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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 100/13
  5. Verkündet am:
  6. 14. Februar 2014
  7. Weschenfelder
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. WEG § 10 Abs. 6 Satz 3
  19. a) Eine von den Wohnungseigentümern als Miteigentümer des gemeinschaftlichen
  20. Grundstücks gesamtschuldnerisch zu tragende Abgabenschuld stellt eine gemeinschaftsbezogene Pflicht im Sinne des § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG dar.
  21. b) Im Innenverhältnis ist die Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet, den
  22. durch Leistungsbescheid in Anspruch genommenen Wohnungseigentümer von
  23. der Abgabenschuld freizustellen. Erfüllt der Wohnungseigentümer die Abgabenforderung aus eigenen Mitteln, steht ihm gegen die Gemeinschaft ein Erstattungsanspruch zu.
  24. c) Ein Erstattungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Wohnungseigentümer die Forderung aus dem Leistungsbescheid begleicht, ohne dies mit
  25. der Gemeinschaft zuvor abzustimmen. Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit
  26. des Bescheides berechtigen die Gemeinschaft grundsätzlich nicht zu einer Zahlungsverweigerung, wenn der Wohnungseigentümer die Möglichkeit offen gehalten hat, die Rechtmäßigkeit des Bescheides verwaltungsgerichtlich überprüfen zu
  27. lassen.
  28. BGH, Urteil vom 14. Februar 2014 - V ZR 100/13 - LG Frankfurt (Oder)
  29. AG Königs Wusterhausen
  30. -2-
  31. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  32. vom 6. Dezember 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den
  33. Richter Dr. Czub, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter
  34. Dr. Kazele
  35. für Recht erkannt:
  36. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer
  37. des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. Februar 2013 aufgehoben.
  38. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  39. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  40. Von Rechts wegen
  41. Tatbestand:
  42. 1
  43. Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Mit zwei Bescheiden des M.
  44. Abwasser- und Wasserzweckver-
  45. bands (fortan: MAWV) vom 21. März 2011 wurde sie für die erstmalige Herstellung der zentralen öffentlichen Schmutzwasseranlage und der öffentlichen
  46. Wasserversorgungsanlage auf Zahlung von insgesamt 42.050,17 € in Anspruch
  47. genommen. Die Bescheide beziehen sich auf das gesamte Grundstück der
  48. Wohnungseigentümer. Nachdem der MAWV die von der Klägerin eingelegten
  49. Widersprüche unter Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer zurückgewiesen hatte, zahlte die Klägerin ohne Abstimmung
  50. -3-
  51. mit der Beklagten die erhobenen Beiträge. Zugleich einigte sie sich mit dem
  52. MAWV darauf, dass die Widerspruchsbescheide im Hinblick auf ein bei dem
  53. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg anhängiges, die Altanlieger betreffendes Präzedenzverfahren aufgehoben werden und über die Widersprüche
  54. erst nach Abschluss des Präzedenzverfahrens entschieden wird.
  55. 2
  56. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung von 40.886,85 € nebst
  57. Zinsen als Ausgleich für die an den MAWV geleisteten Beiträge abzüglich des
  58. auf ihren Miteigentumsanteil entfallenden Anteils. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
  59. Entscheidungsgründe:
  60. I.
  61. 3
  62. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft nicht passivlegitimiert. Der Ausgleichsanspruch sei gegen die
  63. übrigen Wohnungseigentümer als Teilschuldner und nicht gegen die Gemeinschaft zu richten. Etwas anderes ergebe sich nicht aus § 10 Abs. 6 Satz 3
  64. WEG. Bei der Verpflichtung der Wohnungseigentümer zum Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB handle es sich nicht um eine gemeinschaftsbezogene Pflicht. Auch wenn auf die Beitragsforderung des MAWV abgestellt
  65. werde, fehle es an der Gemeinschaftsbezogenheit. Da durch den Beitragsbescheid lediglich die Klägerin in Anspruch genommen worden sei, treffe die übrigen Wohnungseigentümer keine Abgabenpflicht.
  66. -4-
  67. II.
  68. 4
  69. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich ein Erstattungsanspruch der Klägerin nicht verneinen. Ein solcher kann sich auf der Grundlage
  70. von § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG ergeben.
  71. 5
  72. 1. Die Abgabenschuld der Klägerin aufgrund des Bescheides des MAWV
  73. begründet im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer eine gemeinschaftsbezogene Pflicht im Sinne des § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG, die von der
  74. Gemeinschaft wahrzunehmen ist.
  75. 6
  76. a) Nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG übt die Gemeinschaft die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr, ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind. Eine gemeinschaftsbezogene Pflicht liegt vor, wenn eine Verpflichtung, die im Außenverhältnis alle Wohnungseigentümer gleichermaßen trifft, nach der Interessenlage
  77. ein gemeinsames Vorgehen erfordert (vgl. Senat, Urteil vom 8. Februar 2013
  78. - V ZR 238/11, NJW 2013, 3092 Rn. 10; Urteil vom 17. Dezember 2010
  79. - V ZR 125/10, NJW 2011, 1351 Rn. 9). Eine gekorene Wahrnehmungsbefugnis
  80. nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG, bei der lediglich ein Zugriffsermessen
  81. besteht, ist hingegen anzunehmen, wenn die Pflichtenerfüllung durch den Verband förderlich ist (Senat, Urteil vom 8. Februar 2013 - V ZR 238/11, NJW
  82. 2013, 3092 Rn. 13; Urteil vom 17. Dezember 2010 - V ZR 125/10, NJW 2011,
  83. 1351 Rn. 9). Bei der Abgrenzung ist eine wertende Betrachtung geboten (Senat, Urteil vom 17. Dezember 2010 - V ZR 125/10, NJW 2011, 1351 Rn. 9).
  84. -5-
  85. 7
  86. b) Der Annahme einer gemeinschaftsbezogenen Pflicht steht nicht - wie
  87. das Berufungsgericht meint - entgegen, dass nur die Klägerin durch die Bescheide des MAWV auf Zahlung in Anspruch genommen worden ist, nicht aber
  88. die übrigen Wohnungseigentümer. Grundlage der Leistungsbescheide sind die
  89. §§ 1, 2, 6, 8 und 10 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Brandenburg
  90. i.d.F. der Bekanntmachung vom 31. März 2004 (KAG) i.V.m. § 6 der Wasserversorgungsbeitragssatzung und Schmutzwasserbeitragssatzung des MAWV
  91. vom 2. Dezember 2010. Danach ist beitragspflichtig der Eigentümer des
  92. Grundstücks; mehrere Beitragspflichtige - wie hier die Wohnungseigentümer als
  93. Miteigentümer des Grundstücks - haften als Gesamtschuldner. Die Beitragsverpflichtung entsteht gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 b KAG i.V.m. § 38 AO nicht erst mit
  94. dem Leistungsbescheid, sondern sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den
  95. das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Auf das Entstehen der Steuerschuld ist
  96. es ohne Einfluss, gegen welche Gesamtschuldner die Steuer festgesetzt wird.
  97. Der Steuer- bzw. Abgabenbescheid konkretisiert lediglich den bereits entstandenen Steueranspruch und bildet die Grundlage für die Verwirklichung dieses
  98. Anspruchs (vgl. BFHE 181, 392, 394 f., BFHE 160, 108, 110). Das Steuerschuldverhältnis besteht damit gegenüber allen Wohnungseigentümern.
  99. 8
  100. Die Gesamtschuld besteht ungeachtet der von § 10 Abs. 8 WEG angeordneten quotalen Außenhaftung der Wohnungseigentümer für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft. Diese Haftungsbegrenzung greift nämlich nicht ein, wenn
  101. - wie hier - im Landesrecht eine Gesamtschuld der Wohnungseigentümer in
  102. ihrer Eigenschaft als Miteigentümer des Grundstücks gesetzlich vorgesehen ist
  103. (BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 - VII ZR 196/08, BGHZ 181, 304 Rn. 18).
  104. 9
  105. c) Die Frage, ob der Verband im Innenverhältnis verpflichtet ist, von den
  106. Wohnungseigentümern in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer des gemein-
  107. -6-
  108. schaftlichen Grundstücks gesamtschuldnerisch zu tragende öffentliche Abgaben zu erfüllen, wird nicht einheitlich beantwortet.
  109. 10
  110. aa) Teilweise wird unter Hinweis auf das Vorliegen einer gekorenen
  111. Wahrnehmungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG angenommen, dass solche Verbindlichkeiten im Interesse eines Gläubigers oder der
  112. Wohnungseigentümer gemeinschaftlich erfüllt werden können, aber nicht erfüllt
  113. werden müssen; die Wohnungseigentümer hätten insoweit einen Entscheidungsspielraum (Klein in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 10 Rn. 262; Wenzel, IMR
  114. 2009, 208). Die herrschende Meinung hingegen geht - mit unterschiedlichen
  115. Begründungen - von einer Wahrnehmungspflicht des Verbandes ohne Ermessensspielraum aus (OLG Hamm, NJW-RR 2009, 1463, 1465; VG Köln, Beschluss vom 20. Juli 2011 - 14 L 872/11, juris Rn. 19; BeckOK WEG/Dötsch,
  116. Edition 16, § 10 Rn. 571; Riecke/Schmid/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 10 Rn. 498a;
  117. Becker in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 16 Rn. 26; ders. in ZfIR 2012, 403, 410
  118. und ZWE 2014, 14, 16; Schmid, ZWE 2009, 325 und NZM 2010, 683, 686; Abramenko, IMR 2007, 18; Elzer, MietRB 2009, 137 f.; vgl. auch Briesemeister,
  119. NZM 2007, 225, 230 und IMR 2010, 199; Schmidt, ZWE 2009, 203, 204 f.).
  120. Teilweise wird dies mit dem Wortlaut von § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG
  121. („zu erfüllen sind“) begründet. Andere nehmen an, dass allein die Übernahme
  122. der Verpflichtung durch den Verband ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.
  123. Teilweise wird eine geborene Wahrnehmungsbefugnis der Gemeinschaft nach
  124. § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG bejaht.
  125. 11
  126. bb) Die herrschende Meinung trifft zu. Der Verband ist im Verhältnis zu
  127. den Wohnungseigentümern verpflichtet, eine von den Wohnungseigentümern
  128. gesamtschuldnerisch zu tragende öffentlich-rechtliche Abgabenpflicht als gemeinschaftsbezogene Pflicht wahrzunehmen. Mit der Neufassung von § 10
  129. WEG wollte der Gesetzgeber nach der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der
  130. -7-
  131. Wohnungseigentümergemeinschaft (Senat, Beschluss vom 2. Juni 2005
  132. - V ZB 32/05, BGHZ 163, 154) gerade verhindern, dass das Haftungssystem
  133. der Wohnungseigentümergemeinschaft dem Einzelnen existenzbedrohende
  134. Zahlungspflichten auferlegt. Eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer kann im Einzelfall - vor allem bei größeren Wohnanlagen einen sehr hohen Betrag erreichen und zu einer finanziellen Überforderung des
  135. einzelnen Wohnungseigentümers führen. Um das finanzielle Risiko der Wohnungseigentümer zu begrenzen, bestimmt § 10 Abs. 8 WEG, dass sie für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft nur anteilig haften. Zudem hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG die Erfüllung gemeinschaftsbezogener Pflichten
  136. der Gemeinschaft zugeordnet (BT-Drucks. 16/887, S. 61, 65). Die Haftung ist
  137. aber nicht auf die Miteigentumsquote begrenzt, wenn - wie hier - im Landesrecht eine Gesamtschuld der Wohnungseigentümer in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer des Grundstücks gesetzlich vorgesehen ist (BGH, Urteil vom
  138. 18. Juni 2009 - VII ZR 196/08, BGHZ 181, 304 Rn. 15). Die Folge ist, dass jeder
  139. Wohnungseigentümer von dem Gläubiger unmittelbar auf Zahlung der gesamten Abgabenforderung in Anspruch genommen werden kann und er auch dann
  140. auf den vollen Betrag haftet, wenn die Forderung eine erhebliche Größenordnung erreicht (vgl. Schmidt-Räntsch in Schröder, Drei Jahre nach der WEGReform, S. 58). Nach dem in § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers erfordern sowohl das Interesse des in Anspruch
  141. genommenen Wohnungseigentümers als auch das der übrigen Wohnungseigentümer in einem solchen Fall ein gemeinschaftliches Vorgehen und damit
  142. eine Wahrnehmung durch die Gemeinschaft.
  143. 12
  144. Die Annahme einer gemeinschaftsbezogenen Pflicht trägt zudem auch
  145. dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung in § 10 Abs. 6 bis 8 WEG
  146. Rechnung, das Wohnungseigentumsrecht praktikabler zu gestalten (vgl. BTDrucks. 16/887, S. 60). Würde die Forderung nicht über die Wohnungseigentü-
  147. -8-
  148. mergemeinschaft abgewickelt, wäre der betroffene Wohnungseigentümer gezwungen, selbst zu ermitteln, in welchem Umfang die anderen Wohnungseigentümer nach der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2
  149. WEG oder einem vereinbarten abweichenden Verteilungsmaßstab verpflichtet
  150. sind, an der Befriedigung der Forderung mitzuwirken. Er müsste sodann auf
  151. jeden Wohnungseigentümer einwirken, der anteiligen Mitwirkungspflicht nachzukommen. Soweit eine rechtzeitige Mitwirkung aller Wohnungseigentümer
  152. nicht erreicht werden kann, wäre er zur Vermeidung einer Vollstreckung gegen
  153. sich gezwungen, die Abgabenforderung selbst zu bezahlen. Anschließend
  154. müsste er seine anteiligen Ausgleichsansprüche gegen die Eigentümer durchsetzen, die nicht oder zu wenig gezahlt haben. Sollte einer der Eigentümer zahlungsunfähig sein, würden sich die Ausgleichsansprüche gegen die anderen
  155. entsprechend erhöhen (§ 426 Abs. 1 Satz 2 BGB), so dass Nachforderungen zu
  156. stellen wären. Die mit einem solchen Vorgehen verbundenen Schwierigkeiten
  157. und Risiken sind für den in Anspruch genommenen Wohnungseigentümer unzumutbar. Demgegenüber liegt die Abwicklung über die Wohnungseigentümergemeinschaft im Interesse aller Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentümergemeinschaft, die über ein selbständiges Finanz- und Rechnungswesen
  158. verfügt, hat mit der Eigentümerversammlung und dem Verwalter geeignete Organe, um derartige Zahlungen im Innen- und Außenverhältnis transparent und
  159. unter Einbindung der Wohnungseigentümer abzuwickeln.
  160. 13
  161. 2. Die Gemeinschaft ist verpflichtet, eine gemeinschaftsbezogene Forderung so zu behandeln, als wäre sie ausschließlich gegen sie selbst gerichtet.
  162. Sie hat die Forderung zu begleichen, soweit diese berechtigt ist (vgl. OLG
  163. Hamm, NJW-RR 2009, 1463, 1465), oder, wenn sie Zweifel an deren Rechtmäßigkeit hat, im Zusammenwirken mit dem in Anspruch genommenen Wohnungseigentümer Maßnahmen zu ergreifen, um die Forderung abzuwehren und
  164. eine Vollstreckung gegen den Wohnungseigentümer aus dem Bescheid zu ver-
  165. -9-
  166. hindern. Mit dieser aus § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG folgenden Verpflichtung der
  167. Wohnungseigentümergemeinschaft geht ein entsprechender Freistellungsanspruch des von dem Gläubiger in Anspruch genommenen Wohnungseigentümers einher.
  168. 14
  169. 3. Erfüllt der von dem Gläubiger als Gesamtschuldner in Anspruch genommene Wohnungseigentümer die Abgabenforderung aus eigenen Mitteln,
  170. steht ihm gegen die Gemeinschaft ein aus § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG folgender
  171. Erstattungsanspruch zu (vgl. Becker, ZfIR 2012, 402, 412; ders. in ZWE 2014,
  172. 14, 17; Schmid, ZWE 2009, 325; Klein in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 10
  173. Rn. 311; KG, ZMR 2009, 786, 789 und ZWE 2010, 89 ff.).
  174. 15
  175. a) Ein solcher Anspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der
  176. Wohnungseigentümer - wie hier - die Forderung aus dem Leistungsbescheid
  177. begleicht, ohne dies mit der Gemeinschaft zuvor abzustimmen (vgl. auch BGH,
  178. Urteil vom 14. November 1979 - VIII ZR 333/78, MDR 1980, 309; Senat, Urteil
  179. vom 12. Juli 1991 - V ZR 204 /90, NJW 1991, 2899, 2900 zur Erfüllungsübernahme). Denn er hat ein schutzwürdiges Interesse daran, die Einleitung von
  180. Vollstreckungsmaßnahmen in sein Vermögen durch den Abgabengläubiger zu
  181. verhindern. Rechtsbehelfe gegen den Abgabenbescheid hindern dessen Vollstreckung grundsätzlich nicht (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ebenso wenig
  182. steht dem Wohnungseigentümer gegenüber dem Gläubiger ein Anspruch auf
  183. Gewährung eines Zahlungsaufschubs bis zu einer Willensbildung durch die
  184. Wohnungseigentümergemeinschaft zu. Er bleibt daher im Außenverhältnis zur
  185. Zahlung innerhalb der vorgegebenen Frist verpflichtet und kommt, will er
  186. Säumnisfolgen oder eine Vollstreckung verhindern, häufig nicht umhin, die Forderung zunächst aus eigenen Mitteln zu begleichen.
  187. - 10 -
  188. 16
  189. b) Allerdings ist es der Gemeinschaft nicht verwehrt, gegenüber einem
  190. Wohnungseigentümer, der die Forderung des Abgabengläubigers ohne vorherige Absprache beglichen hat, Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des
  191. Leistungsbescheides zu erheben. Insoweit kann nichts anderes gelten als bei
  192. einem Ausgleich unter Gesamtschuldnern (vgl. BVerwG, NJW 1993, 1667,
  193. 1668 f.). Das berechtigt die Wohnungseigentümergemeinschaft aber nicht zu
  194. einer Zahlungsverweigerung, wenn der Wohnungseigentümer - etwa durch Einlegung eines Widerspruchs gegen den Abgabenbescheid - der Gemeinschaft
  195. die Möglichkeit offen gehalten hat, die Rechtmäßigkeit des Bescheides verwaltungsgerichtlich überprüfen zu lassen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft
  196. steht dann nicht anders, als wäre sie rechtzeitig mit der Sache befasst worden.
  197. Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides hätten sie
  198. nicht davon entbunden, gegenüber dem Wohnungseigentümer ihre aus § 10
  199. Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG folgende Wahrnehmungspflicht zu erfüllen; angesichts der Vollstreckbarkeit des Bescheides hätte dies grundsätzlich eine
  200. (ggf. vorläufige) Forderungsbegleichung erfordert. Nur ausnahmsweise kann
  201. die Wohnungseigentümergemeinschaft in einem solchen Fall gegenüber dem
  202. Wohnungseigentümer die Erstattung des von ihm verauslagten Betrages verweigern, nämlich dann, wenn sie darlegt und beweist, dass sie bei rechtzeitiger
  203. Information den - zu einer Mitwirkung verpflichteten - Wohnungseigentümer zur
  204. Einleitung verwaltungsgerichtlicher Maßnahmen, etwa in Form eines Antrags
  205. nach § 80 Abs. 5 VwGO, veranlasst hätte, und dass dadurch dessen Zahlungspflicht aus dem Abgabenbescheid vorläufig abgewendet worden wäre.
  206. III.
  207. 17
  208. Die Sache ist danach nicht zur Endentscheidung reif. Der Beklagten, die
  209. die Bescheide für nichtig hält, ist Gelegenheit zu geben, näher darzulegen, dass
  210. - 11 -
  211. und ggf. wie es ihr bei rechtzeitiger Information durch die Klägerin gelungen
  212. wäre, auch deren vorläufige Zahlungsverpflichtung abzuwehren. Das Urteil ist
  213. daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
  214. an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
  215. 18
  216. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass derzeit ein
  217. Erstattungsanspruch nicht besteht, weil anzunehmen ist, dass es der Beklagten
  218. gelungen wäre, einen Zahlungsaufschub bis zur Entscheidung des Präzedenzfalles zu erreichen, wäre die Klage als zur Zeit unbegründet abzuweisen. Kann
  219. die Klägerin hingegen Erstattung des von ihr bezahlten Betrages verlangen, ist
  220. sie in entsprechender Anwendung von § 255 BGB verpflichtet, mögliche Rückerstattungsansprüche gegen den Abgabengläubiger an die Gemeinschaft abzutreten (vgl. zum Aufwendungsersatzanspruch eines Gesellschafters Schäfer in
  221. Staub, HGB, 5. Aufl., § 110 Rn. 14; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl.,
  222. § 110 Rn. 6).
  223. Stresemann
  224. Czub
  225. Weinland
  226. Brückner
  227. Kazele
  228. Vorinstanzen:
  229. AG Königs Wusterhausen, Entscheidung vom 04.06.2012 - 40 C 6/12 LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 19.02.2013 - 16 S 142/12 -