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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 416/00
  5. Verkündet am:
  6. 20. Januar 2005
  7. Bürk
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 249 Hd
  19. Zur Schadensberechnung bei Haftung des Steuerberaters wegen der Aufdeckung
  20. stiller Reserven durch Verkauf von Gewerbeerwartungsland (Abgrenzung zu BGH
  21. WM 2004, 475).
  22. BGH, Urteil vom 20. Januar 2005 – IX ZR 416/00 – OLG Koblenz
  23. LG Mainz
  24. -2-
  25. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 20. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Neškovi
  27. für Recht erkannt:
  28. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats
  29. des Oberlandesgerichts Koblenz vom 6. Oktober 2000 unter
  30. Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen im Kostenpunkt und
  31. insoweit
  32. aufgehoben,
  33. als
  34. der
  35. Beklagte zur Zahlung von
  36. 132.519,59 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist.
  37. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Kläger gegen
  38. das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 15. Juli
  39. 1999 zurückgewiesen.
  40. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte.
  41. Von Rechts wegen
  42. Tatbestand:
  43. Die Kläger, die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen land- und
  44. forstwirtschaftlichen Betrieb führen, hatten in ihrem Betriebsvermögen unter
  45. anderem drei Weinberggrundstücke, deren Buchwert in den Bilanzen mit
  46. 42.882 DM (7 DM/m²) angesetzt war. Im Mai 1999 bekundete ein Investor Inte-
  47. -3-
  48. resse an den Grundstücken zu einem Kaufpreis von 70 DM/m². Daraufhin ließen sich die Kläger von dem Beklagten, der sie fortlaufend steuerlich betreute,
  49. beraten, ob ein Verkauf der Grundstücke ohne anfallende Steuerschuld möglich sei. Dies wurde bejaht. Daraufhin veräußerten die Kläger die Grundstücke
  50. mit Kaufvertrag vom 25. Juli 1991 an den Investor zu einem Quadratmeterpreis
  51. von 70 DM/m². Später stellte das Finanzamt eine Steuerschuld von
  52. 132.519,59 DM aus land- und forstwirtschaftlichem Gewinn fest. Es hatte den
  53. erzielten Kaufpreis als Entnahmewert für das Betriebsvermögen zugrunde gelegt und den nach Abzug des Buchwertes verbleibenden Betrag als steuerpflichtigen Entnahmegewinn erfaßt.
  54. Die Kläger, die vortragen, sie hätten die Grundstücke auf keinen Fall
  55. verkauft, wenn sie von dem Anfall der Steuerschuld gewußt hätten, haben auf
  56. Ersatz der vom Finanzamt veranlagten Einkommensteuer sowie verschiedener
  57. Folgekosten (Aussetzungszinsen: 20.465,50 DM; Gerichtskosten Finanzgericht: 2.657 DM) in Höhe von insgesamt 155.642,09 DM geklagt. Das Landgericht hat die Klage, soweit damit Schadensersatz wegen der festgesetzten
  58. Steuer verlangt wird, abgewiesen und ihr im übrigen stattgegeben. Auf die Berufung der Kläger und die Anschlußberufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht den Beklagten wegen des Steuerschadens und der Gerichtskosten
  59. zur Zahlung von insgesamt 135.176,79 DM nebst Zinsen verurteilt und den Anspruch auf die Aussetzungszinsen abgewiesen.
  60. Mit der Revision begehrt der Beklagte, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
  61. -4-
  62. Entscheidungsgründe:
  63. Die Revision hat überwiegend Erfolg.
  64. I.
  65. 1. Zur Schadensposition des steuerpflichtigen Entnahmegewinns hat
  66. das Berufungsgericht ausgeführt, daß der Beklagte mit seiner Beratung, die
  67. Veräußerung der drei Grundstücke führe zu keiner steuerlichen Belastung,
  68. seine vertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt habe. Hierdurch sei dem Kläger auch ein Schaden in Höhe von 132.519,59 DM entstanden. Das Landgericht habe zu Unrecht auf einen Grundstückswert von lediglich 9 DM/m² abgestellt. Bei sachgerechter steuerlicher Aufklärung hätten die Kläger die drei
  69. Grundstücke nicht aus dem Betriebsvermögen entnommen. Da der Verkehrswert der Grundstücke zum Zeitpunkt der steuerlichen Beratung im Mai/Juli
  70. 1991 in einem Sachverständigengutachten per 30. Juni 1991 mit 70 DM/m²
  71. richtig ermittelt worden sei, hätte das Landgericht von diesem Wert ausgehen
  72. müssen. Dann wäre der in den drei Grundstücken enthaltene damalige Verkaufswert von 70 DM/m² (= 428.820 DM) ohne die Veräußerung uneingeschränkt erhalten geblieben. Aufgrund der fehlerhaften steuerlichen Aufklärung
  73. und der darauf beruhenden Veräußerung sei den Klägern nur ein um die Steuer verminderter Barbetrag als Vermögen verblieben, so daß die Kläger statt
  74. 428.820 DM nur noch 296.341 DM hätten. Die Differenz - die festgesetzte
  75. Steuerschuld in Höhe von 132.519,59 DM - sei der den Klägern zu ersetzende
  76. Schaden.
  77. -5-
  78. 2. Bei der Schadensposition Gerichtskosten ist das Berufungsgericht
  79. dem Landgericht gefolgt und hat diese als ersatzfähigen Folgeschaden der
  80. fehlerhaften steuerlichen Beratung angesehen. Die Klage vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz sei unbegründet gewesen, und der Beklagte habe die
  81. Kläger damals nicht über die fehlende Erfolgsaussicht der von ihm vertretenen
  82. Klage aufgeklärt.
  83. II.
  84. Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten rechtlicher Nachprüfung stand.
  85. 1. Der Beklagte hat seine vertragliche Pflicht verletzt, indem seine Mitarbeiterin den Klägern die unrichtige Auskunft erteilt hat, der Verkauf der drei
  86. Grundstücke sei steuerlich unschädlich. Diese Pflichtverletzung ist ursächlich
  87. für den Entschluß der Kläger geworden, die Grundstücke am 25. Juli 1991 zu
  88. veräußern.
  89. Dies wird in der Revisionsinstanz nicht in Frage gestellt und läßt auch
  90. keine Rechtsfehler erkennen.
  91. 2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch das Verschulden des Beklagten bejaht. Das objektiv fehlerhafte Verhalten des Beklagten spricht zunächst für sein Verschulden (vgl. BGHZ 129, 386, 399; BGH, Urt. v. 20. Juni
  92. 1996 - IX ZR 106/95, WM 1996, 1832, 1835). Dies kann die Revision nicht mit
  93. dem Hinweis ausräumen, der Beklagte habe in der ersten Jahreshälfte 1991
  94. -6-
  95. nicht vorhersehen können, daß sich die Grundstücke der Kläger ab den Jahren
  96. 1991 bis 1994 in Bauerwartungsland verwandeln würden. Dem Beklagten wird
  97. nicht vorgeworfen, er habe die Wertentwicklung der betreffenden Grundstücke
  98. falsch eingeschätzt. Vielmehr wird ihm angelastet, eine unrichtige Auskunft zur
  99. möglichen Steuerschädlichkeit des Verkaufs der drei Grundstücke gegeben zu
  100. haben.
  101. 3. Unrichtig ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, den Klägern
  102. sei ein Schaden durch die Versteuerung des (nach Abzug der Buchwerte
  103. verbleibenden) Gewinns mit darauf entfallender Einkommensteuer, Kirchensteuer und einem Solidaritätszuschlag in Höhe von zusammen 132.519,59 DM
  104. entstanden.
  105. a) Der rechtliche Berater, der seinem Auftraggeber wegen positiver Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat diesen durch die
  106. Schadensersatzleistung so zu stellen, wie er bei pflichtgemäßem Verhalten des
  107. rechtlichen Beraters stünde (BGH, Urt. v. 20. Oktober 1994 - IX ZR 116/93,
  108. NJW 1995, 449, 451 [st. Rspr.]). Danach muß die tatsächliche Vermögenslage
  109. derjenigen gegenübergestellt werden, die sich ohne den Fehler des rechtlichen
  110. Beraters ergeben hätte. Das erfordert einen Gesamtvermögensvergleich, der
  111. alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfaßt (BGH, Urt. v. 30. Mai 2000 - IX ZR 121/99, NJW 2000, 2669, 2670,
  112. insoweit in BGHZ 144, 343 nicht abgedruckt).
  113. b) Es ist demnach zu fragen, ob der jetzige tatsächliche Wert des Vermögens der Kläger geringer ist, als er es ohne den Verkauf der Grundstücke
  114. gewesen wäre. Diese Frage hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft beurteilt.
  115. -7-
  116. Allerdings hat der Senat einen Schaden in Höhe der angefallenen Einkommensteuer bei einem Mandanten des Steuerberaters bejaht, der infolge
  117. fehlerhafter Beratung den Gewerbebetrieb aufgegeben hatte mit der Folge der
  118. Aufdeckung stiller Reserven (BGH, Urt. v. 23. Oktober 2003 - IX ZR 249/02,
  119. WM 2004, 475). Jenes Urteil beruhte jedoch entscheidend darauf, daß der
  120. Mandant durch die Aufgabe des Gewerbebetriebs keinen Vorteil erlangt hatte,
  121. der ihm nicht zugeflossen wäre, wenn er von einem entsprechenden Entschluß
  122. abgesehen hätte (vgl. BGH, Urt. v. 23. Oktober 2003, aaO S. 477). Dies ist im
  123. Streitfall anders.
  124. Ohne den Fehler des Beklagten hätten die Kläger zwar keine Steuern
  125. bezahlen müssen, aber auch keinen Veräußerungsgewinn erzielt. Beim Vermögensvergleich muß gegenübergestellt werden der Veräußerungsgewinn abzüglich Steuern einerseits und der Verkehrswert der Weinberge ohne Veräußerung andererseits. Der von einer gewerblichen Nutzungserweiterung geprägte
  126. Verkehrswert, von dem das Berufungsgericht ohne Veräußerung ausgegangen
  127. ist (70 DM/m² = 428.820 DM), ergibt sich jedoch nicht aufgrund einer rechtlich
  128. gesicherten Bodennutzung. Dafür, daß bei weinbaulicher Nutzung der Wert der
  129. Grundstücke den nunmehr erzielten Kaufpreis abzüglich der Steuerlast überstiege, ist nichts ersichtlich. Der realisierte Verkehrswert als Gewerbeerwartungsland ließ sich jedoch nur bei einer Veräußerung erzielen. Da diese
  130. zwangsläufig die Steuerlast auslöste, stellt die festgesetzte Steuerschuld im
  131. Gesamtvermögensvergleich keinen Schaden dar. Die Auffassung des Berufungsgerichts hat zur Folge, daß die Kläger so gestellt werden, als hätten sie
  132. durch Entnahme der Weinberg-Grundstücke die stillen Reserven steuerfrei
  133. -8-
  134. realisieren können. Ein solches Ergebnis war, von hier nicht vorgetragenen
  135. Ausnahmen abgesehen, nicht erreichbar.
  136. 4. Ohne Erfolg bleibt die Revision bezüglich der Schadensposition Gerichtskosten. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht den Prozeßkostenschaden der Kläger im Verfahren vor dem Finanzgericht
  137. Rheinland-Pfalz als ersatzfähigen Schaden anerkannt. Diese rechtliche Beurteilung, zu der die Revision keine Ausführungen gemacht hat, läßt keinen
  138. Rechtsfehler erkennen.
  139. III.
  140. Das angefochtene Urteil ist demnach teilweise aufzuheben (§ 564 Abs. 1
  141. ZPO a.F.). Da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO
  142. a.F.), kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.
  143. Fischer
  144. Ganter
  145. Kayser
  146. Raebel
  147. Neškovi