|
|
- BUNDESGERICHTSHOF
- IM NAMEN DES VOLKES
- URTEIL
- III ZR 31/12
- Verkündet am:
- 11. Juli 2013
- Freitag
- Justizamtsinspektor
- als Urkundsbeamter
- der Geschäftsstelle
- in dem Rechtsstreit
-
- - 2 -
-
- Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
- vom 11. Juli 2013 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Wöstmann, Hucke, Seiters und Dr. Remmert
-
- für Recht erkannt:
-
- Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 21. Zivilsenats
- des Oberlandesgerichts München vom 5. Dezember 2011 aufgehoben.
-
- Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
- über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
-
- Von Rechts wegen
-
- Tatbestand
-
- 1
-
- Die Klägerin macht im Zusammenhang mit Vermögensanlageverträgen,
- die sie im Zeitraum vom 15. Mai 2001 bis zum 16. November 2006 mit dem
- Handelsvertreter
-
- F.
-
- geschlossen hat, Schadensersatzansprüche gegen
-
- die beklagte D.
-
- 2
-
- AG geltend.
-
- Die Beklagte gehört zur A.
- hat mit dieser sowie deren Muttergesellschaft G.
-
- Versicherungsgruppe. Sie
- und anderen konzern-
-
- zugehörigen Gesellschaften Handelsvertreterverträge geschlossen, aufgrund
-
- - 3 -
-
- derer sie für diese Gesellschaften Versicherungsverträge und Kapitalanlagen
- aller Art vermittelt. Die Beklagte ist in hierarchisch aufgebaute Unterorganisationen - sogenannte Direktionen - strukturiert. Die einer Direktion zugeordneten
- Partner - sogenannte Vermögensberater - sind selbständige Handelsvertreter.
- Sie vermitteln für die Beklagte Produkte der genannten Partnergesellschaften.
-
- 3
-
- Zu diesen Handelsvertretern zählte - jedenfalls ab 1998 bis zu seinem
- Tod im Jahr 2007 - auch
-
- F.
-
- , dem für seine Tätigkeit von der Beklag-
-
- ten verschiedene Werbemittel, insbesondere ein Briefpapier mit dem Logo der
- Beklagten zur Verfügung gestellt wurden. F.
-
- war am 25. August 1993 zu ei-
-
- ner zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Betruges verurteilt worden. Der Beklagten, die entgegen ihrer Einstellungspolitik in diesem Fall kein
- polizeiliches Führungszeugnis eingeholt hatte, war dies nicht bekannt. Im Februar 2001 wurde F.
-
- in einer Broschüre der Beklagten als "Gruppenleiter des
-
- Monats" vorgestellt. Er firmierte in I.
- Vermögensberatung - G.
-
- 4
-
- F.
-
- unter der Bezeichnung "Deutsche
-
- ".
-
- Nach dem Vortrag der Klägerin lernte sie F.
- beitskollegin kennen, die für F.
-
- gearbeitet habe. Da sie sich für eine Versi-
-
- cherung interessiert habe, sei ein Termin mit F.
- fang 2001 stattgefunden habe. F.
-
- über eine ehemalige Ar-
-
- vereinbart worden, der An-
-
- , der in seiner Eigenschaft als Leiter der
-
- Geschäftsstelle der Beklagten an sie herangetreten sei, habe erklärt, er habe
- aufgrund seiner Einstufung in der Hierarchie der Beklagten die Möglichkeit,
- über die Beklagte in größerem Umfang auf für die Beklagte eingerichteten Konten bei der S.
-
- Bank größere Geldbeträge zu äußerst hohen Zinsen anzule-
-
- gen. Er habe ihr angeboten, mit ihr Anlageverträge abzuschließen, bei denen er
- hohe Zinsen von bis zu 10 % zusichern könne. Sie, die Klägerin, habe daher
- am 15. Mai 2001 und 11. November 2004 in den als Geschäftsstelle der Be-
-
- - 4 -
-
- klagten gekennzeichneten Büroräumen des F.
-
- Anlageverträge unterzeichnet,
-
- deren Laufzeit - teilweise unter Aufstockung des Anlagebetrags - in jährlichen
- Folgeverträgen, zuletzt vom 30. Mai 2007 (betreffend den Vertrag vom 15. Mai
- 2001) beziehungsweise 15. November 2006 (betreffend den Vertrag vom
- 11. November 2004) verlängert worden sei. Das anzulegende Geld habe sie
- F.
-
- am 14. Mai 2001, 11. November 2004, 15. Mai 2005 und 16. November
-
- 2006 bar übergeben. In den Verträgen wurden die Klägerin als Kunde und F.
- als Anleger aufgeführt; sie wiesen im rechten Teil der Kopfzeile das Logo der
- Beklagten auf. Inhaltlich versprach F.
-
- der Klägerin darin jeweils eine in einem
-
- bestimmten Anlagezeitraum mit jährlich zwischen 8,85 % und 10,15 % zu verzinsende Anlage. Dabei sollte das Anlagekapital bis zum jeweiligen Ablaufdatum der Anlage auf ein Sonderkonto der S.
- sächlich habe F.
-
- das Geld nie bei der S.
-
- Bank überwiesen werden. TatBank einbezahlt und die Kunden
-
- der Beklagten lediglich über eine solche Anlagemöglichkeit getäuscht. Wohin
- F.
-
- 5
-
- das durch Betrug erlangte Geld geschafft habe, sei unklar.
- Das Landgericht hat die auf Zahlung von insgesamt 46.553,20 € nebst
-
- Zinsen sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihre Hauptforderung auf
- 46.032,88 € reduziert. Das Oberlandesgericht hat ihre Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in dem in zweiter Instanz geltend gemachten Umfang weiter.
-
- Entscheidungsgründe
-
- 6
-
- Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
-
- - 5 -
-
- I.
-
- 7
-
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin Ansprüche
- gegen die Beklagte weder aus Vertrag oder Delikt noch wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung zu.
-
- 8
-
- Eine Haftung aus einem neben den Anlageverträgen zwischen der Klägerin und der Beklagten zustande gekommenen Beratungs- oder Vermittlungsvertrag scheide aus, da Inhalt eines solchen Vertrages allenfalls die Beratung
- zu Vermögensanlagen bei Dritten, wie zum Beispiel Fondsgesellschaften oder
- Versicherungen, die die Beklagte üblicherweise vertreibe, gewesen sei. Als
- F.
-
- empfohlen habe, das Geld nicht Dritten zu geben, sondern ihm persönlich,
-
- habe er für die Klägerin ohne weiteres erkennbar nicht mehr im Rahmen eines
- Beratungsvertrags zwischen der Klägerin und der Beklagten, sondern im eigenen Namen gehandelt. Eine vertragliche Haftung der Beklagten für F.
-
- als de-
-
- ren Erfüllungsgehilfen scheide aus, da die Pflichtverletzungen des F.
-
- in kei-
-
- nem inneren sachlichen Zusammenhang zu den Aufgaben gestanden hätten,
- zu deren Wahrnehmung die Beklagte ihn bestellt habe. Er habe auf der Grundlage eines völlig von der Beklagten losgelösten Anlagemodells auf eigene Haftung in die eigene Tasche gewirtschaftet.
-
- 9
-
- Auch eine Haftung der Beklagten im Wege der Zurechnung des Verhaltens des F.
-
- analog §§ 30, 31 BGB komme nicht in Betracht, da dieser nicht
-
- als Repräsentant der Beklagten tätig gewesen sei. Er sei weder inkassobefugt
- noch abschlussberechtigt gewesen. Auch habe er innerhalb der Struktur der
- Beklagten weder eine wesensmäßige Funktion gehabt noch sei er als Führungskraft geführt worden. Die Handlungen des F.
-
- seien der Beklagten im
-
- Wege der Repräsentantenhaftung auch deshalb nicht zuzurechnen, weil sie
-
- - 6 -
-
- nicht "in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen" begangen worden
- seien. Beim Abschluss von Anlageverträgen im eigenen Namen, mit eigener
- Haftung und mit freier Hand bei der Geldanlage - also Anlage ohne Vermittlung
- von Produkten der Beklagten - handele ein Vermögensberater für jeden Außenstehenden erkennbar außerhalb des allgemeinen Rahmens der ihm übertragenen Aufgaben.
-
- 10
-
- Eine Haftung der Beklagten aus culpa in contrahendo scheide aus, da
- der Beklagten keine Pflichtverletzung im Zusammenhang mit den Anlageverträgen aus den Jahren 2001 bis 2006 zum Vorwurf gemacht werden könne. Zwar
- bestehe für eine Vermögensberatungsgesellschaft wie die Beklagte grundsätzlich die Pflicht, gemäß ihrer selbst propagierten Einstellungspolitik jedenfalls
- dann, wenn sie einen einschlägig vorbestraften Vermögensberater beschäftige,
- potentielle Kunden auf das damit einhergehende "Gefahrenrisiko" hinzuweisen,
- da sie diese dessen Einfluss ausgesetzt habe. Eine solche Hinweispflicht habe
- jedoch vorliegend nach Ablauf der in Bezug auf die Verurteilung des F.
-
- vom
-
- 25. August 1993 gemäß § 34 BZRG geltenden siebenjährigen Tilgungsfrist und
- damit spätestens seit Ende August 2000 nicht mehr bestanden. Ab diesem
- Zeitpunkt habe die Vorstrafe nicht mehr in einem Führungszeugnis erscheinen
- dürfen; danach sollte sie mithin keine nachteiligen Folgen mehr für den Verurteilten und Weiterungen bezüglich Dritter zeitigen. Die streitgegenständlichen
- Verträge seien nach diesem Zeitpunkt geschlossen worden. Vorkontakte mit
- F.
-
- habe es unstreitig nicht gegeben.
-
- II.
- 11
-
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
-
- - 7 -
-
- 12
-
- 1.
-
- Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Berufungsgericht eine Haf-
-
- tung der Beklagten aus einem zwischen der Klägerin und der Beklagten zustande gekommenen Beratungs- oder Vermittlungsvertrag unter dem Gesichtspunkt der Verantwortlichkeit für das Handeln des F.
-
- als Erfüllungsgehilfen
-
- nach § 278 BGB verneint hat. Es hat in jedenfalls vertretbarer tatrichterlicher
- Würdigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls angenommen, dass F.
- - für die Klägerin erkennbar - nicht mehr im Rahmen eines Beratungsvertrags
- zwischen der Klägerin und der Beklagten handelte und seine Pflichtverletzungen in keinem inneren Zusammenhang zu den Aufgaben standen, zu deren
- Wahrnehmung die Beklagte ihn bestellt hatte.
-
- 13
-
- Zwar dürfte das nach dem - von der Revision in Bezug genommenen Klägervortrag (Klageschrift vom 26. November 2009, S. 8 f; Schriftsatz vom
- 25. November 2011, S. 3 f) von F.
-
- der Klägerin zunächst empfohlene Anla-
-
- gemodell aus Sicht der Klägerin noch im Bereich des F.
-
- von der Beklagten
-
- übertragenen Aufgabenbereichs gelegen haben. Danach erläuterte F.
-
- der
-
- Klägerin, er habe aufgrund seiner Einstufung in der Hierarchie der Beklagten
- die Möglichkeit, über die Beklagte Gelder auf einem für die Beklagte eingerichteten Konto bei der S.
-
- Bank hochverzinslich anzulegen. Er dürfe dieses ex-
-
- klusive Produkt der Beklagten seinen Kunden unterbreiten. Es sei ein besonderes Anlagekonzept, welches die Beklagte exklusiv für Kunden ihrer Führungskräfte anbiete. Das Geld werde bei der S.
-
- Bank aus internen Gründen der
-
- Beklagten separiert unter seinem Namen angelegt. Es bestehe kein Risiko, weil
- für die Anlage sowohl die Beklagte als auch er persönlich hafteten. Auf der
- Grundlage dieses Sachvortrags empfahl F.
-
- der Klägerin ein Produkt der Be-
-
- klagten und handelte im Rahmen eines - vom Berufungsgericht unterstellten Anlageberatungsvertrags als deren Erfüllungsgehilfe.
-
- - 8 -
-
- 14
-
- Eine Haftung der Beklagten wegen Verletzung eines zwischen ihr und
- der Klägerin bestehenden Anlageberatungsvertrags durch F.
- gehilfen setzt jedoch voraus, dass nicht nur das von F.
-
- als Erfüllungs-
-
- der Klägerin empfoh-
-
- lene Anlagemodell, sondern auch die tatsächlich unterzeichneten Anlageverträge noch im Bereich des F.
-
- von der Beklagten übertragenen Aufgabenbe-
-
- reichs lagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die von F.
-
- der Klägerin vorge-
-
- legten, einfach strukturierten und übersichtlichen Anlageverträge wichen vielmehr - für die Klägerin erkennbar - in wesentlichen Punkten von dem zuvor vorgestellten Anlagemodell ab. Aus ihnen ergab sich allein die persönliche Haftung
- des F.
-
- und nicht - entgegen dessen vorheriger Darstellung - auch eine Haf-
-
- tung der Beklagten für die Anlage. Die Beklagte wurde darin vielmehr, abgesehen von ihrem Logo auf den verwandten Papierbögen, nicht erwähnt. Zudem
- wurde in den Verträgen nicht die von F.
- vereinbart, sondern im Gegenteil F.
-
- erläuterte Anlage bei der S.
-
- Bank
-
- die Anlageform freigestellt. Damit fanden
-
- sich die wesentlichen Bezugspunkte zur Beklagten und ihrem angeblichen, von
- F.
-
- zuvor empfohlenen Anlagekonzept in dem Vertrag nicht wieder. Im Unter-
-
- schied hierzu ist in dem Sachverhalt, der dem von der Revision herangezogenen Urteil des Senats vom 7. Mai 1998 (III ZR 268/96, BGH NJW-RR 1998,
- 1342) zugrunde lag, eine Abweichung des Anlagevertrags von dem zuvor empfohlenen Anlagegeschäft nicht erkennbar.
-
- 15
-
- Die Feststellung des Berufungsgerichts, F.
-
- habe - für die Klägerin er-
-
- kennbar - nicht mehr im Rahmen eines Beratungsvertrags zwischen der Klägerin und der Beklagten gehandelt, hält sich nach alledem in den Grenzen tatrichterlicher Würdigung.
-
- - 9 -
-
- 16
-
- 2.
-
- Das Berufungsgericht hat des Weiteren zu Recht und mit zutreffender
-
- Begründung eine Zurechnung des (betrügerischen) Fehlverhaltens des F.
-
- un-
-
- ter dem Aspekt der Repräsentantenhaftung analog §§ 30, 31 BGB verneint. Weder ist eine Repräsentantenstellung des F.
-
- in Bezug auf die Beklagte gege-
-
- ben noch wurden die den Schaden der Klägerin verursachenden Handlungen
- des F.
-
- "in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen" begangen. Inso-
-
- weit wird auf die denselben Handelsvertreter und vergleichbare Anlageverträge
- betreffende Entscheidung des Senats vom 14. März 2013 (III ZR 296/11, WM
- 2013, 692 Rn. 11 ff, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) Bezug genommen.
-
- 17
-
- Aus der von der Revision angeführten Entscheidung des VII. Zivilsenats
- vom 30. Oktober 1967 (VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19) ergibt sich nichts anderes.
- Dort wird eine Repräsentantenstellung für einen Handelsvertreter angenommen, der ein Büro der von der dortigen Beklagten betriebenen Auskunftei als
- "Einmannbetrieb" völlig selbständig in dem Sinne leitete, dass er mit der selbständigen Erledigung von wesensmäßigen Aufgaben der Auskunftei im Wege
- der Erteilung von Auskünften betraut war (BGH aaO S. 22). Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich. Denn F.
-
- war mangels
-
- Abschlussvollmacht gerade nicht die selbständige Erledigung von wesensmäßigen Aufgaben der Beklagten übertragen.
-
- 18
-
- 3.
- F.
-
- 19
-
- Zu Recht hat das Berufungsgericht auch eine Haftung der Beklagten für
- als Verrichtungsgehilfen nach §§ 823, 831 BGB verneint.
-
- Handelsvertreter sind grundsätzlich selbständige Gewerbetreibende (§ 84
- HGB) und nicht Verrichtungsgehilfen des Unternehmers, für den sie tätig werden
- (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1979 - I ZR 140/77, NJW 1980, 941; Senat, Urteil
-
- - 10 -
-
- vom 5. März 1998 - III ZR 183/96, NJW 1998, 1854, 1857). Die Eigenschaft eines Verrichtungsgehilfen kommt für sie nur ausnahmsweise in Betracht, wenn
- sie bei Ausübung der Tätigkeiten weisungsgebunden und von dem Unternehmer
- abhängig sind (Senat aaO; BGH, Urteil vom 5. Oktober 1979 aaO: Bejahung der
- Verrichtungsgehilfeneigenschaft im Fall der dem Handelsvertreter übertragenen
- Betreuung eines Messestandes der dortigen Beklagten; BGH, Urteil vom
- 29. Juni 1956 - I ZR 129/54, NJW 1956, 1715 f: Generalvertreter als Verrichtungsgehilfe bei voller Abhängigkeit von Weisungen des Geschäftsherrn). Nicht
- ausreichend ist hingegen - entgegen der Auffassung der Revision - eine "gewisse" Abhängigkeit des Handelsvertreters vom Unternehmer. Sie ist bei zahlreichen Handelsvertreterverhältnissen gegeben, ohne dass hierdurch bereits die
- Verrichtungsgehilfeneigenschaft des Handelsvertreters begründet würde.
-
- 20
-
- So liegt der Fall hier. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Vermögensberater-Vertrag ergibt sich keine Abhängigkeit des F.
-
- von der Beklagten, die
-
- eine Verrichtungsgehilfeneigenschaft im Sinne von § 831 BGB begründet. Soweit darin neben einer Verpflichtung zur selbständigen Weiterbildung (Ziffer II
- des Vertrags) vereinbart ist, dass zur Ausübung anderweitiger Beratungs-, Vermittlungs- oder Verkaufstätigkeiten die schriftliche Einwilligung der Beklagten
- erforderlich ist (Ziffer I des Vertrags) sowie nur mit der Beklagten abgestimmte
- Werbemaßnahmen ergriffen und für das Angebot von Partnergesellschaften nur
- die neuesten Fassungen der dort genannten Werbe- und Informationsmittel verwendet werden dürfen (Ziffer II des Vertrags), ergibt sich daraus noch keine Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit des F.
- bar mit den vorgenannten Ausnahmefällen - F.
- Beklagten erscheinen lässt.
-
- in einem Maß, das - vergleichals Verrichtungsgehilfen der
-
- - 11 -
-
- 21
-
- 4.
-
- Nach den bisherigen Feststellungen kommt allerdings eine Haftung der
-
- Beklagten nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo in Betracht, die seit
- dem 1. Januar 2002 in § 241 Abs. 2 i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB kodifiziert sind (vgl.
- Art. 1 Nr. 4, 13 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001, BGBl. I S. 3138). Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen erneut auf die Entscheidung des Senats vom 14. März 2013 (III ZR
- 296/11 aaO Rn. 20 ff) Bezug genommen.
-
- 22
-
- a) Auf der Grundlage des revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Klägervortrags bestand zwischen den Parteien ein Vertragsanbahnungsverhältnis,
- das die Beklagte zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der
- Klägerin verpflichtete. Die Klägerin hat vorgetragen, F.
-
- habe ihr Anfang 2001
-
- erklärt, er habe die Möglichkeit, über die Beklagte Geldbeträge zu äußerst hohen Zinsen anzulegen. Sie habe in den darauf folgenden Tagen F.
- D.
-
- in dessen
-
- -Büro aufgesucht und den ersten Anlagevertrag vom 15. Mai 2001 ge-
-
- schlossen. Das Büro des F.
-
- sei deutlich als Geschäftsstelle der Beklagten
-
- gekennzeichnet gewesen, beispielsweise durch eine Leuchtreklame an der Außenwand und ein Schild vor dem Büro.
-
- 23
-
- Danach handelte es sich bei den Büroräumen des
-
- F.
-
- um ein
-
- Geschäftslokal der Beklagten (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2013 aaO). Mit
- dem Betreten dieses Geschäftslokals vor Abschluss der Anlageverträge wurde
- zwischen den Parteien ein Vertragsanbahnungsverhältnis im vorgenannten Sinn
- begründet.
-
- 24
-
- Etwas anderes könnte zwar dann anzunehmen sein, wenn die Klägerin,
- als sie die Büroräume des F.
- mit F.
-
- betrat, bereits entschlossen war, ausschließlich
-
- persönlich zu kontrahieren und nicht über ihn - als deren Vertreter - ei-
-
- - 12 -
-
- nen Anlageberatungs- oder einen Auskunftsvertrag mit der Beklagten zu schließen. Mangels entsprechender Feststellungen des Berufungsgerichts kann hiervon indes nicht ausgegangen werden. Nach dem Vortrag der Klägerin hatte F.
- ihr vielmehr zuvor erklärt, dass die Möglichkeit der Geldanlage über die Beklagte
- bestehe. Mithin konnte die Klägerin, als sie das Geschäftslokal der Beklagten
- betrat, annehmen, über F.
-
- mit der Beklagten in Vertragsverhandlungen einzu-
-
- treten.
-
- 25
-
- b) Der Beklagten oblag zum Schutz der Rechtsgüter ihrer Kunden nach
- den Grundsätzen der culpa in contrahendo die vorvertragliche Pflicht, nur solche
- Handelsvertreter mit der Vermittlung von Anlageverträgen zu betrauen, von
- deren Zuverlässigkeit sie sich auf der Grundlage eines polizeilichen Führungszeugnisses überzeugt hatte (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2013 aaO
- Rn. 24 ff).
-
- 26
-
- c) Im Schutzbereich der Pflicht zur Einholung eines polizeilichen Führungszeugnisses lagen auch solche Schäden der Klägerin, die ihr von F.
- durch den Abschluss von betrügerischen (Kapitalanlage-)Eigengeschäften zugefügt wurden (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2013 aaO Rn. 29 ff).
-
- 27
-
- d) Die Beklagte hat, als sie (spätestens) im Jahr 1998 das Handelsvertreterverhältnis mit F.
-
- begründete, ohne sich von ihm ein polizeiliches Füh-
-
- rungszeugnis vorlegen zu lassen, gegen die ihr (auch) der Klägerin gegenüber
- obliegende Schutzpflicht zur Einholung eines polizeilichen Führungszeugnisses
- verstoßen. Aus einem zu diesem Zeitpunkt eingeholten polizeilichen Führungszeugnis hätte sich die einschlägige Vorstrafe des F.
-
- (noch) ergeben, die
-
- - was letztlich die Beklagte nicht anders sieht - angesichts ihres Gewichts dazu
- geführt hätte, dass die Beklagte F.
-
- nicht mit der Anlagevermittlung und
-
- - 13 -
-
- -beratung betraut hätte. Der zeitliche Wirkungsbereich dieser Schutzpflicht umfasste vorliegend - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - zumindest
- teilweise auch den Zeitraum zwischen dem 15. Mai 2001 und dem 16. November 2006, in dem die streitgegenständlichen Anlageverträge nach dem Vortrag
- der Klägerin zwischen ihr und F.
-
- 28
-
- geschlossen wurden.
-
- aa) Allerdings ist - mit dem Berufungsgericht - davon auszugehen, dass
- die Schutzwirkung einer Pflicht zur Einholung eines polizeilichen Führungszeugnisses betreffend einen für die Vermögensberatung auszuwählenden Handelsvertreter und - daraus folgend - zur Ablehnung des vorbestraften Bewerbers
- zeitlich nicht unbegrenzt besteht. Anleger, die sich lange Zeit nach Begehung
- der Straftaten und Begründung des Handelsvertreterverhältnisses in dem Geschäftslokal der Beratungsgesellschaft in eine Vertragsanbahnungssituation
- begeben, sind nicht mehr von dem Schutzbereich der vorgenannten Pflicht umfasst.
-
- 29
-
- bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht bei der Bemessung des Zeitraums der Schutzwirkung der Pflicht der Beklagten zur Einholung eines polizeilichen Führungszeugnisses die Vorschriften des Bundeszentralregistergesetzes
- herangezogen. Entgegen seiner Auffassung stellt jedoch die in §§ 33, 34 Abs. 1
- Nr. 3, Abs. 3, §§ 36, 38 BZRG geregelte Frist betreffend die Aufnahme von
- Vorstrafen in das polizeiliche Führungszeugnis nicht die absolute Grenze dar,
- bis zu der Erkenntnisse aus einem eingeholten Führungszeugnis zum Nachteil
- des Bewerbers verwendet werden dürfen; diese Grenze wird vielmehr (erst)
- durch die Tilgungsfristen nach §§ 45 ff BZRG gezogen.
-
- 30
-
- (1) Das Bundeszentralregistergesetz unterscheidet zwischen den Fristen,
- die die Aufnahme von Vorstrafen in das polizeiliche Führungszeugnis betreffen
-
- - 14 -
-
- (§§ 33, 34, 36, 38 BZRG), einerseits und denjenigen, die die Tilgung der Eintragungen in das Bundeszentralregister zum Gegenstand haben (Tilgungsfristen gemäß §§ 45 ff BZRG), andererseits. Nach Ablauf der die Aufnahme in das
- polizeiliche Führungszeugnis betreffenden Fristen darf sich der Verurteilte zwar
- gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG als unbestraft bezeichnen; auch braucht er den
- der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht zu offenbaren. Die Tat
- und die Verurteilung dürfen dem Betroffenen im Rechtsverkehr gemäß dem in
- § 51 Abs. 1 BZRG bestimmten Verwertungsverbot jedoch erst nach Ablauf der
- Tilgungsfristen gemäß §§ 45 ff BZRG nicht mehr vorgehalten werden.
-
- 31
-
- (2) Die Ausgestaltung der Regelungen über die Erteilung von Führungszeugnissen beruht auf dem Gedanken einer schnellen Wiedereingliederung von
- Straftätern in Beruf und Gesellschaft (Resozialisierung; Hase, BZRG, § 30
- Rn. 3; Götz/Tolzmann, BZRG, 4. Aufl., § 30 Rn. 7). Das Ziel der Resozialisierung von Straftätern ist indes stets mit den Interessen Dritter und dem Schutz
- ihrer Rechtsgüter abzuwägen (vgl. Götz/Tolzmann aaO). Aus dem Umstand,
- dass Vorstrafen ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr in ein polizeiliches
- Führungszeugnis aufzunehmen sind, folgt daher nicht ohne weiteres, dass die
- vor diesem Zeitpunkt durch Einholung eines Führungszeugnisses erlangte
- Kenntnis von Vorstrafen danach nicht mehr zum Schutz der Interessen Dritter
- verwertet werden kann und gegebenenfalls sogar verwertet werden muss.
-
- 32
-
- (3) Eine absolute zeitliche Grenze ergibt sich hinsichtlich der vorgenannten Pflicht nur aus den für Eintragungen in das Bundeszentralregister geltenden
- Tilgungsfristen nach §§ 45 ff BZRG und dem aus ihnen folgenden umfassenden
- Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG (vgl. dazu Bücherl/Graf, BeckOK
- BZRG, § 51 Rn. 17 [2012]; Hase aaO § 51 Rn. 3; Götz/Tolzmann aaO § 51
-
- - 15 -
-
- Rn. 7 ff). Diese Fristen waren vorliegend bei Abschluss der streitgegenständlichen Anlageverträge noch nicht abgelaufen (vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG).
-
- 33
-
- cc) Die Pflicht, grundsätzlich keinen Handelsvertreter mit der Anlagevermittlung und -beratung zu betrauen, aus dessen polizeilichem Führungszeugnis
- sich einschlägige Vorstrafen ergeben, dient dem Schutz künftiger Kunden vor
- der Begehung von Vermögensdelikten des Handelsvertreters zu ihrem Nachteil.
- Hieran ist die Schutzwirkung dieser Pflicht auch in zeitlicher Hinsicht zu orientieren. Ihre Dauer bestimmt sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls, die
- grundsätzlich der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten sind. Der Zeitraum der
- Schutzwirkung kann etwa dann kürzer zu bemessen sein, wenn das Anlageberatungsunternehmen den Handelsvertreter, den es trotz seiner aus dem polizeilichen Führungszeugnis erkennbaren einschlägigen Vorstrafen mit der Anlagevermittlung und -beratung betraut hat, über einen längeren Zeitraum hinweg
- eingehend überwacht und Handlungen des Handelsvertreters zum Nachteil der
- Anleger durch geeignete Kontrollmaßnahmen weitgehend ausschließt. Derartige Maßnahmen können das Schutzniveau, dessen Einhaltung die verletzte
- Pflicht gewährleisten sollte, auf andere, gleichwertige Weise wahren. Liegt die
- pflichtwidrige Betrauung des Handelsvertreters mit der Anlagevermittlung und
- -beratung erst verhältnismäßig kurze Zeit zurück, werden diese Maßnahmen
- besonders umfassend sein müssen, um einen hinreichenden Schutz der Anleger sicherzustellen. Sie können mit zunehmender Dauer des Handelsvertreterverhältnisses und der daraus gewonnenen Erkenntnis der Zuverlässigkeit des
- Handelsvertreters reduziert werden (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2013
- Rn. 39).
-
- 34
-
- Vorliegend ist eine Kontrolle des F.
-
- durch die Beklagte im vorgenann-
-
- ten Sinne weder ersichtlich noch festgestellt. Von einem Ausgleich des durch
- die Pflichtverletzung bewirkten Schutzverlustes der Anleger durch anderweitige
-
- - 16 -
-
- Maßnahmen kann daher nicht ausgegangen werden. Dementsprechend wurde
- auch die zeitliche Schutzwirkung der verletzten Pflicht nicht auf einen vor dem
- Abschluss aller streitgegenständlichen Verträge liegenden, das heißt vor dem
- 15. Mai 2001 endenden Zeitraum begrenzt. Sie bestand vielmehr zumindest
- zum Zeitpunkt des Anlagevertrags vom 15. Mai 2001 und seiner am 15. Mai
- 2002 erfolgten ersten Verlängerung noch fort (vgl. Senat, Urteil vom 14. März
- 2013 aaO: Fortbestand der Schutzwirkung für Anlageverträge vom 1. Dezember 2001 und 14. Juli 2002). Ob sie auch zum Zeitpunkt der weiteren Verträge,
- insbesondere zum Zeitpunkt der von der Klägerin vorgetragenen schadensbegründenden Geldübergaben vom 11. November 2004, 15. Mai 2005 und
- 16. November 2006 noch andauerte, obliegt der tatrichterlichen Würdigung der
- Umstände des vorliegenden Einzelfalls und wird im weiteren Verfahren zu klären sein. Haben sich etwa über einen längeren Zeitraum nach der Betrauung
- des F.
-
- mit Aufgaben der Anlagevermittlung und -beratung für die Beklagte
-
- keine Anhaltspunkte ergeben, die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit begründeten, erscheint eine Fortdauer der Schutzwirkung der von der Beklagten verletzten Pflicht zur Einholung eines polizeilichen Führungszeugnisses zum Zeitpunkt
- der Geldübergaben am 11. November 2004 und danach, das heißt mehr als
- fünf Jahre nach dem Beginn der Tätigkeit des F.
-
- für die Beklagte, durchaus
-
- fraglich.
-
- 35
-
- 5.
-
- Nach alledem kann aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht ausge-
-
- schlossen werden, dass die Beklagte gegen eine ihr zum Schutz (auch) der
- Klägerin bestehende Schutzpflicht verstoßen hat und der Klägerin infolge der
- Pflichtverletzung der Beklagten ein Vermögensschaden entstanden ist. Das
- Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur
- neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
-
- - 17 -
-
- 36
-
- Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da die Sache
- nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht
- hat zu den streitgegenständlichen Anlageverträgen der Klägerin, dem Vortrag
- der Klägerin zu den Umständen des Vertragsschlusses mit F.
-
- , der Bargeld-
-
- übergabe an ihn in seinem Büro und dem Verbleib der Anlagebeträge - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Darüber hinaus ist den Parteien Gelegenheit zu geben, zu etwaigen Anhaltspunkten für
- oder gegen die Zuverlässigkeit F.
-
- nach seiner Betrauung mit Aufgaben der
-
- Anlagevermittlung und -beratung durch die Beklagte näher vorzutragen.
-
- Schlick
-
- Wöstmann
-
- Seiters
-
- Hucke
-
- Remmert
-
- Vorinstanzen:
- LG Ingolstadt, Entscheidung vom 21.07.2011 - 41 O 1930/09 OLG München, Entscheidung vom 05.12.2011 - 21 U 3455/11 -
-
|