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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- V ZB 15/07
- vom
- 19. Juli 2007
- in dem Zwangsversteigerungsverfahren
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- Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 19. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
- Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
- beschlossen:
- Auf die Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 werden der Beschluss
- der 7. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 27. Dezember
- 2006 und der Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Otterndorf
- vom 15. November 2006, berichtigt am 28. November 2006, aufgehoben.
- Der Beteiligten zu 3 wird der Zuschlag auf das im Versteigerungstermin des Amtsgerichts Otterndorf vom 8. November 2006 abgegebene Gebot von 57.000 € versagt.
- Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
- 57.000 €.
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- Gründe:
- I.
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- Die Beteiligte zu 2 betreibt die Zwangsversteigerung des im Eingang
- dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücks der Beteiligten zu 1. Der Verkehrswert des Objekts wurde auf 190.000 € festgesetzt.
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- In dem ersten Versteigerungstermin gab einzig die Terminsvertreterin der
- Beteiligten zu 2 im eigenen Namen ein Gebot von 70.000 € ab. Das Amtsgericht versagte den Zuschlag nach § 85a Abs. 1 ZVG.
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- In dem von Amts wegen bestimmten zweiten Versteigerungstermin wurde kein Gebot abgegeben. Das Amtsgericht stellte das Verfahren ein.
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- Auf Antrag der Beteiligten zu 2 wurde ein dritter Termin bestimmt. In diesem gab allein die Beteiligte zu 3 ein Gebot von 57.000 € ab. Das Amtsgericht
- erteilte darauf den Zuschlag.
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- Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist ohne Erfolg geblieben. Mit der
- - von dem Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die
- Beteiligte zu 1 ihr Ziel weiter, dass der Zuschlag auf das Gebot der Beteiligten
- zu 3 versagt wird.
- II.
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- Das Beschwerdegericht meint, das Vollstreckungsgericht habe den Zuschlag auf das von der Beteiligten zu 3 in dem dritten Versteigerungstermin abgegebene Gebot zu Recht erteilt, obwohl dieses mit 57.000 € die 5/10-Wertgrenze (§ 85a Abs. 1 ZVG) nicht erreicht habe.
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- Der Zuschlag dürfe nach § 85a Abs. 2 Satz 2 ZVG nicht mehr versagt
- werden, nachdem er bereits einmal auf das im ersten Termin von der Gläubigervertreterin abgegebene Gebot wegen Nichterreichens der in § 85a Abs. 1
- ZVG bestimmten Wertgrenze versagt worden sei. Ob die Gläubigervertreterin
- bei der Abgabe ihres Gebotes einen Erwerbswillen in Bezug auf den zu versteigernden Grundbesitz gehabt habe, sei entgegen der Ansicht des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 98/05, NJW 2006, 1355 f.) im
- Versteigerungsverfahren nicht zu prüfen. Die Zwangsvollstreckung sei an äu-
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- ßerlich erkennbare Tatsachen gebunden. Das Vollstreckungsgericht sei weder
- befugt noch in der Lage, im Versteigerungstermin einen Bieter dazu anzuhalten,
- seine tatsächlichen Absichten offen zu legen. Eine Überprüfung der Absichten
- des
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- Bieters
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- führe
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- zu
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- wesentlichen
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- Verfahrensverzögerungen
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- und
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- -erschwerungen, die mit dem formalisierten, auf Befriedigung des Gläubigers
- und Entschuldung des Schuldners ausgerichteten Verfahren der Zwangsversteigerung unvereinbar seien.
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- Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- III.
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- Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft,
- auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO) und begründet.
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- 1. Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht das Gebot, das die Terminsvertreterin der Beteiligten zu 2 im ersten Termin im eigenen Namen abgegeben
- hat, als wirksam angesehen. Das widerspricht der Rechtsprechung des Senats
- (Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 98/05, NJW 2006, 1355 f.). Aus der Entscheidung des Beschwerdegerichts ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte,
- so dass zu den Gründen für das Festhalten an der bisherigen Senatsrechtsprechung auf die Ausführungen in dem Beschluss des Senats vom 10. Mai 2007
- (V ZB 83/06, Umdruck S. 6 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) Bezug
- genommen wird. Danach ist das Eigengebot eines Gläubigervertreters, mit dem
- ausschließlich erreicht werden soll, dass in einem neuen Versteigerungstermin
- unter Umgehung des in der Vorschrift des § 85a Abs. 1 ZVG zum Ausdruck
- kommenden Schuldnerschutzes der Zuschlag auch auf ein Gebot unter 7/10
- oder unter der Hälfte des Grundstückswerts erteilt werden kann, rechtsmissbräuchlich und deshalb unwirksam. Es ist daher nicht geeignet, die Rechtsfolgen des § 85a Abs. 1 und 2 ZVG herbeizuführen.
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- Von einem rechtsmissbräuchlichen Gebot im ersten Termin ist hier nach
- den Umständen auszugehen, ohne dass es dafür einer Beweisaufnahme zu
- den Absichten der Gläubigervertreterin bei der Gebotsabgabe bedurft hätte, wie
- das Beschwerdegericht meint. Bei einem Eigengebot des Gläubigervertreters,
- das auf die Herbeiführung der Rechtsfolgen des § 85a Abs. 1 und 2 ZVG gerichtet ist, spricht eine tatsächliche Vermutung für die missbräuchliche Absicht,
- den von § 85a Abs. 1 ZVG bezweckten Schuldnerschutz zu unterlaufen (Senat,
- Beschluss vom 10. Mai 2007, V ZB 83/06, Umdruck S. 18 ff.). So liegt es hier.
- Anhaltspunkte dafür, dass die Terminsvertreterin der Gläubigerin mit ihrem Gebot ein rechtlich zulässiges Ziel verfolgt hätte, werden von der Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht aufgezeigt.
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- 2. Wegen der rechtsmissbräuchlichen Gebotsabgabe im ersten Termin
- galt die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG auch im zweiten Termin. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Anwendung der Wertgrenze in § 85a Abs. 2 Satz 2
- ZVG ist nicht anzuwenden, wenn die Gebotsabgabe des Gläubigervertreters im
- ersten Termin dazu diente, den gesetzlichen Schutz des Schuldners vor einer
- Verschleuderung seines Vermögens zu unterlaufen und zu einer Bestimmung
- des zweiten Versteigerungstermins von Amts wegen geführt hat (vgl. Senat,
- Beschl. v. 10. Mai 2007, V ZB 83/06, Umdruck Seite 21).
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- 3. Die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG ist hier auch noch für das im
- dritten Termin abgegebene Meistgebot zu beachten. Der dritte Termin ist auf
- einen Fortsetzungsantrag der Gläubigerin nach § 31 ZVG von dem Vollstreckungsgericht bestimmt worden, nachdem der zweite Versteigerungstermin
- mangels Abgabe von Geboten ergebnislos geblieben und das Verfahren gem. §
- 77 Abs. 1 ZVG eingestellt worden ist.
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- Die ergebnislose Versteigerung wird von den Regeln über die Zuschlagsversagung nach § 85a ZVG jedoch nicht erfasst und führt deshalb auch nicht zu
- einem Wegfall der Wertgrenzen (vgl. dazu vor allem Hornung, Rpfleger 2000,
- 363, 366 f. gegen Kirsch, Rpfleger 2000, 147, 149; aber auch Stöber, ZVG,
- 18. Aufl., § 74a Rdn. 4.3 und § 85a Rdn. 3.3 m.w.N.). Das Fehlen von Bietern
- fällt in den Risikobereich des Gläubigers, während der Schuldner nach einer
- ergebnislosen Versteigerung weiterhin durch die Wertgrenzen der §§ 74a, 85a
- ZVG vor einer Verschleuderung des Grundstücks geschützt wird (Senat,
- Beschl. v. 10. Mai 2007, V ZB 83/06, Umdruck S. 11).
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- 4. Die Sache ist gem. §§ 101 Abs. 1 ZVG, 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO zur
- Endentscheidung reif. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts und der Zuschlagsbeschluss sind aufzuheben und der Beteiligten zu 3 der Zuschlag auf ihr
- im dritten Termin abgegebenes Meistgebot zu versagen. Die Zuschlagsversagung beruht auf § 85a Abs. 1 ZVG, weil das Gebot der Beteiligten zu 3 von
- 57.000 € die Hälfte des auf 190.000 € festgesetzten Verkehrswerts des Grundstücks nicht erreicht.
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- 5. Es wird nunmehr von Amts wegen gem. § 85a Abs. 2 Satz 1 i.V.m.
- § 74a Abs. 3 Satz 1 ZVG ein neuer Versteigerungstermin zu bestimmen sein, in
- dem die Wertgrenze auf Grund der Zuschlagsversagung aus § 85a Abs. 1 ZVG
- nicht mehr gilt.
- IV.
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- Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen weder für die sofortige Beschwerde noch für die Rechtsbeschwerde an (vgl. Nr.
- 2240 bis 2243 KV-GKG). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt hier
- nicht in Betracht, da sich die Beteiligten in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberste-
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- hen (Senat, Beschl. v. 26. Oktober 2006, V ZB 188/05, WM 2007, 82, 86). Der
- Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist nach dem Wert des
- Zuschlagsbeschlusses zu bestimmen, dessen Aufhebung die Schuldnerin mit
- der Rechtsbeschwerde erreichen will (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Er entspricht
- damit dem Meistgebot der Beteiligten zu 3 (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GKG).
- Krüger
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- Klein
- Czub
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- Stresemann
- Roth
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- Vorinstanzen:
- AG Otterndorf, Entscheidung vom 15.11.2006 - 9a K 19/04 LG Stade, Entscheidung vom 27.12.2006 - 7 T 262/06 -
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