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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 113/01
  5. in dem Rechtsstreit
  6. Nachschlagewerk:
  7. BGHZ:
  8. Verkündet am:
  9. 22. Februar 2002
  10. K a n i k,
  11. Justizamtsinspektorin
  12. als Urkundsbeamtin
  13. der Geschäftsstelle
  14. ja
  15. nein
  16. _____________________
  17. § 179 BGB
  18. Das Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung steht einem in Anspruch genommenen Vertreter ohne Vertretungsmacht in Abwehr einer Haftung nach § 179
  19. BGB selbständig zu.
  20. BGH, Urt. v. 22. Februar 2002- V ZR 113/01 - OLG Frankfurt am Main
  21. LG Frankfurt am Main
  22. -2-
  23. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
  24. vom 22. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel, die Richterin Dr. Lambert-Lang und die Richter Tropf, Schneider und Dr. Lemke
  25. für Recht erkannt:
  26. Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des
  27. 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
  28. 14. Februar 2001 aufgehoben und das Urteil der 3. Zivilkammer
  29. des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16. Februar 1999 abgeändert:
  30. Die Klage wird abgewiesen.
  31. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
  32. Von Rechts wegen
  33. Tatbestand:
  34. Die Klägerin schloß am 29. Januar 1997 mit dem Sohn des Beklagten
  35. einen notariellen Vorvertrag über den Verkauf eines ihr gehörenden Grundstücks in O. Im Notartermin trat für sie die Ehefrau ihres Geschäftsführers, die
  36. Rechtsanwältin W., als Vertreterin ohne Vertretungsmacht und für seinen Sohn
  37. der Beklagte auf. Streitig ist, welche Erklärungen er dabei abgab. Der Sohn
  38. des Beklagten hat den Vertrag nicht genehmigt; die Klägerin hat ihn erst im
  39. Berufungsrechtszug genehmigt.
  40. -3-
  41. Mit der Klage nimmt die Klägerin den Beklagten als vollmachtlosen Vertreter auf Schadenersatz nebst Zinsen seit 15. April 1997 und die Feststellung
  42. in Anspruch, ihr allen weiteren Schaden zu ersetzen. Der Beklagte hat behauptet, sein vollmachtloses Handeln offen gelegt zu haben. Außerdem hat er
  43. den Vertrag angefochten mit der Behauptung, die Klägerin habe ihm eine ihr
  44. bekannte Ölverschmutzung des Grundstücks verschwiegen.
  45. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen
  46. Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung des
  47. Rechtsmittels.
  48. Entscheidungsgründe:
  49. I.
  50. Das Berufungsgericht hält die Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs aus § 179 Abs. 1 BGB für gegeben. § 179 Abs. 3 BGB stehe dem
  51. Ersatzanspruch nicht entgegen. Ebensowenig habe die Klägerin arglistig eine
  52. Ölkontamination des Grundstücks verschwiegen. Sie habe sich auf die Ansicht
  53. eines Sachverständigen verlassen dürfen, die Verschmutzungen beschränkten
  54. sich auf einen geringen Bereich und seien leicht und folgenlos zu beseitigen.
  55. Sie habe zudem davon ausgehen dürfen, den Beklagten als Nachbarn nicht
  56. über eine etwaige frühere Nutzung des Grundstücks als Tankstelle unterrichten
  57. zu müssen.
  58. Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
  59. -4-
  60. II.
  61. Eine Haftung des Beklagten als Vertreter ohne Vertretungsmacht kommt
  62. im Ergebnis schon deswegen nicht in Betracht, weil der Beklagte den Vorvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat. Die Frage der
  63. (fehlenden) Bevollmächtigung des Beklagten sowie einer evtl. Kenntnis der
  64. Klägerin hiervon kann deshalb dahinstehen.
  65. 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatte die Klägerin
  66. eine Aufklärungspflicht in bezug auf die - zumindest für möglich gehaltene Ölkontamination des Bodens, wie die Revision zu Recht rügt. Den Verkäufer
  67. eines Grundstücks trifft nämlich eine Offenbarungspflicht hinsichtlich solcher
  68. Umstände, die für die Entschließung des Käufers von entscheidender Bedeutung sind und deren Mitteilung er nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte
  69. (st. Rspr. des Senats, vgl. nur Urt. v. 20. Oktober 2000, V ZR 285/99, NJW
  70. 2001, 64 m.w.N.). Die Kontaminierung eines Grundstücks mit Öl stellt einen
  71. solchen offenbarungspflichtigen Umstand dar; der Verkäufer handelt arglistig,
  72. wenn er diesen Umstand verschweigt, obwohl er ihn kennt oder zumindest für
  73. möglich hält (vgl. Senat aaO).
  74. Die Klägerin ist nach ihrem eigenen, durch vorgelegte Urkunden untermauerten, Tatsachenvortrag durch Schreiben des Magistrats der Stadt O. am
  75. Main (Umweltamt) vom 24. Oktober 1996 über die "größenmäßig nicht unerhebliche Verunreinigung des Bodens" auf dem in Rede stehenden Grundstück
  76. informiert gewesen. Sie beauftragte deshalb mit Schreiben vom 12. November
  77. -5-
  78. 1996 - den Vorgaben des Umweltamts folgend - das Ingenieurbüro G./D. mit
  79. der "Durchführung der erforderlichen Arbeiten und Erstellung eines Gutachtens". Das Gutachten wurde am 21. Februar 1997, also erst nach Abschluß des
  80. Vorvertrages, fertiggestellt. Zu dieser Zeit befand sich das verunreinigte Erdreich noch auf dem Grundstück, wie das Gutachten ausdrücklich feststellt. Unter diesen Umständen hätte die Klägerin die ihr bekannte und in ihrem Umfang
  81. zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht definitiv geklärte Verunreinigung mit Öl nicht verschweigen dürfen. Das gilt um so mehr, als die Klägerin
  82. ausweislich des Gutachtens nicht nur am 3. Dezember 1996 sondern nochmals
  83. am 3. Februar 1997 den Gutachterauftrag u.a. auf den Abbruch und die Zwischenlagerung des verölten Pflasters auf dem Grundstück sowie den Aushub
  84. und die Zwischenlagerung des verölten Bodens erweiterte. Sie sah also selbst
  85. Klärungs- und Handlungsbedarf.
  86. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe schon auf Grund
  87. der Nachbarschaft des Beklagten annehmen dürfen, diesen nicht über eine
  88. etwaige frühere Nutzung des Grundstücks zum Betrieb einer Tankstelle unterrichten zu müssen, ist rechtsfehlerhaft. Denn es geht nicht um die frühere Nutzung des Grundstücks, sondern um dessen Mangelhaftigkeit. Es fehlt insoweit
  89. aber bereits an tatsächlichen Anhaltspunkten, die der Klägerin den Schluß gestattet hätten, dem Beklagten sei die Ölverschmutzung bekannt. Im übrigen
  90. hätte die Klägerin selbst dann noch eine Offenbarungspflicht getroffen, wenn
  91. dem Beklagten Umstände bekannt oder durch eine Besichtigung hätten bekannt werden können, aus denen sich lediglich ein Altlastenverdacht ergeben
  92. hätte (vgl. Senat aaO).
  93. -6-
  94. Das nach alledem bestehende Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung steht dem in Anspruch genommenen Vertreter ohne Vertretungsmacht,
  95. also dem Beklagten, in Abwehr einer Haftung nach § 179 BGB selbständig zu
  96. (Staudinger/Schilken [2001], § 179, Rdn. 10; Erman/Palm, BGB, 10. Aufl.,
  97. § 179, Rdn. 5; Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl., § 179, Rdn. 6; MünchKommBGB/Schramm, 4. Aufl., § 179, Rdn. 26).
  98. 2. Da nach dem Tatsachenvortrag der Klägerin weitere Feststellungen
  99. nicht in Betracht kommen, kann der Senat in der Sache entscheiden. Einer
  100. Aufhebung und Zurückverweisung zur Beweisaufnahme bedarf es schon deshalb nicht, weil die Klägerin die zur Anfechtung berechtigenden Umstände
  101. selbst vorgetragen hat. Die Klage ist unter Aufhebung der Erkenntnisse der
  102. Vorinstanzen insgesamt abzuweisen, ohne daß es auf die weiteren von der
  103. Revision gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts vorgebrachten Rügen
  104. noch ankommt.
  105. III.
  106. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
  107. Wenzel
  108. Lambert-Lang
  109. Schneider
  110. Tropf
  111. Lemke