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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. III ZR 261/99
  5. Verkündet am:
  6. 2. November 2000
  7. Freitag
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. ------------------------------------
  19. GG Art. 34; BGB § 839 A; StVZO §§ 21, 25
  20. Überläßt das Straßenverkehrsamt im Rahmen der Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 21 StVZO die Rückgabe des Kraftfahrzeugbriefs dem
  21. TÜV, so haftet bei weisungswidriger Aushändigung des Briefs an einen
  22. Nichtberechtigten nicht der Träger der Zulassungsstelle, sondern das Bundesland, das den Kraftfahrzeugsachverständigen ihre amtliche Anerkennung erteilt hat.
  23. BGH, Urteil vom 2. November 2000 - III ZR 261/99 - OLG Hamm
  24. LG Detmold
  25. - 2 -
  26. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  27. vom 2. November durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
  28. Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke
  29. für Recht erkannt:
  30. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats
  31. des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Juni 1999 im Kostenpunkt
  32. und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt
  33. worden ist.
  34. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer III
  35. des Landgerichts Detmold vom 26. Februar 1998 wird in vollem
  36. Umfang zurückgewiesen.
  37. Die Klägerin hat auch die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
  38. Von Rechts wegen
  39. - 3 -
  40. Tatbestand
  41. Die Klägerin war Eigentümerin eines älteren Pkw Daimler-Benz 190 SL,
  42. den sie im Oktober 1994 zu einem Kaufpreis von 77.000 DM unter Eigentumsvorbehalt verkauft und dem Käufer übergeben hatte. Nach einer Anzahlung
  43. standen von dem Kaufpreis noch 57.000 DM offen.
  44. Unter dem 12. Januar 1995 beantragte die Klägerin, da das Fahrzeug
  45. längere Zeit stillgelegen hatte, bei der Zulassungsstelle des beklagten Kreises
  46. eine neue Betriebserlaubnis gemäß § 21 StVZO. Mit Rücksicht auf ihr Sicherungsinteresse verlangte sie zugleich, den neu auszustellenden Kraftfahrzeugbrief dem Technischen Überwachungsverein nur treuhänderisch zu übersenden mit der Verpflichtung, ihn an die Klägerin zurückzuschicken. Dementsprechend bat das Straßenverkehrsamt des Beklagten den TÜV B. in seinem Anschreiben vom 16. Januar 1995, mit dem es diesem den neuen Brief zur Anfertigung eines Gutachtens nach § 21 StVZO übersandte, nach Abnahme des
  47. Fahrzeugs den Kraftfahrzeugbrief dem Halter auszuhändigen; in einer Anlage
  48. war als Halterin die Klägerin bezeichnet. Dessen ungeachtet übergab ein Mitarbeiter des TÜV B. den Fahrzeugbrief einem Angestellten des Käufers, der
  49. das Fahrzeug vorgeführt hatte. Der Käufer veräußerte alsbald den Wagen unter Übergabe des Fahrzeugbriefs.
  50. Über den Restkaufpreis von 57.000 DM erwirkte die Klägerin gegen den
  51. Käufer ein Scheckvorbehaltsurteil, die Zwangsvollstreckung blieb jedoch ergebnislos. Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin deswegen - unter
  52. Einschluß von Prozeß- und Vollstreckungskosten - den Kreis L. auf Schadens-
  53. - 4 -
  54. ersatz in Höhe von 63.661,96 DM in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage
  55. abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr in der Hauptsache stattgegeben. Mit
  56. der Revision erstrebt der beklagte Kreis Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
  57. Entscheidungsgründe
  58. Die Revision ist begründet. Gegen den Beklagten steht der Klägerin der
  59. geltend gemachte Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB, Art. 34 GG) nicht zu.
  60. I.
  61. Das Berufungsgericht verneint im Ergebnis zwar Amtspflichtverletzungen
  62. der Kreisangestellten W. bei der Übergabe des Kraftfahrzeugbriefs an den
  63. TÜV B., es lastet dem Kreis aber einen Verstoß der Mitarbeiter des Technischen Überwachungsvereins gegen die in § 25 Abs. 1 StVZO normierten
  64. Pflichten zur Behandlung des Fahrzeugbriefs an. Hierfür habe der beklagte
  65. Kreis einzustehen. Die Rückgabe des Fahrzeugbriefs an den Übergeber nach
  66. § 25 Abs.1 Satz 5 StVZO sei eine der Zulassungsstelle obliegende amtliche
  67. Aufgabe, zu deren Erfüllung sie zwar auch andere Kräfte heranziehen könne,
  68. die aber gleichwohl eigene Verpflichtung der Kreisverwaltung bleibe. In diesen
  69. ihr übertragenen Aufgabenkreis habe im Streitfall die Zulassungsstelle die Mitarbeiter des TÜV B. im Wege eines Auftrags als Verwaltungshelfer einbezo-
  70. - 5 -
  71. gen. Hingegen habe kein ausreichender Zusammenhang zu deren eigener hoheitlicher Sachverständigentätigkeit - mit Amtshaftung des Landes - bestanden.
  72. II.
  73. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im entscheidenden Punkt nicht stand.
  74. 1.
  75. Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht darin, daß das an den Techni-
  76. schen Überwachungsverein mit Schreiben vom 16. Januar 1995 gerichtete Ersuchen der Zulassungsstelle, den Kraftfahrzeugbrief nach erfolgter Abnahme
  77. unmittelbar dem Halter auszuhändigen, nicht amtspflichtwidrig war. Gemäß
  78. § 25 Abs. 1 Satz 5 StVZO war die Zulassungsstelle zwar grundsätzlich selbst
  79. verpflichtet, den neu ausgestellten Fahrzeugbrief der Klägerin zu übergeben.
  80. Das schließt es indessen bei dem hier geübten Verfahren, in dem die nach
  81. § 21 StVZO erforderliche Bescheinigung eines amtlich anerkannten Sachverständigen an letzter Stelle stand, nicht aus, diesem zugleich die Rückgabe des
  82. Briefs an den nach § 25 Abs. 1 Satz 5 StVZO Berechtigten zu überlassen. Dabei war lediglich sicherzustellen, daß der Sachverständige den Empfangsberechtigten kannte. Jedoch war in diesem Punkt das an den TÜV B. übersandte
  83. Schreiben des Straßenverkehrsamts eindeutig, zumal sich die Klägerin deswegen auch selbst mit dem TÜV in Verbindung gesetzt und ihn auf ihre Berechtigung am Brief hingewiesen hatte.
  84. 2.
  85. Pflichtwidrig war unter diesen Umständen ausschließlich die spätere
  86. unberechtigte Aushändigung des Kraftfahrzeugbriefs an den Käufer durch die
  87. - 6 -
  88. Mitarbeiter des TÜV B.. Für diese Pflichtverletzung hat indessen nicht der Beklagte einzustehen.
  89. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs übt der amtlich
  90. anerkannte Sachverständige für den Kraftfahrzeugverkehr bei den ihm durch
  91. die Straßenverkehrszulassungsordnung übertragenen Tätigkeiten hoheitliche
  92. Befugnisse aus. Für Amtspflichtverletzungen, die er hierbei begeht, haftet darum nicht der Technische Überwachungsverein als sein Arbeitgeber, sondern
  93. das Bundesland, das ihm die amtliche Anerkennung als Sachverständiger erteilt hat (BGHZ 49, 108, 110 ff.; 122, 85, 87 ff.; Senatsurteil vom 11. Januar
  94. 1973 - III ZR 32/71 - NJW 1973, 458).
  95. b) Eine solche hoheitliche Tätigkeit im Rahmen der Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 21 StVZO haben die Sachverständigen des TÜV B. hier
  96. ausgeübt. Mit dieser war die Aushändigung des Fahrzeugbriefs nach seiner
  97. Vervollständigung und dem damit erreichten Abschluß des Verwaltungsverfahrens aufs engste verbunden. Ob es deswegen bereits gerechtfertigt erschiene,
  98. diese als bloßen "Annex" der Sachverständigentätigkeit zu begreifen, mag dahinstehen. Jedenfalls wäre das vom Berufungsgericht als "Auftrag" qualifizierte
  99. Ersuchen der Zulassungsstelle an den TÜV B. angesichts der eigenverantwortlichen hoheitlichen Tätigkeit der Kraftfahrzeugsachverständigen weder ein
  100. verwaltungsrechtliches Mandat, das für den Beauftragten ein Handeln im fremden Namen voraussetzte (vgl. Schenke, VwA 68 [1977], 118, 148; begrifflich
  101. etwas weiter Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942,
  102. S. 26), noch eine Inanspruchnahme dieser Sachverständigen oder ihrer Mitarbeiter als bloße - unselbständige - Verwaltungshelfer (vgl. BGHZ 121, 161, 164
  103. f.), wie das Berufungsgericht meint; das Ersuchen wäre vielmehr als Bitte um
  104. - 7 -
  105. Amtshilfe anzusehen. Mit der Heranziehung eines freiberuflich tätigen Prüfingenieurs zur Prüfung der Statik eines Bauvorhabens durch die Baugenehmigungsbehörde (BGHZ 39, 358), auf die das Berufungsgericht verweist, ist der
  106. vorliegende Fall schon deshalb nicht vergleichbar, weil der Prüfingenieur
  107. - anders als die Kraftfahrzeugsachverständigen, deren hoheitliche Aufgaben
  108. gesetzlich festgelegt sind - erst durch den ihm jeweils erteilten Prüfungsauftrag
  109. in die öffentliche Verwaltung einbezogen wird (BGHZ 39, 358, 361 f.; 49, 108,
  110. 113 f., 116 f.) und die Verantwortung im Verhältnis zu Dritten darum insgesamt
  111. bei der Baugenehmigungsbehörde verbleibt. In beiden denkbaren Alternativen
  112. - Annex oder Amtshilfe - würde für Amtspflichtverletzungen aber nicht die ersuchende Behörde, sondern die für den pflichtwidrig tätigen Amtsträger allgemein
  113. eintrittspflichtige Körperschaft haften (vgl. zur Amtshilfe Senatsurteil vom
  114. 25. April 1960 - III ZR 65/57 - LM § 839 C BGB Nr. 56; BGB-RGRK/Kreft,
  115. - 8 -
  116. 12. Aufl., § 839 Rn. 56; Soergel/Vinke, BGB, 12. Aufl., § 839 Rn. 253), hier also
  117. das Land Nordrhein-Westfalen. Mit Recht hat demnach das Landgericht die
  118. Klage abgewiesen.
  119. Rinne
  120. Wurm
  121. Dörr
  122. Kapsa
  123. Galke