog. Remissionsware, also um Zeitschriften,
  68. welche sie im normalen Vertrieb über den Zeitschriftenhandel nicht zu den
  69. üblichen Preisen von 10 bis 18 € je Heft hatte veräußern können und für die sie
  70. von den amerikanischen Lieferanten ihren Einkaufspreis von ca. 3,90 € (nach
  71. ihrer Darstellung insgesamt 1.173.220 €) rückvergütet erhalten hatte. Die
  72. Lieferungen an den Beklagten endeten Anfang 2010, nachdem die Klägerin den
  73. - nach ihrem Vortrag - unrechtmäßigen Vertrieb durch den Streithelfer
  74. festgestellt und das Angestelltenverhältnis mit diesem gekündigt hatte.
  75. 3
  76. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten jetzt noch: 1. Auskunft über den
  77. Verbleib der nach ihrer Aufstellung an den Beklagten gelieferten Zeitschriften
  78. (Vernichtung oder Verkauf, insoweit unter Angabe des Erlöses), 2. die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz aller Schäden aus dem
  79. Vertrieb der Zeitschriften, 3. die Auszahlung des durch den Verkauf erzielten
  80. Erlöses von 266.748,07 € zzgl. Zinsen und 4. die Feststellung der Verpflichtung
  81. des Beklagten zur Herausgabe der durch den Vertrieb außerhalb des InternetAccounts von ihm erzielten Veräußerungserlöses. Das Landgericht hat die
  82. Klage insoweit abgewiesen, die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg
  83. geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin
  84. ihre Anträge weiter.
  85. Entscheidungsgründe:
  86. I.
  87. 4
  88. Das Berufungsgericht meint, den geltend gemachten Ansprüchen stünde
  89. entgegen, dass die Zeitschriften wirksam an den Beklagten übereignet worden
  90. seien. Der Streithelfer habe mit Anscheinsvollmacht gehandelt. Ein kollusives
  91. Zusammenwirken des Beklagten mit dem Streithelfer könne nicht festgestellt
  92. werden. Die Verträge seien auch nicht wegen der Zahlungen an den Streithelfer
  93. nichtig gewesen. Der Beklagte habe den subjektiven Tatbestand einer
  94. Bestechung nicht erfüllt. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, dass die Verträge
  95. -4-
  96. über die Belieferung des Beklagten gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen
  97. hätten oder sittenwidrig gewesen seien.
  98. II.
  99. 5
  100. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, das die Begründetheit der
  101. Klage nicht anhand von Anspruchsgrundlagen geprüft hat, hält rechtlicher
  102. Überprüfung nicht stand.
  103. 6
  104. A. Der Antrag festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin den Schaden
  105. zu ersetzen hat, der ihr daraus entstanden ist oder noch entstehen wird, dass
  106. sie - weil der Beklagte nicht mehr zum Verkauf bestimmte Zeitschriften (sog.
  107. Remissionsware) wieder in den Verkehr gebracht hat - von ihren Lieferanten
  108. wegen zu Unrecht erstatteter Einkaufspreise in Anspruch genommen worden ist
  109. oder werden wird (im Folgenden als Vertriebsschaden bezeichnet), ist rechtsfehlerhaft abgewiesen worden. Er kann mit der von dem Berufungsgericht
  110. gegebenen Begründung nicht verneint werden.
  111. 7
  112. 1. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich allerdings nicht
  113. aus § 990 Abs. 1, § 989 BGB; denn sie hat ihr Eigentum an den Zeitschriften
  114. durch Übereignung an den Beklagten verloren (§ 929 Satz 1 BGB).
  115. 8
  116. a) Die Revision stellt zu Unrecht eine Übergabe von der Klägerin an den
  117. Beklagten in Frage. Die Übergabe nach § 929 Satz 1 BGB stellt einen tatsächlichen Vorgang dar, nämlich die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die
  118. Sache (BGH, Urteil vom 9. Februar 1955 - IV ZR 188/54, BGHZ 16, 259, 263).
  119. Dieser muss ein Konsens über den Wechsel im Eigenbesitz zugrunde liegen,
  120. um die Übergabe von einer Besitzverschaffung durch verbotene Eigenmacht
  121. (§ 858 Abs. 2 BGB) abzugrenzen (vgl. RGZ 137, 23, 25). Ein solcher Konsens
  122. liegt
  123. nach
  124. den
  125. von
  126. dem
  127. Berufungsgericht
  128. in
  129. Bezug
  130. genommenen
  131. Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil darin, dass die von dem Streithelfer
  132. im Namen der Klägerin verkauften Zeitschriften dem Beklagten in Kartons mit
  133. dem Firmenstempel und mit Lieferscheinen der Klägerin zugesandt wurden.
  134. -5-
  135. 9
  136. b) Die Parteien haben sich auch über den Übergang des Eigentums geeinigt. Die Klägerin wurde bei dem Abschluss der dinglichen Verträge durch den
  137. Streithelfer nach § 164 Abs. 1, 3 BGB vertreten.
  138. 10
  139. aa) Der Streithelfer hatte als ihr Vertriebsleiter Handlungsvollmacht nach
  140. § 54 Abs. 1 Fall 2 HGB. Diese wird nämlich konkludent bereits dadurch erteilt,
  141. dass
  142. einem
  143. Angestellten
  144. Zuständigkeiten
  145. und
  146. Aufgaben
  147. zur
  148. eigenverantwortlichen Erledigung in einem Unternehmen übertragen werden
  149. (vgl. BGH, Urteile vom 25. Februar 1982 - VII ZR 268/81, NJW 1982, 1389,
  150. 1390 und vom 16. Dezember 2010 - 4 StR 492/10, NStZ 2011, 280, 281.
  151. 11
  152. bb) Zweifelhaft ist allerdings, ob die Veräußerung nicht aktueller, sondern
  153. retournierter Zeitschriften noch von der Handlungsvollmacht des Streithelfers
  154. gedeckt gewesen ist. Das bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Die Frage,
  155. ob sich der Handlungsbevollmächtigte bei dem Abschluss des Rechtsgeschäfts
  156. noch im Rahmen seiner Handlungsvollmacht bewegt hat, kann nämlich
  157. dahinstehen, wenn der Inhaber des Handelsgeschäfts sich das Rechtsgeschäft
  158. nach den Grundsätzen über die Duldungs- oder die Anscheinsvollmacht
  159. zurechnen lassen muss (Preuß/Grooterhorst, aaO, 4. Kapitel Rn. 17; Roth in
  160. Koller/Roth/Morck, aaO, § 54 Rn. 20 f.; Staub/Joost, HBG, 5. Aufl., § 54
  161. Rn. 93). Die Grenzen zwischen rechtsgeschäftlich erteilter Handlungsvollmacht
  162. mit einer gesetzlich geregelten Rechtscheinhaftung nach § 54 HGB
  163. (Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 54 Rn. 9) und der allgemeinen Haftung des
  164. Vertretenen aus veranlasstem Rechtsschein sind nicht immer trennscharf zu
  165. ziehen (Roth in Koller/Roth/Morck, aaO, § 54 Rn. 20).
  166. 12
  167. cc) Bei der Anscheinsvollmacht kann sich der Vertretene auf den Mangel
  168. der Vertretungsmacht seines Vertreters nicht berufen, wenn er schuldhaft den
  169. Rechtsschein einer Vollmacht veranlasst hat, so dass der Geschäftsgegner
  170. nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte von einer
  171. Bevollmächtigung ausgehen darf und auch von ihr ausgegangen ist (BGH,
  172. Urteil vom 5. März 1998 - III ZR 183/96, NJW 1998, 1854, 1855). Beides liegt
  173. hier vor.
  174. -6-
  175. 13
  176. (1) Die Würdigung der Umstände, aus denen das Berufungsgericht einen
  177. von der Klägerin veranlassten Rechtsschein einer Vollmacht des Streithelfers
  178. zur
  179. Veräußerung
  180. auch
  181. dieser
  182. Zeitschriften
  183. bejaht
  184. (die
  185. Dauer
  186. der
  187. Geschäftsbeziehung, deren Volumen und die Art der Abwicklung der
  188. Lieferungen), lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Es ist der Klägerin
  189. zuzurechnen, dass die Veräußerungen den Anschein erweckt haben, von der
  190. Handlungsvollmacht des Streithelfers als Vertriebsleiter umfasst zu sein.
  191. 14
  192. Das Berufungsgericht ist zu Recht dem Vorbringen der Klägerin nicht
  193. nachgegangen, dass der Streithelfer geschickt die internen Kontrollen
  194. umgangen habe und allein deswegen die Geschäfte mit dem Beklagten ihrer
  195. Geschäftsführung unbekannt geblieben seien. Die Klägerin hätte - selbst wenn
  196. es sich so verhalten haben sollte - den Rechtsschein einer Vollmacht des
  197. Streithelfers nicht unverschuldet veranlasst, weil die nach außen in Erscheinung
  198. getretenen Umstände, die den Rechtsschein ordnungsgemäßer Veräußerungen
  199. hervorriefen (Auslieferung vom Lager mit Lieferscheinen und Rechnungen;
  200. Bezahlung durch Lastschrifteinzug unter Erfassung durch die Buchhaltung der
  201. Klägerin),
  202. aus
  203. der
  204. Sphäre
  205. ihres
  206. Unternehmens
  207. stammten.
  208. Der
  209. Geschäftsinhaber muss sich den Anschein einer Vollmacht seines Angestellten
  210. zurechnen lassen, den er selbst hervorgerufen hat (vgl. Hopt, AcP 183, 608,
  211. 697). Diese Verteilung der Risiken beruht darauf, dass der kaufmännische
  212. Verkehr Rechtsicherheit sowie einfache und klare Verhältnisse erfordert und
  213. dass es dem Geschäftspartner nicht zugemutet werden kann, über die
  214. Ermächtigung des für den Geschäftsinhaber Auftretenden genaue Ermittlungen
  215. anzustellen, solange er nach dem äußeren Anschein anzunehmen berechtigt
  216. ist, dass der Geschäftsinhaber das Verhalten des in seinem Namen handelnden
  217. Angestellten billigt (vgl. RGZ 100, 48, 49).
  218. 15
  219. (2) Der Beklagte hat auf die Vertretungsmacht des Streithelfers vertraut
  220. und durfte auf diese nach den Umständen gemäß dem Grundsatz von Treu und
  221. Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auch vertrauen. Die Feststellungen
  222. des Berufungsgerichts, dass der Beklagte den Streithelfer auf Grund seiner
  223. -7-
  224. Stellung als Vertriebsleiter im Unternehmen der Klägerin als den für die Veräußerung von Zeitschriften zuständigen und bevollmächtigten Mitarbeiter angesehen hat und dass er vor dem Hintergrund der Abwicklung der Geschäfte (mit
  225. Lieferscheinen und Rechnungen) auch nicht habe erkennen müssen, dass der
  226. Streithelfer zur Veräußerung dieser Zeitschriften nicht berechtigt gewesen sei,
  227. sind rechtsfehlerfrei. Soweit die Klägerin etwas anderes vorbringt, unterstellt sie
  228. Kenntnisse des Beklagten von den Besonderheiten des Handels mit
  229. Zeitschriften, die dieser nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht
  230. hatte.
  231. 16
  232. c) Die Übereignungen sind wirksam und für die Klägerin bindend.
  233. 17
  234. aa) Die dinglichen Verträge sind nicht nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
  235. Anders verhielte es sich zwar, wenn der Beklagte mit dem Streithelfer bewusst
  236. in arglistiger Weise zum Nachteil der Klägerin zusammengewirkt hätte, um nicht
  237. mehr zum Verkauf bestimmte Remissionsware zu erwerben. An einem solchen
  238. kollusiven Vorgehen fehlt es hier jedoch, weil der Beklagte nicht erkannt hat,
  239. dass der Streithelfer nicht zum Vertrieb bestimmte Ware an ihn veräußerte,
  240. sondern er von einem „regulären“ Verkauf von Restposten durch den für den
  241. Verkauf zuständigen Vertriebsleiter der Klägerin ausging. Die gegen diese
  242. Feststellungen des Berufungsgerichts erhobene Verfahrensrüge erachtet der
  243. Senat für nicht durchgreifend; von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1
  244. ZPO abgesehen.
  245. 18
  246. bb) Die Berufung des Beklagten auf die Wirksamkeit der mit dem Streithelfer vereinbarten Übereignungen stellt sich auch nicht als eine nach Treu und
  247. Glauben (§ 242 BGB) unzulässige Rechtsausübung dar. Der Vertretene muss
  248. von seinem Vertreter abgeschlossene Rechtsgeschäfte allerdings dann nicht
  249. gegen sich gelten lassen, wenn der andere Vertragsteil den Missbrauch der
  250. Vertretungsmacht zwar nicht erkannt hat, aber nach den Umständen hätte
  251. erkennen müssen (BGH, Urteil vom 28. Februar 1966 - VII ZR 125/65, NJW
  252. 1966, 1911; Urteil vom 25. März 1968 - II ZR 208/64, BGHZ 50, 112, 114). Da
  253. jedoch grundsätzlich der Vertretene das Risiko eines Vollmachtsmissbrauchs
  254. -8-
  255. zu tragen hat (BGH, Urteil vom 1. Februar 2012 - VIII ZR 307/10, NJW 2012,
  256. 1718,
  257. 1719
  258. Rn.
  259. Rechtsausübung
  260. 23
  261. mwN),
  262. gegenüber
  263. Verdachtsmomenten
  264. setzt
  265. dem
  266. beruhende
  267. der
  268. Einwand
  269. Geschäftsgegner
  270. Evidenz
  271. des
  272. einer
  273. eine
  274. unzulässigen
  275. auf
  276. Missbrauchs
  277. massiven
  278. der
  279. Ver-
  280. tretungsmacht voraus (BGH, Urteil vom 25. März 1968 - II ZR 208/64, BGHZ
  281. 50, 112, 114; Urteil vom 25. Oktober 1994 - XI ZR 239/93, BGHZ 127, 239, 241;
  282. Urteil vom 29. Juni 1999 - IX ZR 277/98, NJW 1999, 2883; Urteil vom
  283. 1. Februar 2012 - VIII ZR 307/10, NJW 2012, 1718, 1719 Rn. 23).
  284. 19
  285. Das
  286. verneint
  287. das
  288. Berufungsgericht
  289. ohne
  290. Rechtsfehler.
  291. Diese
  292. tatrichterliche Würdigung ist im Revisionsverfahren nur darauf überprüfbar, ob
  293. der Begriff der objektiven Evidenz verkannt wurde oder ob bei der Beurteilung
  294. wesentliche Umstände außer Betracht gelassen wurden (BGH, Urteil vom
  295. 29. Juni 1999 - IX ZR 277/98, aaO). Einer solchen Prüfung hält das
  296. Berufungsurteil stand. Die tatrichterliche Würdigung, dass sich dem Beklagten
  297. der Vollmachtmissbrauch des Streithelfers nicht habe aufdrängen müssen,
  298. wenn selbst kaufmännische Mitrbeiter der Klägerin in dem Verkauf von „alter
  299. Ware“ oder von „Restbeständen“ nichts Besonderes erkannten oder sich mit
  300. einfachen Erklärungen des Streithelfers zufrieden gaben, lässt keinen
  301. Rechtsfehler erkennen.
  302. 20
  303. cc) Die Übereignungen der Zeitschriften waren auch nicht im Hinblick auf
  304. die Vereinbarung über zusätzliche, an den Streithelfer zu leistende Zahlungen
  305. nichtig. Aus diesem Grund sind zwar die Kaufverträge (dazu unten 2. a) bb)),
  306. aber nicht die Übereignungen unwirksam. Die Nichtigkeit des schuldrechtlichen
  307. Vertrags nach § 138 Abs. 1 BGB hat nicht ohne weiteres auch die Nichtigkeit
  308. des Erfüllungsgeschäfts zur Folge. Dieses ist nur dann ebenfalls nichtig, wenn
  309. die Unsittlichkeit gerade im Vollzug der Leistung liegt, wenn also mit dem
  310. dinglichen Rechtsvorgang sittenwidrige Zwecke verfolgt werden oder in ihm die
  311. Sittenwidrigkeit begründet ist (Senat, Urteile vom 24. Mai 1985 - V ZR 47/84,
  312. NJW 1985, 3006, 3007 und vom 20. Januar 2006 - V ZR 214/04, NJW-RR
  313. 2004, 888, 889; BGH, Urteil vom 22. Januar 1992 - VIII ZR 374/89, NJW-RR
  314. -9-
  315. 1992, 593, 594). So verhält es sich hier nicht. Die Abrede über die an den
  316. Streithelfer
  317. zusätzlich
  318. zu
  319. leistenden
  320. Zahlungen
  321. betraf
  322. allein
  323. das
  324. schuldrechtliche Geschäft; sie erhöhte die Summe des von dem Beklagten für
  325. den Erwerb der Zeitschriften zu zahlenden Entgelts.
  326. 21
  327. 2. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch auf Ersatz des Vertriebsschadens
  328. kann
  329. sich
  330. jedoch
  331. aus
  332. der
  333. verschärften
  334. Haftung
  335. des
  336. Bereicherungsschuldners nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, § 819 Abs. 1, § 818
  337. Abs. 4, § 292 Abs. 1, § 989 BGB ergeben.
  338. 22
  339. a) Der Beklagte war der Klägerin nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB
  340. zur Herausgabe der Zeitschriften verpflichtet. Er hatte diese ohne rechtlichen
  341. Grund erlangt, weil die von ihm mit der Klägerin geschlossenen Kaufverträge
  342. nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind.
  343. 23
  344. aa) Die Abrede zwischen dem Beklagten und dem Streithelfer über ein
  345. zusätzlich an diesen zu zahlendes Entgelt ist unwirksam. Derartige Vereinbarungen eines Angestellten, Bevollmächtigten oder sonstigen Vertreters einer
  346. Partei mit dem Geschäftsgegner zum eigenen Vorteil hinter dem Rücken und
  347. zum Schaden des Geschäftsherren verstoßen gegen die guten Sitten und sind
  348. daher nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig (BGH, Urteil vom 17. Mai 1988 - VI ZR
  349. 223/87, NJW 1989, 26, 27; Urteil vom 18. Februar 2003 - X ZR 245/00, BauR
  350. 2004, 337, 340). Sie widersprechen einfachsten und grundlegenden Regeln
  351. geschäftlichen Anstandes und kaufmännischer guter Sitte (BGH, Urteil vom
  352. 17. Mai 1988 - VI ZR 223/87, aaO).
  353. 24
  354. An der Sittenwidrigkeit der Abrede änderte es nichts, wenn der Beklagte
  355. davon ausgegangen ist, dass die Zahlungen auf das Konto des Streithelfers in
  356. eine „Teamkasse“ erfolgten und somit teilweise auch anderen Mitarbeitern der
  357. Klägerin zugutekommen sollten. Für die unter § 299 StGB fallenden
  358. Schmiergeldzahlungen hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass es
  359. für eine Bestechung unerheblich ist, ob der Vorteil dem Angestellten oder
  360. Beauftragten selbst oder einem Dritten zugutekommt (BT-Drucks. 13/5584,
  361. - 10 -
  362. S. 15). Für „belohnende“ Zahlungen an den Vertreter hinter dem Rücken und
  363. zum Nachteil des Geschäftsherrn gilt nichts anderes.
  364. 25
  365. bb) Die Vereinbarung über die zusätzlichen Zahlungen an den
  366. Streithelfer hat die Nichtigkeit der abgeschlossenen Kaufverträge zur Folge.
  367. Zwar führen sittenwidrige Abreden über an den Vertreter zu leistende
  368. Zahlungen nur dann zur Nichtigkeit des Hauptvertrags nach § 138 Abs. 1 BGB,
  369. wenn sie auch zu einer für den Geschäftsherren nachteiligen Gestaltung geführt
  370. haben (BGH, Urteil vom 1. Januar 1990 - VIII ZR 337/88, NJW-RR 1990, 442,
  371. 443; Urteil vom 6. Mai 1999 - VII ZR 132/97, BGHZ 141, 357, 361). Bei den
  372. sittenwidrigen Absprachen über besondere Zuwendungen an den Vertreter ist
  373. das jedoch zu vermuten (BGH, Urteil vom 17. Mai 1989 - VI ZR 233/87, NJW
  374. 1989, 26, 27). Diese Vermutung ist insbesondere dann begründet, wenn die
  375. Zahlungen an den Vertreter dem Vertretenen als (zusätzlicher) Kaufpreis hätten
  376. gewährt werden können und der Vertreter dadurch - für den Vertragspartner
  377. erkennbar - seiner Pflicht zuwiderhandelt, Verträge zu den für den Vertretenen
  378. günstigsten Preisen abzuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005
  379. - 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 315).
  380. 26
  381. b) Der Beklagte haftet verschärft nach § 819 Abs. 1 BGB.
  382. 27
  383. aa) Die verschärfte Haftung setzt allerdings voraus, dass der Bereicherungsschuldner sowohl die die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen
  384. als auch die sich daraus ergebende Rechtsfolge der Nichtigkeit des
  385. Rechtsgeschäfts kennt (Senat, Urteil vom 12. Juli 1996 - V ZR 117/95, BGHZ
  386. 133, 246, 250). Kennenmüssen und Zweifel des Schuldners genügen nicht.
  387. Den Mangel des Rechtsgrunds kennt aber auch derjenige, der, um sich die
  388. Vorteile aus dem Geschäft zu sichern, sich bewusst der Einsicht verschließt,
  389. dass das Verpflichtungsgeschäft nichtig ist. Der sittenwidrig handelnde
  390. Bereicherungsschuldner, der die Tatsachen kennt, aufgrund derer sich die
  391. Rechtsgrundlosigkeit seines Erwerbs aufdrängt, verdient keinen Schutz (Senat,
  392. Urteil vom 12. Juli 1996 - V ZR 117/95, aaO, S. 251).
  393. - 11 -
  394. 28
  395. bb) Davon ist hier nach dem eigenen Vortrag des Beklagten
  396. auszugehen, auf den die Revision zutreffend verweist. Dieser hat in der
  397. Klageerwiderung eingeräumt, ihm sei bekannt gewesen, dass der Streithelfer
  398. eine Nebenkasse für private Rechnung führte, von der er vermutet habe, dass
  399. es sich um eine „Schwarzkasse“ gehandelt habe. Diese Vorgehensweise sei
  400. ungewöhnlich und für ihn insofern nachteilig gewesen, als er diese Zahlungen
  401. mangels Rechnung nicht habe steuerlich nutzbar machen können. Auf die
  402. Lieferungen der Klägerin, die jedenfalls beim Aufbau seines Geschäfts eine
  403. tragende Säule dargestellt hätten, sei er jedoch angewiesen gewesen. Daher
  404. habe er versucht, sich in jeder Hinsicht mit dem Streithelfer gut zu stellen, um
  405. die Geschäftsbeziehung ungestört fortsetzen zu können.
  406. 29
  407. Der Beklagte kannte danach alle den Treubruch des Streithelfers
  408. begründenden und zur Nichtigkeit der Verträge führenden Tatsachen. Ein
  409. redlich Denkender, der nicht vom Gedanken an den eigenen Vorteil beeinflusst
  410. gewesen ist (zu diesem Maßstab: Senat, Urteil vom 12. Juli 1996 - V ZR
  411. 117/95, aaO, S. 250 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 25. Februar 1960
  412. - II ZR 125/58, BGHZ 32, 76, 92), wäre vor diesem Hintergrund zu der
  413. Überzeugung gelangt, dass die für die Klägerin nachteiligen Kaufverträge
  414. nichtig sind. Wenn der Beklagte das nicht erkannt haben will, kann das nur
  415. darauf beruhen, dass er - um sich die Vorteile aus den Lieferungen zu sichern sich bewusst dieser Einsicht versperrt hat.
  416. 30
  417. c) Der Beklagte hat gemäß § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB, § 292
  418. Abs. 1, § 989 BGB der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch
  419. entsteht, dass infolge seines Verschuldens die Sache verschlechtert wird,
  420. untergeht oder aus einem anderen Grunde nicht herausgegeben werden kann.
  421. 31
  422. aa) Der Beklagte hat es zu vertreten, dass er die Zeitschriften infolge der
  423. Veräußerungen an Dritte nicht an die Klägerin herausgeben kann. Die freiwillige
  424. Veräußerung
  425. der
  426. Sache
  427. durch
  428. den
  429. verschärft
  430. haftenden
  431. Bereicherungsschuldner, der nach § 292 Abs. 1 BGB einem auf Herausgabe
  432. der Sache verklagten Besitzer gleichgestellt ist, stellt eine schuldhafte
  433. - 12 -
  434. Verletzung seiner Herausgabepflicht dar (zu § 989 BGB: RGZ 56, 313, 326;
  435. NK-BGB/Schanbacher, 3. Aufl., § 989 Rn. 13; Staudinger/Gursky, BGB [2013],
  436. § 989 Rn. 18; Soergel/Stadler, BGB, 13. Aufl., § 989 Rn. 12; zu der Verweisung
  437. in § 347 Satz 1 BGB a.F. auf § 989 BGB: Senat, Urteil vom 29. Januar 1993
  438. - V ZR 160/91, NJW-RR 1993, 626, 627).
  439. 32
  440. bb) Der Beklagte schuldet nach § 989 BGB der Klägerin den Ersatz des
  441. Vertriebsschadens, obwohl die zu ersetzende Vermögenseinbuße nicht in dem
  442. Verlust des Werts der herauszugebenden Sache besteht.
  443. 33
  444. (1) Nach der früher im Schrifttum herrschenden Auffassung haftete der
  445. Besitzer nach § 989 BGB allerdings nicht auf den Ersatz des subjektiven Interesses des Eigentümers, sondern - anstelle der ihm nicht möglichen
  446. Herausgabe - allein auf den objektiven Verkehrswert der Sache (Crome,
  447. System des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 3, S. 410 Fn. 25; Hedemann,
  448. Sachenrecht, 3. Aufl., S. 193; Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation,
  449. S. 147 Fn. 506; Planck/Brodmann, BGB, 5. Aufl., § 989 Anm. 3). Der Besitzer
  450. sollte aus dem Eigentümer-Besitzerverhältnis nicht zum Ersatz weitergehender
  451. Schäden - wie eines dem Eigentümer entgangenen Gewinns - verpflichtet sein
  452. (Westermann, Sachenrecht, 5. Aufl., S. 152; Westermann/Pinger, Sachenrecht,
  453. 6. Aufl., S. 217; Wieling, MDR 1972, 645, 646 f.).
  454. 34
  455. (2) Nach heutiger Auslegung der Vorschrift hat der auf Herausgabe
  456. verklagte Besitzer dem Eigentümer jedoch sämtliche Vermögensschäden zu ersetzen, die diesem daraus entstehen, dass er die Sache nicht herausgeben
  457. kann. Der Eigentümer kann den vollen Ersatz seines Schadens einschließlich
  458. eines entgangenen Gewinns verlangen (BGH, Urteil vom 5. Mai 1982 - VIII ZR
  459. 162/81, NJW 1982, 1751; Senat, Urteil vom 29. Januar 1993 - V ZR 160/91,
  460. NJW-RR 1993, 626, 627; Bamberger-Roth/Fritzsche, 3. Aufl., § 989 Rn. 14; NKBGB/Schanbacher, 3. Aufl., § 989 Rn. 18; Soergel/Stadler, BGB, 13. Aufl.,
  461. § 989 Rn. 16; Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB [2009], § 292 Rn. 10; Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 989 Rn. 24). Dem verklagten Besitzer ist die
  462. Pflicht auferlegt, sich als Verwalter einer fremden Sache zu betrachten und
  463. - 13 -
  464. dafür zu sorgen, dass sie an den Eigentümer herausgegeben werden kann
  465. (Motive III, 3. 408 und
  466. Denkschrift zum Sachenrecht, S. 132 = Mugdan,
  467. Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. III S. 227 und S. 978). Verletzt
  468. der Besitzer diese Pflicht, haftet er - wie bei der Verletzung anderer
  469. schuldrechtlicher Pflichten - dem Eigentümer auf den Ersatz der diesem daraus
  470. entstandenen Vermögensschäden. Der Besitzer hat danach beispielsweise
  471. auch Ersatz für eine dem Eigentümer entgangene staatliche Subvention
  472. (Milchprämie) zu leisten, die der Eigentümer erhalten hätte, wenn der Besitzer
  473. ihm die Sache (Viehbestand) hätte herausgeben können (Senat, Urteil vom
  474. 29. Januar 1993 - V ZR 160/91, NJW-RR 1993, 626, 627). Gemessen daran hat
  475. der Beklagte der Klägerin nach § 989 BGB auch den auf den besonderen
  476. Verhältnissen des Zeitschriftenvertriebs beruhenden Vertriebsschaden zu
  477. ersetzen, welcher daraus entsteht, dass die Klägerin - weil der Beklagte die von
  478. ihm verkauften Zeitschriften nicht herausgeben kann - von ihren Lieferanten auf
  479. Rückvergütung der erstatteten Einkaufspreise wegen erneuten Vertriebs dieser
  480. Zeitschriften in Anspruch genommen wird.
  481. 35
  482. cc) Die Schadensersatzpflicht des Beklagten ist schließlich nicht deshalb
  483. ausgeschlossen,
  484. weil
  485. die
  486. Klägerin
  487. von
  488. ihm
  489. den
  490. Ausgleich
  491. der
  492. Vermögenseinbuße verlangt, die auf dem Missbrauch der Handlungsvollmacht
  493. des Streithelfers durch die Veräußerung nicht mehr zum Verkehr bestimmter
  494. Zeitschriften beruhte, von dem der Beklagte nichts wusste. Der Umstand, dass
  495. die
  496. Verhältnisse
  497. im
  498. Unternehmen
  499. der
  500. Klägerin
  501. die
  502. Entstehung
  503. des
  504. Vertriebsschadens erst ermöglicht haben, ist allerdings nicht unbeachtlich,
  505. sondern kann gegenüber dem Schadensersatzanspruch nach § 989 BGB den
  506. Einwand
  507. unzulässiger
  508. Rechtsausübung
  509. (§ 242
  510. BGB)
  511. sowie
  512. des
  513. Mitverschuldens an der Schadensentstehung (§ 254 Abs. 1 Satz 1 BGB)
  514. begründen (dazu unten III.1.).
  515. 36
  516. B. Ebenfalls rechtsfehlerhaft ist die Abweisung der Klageanträge zu 3
  517. und zu 4, mit denen die Klägerin von dem Beklagten die Herausgabe des
  518. Erlöses aus dem Verkauf dieser Zeitschriften verlangt.
  519. - 14 -
  520. 37
  521. 1. Ein Anspruch der Klägerin aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht allerdings nicht, weil der Beklagte das Eigentum an den Zeitschriften erworben hatte
  522. (siehe oben A. 1) und daher als Berechtigter verfügte.
  523. 38
  524. 2. Ein Anspruch auf Herausgabe des von dem Beklagten erzielten
  525. Erlöses aus der Veräußerung der Zeitschriften kann sich jedoch ebenfalls aus
  526. der verschärften Bereicherungshaftung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, § 819
  527. Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 285 Abs. 1 BGB ergeben. Der verschärft haftende
  528. Bereicherungsschuldner hat, wenn ihm die Herausgabe des Empfangenen
  529. infolge einer Veräußerung an einen Dritten nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich
  530. geworden ist, dem Gläubiger auf dessen Verlangen das rechtsgeschäftlich
  531. erlangte Surrogat herauszugeben (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1979 - VII ZR
  532. 285/78, BGHZ 75, 203, 205 ff. und Urteil vom 25. März 1982 - VII ZR 60/81,
  533. BGHZ 83, 293, 300 beide zu § 281 BGB a.F.).
  534. III.
  535. 39
  536. Die
  537. Sache
  538. ist
  539. nicht
  540. entscheidungsreif
  541. und
  542. deshalb
  543. an
  544. das
  545. Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen
  546. (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt
  547. aus folgerichtig - keine Feststellungen zu den Einwendungen des Beklagten getroffen hat.
  548. 40
  549. 1. Zum Schadensersatzanspruch:
  550. 41
  551. a) Ein Anspruch auf Ersatz des Vertriebsschadens bestünde nicht, wenn
  552. die Geschäftsführer der Klägerin über die Veräußerungen der Remissionsware
  553. durch den Streithelfer - wie von dem Beklagten und von dem Streithelfer
  554. behauptet - informiert gewesen wären und diese gebilligt hätten. Das Verlangen
  555. der Klägerin auf Ersatz dieses Schadens stellte sich dann als ein mit dem
  556. Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbarer Rechtsmissbrauch
  557. dar. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das
  558. Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere
  559. Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der
  560. - 15 -
  561. Gegenpartei im Hinblick darauf vorrangig schutzwürdig sind (BGH, Urteil vom
  562. 12. November 2008 - XII ZR 134/04, NJW 2009, 1343 Rn. 41; Urteil vom
  563. 15. November 2012 - IX ZR 103/11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12).
  564. 42
  565. b) Der Anspruch auf Ersatz des Vertriebsschadens nach § 989 BGB
  566. kann auch nach § 254 Abs. 1 BGB gänzlich wegfallen oder zu mindern sein.
  567. § 254 BGB ist auf den Schadensersatzanspruch nach § 989 BGB anzuwenden
  568. (BGH, Urteil vom 8. Juli 1954 - IV ZR 31/54, LM Nr. 4 zu § 366 HGB; Urteil vom
  569. 21. Februar 1962 - VIII ZR 190/60, WM 1962, 507, 509; Staudinger/Gursky,
  570. BGB [2013], § 989 Rn. 34 mwN). Nach dem Grundgedanken dieser Vorschrift
  571. ist es nicht statthaft dass der Geschädigte den Schädiger zur Rechenschaft
  572. zieht, ohne dabei zu berücksichtigen, dass er selbst die gefährliche Lage
  573. geschaffen oder mitgeschaffen hat, in der sich der von dem Schädiger zu
  574. vertretende Beitrag zur Schadensentstehung auswirken konnte (BGH, Urteil
  575. vom 21. Februar 1962 - VIII ZR 190/60, aaO). Insoweit wird unter Abwägung
  576. der von den Parteien dazu vorgetragenen Umstände zu berücksichtigen sein,
  577. ob der Schaden, der der Klägerin durch das unerlaubte Inverkehrbringen von
  578. Remissionsware entstanden ist oder noch entstehen wird, ganz oder zu einem
  579. erheblichen Teil auf Organisationsmängel im Haus der Klägerin zurückzuführen
  580. und daher von ihr zu verantworten ist.
  581. 43
  582. 2. Zum Anspruch auf Herausgabe des Erlöses:
  583. 44
  584. a)
  585. Dieser
  586. Anspruch
  587. setzt
  588. die
  589. verschärfte
  590. Haftung
  591. des
  592. Bereicherungsschuldners nach § 819 Abs. 1 BGB voraus. Sie entfällt
  593. grundsätzlich, wenn der Leistende den Mangel des Rechtsgrunds kennt oder
  594. der Empfänger eine solche Kenntnis bei ihm annimmt (RGZ 137, 171, 179; 151,
  595. 361, 376; jurisPK-BGB/Martinek, § 819 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Schwab,
  596. 6. Aufl., § 819 Rn. 5; aA Bamberger-Roth/Wendehorst, 3. Auflage, § 819 Rn. 4).
  597. Beruht die Nichtigkeit des Vertrags aber auf einem kollusiven Zusammenwirken
  598. mit dem Vertreter des Leistenden, ist das Vertrauen des Empfängers, die
  599. Leistung behalten zu dürfen, nicht schutzwürdig. Hat der Empfänger einer
  600. Leistung mit einem Vertreter des Leistenden in sittenwidriger Weise
  601. - 16 -
  602. zusammengewirkt, haftet er nur dann nicht verschärft nach § 819 Abs. 1 BGB,
  603. wenn die Leistung auch in Kenntnis des Vertretenen vom Mangel des
  604. Rechtsgrunds erfolgt ist und von diesem deswegen nach § 814 BGB nicht
  605. kondiziert werden kann. Hierfür wäre von dem Beklagten die Kenntnis der
  606. Geschäftsführer von seinen Zahlungen an den Streithelfer nachzuweisen (vgl.
  607. BGH, Urteil vom 22. September 1980 - II ZR 271/79, WM 1980, 1451, 1452).
  608. 45
  609. b) Auch dieser Anspruch der Klägerin kann nach dem Rechtsgedanken
  610. des § 254 Abs. 1 BGB begrenzt sein, wenn ihre Geschäftsführer - obwohl sie
  611. Anlass dazu gehabt hätten, gegen den Streithelfer einzuschreiten - fünf Jahre
  612. lang nichts gegen die von diesem vorgenommenen Verkäufe unternommen
  613. haben (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1968 - II ZR 208/64, BGHZ 50, 112, 115).
  614. Der in § 254 BGB enthaltene Ausgleichsgedanke ist auf andere als
  615. Schadensersatzansprüche anzuwenden, wenn sich das Verlangen eines vollen
  616. Ausgleichs angesichts der eigenen Verantwortung des Gläubigers als
  617. unzulässige Rechtsausübung darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 1971
  618. - VII ZR 313/69, BGHZ 57, 137, 152). So verhielte es sich, wenn die
  619. Geschäftsführer der Klägerin - wie von dem Beklagten und dem Streithelfer
  620. unter Beweisantritt vorgetragen - über die Veräußerungen unterrichtet waren
  621. oder aber diese bei der gebotenen Kontrolle des Streithelfers hätten erkennen
  622. müssen.
  623. 46
  624. 3. Die Klägerin kann den Anspruch auf Schadensersatz nach § 989 BGB
  625. neben dem Anspruch auf Herausgabe des von dem Beklagten erzielten
  626. Veräußerungserlöses nach § 285 BGB geltend machen. Allerdings mindert sich
  627. ihr Schadensersatzanspruch nach § 285 Abs. 2 BGB um den Wert des von
  628. dem Beklagten erlangten Ersatzes (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 1958 - II ZR
  629. 355/56, NJW 1958, 1040, 1041). Das ist bei der beantragten Feststellung der
  630. Verpflichtung
  631. auszusprechen.
  632. des
  633. Beklagten
  634. zum
  635. Ersatz
  636. des
  637. Vertriebsschadens
  638. - 17 -
  639. 47
  640. 4. Zum Auskunftsanspruch:
  641. 48
  642. Dem Klageantrag zu 1 auf Auskunft ist - weil dem Auskunftsanspruch
  643. lediglich eine Hilfsfunktion für die Durchsetzung des Leistungsanspruchs
  644. zukommt (BGH, Beschluss vom 16. Juni 2000 - BLw 30/99, WM 2000, 2555)
  645. - stattzugeben, wenn nach dem Ergebnis der noch durchzuführenden
  646. Beweisaufnahme einer der beiden geltend gemachten Ansprüche (ggf. nur in
  647. Höhe eines Anteils) dem Grunde nach besteht.
  648. Stresemann
  649. Lemke
  650. Weinland
  651. Czub
  652. Kazele
  653. Vorinstanzen:
  654. LG Hanau, Entscheidung vom 15.11.2010 - 9 O 831/10 OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 26.04.2012 - 6 U 271/10 -