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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. IV ZR 239/00
  4. URTEIL
  5. in dem Rechtsstreit
  6. Verkündet am:
  7. 8. Mai 2002
  8. Fritz
  9. Justizangestellte
  10. als Urkundsbeamtin
  11. der Geschäftsstelle
  12. -2-
  13. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
  14. Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
  15. vom 8. Mai 2002
  16. für Recht erkannt:
  17. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des
  18. 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
  19. vom 30. August 2000 aufgehoben.
  20. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  21. Von Rechts wegen
  22. Tatbestand:
  23. Die Beklagte ist Transportversicherer einer von der Klägerin hergestellten Fertigungsstraße für Rolladenelemente von Garagentoren. Die
  24. Einzelteile dieser Anlage wurden - in zwei Containern verstaut - im
  25. September 1987 im kombinierten Lkw-Schiff-Eisenbahn-Verkehr vom
  26. deutschen
  27. Herstellerwerk
  28. der
  29. Klägerin
  30. an
  31. die
  32. Firma
  33. I.
  34. in B./W./USA geliefert. Dort stellte sich bei Öffnung beider Container
  35. D.
  36. -3-
  37. heraus, daß deren Ladung sich unterwegs erheblich verschoben hatte
  38. und zahlreiche Maschinenteile stark beschädigt oder zerstört waren.
  39. Die von der Klägerin beauftragte Speditionsfirma hatte den Transport bei der Beklagten zu den Allgemeinen Deutschen Seeversicherungsbedingungen (ADS), den Besonderen Bestimmungen für die Güterversicherung 1973 in der Fassung 1984 (ADS Güter 73/84) und den Zusatzbedingungen für die Transportversicherung von Maschinen und Apparaten (DTV-Maschinenklausel 1973) versichert. Vereinbart war eine
  40. Allgefahrendeckung; als Versicherter des Vertrages sollte der jeweilige
  41. Inhaber der Versicherungspolice gelten.
  42. Die Klägerin fordert von der Beklagten Versicherungsleistungen
  43. für Sach- und Folgeschäden, die sie auf 360.288,75 DM (184.212,71 €)
  44. beziffert. Sie behauptet, die beiden Container seien unterwegs während
  45. Rangiervorgängen
  46. beim
  47. Eisenbahntransport
  48. von
  49. M./Kanada
  50. nach
  51. Mi./USA unzulässig hohen Stoßeinwirkungen ausgesetzt gewesen. Die
  52. Verpackung der Anlagenteile sei transportsicher, fachgerecht und handelsüblich erfolgt. Auf Verpackungsmängeln beruhten die Schäden daher
  53. nicht. Deren Schwere zeige vielmehr, daß die Container außergewöhnlichen Krafteinwirkungen ausgesetzt gewesen seien.
  54. Die Beklagte hat - gestützt auf Ziffer 1.4.1.5 ADS Güter 73/84 und
  55. Ziffer 3.1 der DTV-Maschinenklausel 1973 - Versicherungsleistungen
  56. abgelehnt, weil eine mangelhafte Verladung und Verpackung des Transportgutes vorgelegen habe, insbesondere seien die Maschinenteile in
  57. den Containern fehlerhaft und nicht handelsüblich verstaut und nicht ge-
  58. -4-
  59. gen Transportstöße gesichert gewesen. Das habe zu den Schäden geführt.
  60. Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die
  61. Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der
  62. Entscheidung des Landgerichts.
  63. Entscheidungsgründe:
  64. Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  65. 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei nach
  66. Ziffer 1.4.1.5 der ADS Güter 73/84 nicht zu Versicherungsleistungen
  67. verpflichtet. Danach hafte der Versicherer nicht für Schäden, die durch
  68. das Fehlen oder Mängel handelsüblicher Verpackung verursacht seien.
  69. So liege der Fall hier. Maßgebend sei allein, ob die Verpackung der Maschinenteile den nach der Auffassung der beteiligten Kreise am Abladeort (und zur Abladezeit) nötigen Anforderungen entsprochen habe. Als
  70. Abladeort hat das Berufungsgericht Mi./USA angesehen und angenommen, daß die dortigen Standards für die Verpackung und Sicherung von
  71. Ladungen denen in Europa weitgehend glichen. Seine Überzeugung davon, daß die Ladung unzureichend gesichert gewesen sei, hat das Berufungsgericht aufgrund des von ihm eingeholten Gutachtens des Sachverständigen J. gewonnen. Dieser hatte - gestützt auf mehrere Lichtbil-
  72. -5-
  73. der der Container und ihrer Ladung - unter anderem ausgeführt, die Maschinenteile seien in den Containern weder durch eine Holzverblockung
  74. im Bodenbereich noch durch seitliche Verzurrungen ausreichend gegen
  75. ein Verrutschen gesichert gewesen.
  76. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Leistungsfreiheit
  77. der Beklagten schließlich auch nicht entgegen, daß der Sachverständige
  78. einen Teil des Schadensbildes (herausgerissene Teile im Inneren eines
  79. Schaltschrankes) durch ein überhartes Abladen erklärt habe. Denn es
  80. fehlten gesonderte Feststellungen dazu, daß Ursache dieser Schäden
  81. keine fehlerhafte Ladung und Verpackung gewesen sei.
  82. 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung schon deshalb nicht Stand,
  83. weil der Sachverständige - und ihm folgend das Berufungsgericht - sich
  84. für die Feststellung einer nicht ausreichenden Verpackung und Sicherung der Ladung auf eine unzureichende Tatsachengrundlage gestützt
  85. haben, die unter Verstoß gegen § 286 ZPO wesentlichen Akteninhalt
  86. außer Acht läßt und sich zum Teil in bloßen Vermutungen erschöpft.
  87. Der Sachverständige hat seine Schlüsse auf den Zustand der Verpackung der Maschinenteile im Ergebnis allein aus zwölf Lichtbildern
  88. (Nr. 5 bis 16) eines von der Beklagten zur Akte gereichten Anlagenkonvoluts gezogen. Dieses Bildmaterial bestand zwar aus insgesamt
  89. 22 Lichtbildern, doch geht das Berufungsgericht davon aus, daß sechs
  90. Bilder (Nr. 17 bis 22) nicht den Zustand der Ladung unmittelbar nach
  91. Öffnen der Container wiedergeben, sondern erst etwa zwei Wochen
  92. nach Entladung der Container von dem Ingenieur W., den die Klägerin
  93. -6-
  94. zur Schadensdokumentation in die USA entsandt hatte, gefertigt worden
  95. sind. Vier Lichtbilder (Nr. 1 bis 4) zeigen die Container lediglich von außen, die Verstauung der Ladung ist auf ihnen nicht zu sehen.
  96. a) Weil auf den genannten zwölf Lichtbildern weder ausreichende
  97. Holzverblockungen zur Verhinderung einer Ladungsverschiebung noch
  98. Verzurrungsmateriel noch Schloßschrauben zur Befestigung der Ladung
  99. im Bodenbereich zu sehen sind, hat der Sachverständige angenommen,
  100. daß solche Ladungssicherungen beim Transport zu keiner Zeit vorhanden gewesen seien. Anderslautenden Zeugenaussagen, dem Stauplan
  101. und der von der Klägerin vorgelegten Holzrechnung für den angeblichen
  102. Ankauf von Verpackungshölzern in größerem Umfang hat er angesichts
  103. der Lichtbilder keine Bedeutung beigemessen.
  104. b) Dem durfte sich das Berufungsgericht schon deshalb nicht anschließen, weil die Aussagekraft der Lichtbilder in Frage steht.
  105. Die Beklagte hat nicht angeben können, zu welchem Zeitpunkt und
  106. von wem die von ihr vorgelegten Lichtbilder Nr. 5 bis 16 gefertigt worden
  107. sind. Ob sie den Zustand der Ladung unmittelbar nach Öffnung der
  108. Container durch die Empfängerfirma wiedergeben, ist aber entscheidend
  109. dafür, ob diese Fotos überhaupt hinreichenden Aufschluß über die ursprüngliche Verblockung und Verzurrung der Ladung geben können.
  110. Denn wären die Container zur Zeit der Aufnahmen schon teilweise entladen, wäre insbesondere Verpackungsmaterial zuvor entfernt worden, so
  111. könnte nicht - wie es der Sachverständige getan hat - aus dessen Fehlen
  112. gefolgert werden, es sei nie vorhanden gewesen.
  113. -7-
  114. Das Berufungsgericht hat diese Frage nicht rechtsfehlerfrei geklärt. Der Sachverständige hat in seiner mündlichen Anhörung dazu
  115. ausgeführt, seiner Erfahrung nach sei Entladepersonal generell mit Fotoapparaten ausgerüstet, er gehe (allein) deshalb davon aus, daß das
  116. auch hier nicht anders gewesen sei und die Fotos unmittelbar nach Öffnen der Container aufgenommen worden seien. Daß das Berufungsgericht in dieser bloßen Mutmaßung eine "einleuchtende Feststellung" g esehen hat, ist schon deshalb nicht nachvollziehbar und rechtsfehlerhaft,
  117. weil es sich in diesem Zusammenhang nicht mit der schriftlichen Äuß erung des Ingenieurs H. der Empfänger-Firma (Anlage K 43) auseinandergesetzt hat, wonach in den Containern "reichlich Stützmaterial" gewesen sei, um die Ladung für den internationalen Transit handelsüblich
  118. zu sichern. Hinzu kommt, daß der in erster Instanz vom Landgericht beauftragte Sachverständige Dr. L. in seinen schriftlichen Stellungnahmen
  119. mehrfach von umfangreichen (wenngleich teilweise nicht sachgerechten)
  120. Verblockungen und Verzurrungen berichtet hat. Auch damit setzt sich
  121. das Berufungsgericht nicht auseinander. Es hat das Gutachten des
  122. Sachverständigen Dr. L. vielmehr vollständig unberücksichtigt gelassen.
  123. Ebensowenig ist die Aussage des Zeugen He. über Verzurrungen der
  124. Ladung bei der Beweiswürdigung herangezogen worden.
  125. 3. Auch die Revisionsrüge, das Berufungsgericht habe bei der
  126. Frage nach der Kausalität der unzureichenden Verpackung für die eingetretenen Schäden die Beweislast verkannt, greift durch.
  127. -8-
  128. Die "Verpackungsklausel" in Ziffer 1.4.1.5 der ADS Güter 73/84
  129. enthält einen verschuldensunabhängigen Risikoausschluß, dessen tatsächliche Voraussetzungen der Versicherer beweisen muß (dazu Enge,
  130. Transportversicherung, 3. Aufl., S. 125; ders., Erläuterungen zu den
  131. ADS Güterversicherung 1973 und dazugehörigen DTV-Klauseln, 1973,
  132. S. 37 f. zu Ziff. 1.4.1.5; Koller VersR 1993, 519, 524; vgl. auch Römer in
  133. Römer/Langheid, VVG, zu § 131 Rdn. 2; Voit in Prölss/Martin, VVG,
  134. 26. Aufl. § 131 Rdn. 7; BGH, Urteil vom 26. Februar 1996 - II ZR 21/95 VersR 1996, 1260 unter 3).
  135. Dazu gehört auch, daß die mangelhafte Verpackung des Transportguts für den eingetretenen Schaden ursächlich geworden ist (vgl.
  136. dazu BGH aaO; Voit aaO, Rdn. 27 zu Ziff. 1 ADS 73/84). Da für Transportschäden regelmäßig mehrere adäquate Ursachen nebeneinander in
  137. Betracht kommen, ist auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit wirksamste, in
  138. ihrer Ursächlichkeit erheblichste Ursache (causa proxima, vgl. dazu Voit
  139. aaO und § 131 VVG Rdn. 8; OLG Bremen, Urteil vom 7. Januar 1988
  140. - 2 U 152/86 - VersR 1988, 716, jeweils m.w.N.) abzustellen. Der Versicherer kann den ihm obliegenden Beweis mithin nur führen, wenn er zugleich darlegt und im Streitfall unter Beweis stellt, daß kein anderes Ereignis für den Schadenseintritt wirksamer geworden ist.
  141. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zu möglichen Beschädigungen von Teilen des Ladeguts durch überhartes Abladen lassen besorgen, daß es diese Beweislastverteilung - insbesondere zur Ursächlichkeit des Verpackungsmangels - verkannt hat. Denn wenn es nach
  142. Auffassung des Sachverständigen zu Schäden im Schaltschrank auch
  143. -9-
  144. durch einen solchen Vorgang - und unbeschadet einer handelsüblichen
  145. Verpackung - gekommen sein kann, war es Sache der Beklagten zu beweisen, daß diese Schadensursache nicht in Betracht kommt. Das Berufungsgericht durfte sich demgemäß nicht mit der Erwägung begnügen,
  146. es fehlten gesicherte Feststellungen, daß Schadensursache nicht eine
  147. fehlerhafte Ladung und Verpackung gewesen sei. Im übrigen lassen
  148. auch die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Kausalität des nach
  149. seiner Auffassung vorliegenden Verpackungsmangels jede Auseinandersetzung mit den Einschätzungen des Sachverständigen Dr. L. hierzu
  150. vermissen, die noch für das Landgericht von entscheidender Bedeutung
  151. waren.
  152. 4. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, daß der
  153. Abladeort, auf dessen Standards es für die Bestimmung der Handelsüblichkeit einer Verpackung ankommt, der Ort ist, an dem das Transportgut
  154. - 10 -
  155. auf ein Schiff übergeben wird (vgl. dazu BGH, Urteil vom 26. Februar
  156. 1996 - II ZR 21/95 - VersR 1996, 1260 unter 3 b). Das ist hier der Hafen
  157. von A..
  158. Terno
  159. Dr. Schlichting
  160. Dr. Kessal-Wulf
  161. Seiffert
  162. Felsch