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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 168/14
  5. Verkündet am:
  6. 12. Juni 2015
  7. Langendörfer-Kunz
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2
  19. LNRG RP § 37 Abs. 1
  20. Ein „Übertritt“ von Niederschlagswasser im Sinne des § 37 Abs. 1 LNRG RheinlandPfalz setzt keinen oberirdischen Zufluss voraus. Dem Eigentümer eines Grundstücks
  21. steht auch dann ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m.
  22. § 37 Abs. 1 LNRG Rheinland-Pfalz zu, wenn infolge baulicher Anlagen auf dem
  23. Nachbargrundstück (unterirdisch) vermehrt Sickerwasser auf sein Grundstück gelangt.
  24. BGH, Urteil vom 12. Juni 2015 - V ZR 168/14 - OLG Zweibrücken
  25. LG Kaiserslautern
  26. -2-
  27. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 12. Juni 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
  29. Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, den Richter Dr. Roth, die Richterin
  30. Dr. Brückner und den Richter Dr. Göbel
  31. für Recht erkannt:
  32. Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 12. Juni 2014
  33. wird auf Kosten des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils der 3. Zivilkammer des
  34. Landgerichts Kaiserslautern vom 26. Oktober 2012 berichtigend und klarstellend wie folgt neu gefasst wird:
  35. Der Beklagte wird verurteilt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, durch die verhindert wird, dass aufgrund der baulichen Gestaltung seines Grundstücks in M.
  36. im Grundbuch für M.
  37. (eingetragen
  38. , Flurstück-Nummer 76/1) vermehrt
  39. Sickerwasser von diesem Grundstück in das angrenzende
  40. Gartengrundstück des Klägers (H.
  41. getragen im Grundbuch für M.
  42. straße 4 in M.
  43. , ein-
  44. , Flurstück-Nummer
  45. 662/74) einsickert, dort den Grundwasserstand erhöht und
  46. die Nutzbarkeit des Grundstücks beeinträchtigt.
  47. Von Rechts wegen
  48. -3-
  49. Tatbestand:
  50. 1
  51. Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Der Beklagte,
  52. der eine Kfz-Werkstatt betreibt, hat auf seinem Grundstück einen KfzAbstellplatz mit Halle errichtet. Das Hallengelände ist u.a. durch Verbundsteinpflaster teilweise versiegelt. Ein Anschluss an die öffentliche Kanalisation ist
  53. nicht vorhanden. Es existiert eine Versickerungsanlage, um deren Wirksamkeit
  54. die Parteien streiten, sowie eine „Aufkantung“, die das Grundstück des Beklagten zu dem Grundstück des Klägers abgrenzt. Der Kläger behauptet, das benachbarte Grundstück sei baulich so gestaltet, dass Sickerwasser auf sein
  55. Grundstück gelange; durch den dadurch erhöhten Grundwasserspiegel werde
  56. dessen gärtnerische bzw. landwirtschaftliche Nutzung wesentlich beeinträchtigt.
  57. 2
  58. Das Landgericht hat den Beklagten - soweit für das Revisionsverfahren
  59. von Interesse - antragsgemäß verurteilt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen,
  60. durch die verhindert wird, dass Sickerwasser in das angrenzende Grundstück
  61. des Klägers einsickert, dort den Grundwasserstand erhöht und zu Schäden sowie einer eingeschränkten - auch landwirtschaftlichen - Nutzbarkeit des Gartens
  62. führt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt der Beklagte seinen
  63. Klageabweisungsantrag weiter.
  64. Entscheidungsgründe:
  65. I.
  66. 3
  67. Das Berufungsgericht nimmt aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme an, dass das Grundstück des Klägers durch Zufluss von Niederschlagswasser von dem benachbarten Grundstück beeinträchtigt werde. Hier-
  68. -4-
  69. für sei der Beklagte aufgrund der baulichen Gestaltung seines Grundstücks
  70. (Auffüllung, Bebauung, Teilversiegelung, Versickerungsanlage) als Störer verantwortlich. Der Kläger sei nicht zur Duldung dieser Beeinträchtigung gemäß
  71. § 1004 Abs. 2 BGB i.V.m. § 37 Landesnachbarrechtsgesetz Rheinland-Pfalz
  72. (im Folgenden: LNRG) verpflichtet. Dem stehe nicht entgegen, dass nach den
  73. Ausführungen der Sachverständigen das Wasser nicht oberirdisch, sondern
  74. durch Versickerung in den angrenzenden Garten des Klägers gelange. Bei
  75. dem „Übertritt“ von Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück im Sinne
  76. des Gesetzes handele es sich um einen weit gefassten Begriff, der als Auffangtatbestand alle Formen einer dem Nachbarn zuzurechnenden Zuführung umfasse. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass das Gesetz Verhaltensweisen, wie sie hier bezüglich des Beklagten festgestellt worden seien, habe
  77. gestatten wollen. Eine nur unwesentliche Beeinträchtigung des klägerischen
  78. Gartens liege nicht vor. Mangels näheren Vortrags des Beklagten könne auch
  79. nicht von einer Ortsüblichkeit im Sinne von § 906 Abs. 2 BGB ausgegangen
  80. werden.
  81. II.
  82. 4
  83. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.
  84. 5
  85. 1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die von dem Berufungsgericht aufrechterhaltene Verurteilung des Beklagten nicht deshalb auf eine unmögliche Handlung gerichtet, weil es sich bei dem im Urteil des Landgerichts
  86. aufgeführten Flurstücken Nr. 76 und 357/77 nicht um die an das Grundstück
  87. des Klägers angrenzende Grundstücke handelt. Bei der Bezeichnung der Flurstücke ist dem Landgericht eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des
  88. § 319 Abs. 1 ZPO unterlaufen, zu deren Berichtigung der Senat als mit der Sache befasstes Rechtsmittelgericht befugt ist (BGH, Urteil vom 10. Juli 1991
  89. -5-
  90. - IV ZR 155/90, NJW-RR 1991, 1278). Auf der Grundlage des sowohl von dem
  91. Landgericht als auch von dem Berufungsgericht in Bezug genommen Lageplans, gegen dessen Richtigkeit der Beklagte keine Einwendungen erhebt,
  92. ergibt sich zweifelsfrei, dass sich seine Verurteilung auf das Grundstück mit der
  93. Flurstück-Nummer 76/1 beziehen soll. Dahingehend ist der Tenor des Urteils
  94. des Landgerichts zu berichtigen.
  95. 6
  96. 2. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 37 Abs. 1
  97. LNRG zusteht.
  98. 7
  99. a) Der Eigentümer eines Grundstücks kann sich grundsätzlich gegen die
  100. von einem Nachbargrundstück ausgehenden Einwirkungen, die sein Eigentum
  101. beeinträchtigen, zur Wehr setzen (§ 1004 BGB). Inhalt und Umfang des Anspruchs aus § 1004 BGB im Einzelnen ergeben sich bei derartigen Beeinträchtigungen aus der gesetzlichen Regelung des Nachbarrechts, das durch einen
  102. Ausgleich der einander widerstreitenden Interessen der Nachbarn gekennzeichnet ist und sich nicht nur als Bundesrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch
  103. befindet (§§ 906 ff. BGB), sondern auch in den die allgemeinen nachbarrechtlichen Bestimmungen ändernden und ergänzenden Vorschriften des Bundesrechts (z.B. § 37 WHG) sowie in den Vorschriften des Landesrechts enthalten
  104. ist, die nach Art. 1 Abs. 2 und Art. 124 Satz 1 EGBGB dem Landesgesetzgeber
  105. vorbehalten sind. Nur in dem hiernach gegebenen Rahmen kann der Eigentümer Beeinträchtigungen abwehren (vgl. Senat, Urteil vom 12. November 1999
  106. - V ZR 229/98, NJW-RR 2000, 537, 538).
  107. 8
  108. b) Inwieweit der Kläger den Zufluss vermehrten Sickerwassers auf sein
  109. Grundstück verhindern kann, richtet sich nach § 37 Abs. 1 LNRG. Hiernach
  110. müssen der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte eines Grundstücks ihre
  111. -6-
  112. baulichen Anlagen so einrichten, dass Niederschlagswasser nicht auf das
  113. Nachbargrundstück tropft, auf diese abgeleitet wird oder übertritt. Demgegenüber ist weder die Vorschrift des § 906 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB anwendbar
  114. noch kann auf die wasserrechtlichen Vorschriften des § 82 Landeswassergesetz Rheinland-Pfalz (im Folgenden: LWG) bzw. - mit Inkrafttreten ab dem
  115. 1. März 2010 - des § 37 WHG abgestellt werden.
  116. 9
  117. aa) Als sog. Grobimmission zählt der Wasserzufluss als solcher nicht zu
  118. den Immissionen im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB (Senat, Urteil vom
  119. 2. März 1984 - V ZR 54/83, BGHZ 90, 255, 258). Etwas anderes gilt nur, wenn
  120. eine unwägbare Substanz im Sinne der Vorschrift in abfließendes Regenwasser gerät und auf diese Weise dem Nachbargrundstück zugeführt wird (Senat,
  121. Urteil vom 2. März 1984 - V ZR 54/83, BGHZ 90, 255, 259). Daher ist § 906
  122. BGB bei der Beurteilung, ob ein Eigentümer einen von einem Nachbargrundstück herrührenden Wasserzufluss dulden muss, grundsätzlich nicht heranzuziehen. Anders als das Berufungsgericht meint, kommt es deshalb für das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs des Klägers gemäß § 1004 Abs. 1 Satz
  123. 2 BGB nicht darauf an, ob der Wasserzufluss ortsüblich im Sinne von § 906
  124. Abs. 2 Satz 1 BGB ist. Dem steht nicht entgegen, dass nach der ständigen
  125. Rechtsprechung des Senats ein Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs.
  126. 2 Satz 2 BGB auch bei Störungen durch Grobimmissionen wie Wasser in Betracht kommt (Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157,
  127. 188, 190; Senat, Urteil vom 25. Oktober 2013 - V ZR 230/12, BGHZ 198, 327
  128. Rn. 7). Um einen solchen Anspruch geht es hier nämlich nicht.
  129. 10
  130. bb) Die wasserrechtlichen Vorschriften der §§ 82 LWG, 37 WHG finden
  131. nur auf wild abfließendes Wasser Anwendung, also auf Wasser, das unmittelbar auf den unversiegelten Boden fällt. Hiervon zu unterscheiden ist sog. Baulichkeitswasser, das von einem auf dem Nachbargrundstück stehenden Ge-
  132. -7-
  133. bäude bzw. einer baulichen Anlage auf das bebaute Grundstück abgelaufen
  134. und von dort auf das Nachbargrundstück gelangt ist. Auf dieses ist die Vorschrift des § 37 LNRG anzuwenden (vgl. hierzu Hülbusch/Bauer/Schlick,
  135. Nachbarrecht für Rheinland-Pfalz und das Saarland, 6. Aufl., Einführung §§ 3738, Rn. 6 sowie § 37 Rn. 3; siehe auch BGH, Urteil vom 25. März 1982
  136. - III ZR 202/80, MDR 1982, 827 zu § 27 Abs. 1 Nachbargesetz NW). Der Vorrang des Nachbarrechts gegenüber dem Wasserrecht gilt auch dann, wenn
  137. Niederschlagswasser von einer baulichen Anlage zunächst auf das eigene
  138. Grundstück abfließt und anschließend auf das Nachbargrundstück übertritt (vgl.
  139. BGH aaO).
  140. 11
  141. c) Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, dass der Beklagte
  142. gegen die Vorschrift des § 37 Abs. 1 LNRG verstößt.
  143. 12
  144. aa) Allerdings entspricht es - soweit ersichtlich - nahezu einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass ein „Übertreten“ von Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück nur gegeben ist, wenn es sich um
  145. einen oberirdischen Zufluss von einem Grundstück auf das Nachbargrundstück
  146. handelt. Demgegenüber sollen die nachbarrechtlichen Vorschriften keinen Beseitigungsanspruch begründen, wenn das Wasser auf dem Grundstück, auf
  147. dem es als Niederschlag auftrifft, einsickert und dabei den Boden des Nachbargrundstücks unterirdisch durchfeuchtet (vgl. OLG Frankfurt, OLGR 1998,
  148. 338 zu § 26 Abs. 1 HessNRG; OLG Köln, Urteil vom 14. Mai 2010
  149. - 19 U 120/09, juris und VersR 2003, 911, jeweils zu § 27 Abs. 1 NachbG
  150. NRW; Dehner, Nachbarrecht, 7. Aufl., B § 26 III.1 c); Hülbusch/Bauer/Schlick,
  151. Nachbarrecht für Rheinland-Pfalz und das Saarland, 6. Aufl., § 37 Rn. 3; Schäfer/Fink-Jamann/Peter,
  152. Nachbarrechtsgesetz
  153. für
  154. Nordrhein-Westfalen,
  155. 16. Aufl., § 27 Rn. 5 zu § 27 NachbG NRW; a. A. Lehmann, Kommentar zum
  156. Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetz und zum Nachbarrecht des BGB,
  157. -8-
  158. 3. Aufl., § 45 Rn. 6 zu § 45 NachbG Niedersachsen). Zur Begründung wird im
  159. Wesentlichen auf den Wortlaut der nachbarrechtlichen Vorschriften verwiesen.
  160. Bei einem Einsickern in den Boden könne man nicht davon sprechen, dass
  161. Niederschlagswasser „übertrete" (Dehner, Nachbarrecht, 7. Aufl., B § 26
  162. III.1 c).
  163. bb) Der Senat hat sich zum Begriff des „Übertretens“ bislang nicht ge-
  164. 13
  165. äußert. Soweit er in dem Urteil vom 12. November 1999 (V ZR 229/98, NJWRR 2000, 537) die Auslegung der gleichlautenden Vorschrift des § 26 Abs. 1
  166. HessNRG durch das Oberlandesgericht Frankfurt (OLGR 1998, 338) nicht beanstandet hat, beruhte dies auf der nach dem damaligen Revisionsrecht (§ 549
  167. Abs. 1 ZPO a.F.) fehlenden Revisibilität des hessischen Nachbarrechtsgesetzes.
  168. 14
  169. Sachlich überzeugt die Differenzierung zwischen einem oberirdischen
  170. und einem unterirdischen Wasserzufluss nicht. § 37 Abs. 1 LNRG findet auch
  171. dann Anwendung, wenn die baulichen Anlagen auf einem Grundstück die Ursache dafür sind, dass mehr Sickerwasser auf das Nachbargrundstück gelangt
  172. als dies ohne die baulichen Anlagen der Fall wäre.
  173. 15
  174. (1) Der Wortlaut der Vorschrift steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Ebenso wie bei den anderen Alternativen des § 37 Abs. 1 LNRG, nämlich dem Tropfen und dem Ableiten von Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück, wird auch mit dem „Übertreten“ eine Modalität der Ortsveränderung des Wassers von dem einen Grundstück auf das andere beschrieben.
  175. Begrifflich ist diese Modalität nicht auf einen oberirdischen Zufluss beschränkt.
  176. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Ausdruck „übertreten“ unter anderem
  177. im Sinne von „irgendwohin gelangen“ (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der
  178. deutschen Sprache, 3. Aufl., Band 9, Stichwort „übertreten“) oder aber auch im
  179. -9-
  180. Sinne von „etwas gelangt in etwas hinein“ (vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches
  181. Wörterbuch, Sechster Band 1981, Stichwort „übertreten“) verstanden.
  182. 16
  183. (2) Für die Anwendung der Vorschrift auf durch die Bebauung des
  184. Nachbargrundstücks bedingtes vermehrt eindringendes Sickerwasser spricht
  185. vor allem ihr Zweck.
  186. 17
  187. (a) Eine grundsätzliche Pflicht des Eigentümers eines Grundstücks, den
  188. Ablauf des Niederschlagwassers auf das Nachbargrundstück zu verhindern,
  189. gibt es allerdings nicht. Soweit die natürliche Gestaltung des Bodens einen solchen Abfluss bewirkt, muss der Grundstückseigentümer deshalb keine besonderen Maßnahmen ergreifen, um dem entgegen zu wirken (Dehner, Nachbarrecht, 7. Aufl., B § 26 III.1 b). So liegt der Fall, wenn das Wasser im Untergrund auf eine - naturgegebene - wasserundurchlässige Schicht trifft und seinem natürlichen Fluss folgend auf das Nachbargrundstück gelangt (vgl. hierzu
  190. Hülbusch/Bauer/Schlick, Nachbarrecht für Rheinland-Pfalz und das Saarland,
  191. 6. Aufl., § 37 Rn. 3). Dann obliegt es dem Eigentümer des Nachbargrundstücks, sich um den Schutz seines Grundstücks zu kümmern (BGH, Urteil vom
  192. 18. April 1991 - III ZR 1/90, BGHZ 114, 183, 188 f; Senat, Urteil vom 17. Oktober 2013 - V ZR 15/13, NZM 2014, 366 Rn. 10).
  193. 18
  194. (b) Wenn der Eigentümer jedoch auf seinem Grundstück bauliche Anlagen errichtet, die ursächlich dafür sind, dass dem Nachbargrundstück vermehrt
  195. Niederschlagswasser zugeführt wird, greift er in den natürlichen Ablauf des
  196. Wassers ein. Gegen solche Beeinträchtigungen seines Eigentums soll § 37
  197. Abs. 1 LNRG den Nachbarn schützen (vgl. hierzu Dehner, Nachbarrecht,
  198. 7. Aufl., § 26 III. 2 b). Bauliche Anlagen können aber nicht nur dazu führen,
  199. dass Niederschlagswasser, das ohne die Anlagen auf dem Grundstück verblieben wäre, von der Oberfläche des Grundstücks auf die Oberfläche des Nach-
  200. - 10 -
  201. bargrundstücks fließt. Ebenso können die baulichen Anlagen zur Folge haben,
  202. dass das Niederschlagswasser nur teilweise auf dem Grundstück versickert
  203. und als Sickerwasser unterirdisch vermehrt auf das Nachbargrundstück übertritt. Der Eigentümer ist in beiden Fällen gleichermaßen schutzwürdig. So liegt
  204. es, wenn die baulichen Anlagen dazu führen, dass das Niederschlagswasser
  205. gesammelt an einer bestimmten Stelle auf dem Grundstück auftrifft, und diese
  206. Konzentration die ansonsten erfolgende weit- und tiefflächige Versickerung
  207. verhindert und zu einem vermehrten unterirdischen Zufluss von Sickerwasser
  208. auf dem Nachbargrundstück führt. Entsprechendes gilt, wenn das Niederschlagswasser in einer Bodenschicht auf einer Betondecke stehen bleibt und
  209. wegen der fehlenden Versickerungsmöglichkeit von dort aus unterirdisch auf
  210. das Nachbargrundstück gelangt (vgl. den Sachverhalt in der Entscheidung des
  211. OLG Frankfurt, OLGR 1998, 338).
  212. 19
  213. Diese weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Übertreten“ steht
  214. auch im Einklang mit der Auslegung der Alternative des „Ableitens“ von Niederschlagswasser i.S.d. § 37 Abs. 1 LNRG. Der Zweck der Vorschrift, den Eigentümer vor einem Eingriff in den natürlichen Ablauf des Wassers zu schützen, gebietet es, unter einem „Ableiten“ sowohl das ober- als auch das unterirdische gezielte oder unbewusste Ableiten zu verstehen (so auch Schäfer/FinkJamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz für Nordrhein-Westfalen, 16. Aufl., § 27
  215. Rn. 5 zu § 27 NachbG NRW). Es kann keinen Unterschied machen, ob ein
  216. Grundstückseigentümer, der das auf seinen baulichen Anlagen niedergehende
  217. Wasser auffängt und es über ein Rohr auf das benachbarte Grundstück ableitet, das Rohr ober- oder unterirdisch verlegt.
  218. 20
  219. (3) Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass die Vorschrift in dem
  220. mit „Dachtraufe“ überschriebenen Abschnitt des rheinland-pfälzischen Nachbarrechtsgesetzes steht. Zwar mag diese Überschrift Vorschriften erwarten
  221. - 11 -
  222. lassen, die sich mit dem Traufwasser befassen, also Niederschlagswasser, das
  223. vom Dach abtropft oder über Dachrinnen und Fallrohre abgeleitet wird. Hierauf
  224. beschränkt sich der Abschnitt jedoch nicht. Er ist deshalb so überschrieben,
  225. weil der Gesetzgeber in bewusster Abkehr vom Gemeinen Recht und einigen
  226. Landesrechten aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzesbuchs, die ein Traufrecht kannten (ein Recht, Niederschlagswasser vom Dach
  227. auf das Nachbargrundstück abtropfen zu lassen), den Grundstückseigentümer
  228. verpflichtet, kein Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück abzuleiten
  229. (Dehner, Nachbarecht, § 26 II und III; siehe auch die Begründung des Entwurfs
  230. eines Nachbarrechtsgesetzes für Rheinland-Pfalz, Drucksache VI/1048, S. 33
  231. des Landtags Rheinland-Pfalz). Dieser weiter greifenden Zielsetzung entspricht
  232. gerade ein Normverständnis, das nicht der ursprünglichen Vorstellung des vom
  233. Dach tropfenden Niederschlagswassers verhaftet bleibt, sondern auf die bebauungsbedingte Veränderung des Abflusses des Niederschlagswassers zu
  234. Lasten des Nachbarn abstellt. Dann aber kommt es auf den Weg, den das Niederschlagswasser vermehrt zum Nachbarn nimmt, nicht entscheidend an.
  235. 21
  236. (c) Der Hinweis der Revision auf die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 2
  237. LWG, aus der sich der Vorrang der Versickerung des Niederschlagswassers
  238. vor einer Einleitung in die öffentliche Kanalisation ergebe, rechtfertigt ebenfalls
  239. keine abweichende Beurteilung. Dieser Vorrang ändert nichts an der aus § 37
  240. Abs. 1 LNRG folgenden Verpflichtung des Grundstückseigentümers, das Übertreten von (vermehrtem) Sickerwasser auf das Nachbargrundstück zu verhindern.
  241. 22
  242. (d) Unerheblich ist ferner der Einwand der Revision, der Grundstückseigentümer sei mit der Zuleitung des Sickerwassers zum Grundwasser seiner
  243. eigentümerrechtlichen Verantwortung entzogen, weil das Grundwasser nicht in
  244. seinem Eigentum stehe. Die in § 37 Abs. 1 LNRG normierte Pflicht knüpft an
  245. - 12 -
  246. die Gestaltung der baulichen Anlagen an, die sich auf dem Grundstück befinden und die die Ursache für den vermehrten Zufluss von Niederschlagswasser
  247. auf das Nachbargrundstück darstellen. Auf die Eigentumsverhältnisse an dem
  248. Wasser kommt es hierfür nicht an.
  249. 23
  250. cc) § 37 Abs. 1 LNRG bedarf allerdings insoweit einer Einschränkung,
  251. als nicht jeder vermehrte, d. h. über die natürlichen Gegebenheiten hinausgehender Zufluss relevant ist. Er muss vielmehr zu einer Beeinträchtigung des
  252. Nachbargrundstücks führen (vgl. in diesem Sinne auch Schäfer/FinkJamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz für Nordrhein-Westfalen, 16. Aufl., § 27
  253. Rn. 2 zu § 27 NachbG NRW). Dies ist hier der Fall.
  254. 24
  255. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der vermehrte Übertritt von Sickerwasser von dem Grundstück des Beklagten auf das Grundstück
  256. des Klägers seinen Grund in den von dem Beklagten auf seinem Grundstück
  257. errichteten baulichen Anlagen. Diese verhindern eine vollständige Versickerung
  258. des Niederschlagswassers auf dem Grundstück des Beklagten. Die hieraus
  259. folgenden Beeinträchtigungen des klägerischen Grundstücks sind nicht unwesentlich, wie das Berufungsgericht ebenfalls festgestellt hat. Dass diese Feststellung im Rahmen der - systematisch verfehlten (siehe oben II.2.b) aa)) - Prüfung des § 906 BGB erfolgt ist, wirkt sich im Ergebnis nicht aus. Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft, sie aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
  260. 25
  261. d) An der Pflicht des Beklagten, durch geeignete Maßnahmen auf seinem Grundstück das - durch die bauliche Gestaltung bedingte - vermehrte Eindringen von Sickerwasser auf das klägerische Grundstück zu verhindern, änderte sich nichts, wenn der Kläger selbst durch eine Betonierung des eigenen
  262. Hofs zu einer Erhöhung des Grundwasserspiegels auf seinem Grundstück bei-
  263. - 13 -
  264. getragen haben sollte. Diesem Vorbringen des Beklagten musste das Berufungsgericht mangels Erheblichkeit nicht nachgehen. Die von dem Beklagten
  265. insoweit erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet.
  266. 26
  267. e) Auch die weitere Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch
  268. gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass nämlich weitere Beeinträchtigungen zu
  269. besorgen sind, ist erfüllt. Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
  270. der Beklagte das Eigentum des Klägers bereits beeinträchtigt hat, spricht für
  271. das Vorliegen der erforderlichen Wiederholungsgefahr eine tatsächliche Vermutung (vgl. Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03, NJW 2004,
  272. 1035, 1036).
  273. 27
  274. f) Die Verurteilung des Beklagten zu einem positiven Tun, nämlich zur
  275. Ergreifung geeigneter Maßnahmen, durch die verhindert wird, dass Sickerwasser von seinem Grundstück auf das Grundstück des Klägers einsickert, ändert
  276. nichts an dem Bestehen einer Unterlassungsverpflichtung. Es geht dem Kläger
  277. darum, künftige Störungen seines Eigentums zu verhindern. Lässt sich - wie
  278. hier - die drohende Beeinträchtigung nur durch aktives Eingreifen verhindern,
  279. schuldet der zur Unterlassung Verpflichtete das erforderliche positive Tun (Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1037).
  280. 28
  281. 3. Keinen Erfolg hat der Beklagte schließlich mit seiner auf § 547 Nr. 6
  282. ZPO gestützten Rüge, das Berufungsgericht habe die von ihm erhobene Einrede der Verjährung nicht geprüft.
  283. 29
  284. a) Zwar ist eine Entscheidung auch dann nicht mit Gründen im Sinne
  285. des § 547 Nr. 6 ZPO versehen, wenn sie - wie hier - auf selbständige Verteidigungsmittel wie die Einrede der Verjährung nicht eingeht (BGH, Beschluss vom
  286. 21. Dezember 1962 - I ZB 27/62, BGHZ 39, 333, 337; BGH, Urteil vom 24. Oktober 1990 - XII ZR 124/98, NJW-RR 1991, 194, 195). Eine Aufhebung und
  287. - 14 -
  288. Zurückverweisung ist gleichwohl nicht veranlasst, wenn das übergangene Verteidigungsmittel rechtlich unerheblich ist und deshalb nicht zu dem von der Revision
  289. angestrebten
  290. Erfolg
  291. führen
  292. kann
  293. (BGH,
  294. Beschluss
  295. vom
  296. 21. Dezember 1962 - I ZB 27/62, BGHZ 39, 333, 339; BGH, Urteil vom
  297. 24. Oktober 1990 - XII ZR 124/98, NJW-RR 1991, 194, 195).
  298. 30
  299. b) So liegt der Fall aber hier, weil der Anspruch des Klägers nicht verjährt ist. Es kann dahinstehen, ob dies bereits aus § 53 Abs. 2 LNRG bzw. § 53
  300. Abs. 3 LNRG a.F. (Fassung vom 15. Juni 1970) folgt, wonach die „übrigen Ansprüche nach diesem Gesetz“, d.h. alle Ansprüche nach dem Landesnachbarrechtsgesetz, die nicht auf Schadensersatz oder Zahlung von Geld gerichtet
  301. sind und für die die besondere Verjährungsregelung des § 53 Abs. 1 LNRG
  302. bzw. § 53 Abs. 1 und 3 LNRG a.F. gilt, nicht der Verjährung unterliegen. Auch
  303. wenn stattdessen die allgemeinen Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen
  304. Gesetzbuchs maßgeblich sein sollten (so Hülbusch/Bauer/Schlick, Nachbarrecht für Rheinland-Pfalz und das Saarland, 6. Aufl., § 37 Rn. 2 ff.; siehe allgemein zu dem Verhältnis zwischen einer Verjährungsregelung nach Landesnachbarrecht und einem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB Senat, Beschluss
  305. vom 4. März 2010 - V ZB 130/09, NJW-RR 2010, 807 Rn. 23 f.), ist keine Verjährung eingetreten.
  306. 31
  307. Der Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB verjährt
  308. in der Regelverjährungsfrist, die nach § 195 BGB a.F. dreißig Jahre betrug (vgl.
  309. Senat, Urteil vom 22. Juni 1990 - V ZR 3/89, NJW 1990, 2555, 2556) und ab
  310. dem 1. Januar 2002 nach §§ 195, 199 Abs. 4 BGB drei Jahre bzw. maximal
  311. 10 Jahre beträgt (vgl. Senat, Urteil vom 4. Juli 2014 - V ZR 183/13, NJW 2014,
  312. 2861 Rn. 7). In allen Fällen setzt der Lauf der Verjährungsfrist voraus, dass der
  313. Anspruch entstanden ist. Bei Unterlassungsansprüchen kommt es insoweit
  314. gemäß § 199 Abs. 5 BGB auf die Zuwiderhandlung an. Diese kann hier nicht
  315. - 15 -
  316. bereits in der nach dem Vortrag des Beklagten im Jahr 1991 erfolgten Errichtung der Halle gesehen werden. Der Schwerpunkt der Störung liegt vielmehr
  317. darin, dass es der Beklagte seit dieser Errichtung dauernd unterlässt, die baulichen Anlagen auf seinem Grundstück so einzurichten - beispielsweise durch
  318. eine ordnungsgemäße Entwässerung -, dass nicht vermehrt Niederschlagswasser auf das Grundstück des Klägers einsickert. Bei einer derartigen Sachlage kommt eine Verjährung des Unterlassungsanspruchs nicht in Betracht,
  319. wobei dahinstehen kann, ob es sich um eine einheitliche Dauerhandlung handelt, die den rechtswidrigen Zustand fortlaufend aufrechterhält und die Frist
  320. deshalb gar nicht in Gang gesetzt wird oder wiederholte Störungen jeweils
  321. neue Ansprüche begründen (vgl. Senat, Urteil vom 8. Mai 2015 - V ZR 178/14
  322. juris Rn. 9).
  323. III.
  324. 32
  325. 1. Die hiernach erfolglose Revision des Beklagten ist zurückzuweisen.
  326. Da allerdings in dem Tenor des von dem Berufungsgericht bestätigten erstinstanzlichen Urteils der für den Unterlassungsanspruch - auch nach Auffassung
  327. des Berufungsgerichts - erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der
  328. baulichen Gestaltung des Grundstücks des Beklagten und dem vermehrten
  329. Zufluss von Sickerwasser auf das Grundstück des Klägers nicht hinreichend
  330. deutlich zum Ausdruck kommt, hat der Senat den Tenor zur Klarstellung in diesem Sinne konkretisiert und auch im Übrigen unter Beachtung des interessegerecht ausgelegten Klagebegehrens neu gefasst.
  331. - 16 -
  332. 33
  333. 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
  334. Stresemann
  335. Schmidt-Räntsch
  336. Brückner
  337. Roth
  338. Göbel
  339. Vorinstanzen:
  340. LG Kaiserslautern, Entscheidung vom 26.10.2012 - 3 O 62/08 OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 12.06.2014 - 6 U 64/12 -