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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 104/15
  5. Verkündet am:
  6. 8. April 2016
  7. Rinke
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. WEG § 23 Abs. 1, § 24 Abs. 7
  19. In einem Beschluss der Wohnungseigentümer kann zur Konkretisierung der
  20. getroffenen Regelung auf ein außerhalb des Protokolls befindliches Dokument Bezug genommen werden, wenn dieses zweifelsfrei bestimmt ist.
  21. BGH, Urteil vom 8. April 2016 - V ZR 104/15 - LG Bremen
  22. AG Bremen
  23. ECLI:DE:BGH:2016:080416UVZR104.15.0
  24. -2-
  25. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. April 2016 durch die
  26. Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und
  27. Weinland, den Richter Dr. Kazele und die Richterin Haberkamp
  28. für Recht erkannt:
  29. Die
  30. Revision
  31. gegen
  32. das
  33. Urteil
  34. der
  35. 4.
  36. Zivilkammer
  37. des
  38. Landgerichts Bremen vom 10. April 2015 wird auf Kosten der
  39. Klägerin zurückgewiesen.
  40. Von Rechts wegen
  41. Tatbestand:
  42. 1
  43. Die
  44. Parteien
  45. bilden
  46. eine
  47. Wohnungseigentümergemeinschaft.
  48. Am
  49. 13. März 2008 hatten die Wohnungseigentümer beschlossen, „die für die einzelnen Kostenpositionen in der Abrechnung 2007 verwandten Verteilerschlüssel
  50. auch für zukünftige Abrechnungen zu verwenden“. In der Eigentümerversammlung vom 30. April 2013 beschlossen sie die Hausgeldabrechnung des Jahres
  51. 2012, wobei sie den in der Abrechnung 2007 verwendeten Verteilungsschlüssel
  52. zugrunde legten. Die Kosten sind nach sechs verschiedenen Maßstäben verteilt.
  53. 2
  54. Das Amtsgericht hat den Beschluss über die Hausgeldabrechnung 2012
  55. auf Antrag der Klägerin für unwirksam erklärt. Auf die Berufung der beklagten
  56. übrigen Wohnungseigentümer hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit
  57. -3-
  58. der zugelassenen Revision will die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
  59. Entscheidungsgründe:
  60. I.
  61. 3
  62. Nach Ansicht des Berufungsgerichts entspricht der Beschluss über die
  63. Wohngeldabrechnung 2012 ordnungsmäßiger Verwaltung. Der dort zugrunde
  64. gelegte Verteilungsschlüssel basiere auf dem gemäß § 16 Abs. 3, § 21 Abs. 3
  65. WEG gefassten Beschluss aus dem Jahr 2008 über eine von § 16 Abs. 2 WEG
  66. abweichende Kostenverteilung. Dieser Beschluss sei nicht nichtig. Dem stehe
  67. nicht entgegen, dass die Abrechnungsschlüssel in dem Beschlusstext selbst
  68. nicht wiedergegeben würden, sondern insoweit auf ein externes Schriftstück
  69. verwiesen werde. Die Zulässigkeit der Bezugnahme setze nur voraus, dass
  70. dem protokollierten Beschlusstext eindeutig zu entnehmen sei, auf welches
  71. Schriftstück Bezug genommen werde, und dass dieses einen hinreichend bestimmten Regelungsgehalt habe. Das gelte auch für Beschlüsse gemäß § 16
  72. Abs. 3 WEG über die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels. Dem Transparenzgebot trage das Gesetz dadurch Rechnung, dass Beschlüsse gemäß
  73. § 24 Abs. 7 WEG mit dem protokollierten Beschlusstext und den in Bezug genommenen externen Schriftstücken in die Beschluss-Sammlung aufzunehmen
  74. seien.
  75. -4-
  76. II.
  77. 4
  78. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
  79. 5
  80. 1. Soweit das Berufungsgericht - ohne nähere Begründung - in dem
  81. Rubrum des angegriffenen Urteils auch die Wohnungseigentümergemeinschaft
  82. als Beklagte bezeichnet, handelt es sich um eine versehentliche Falschbezeichnung. Wie dem amtsgerichtlichen Urteil, auf das das Berufungsgericht
  83. verweist, zu entnehmen ist, ist die Beschlussmängelklage - nach § 46 Abs. 1
  84. Satz 1 WEG in zutreffender Weise - gegen die übrigen Wohnungseigentümer
  85. gerichtet worden. Insoweit wird das Berufungsgericht eine Rubrumsberichtigung
  86. vorzunehmen haben.
  87. 6
  88. 2. Zu Recht und mit zutreffender Begründung nimmt das Berufungsgericht an, dass der im Jahr 2008 gefasste Beschluss über die Veränderung des
  89. Verteilungsschlüssels wirksam ist und er daher zu Recht der Abrechnung 2012
  90. zugrunde gelegt worden ist.
  91. 7
  92. a) Nach § 16 Abs. 3 WEG können die Wohnungseigentümer hinsichtlich
  93. der in der Vorschrift näher bezeichneten Betriebs- und Verwaltungskosten den
  94. bestehenden Umlageschlüssel durch Mehrheitsbeschluss ändern, soweit dies
  95. ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Hier haben die Wohnungseigentümer
  96. in der Eigentümerversammlung vom 13. März 2008 den Beschluss gefasst, den
  97. - bisher geltenden gesetzlichen - Kostenverteilungsschlüssel zu ändern.
  98. 8
  99. b) Entgegen der Ansicht der Revision wird die Wirksamkeit des Beschlusses über die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels nicht deshalb in
  100. Frage gestellt, weil der künftige Maßstab nicht in dem Beschlusstext selbst wie-
  101. -5-
  102. dergegeben, sondern insoweit auf den in der Jahresabrechnung 2007 verwendeten Verteilungsschlüssel Bezug genommen wird. Das Berufungsgericht führt
  103. rechtfehlerfrei aus, dass dies zulässig ist.
  104. 9
  105. aa) Der Inhalt eines Eigentümerbeschlusses muss, insbesondere weil ein
  106. Sonderrechtsnachfolger nach § 10 Abs. 4 WEG an Beschlüsse gebunden ist,
  107. inhaltlich bestimmt und klar sein. Es besteht ein Interesse des Rechtsverkehrs,
  108. die durch die Beschlussfassung eingetretenen Rechtswirkungen der Beschlussformulierung entnehmen zu können. Zutreffend weist die Revision darauf hin,
  109. dass Eigentümerbeschlüsse daher „aus sich heraus“ auszulegen sind und Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses nur herangezogen werden
  110. dürfen, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (Senat, Beschluss vom 10. September 1998 - V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 292, 295). Entgegen der Auffassung der Revision bedeutet dies aber - wie das Berufungsgericht zutreffend
  111. ausführt - nicht, dass sich der Text eines Eigentümerbeschlusses zur Konkretisierung der getroffenen Regelung nicht auf Dokumente außerhalb des Protokolls beziehen dürfte. Es ist allgemein anerkannt, dass der Wortlaut des Beschlusses zur näheren Erläuterung inhaltlich Bezug auf Urkunden oder Schriftstücke nehmen darf (Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG,
  112. 11. Aufl., § 23 Rn. 62, § 24 Rn. 85; Timme/Steinmeyer, WEG, 2. Aufl., § 24
  113. Rn. 263; Hügel/Elzer, WEG, § 23 Rn. 86, § 24 Rn. 103; Riecke/Schmidt/Riecke,
  114. WEG, 4. Aufl., § 24 Rn. 103; Jennißen/Schultzky, WEG, 4. Aufl., § 23 Rn. 166,
  115. § 24 Rn. 176; Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 23 Rn. 56a; BayOblG, WE
  116. 1995, 245, 246; LG München I, Urteil vom 9. Mai 2011, 1 S 22360/10, juris
  117. Rn. 32; LG Dortmund, ZWE 2015, 40, 41), wie dies beispielsweise bei der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan oder die Jahresabrechnung und häufig auch bei Sanierungsbeschlüssen nach Kostenvoranschlag oder auf der
  118. -6-
  119. Grundlage eines Gutachtens geschieht. Der Bestimmtheitsgrundsatz verbietet
  120. es nicht, dass ein Beschluss nur durch ein Dokument, auf das er Bezug nimmt,
  121. gedeutet werden kann. Dies gilt auch für Beschlüsse über die Änderung des
  122. Verteilungsschlüssels gemäß § 16 Abs. 3 WEG, da für die Zulässigkeit von Bezugnahmen - worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist - nicht nach dem
  123. Beschlussgegenstand differenziert werden kann.
  124. 10
  125. bb) Nimmt ein Beschluss der Wohnungseigentümer auf ein Dokument
  126. Bezug, das weder Teil des Beschlusstextes noch des Protokolls ist, erfordert
  127. das Gebot der inhaltlichen Klarheit und Bestimmtheit, dass das in Bezug genommene Dokument zweifelsfrei bestimmt ist (vgl. BayOblG, ZMR 2005, 639,
  128. 640; LG München I, Urteil vom 9. Mai 2011, 1 S 22360/10, juris Rn. 32; KG,
  129. ZMR 2009, 790, 793; Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 23 Rn. 56a;
  130. Hügel/Elzer, WEG, § 23 Rn. 85). Nur dann ist sichergestellt, dass ein Dritter,
  131. insbesondere ein Rechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers dem Beschluss entnehmen kann, welchen Inhalt er hat. Die Publizität der auch gegen
  132. Sonderrechtsnachfolger wirkenden Beschlüsse wird dadurch gewährleistet,
  133. dass - jedenfalls bei Beschlüssen, die (wie hier) die Gemeinschaftsordnung
  134. aufgrund einer gesetzlichen oder vereinbarten Öffnungsklausel ändern - das in
  135. Bezug genommene Schriftstück auch in die Beschluss-Sammlung oder eine
  136. Anlage zu dieser aufzunehmen ist, wenngleich dies keine konstitutive Wirkung
  137. für das Zustandekommen des Beschlusses hat (vgl. Bärmann/Merle, WEG,
  138. 13. Aufl., § 24 Rn. 144, 165; Jennißen/Schultzky, WEG, 4. Aufl., § 24 Rn. 176,
  139. vgl. auch Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Aufl., § 24
  140. Rn. 85; Jennißen/Schultzky, aaO § 23 Rn. 166).
  141. -7-
  142. 11
  143. Das Berufungsgericht hat rechtfehlerfrei die zweifelsfreie Bestimmtheit
  144. der in Bezug genommenen „Abrechnung 2007“ bejaht. Aus dem Protokoll der
  145. Eigentümerversammlung vom 13. März 2008 ergibt sich, dass die Wohnungseigentümer unter TOP 3 die Gesamt- und Einzelabrechnung für das Jahr 2007
  146. beschlossen und anschließend unter TOP 4 den weiteren Beschluss gefasst
  147. haben, den in der Abrechnung 2007 verwendeten Verteilungsschlüssel auch
  148. den zukünftigen Abrechnungen zugrunde zu legen. Daraus lässt sich unschwer
  149. erkennen, dass sich die Beschlussfassung unter TOP 4 auf den Abrechnungsschlüssel der unter TOP 3 beschlossenen Jahresabrechnung 2007, die von den
  150. beklagten Wohnungseigentümern im Berufungsverfahren vorgelegt worden ist,
  151. bezieht.
  152. 12
  153. cc) Schließlich muss der in dem Beschluss getroffene Regelungstatbestand unter Einbeziehung des in Bezug genommenen Dokuments verständlich
  154. und klar sein.
  155. 13
  156. Dies ist hier zu bejahen. Aus dem Eigentümerbeschluss vom
  157. 13. März 2008, den der Senat selbst auslegen kann (vgl. Senat, Beschluss vom
  158. 10. September 1998 - V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 291), ergibt sich, dass der
  159. in der Jahresabrechnung 2007 verwendete Verteilungsschlüssel den künftigen
  160. Abrechnungen zugrunde gelegt werden soll. Der in Bezug genommene Verteilungsschlüssel der Abrechnung 2007 ist dort auch in verständlicher Weise erläutert.
  161. -8-
  162. III.
  163. 14
  164. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
  165. Stresemann
  166. Brückner
  167. Kazele
  168. Weinland
  169. Haberkamp
  170. Vorinstanzen:
  171. AG Bremen, Entscheidung vom 12.03.2014 - 28 C 52/13 LG Bremen, Entscheidung vom 10.04.2015 - 4 S 114/14 -