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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IV ZB 2/14
  4. vom
  5. 4. Juni 2014
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
  9. Richterin
  10. Mayen,
  11. die
  12. Richter
  13. Wendt,
  14. Felsch,
  15. die
  16. Richterin
  17. Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski
  18. am 4. Juni 2014
  19. beschlossen:
  20. Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle
  21. vom 9. Dezember 2013 aufgehoben.
  22. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die
  23. Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  24. Beschwerdewert: bis 1.000 €
  25. Gründe:
  26. 1
  27. I. Die Kläger nehmen den Beklagten als Beschenkten im Wege der
  28. Stufenklage auf Ergänzung ihres Pflichtteils nach dem am 2. Februar
  29. 2011 verstorbenen Erblasser in Anspruch. Das Landgericht hat den Beklagten mit Teilurteil vom 25. September 2013 verurteilt, Auskunft zu erteilen, welche Vermögensbestandteile ihm in der Zeit vom 2. Februar
  30. 2001 bis zum 1. Februar 2011 vom Erblasser, geboren am 1. Februar
  31. 2023 (richtig muss es heißen: 1. Februar 1923), sei es entgeltlich oder
  32. -3-
  33. unentgeltlich übertragen wurden, und zwar durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses, welches folgende Punkte umfasst:
  34. 2
  35. - alle in dem vorgenannten Zeitraum übertragenen Gegenstände,
  36. Immobilien, Grundstücke, Forderungen einschließlich Bargeld und son stige geldwerte Vermögenspositionen einschließlich Jagdrechte, sowie
  37. Mitgliedschaftsrechte in der Ritterschaft des Herzogtums Verden und des
  38. Ritterschaftlichen Kollegiums des Fürstentums Lüneburg mit Sitz in Celle
  39. (Aktiva),
  40. 3
  41. - alle im vorgenannten Zeitraum insoweit vorhandenen Verbin dlichkeiten,
  42. 4
  43. - Vorlage der entsprechenden privatschriftlichen oder notariellen
  44. Verträge.
  45. 5
  46. Der Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Mit Beschluss vom 14. November 2013 hat das Berufungsgericht den Streitwert
  47. für das Berufungsverfahren auf 300 € festgesetzt. In seiner Berufungsbegründung vom 2. Dezember 2013 hat der Beklagte zur Zulässigkeit der
  48. Berufung und zur Beschwer im Einzelnen Stellung genommen.
  49. 6
  50. Das Berufungsgericht hat die Berufung mit dem angefochtenen
  51. Beschluss als unzulässig verworfen. Der Streitwert im Berufungsverfa hren richte sich nach dem für den Beklagten mit der Auskunft verbund enen Aufwand, den das Gericht - was der Beklagte der Höhe nach nicht
  52. angreife - auf 300 € geschätzt habe.
  53. -4-
  54. 7
  55. II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO
  56. statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere erfordert die S icherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
  57. Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt den Beklagten in seinem A nspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und in
  58. seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip),
  59. das es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in
  60. der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus
  61. Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BGH,
  62. Beschlüsse vom 25. September 2013 - XII ZB 200/13, NJW 2014, 77
  63. Rn. 4; vom 23. Januar 2013 - XII ZB 167/11, NJW-RR 2013, 1010 Rn. 4).
  64. 8
  65. 1. Wird bei einer Stufenklage - wie hier - eine Verurteilung zur
  66. Auskunft ausgesprochen, so ist für die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstandes das Interesse des Rechtsmittelführers maßg ebend, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem hier
  67. nicht
  68. gegebenen
  69. Fall eines besonderen
  70. Geheimhaltungsinteresses
  71. kommt es grundsätzlich auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die
  72. Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (Senatsbeschlüsse vom
  73. 9. November 2011 - IV ZB 23/10, ZEV 2012, 149 Rn. 13; vom 10. März
  74. 2010 - IV ZR 255/08, FamRZ 2010, 891 Rn. 6). Soweit das Berufungsgericht hiervon ausgehend den für den Beklagten mit der Auskunft verbundenen Aufwand auf 300 € geschätzt hat, den der Beklagte der Höhe
  75. nach nicht angegriffen habe, hat es dessen Vortrag in der Berufungsb egründung vom 2. Dezember 2013 nicht bzw. nicht hinreichend zur
  76. Kenntnis genommen. Der Beklagte hat vorgetragen, sollte das Urteil des
  77. -5-
  78. Landgerichts dahin zu verstehen sein, dass er verpflichtet wäre, alle ei nzelnen Grundstücke und Inventargegenstände mit einer Objektbeschre ibung als Grundlage für eine Verkehrswertermittlung vorzulegen, würde
  79. eine solche Auskunft ihn mehrere Tausend Euro kosten. Hierzu hat er
  80. unter Beweisantritt behauptet, allein die dann geschuldete Auskunft für
  81. die Objektbeschreibung der einzelnen Parzellen des übertragenen
  82. Grundbesitzes erfordere einen Aufwand von 1.900 € netto. Bezüglich der
  83. Inventargegenstände käme ein weiterer Aufwand von 500 € bis 700 €
  84. dazu, so dass seine Beschwer mindestens 3.000 € betrage.
  85. 9
  86. Die Gewährleistung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht,
  87. die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in
  88. Erwägung zu ziehen. Bei vom Gericht entgegengenommenem Vorbri ngen der Parteien ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass dies
  89. geschehen ist, obgleich das Gericht nicht verpflichtet ist, jedes Vorbri ngen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden.
  90. Das Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG schützt auch nicht
  91. davor, dass das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen
  92. oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt. Ebenso wenig bietet es
  93. Schutz davor, dass das Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht
  94. teilt (BVerfG MDR 2013, 1113 Rn. 14). Ein Verstoß gegen die Pflicht zur
  95. Berücksichtigung von Vorbringen liegt aber dann vor, wenn im Einzelfall
  96. zu erkennen ist, dass erhebliches Vorbringen eines Beteiligten entweder
  97. überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung e rsichtlich nicht erwogen worden ist. So kann es sich verhalten, wenn das
  98. Gericht auf den wesentlichen Kern des Vortrags einer Partei zu einer
  99. zentralen Frage des Verfahrens in den Entscheidungsgründen nicht ei ngeht (BVerfG aaO Rn. 15). Das ist hier geschehen, da das Berufungsgericht unzutreffend davon ausgeht, der Beklagte habe den zuvor mit Be-
  100. -6-
  101. schluss vom 14. November 2013 geschätzten Aufwand von 300 € der
  102. Höhe nach nicht angegriffen. Das ist, wie sich aus der Berufungsbegrü ndung im Einzelnen ergibt, nicht der Fall.
  103. 10
  104. 2. Bei dem Umfang des Aufwands, der mit der Auskunftserteilung
  105. verbunden ist, hat das Berufungsgericht ferner nicht hinreichend gewü rdigt, dass das Landgericht den Beklagten zu einer umfassenden Au skunft durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses mit Aktiva und Passiva einschließlich der Vorlage der entsprechenden Urkunden verurteilt
  106. hat. Eine derart umfassende Auskunftserteilung schuldet der Beklagte
  107. von vornherein nicht. Er selbst ist nicht Erbe, sondern wird von den Klägern als beschenkter Dritter im Wege eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs gemäß §§ 2325, 2329 BGB in Anspruch genommen. Zwar hat
  108. der Bundesgerichtshof die Auskunftspflicht des Erben gemäß § 2314
  109. Abs. 1 Satz 1 BGB in persönlicher Hinsicht auch auf den beschenkten
  110. Dritten ausgedehnt (Senatsurteile vom 19. April 1989 - IVa ZR 85/88,
  111. BGHZ 107, 200, 203; vom 9. November 1983 - IVa ZR 151/82, BGHZ 89,
  112. 24, 27; MünchKomm-BGB/Lange, 6. Aufl. § 2314 Rn. 44). Anders als der
  113. Erbe schuldet der beschenkte Dritte aber nicht ein Bestands- oder Vermögensverzeichnis mit allen Aktiva oder Passiva. Vielmehr hat er, wie
  114. das Berufungsgericht dem Grunde nach zutreffend erkennt, Auskunft nur
  115. über die an ihn geflossenen Zuwendungen zu erteilen, bei denen es sich
  116. um Schenkungen handelt oder um Veräußerungen, von denen streitig
  117. und ungeklärt ist, ob sie eine Schenkung darstellen, sofern sie nur unter
  118. Umständen erfolgt sind, die die Annahme nahe legen, es handele sich in
  119. Wirklichkeit - wenigstens zum Teil - um eine Schenkung. Es ist nicht ersichtlich, wie der Beklagte mit einem Aufwand von bis zu 300 € in der
  120. Lage sein sollte, den umfassenden Auskunftsverpflichtungen zu entspr echen, zu denen er durch das landgerichtliche Urteil verurteilt worden ist.
  121. -7-
  122. Ihm ist es auch nicht zuzumuten, sich lediglich im Verfahren der
  123. Zwangsvollstreckung auf ein Unterlassen derselben und Herausgabe des
  124. Titels unter dem Gesichtspunkt des § 826 BGB verweisen zu lassen
  125. (hierzu vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO 30. Aufl. Vor § 322 Rn. 72 ff.).
  126. 11
  127. 3. Schließlich hat das Berufungsgericht das Vorbringen des Beklagten, er könne keine weitergehende Auskunft erteilen, da den Klägern
  128. die beiden maßgeblichen notariellen Verträge vom 29. April 2005 bereits
  129. vorlägen und er nicht mehr erhalten habe, als dasjenige, was Gege nstand dieser beiden Verträge gewesen sei, gehörswidrig nicht ausreichend in seinen Erwägungen berücksichtigt. Der Beklagte hat hierzu geltend gemacht, die Kläger seien mit der erteilten Auskunft nicht zufrieden,
  130. so dass er sich gegen die von ihnen bereits mit Schriftsatz vom
  131. 21. Oktober 2013 gestellten Anträge auf Festsetzung eines Zwangsge ldes, hilfsweise Zwangshaft, zur Wehr setzen müsse .Er beruft sich damit
  132. nicht nur darauf, er habe seine Auskunftsverpflichtung bereits erfüllt,
  133. sondern auch darauf, eine weitere Auskunftserteilung auf der Grundlage
  134. des vom Landgericht ausgesprochenen Tenors sei ihm unmögli ch. Ist ein
  135. Beklagter im Rahmen der Verurteilung zur Auskunft zu einer nach seinem Vortrag unmöglichen Leistung verurteilt worden, so ist bei der B emessung der Beschwer auch der zu erwartende Kostenaufwand zu berücksichtigen, der notwendig wäre, um mit anwaltlicher Hilfe Vollstr eckungsversuche abzuwenden (BGH, Versäumnisurteil vom 10. Dezember
  136. 2008 - XII ZR 108/05, FamRZ 2009, 495 Rn. 12; Zöller/Herget, ZPO
  137. 30. Aufl. § 3 Rn. 16 "Auskunft"). Da im Verfahren der Zwangsvollstreckung gemäß Kostenverzeichnis Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG VV 3309,
  138. 3310 bis zu 0,6 Rechtsanwaltsgebühren zuzüglich Auslagen und Meh rwertsteuer anfallen können, belaufen sich allein die für das Abwehrinte-
  139. -8-
  140. resse des Beklagten maßgeblichen Rechtsanwaltskosten bei dem erstinstanzlich festgesetzten Streitwert von 78.123 € bereits auf über 600 €.
  141. 12
  142. Nach § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, welches auf der
  143. Grundlage der vorstehenden Ausführungen erneut über die Zulässigkeit
  144. der Berufung zu befinden haben wird.
  145. Mayen
  146. Wendt
  147. Harsdorf-Gebhardt
  148. Felsch
  149. Dr. Karczewski
  150. Vorinstanzen:
  151. LG Verden, Entscheidung vom 25.09.2013 - 5 O 113/13 OLG Celle, Entscheidung vom 09.12.2013 - 6 U 108/13 -