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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. II ZR 37/07
  5. Verkündet am:
  6. 7. Juli 2008
  7. Vondrasek
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB §§ 728, 738, 812 ff.; InsO §§ 80, 110 Abs. 1 Satz 1
  19. a) Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus einer BGB-Gesellschaft aus, für die im
  20. Gesellschaftsvertrag bestimmt ist, dass die Gesellschaft unter den verbleibenden
  21. Gesellschaftern fortgesetzt wird, führt dies - soweit nichts Abweichendes geregelt
  22. ist - zur liquidationslosen Vollbeendigung der Gesellschaft und zur Anwachsung
  23. des Gesellschaftsvermögens bei dem letzten verbliebenen Gesellschafter.
  24. b) Der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen
  25. eines nicht existenten Schuldners (hier: einer voll beendeten BGB-Gesellschaft)
  26. ist nichtig und bindet die Prozessgerichte nicht.
  27. BGH, Urteil vom 7. Juli 2008 - II ZR 37/07 - OLG Oldenburg
  28. LG Oldenburg
  29. -2Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und
  30. die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Caliebe und Dr. Drescher
  31. für Recht erkannt:
  32. Die Revision des Streithelfers der Beklagten gegen das Urteil des
  33. 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 10. Januar
  34. 2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
  35. Von Rechts wegen
  36. Tatbestand:
  37. H.
  38. 1
  39. und R.
  40. L.
  41. waren nach dem Ausscheiden eines weite-
  42. ren Mitgesellschafters zu jeweils 50 % Gesellschafter der Bürocenter D.
  43. GbR (im Folgenden: GbR), zu deren Vermögen ein Grundstück in M.
  44. gehörte. Dieses hatte die GbR an die P.
  45. GmbH & Co. KG
  46. (im Folgenden: KG) vermietet. Die Beklagte gewährte der GbR Kredite, die
  47. durch Grundpfandrechte auf dem Grundstück der GbR abgesichert waren. Darüber hinaus hatte die GbR die Mietzinsansprüche gegen die KG an die Beklagte abgetreten. Die KG zahlte die Miete für den Monat September 2004 in Höhe
  48. von 35.790,43 €, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, an die Beklagte.
  49. Über das jeweilige Vermögen der Gesellschafter wurden am 19. Juli
  50. 2
  51. 2004 (R.
  52. L.
  53. ) und am 11. August 2004 (H.
  54. verfahren eröffnet und der Streithelfer der Beklagten (für R.
  55. (für H.
  56. L.
  57. ) Insolvenz) und der Kläger
  58. ) zu Insolvenzverwaltern bestellt. Am 6. Juni 2006 wurde über das
  59. -3-
  60. Vermögen der GbR, die weiterhin als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen
  61. war, ein Insolvenzverfahren eröffnet.
  62. 3
  63. Der Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) der GbR enthält, soweit
  64. hier von Bedeutung, folgende Regelungen:
  65. "§ 16 Auflösung der Gesellschaft
  66. In allen Fällen, in denen das Gesetz an den Eintritt bestimmter Ereignisse in der
  67. Person eines Gesellschafters die Auflösung der Gesellschaft anknüpft, soll diese nicht eintreten. Vielmehr soll der betroffene Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden. Der oder die anderen Gesellschafter sind sodann berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Gesellschaft mit dem vorhandenen Gesellschaftsvermögen und dem Recht zur Fortführung der Bezeichnung weiter zu
  68. betreiben.
  69. § 17 Ausscheiden aus der Gesellschaft
  70. ….
  71. 4.)
  72. Wird über das Vermögen eines Gesellschafters das Konkurs- oder Vergleichsverfahren eröffnet, wird die Eröffnung eines dieser Verfahren mangels Masse
  73. abgelehnt oder hat ein Privatgläubiger von dem Recht des § 725 BGB
  74. Gebrauch gemacht, so scheidet der betroffene Gesellschafter aus der Gesellschaft aus. … "
  75. Der Kläger ist der Ansicht, der Mietzinsanspruch für den Monat Septem-
  76. 4
  77. ber falle in die Insolvenzmasse des ehemaligen Gesellschafters H.
  78. L.
  79. , so dass ihm ein Rückforderungsanspruch gegen die Beklagte zuste-
  80. he.
  81. 5
  82. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr
  83. stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene
  84. Revision des Streithelfers der Beklagten.
  85. -4-
  86. Entscheidungsgründe:
  87. 6
  88. Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
  89. 7
  90. I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, aus § 17 Nr. 4 GV folge, dass dem Gesellschafter
  91. H.
  92. L.
  93. das Gesellschaftsvermögen und damit auch der Anspruch der
  94. GbR auf die Mietzinszahlungen angewachsen sei. Allein dem Kläger stehe
  95. deswegen die von der Beklagten vereinnahmte Miete zu, ohne dass sich daran
  96. durch das rund zwei Jahre später eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen der GbR etwas geändert habe.
  97. 8
  98. II. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Mietzinsforderungen gegen die KG infolge
  99. Anwachsung des Gesellschaftsvermögens in die Insolvenzmasse des ehemaligen Gesellschafters H.
  100. L.
  101. fallen (1). Daran hat die Eröffnung des
  102. Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GbR nichts geändert (2). Die Abtretung der Mietzinsforderung an die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Grundschuldgläubigerin steht der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs
  103. aus § 816 Abs. 2 BGB für den Monat September 2004 nicht entgegen (3).
  104. 9
  105. 1. Haben die Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass die Gesellschaft von den verbleibenden Gesellschaftern
  106. fortgesetzt wird, wenn ein Gesellschafter ausscheidet, wächst bei Ausscheiden
  107. des vorletzten Gesellschafters - soweit im Gesellschaftsvertrag für diesen Fall
  108. nichts Abweichendes geregelt ist - dem letzten verbleibenden Gesellschafter
  109. das Vermögen der GbR an, d.h. die Aktiva und Passiva gehen im Wege der
  110. Gesamtrechtsnachfolge auf ihn über, ohne dass es eines Übertragungsaktes
  111. -5-
  112. oder einer Übernahmeerklärung bedarf (st.Rspr.; BGHZ 32, 307, 314 ff.;
  113. Sen.Urt. v. 13. Dezember 1965 - II ZR 10/64, WM 1966, 62 f.; v. 27. Januar
  114. 1966 - II ZR 54/64, WM 1966, 513; v. 9. März 1992 - II ZR 195/90, NJW 1992,
  115. 2757, 2758; v. 12. Juli 1999 - II ZR 4/98, ZIP 1999, 1526, 1527; Beschl. v.
  116. 18. Februar 2002 - II ZR 331/00, ZIP 2002, 614, 615; siehe auch BGH, Urt. v.
  117. 22. September 1993 - IV ZR 183/92, WM 1993, 2259, 2260).
  118. a) So liegt der Fall hier. Das Vermögen der GbR ist mit der Insolvenzer-
  119. 10
  120. öffnung über das Vermögen des R.
  121. L.
  122. L.
  123. gemäß § 17 Nr. 4 GV H.
  124. angewachsen. Dies folgt, wie das Berufungsgericht unter ausführlicher
  125. Begründung ohne revisionsrechtlich relevante Fehler entschieden hat, aus der
  126. Auslegung der §§ 16 und 17 Nr. 4 GV.
  127. 11
  128. Während danach § 16 GV die grundsätzliche Regelung enthält, dass in
  129. den dort genannten Fällen die verbleibenden Gesellschafter zur Fortsetzung
  130. der Gesellschaft berechtigt, aber nicht verpflichtet sind (Fortsetzungsklausel mit
  131. Übernahmerecht), stellt § 17 Nr. 4 GV eine davon abweichende Spezialregelung für enumerativ aufgezählte Ereignisse in der Person des Gesellschafters
  132. dar. Danach "scheidet der … Gesellschafter aus der Gesellschaft" u.a. dann
  133. "aus", wenn über sein Vermögen das Konkursverfahren (nunmehr: Insolvenzverfahren) eröffnet wird. Anders als in § 16 GV wird in diesem Fall nach der
  134. Auslegung des Tatrichters die Gesellschaft "automatisch" fortgesetzt, ohne
  135. dass es einer Übernahmeerklärung seitens der verbleibenden Gesellschafter
  136. bedarf.
  137. 12
  138. b) Folge der Regelung in § 17 Nr. 4 GV ist, dass im Falle des insolvenzbedingten Ausscheidens eines Gesellschafters dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen den verbleibenden Gesellschaftern gemäß § 738 BGB anwächst. Mangels abweichender Regelung findet § 17 Nr. 4 GV auch dann An-
  139. -6-
  140. wendung, wenn infolge des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters keine
  141. Gesellschaft mehr existiert, die fortgesetzt werden könnte. Nach der gefestigten, vom Berufungsgericht zutreffend angewandten Rechtsprechung des Senats (s. die Nachw. oben II 1) führt eine Fortsetzungsklausel wie die in § 17
  142. Nr. 4 GV bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters mangels abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelung zur liquidationslosen Vollbeendigung
  143. der Gesellschaft und Gesamtrechtsnachfolge des letzten verbleibenden Gesellschafters.
  144. 2. Durch die spätere Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Ver-
  145. 13
  146. mögen der nicht mehr existierenden "GbR" hat sich an dieser materiellen
  147. Rechtslage nichts geändert. Ein solcher gegen einen nicht existenten Schuldner
  148. ergehender Eröffnungsbeschluss geht ins Leere und ist nach allgemeiner Meinung (Kirchhof in Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. § 27
  149. Rdn. 31; Schilken in Jaeger, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 34 Rdn. 42;
  150. MünchKommInsO/Schmahl § 34 Rdn. 119) nichtig; er bindet die Prozessgerichte nicht, soweit nicht ausnahmsweise wegen der Eintragung im Handelsregister
  151. der Schein einer noch existenten Gesellschaft besteht (BGHZ 113, 216, 217 f.;
  152. Kirchhof aaO) mit der hier - wegen des gegenüber H.
  153. L.
  154. bereits er-
  155. öffneten Insolvenzverfahrens - nicht relevanten Folge, dass sich das eröffnete
  156. Verfahren dann gegen den nur falsch bezeichneten Schuldner richtet.
  157. 3. Dem Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des H.
  158. 14
  159. L.
  160. steht gegen die Beklagte hinsichtlich der Miete für den Monat Septem-
  161. ber 2004 ein Anspruch aus Bereicherungsrecht zu (§§ 812 ff. BGB; 80 Abs. 1,
  162. 91, 110 Abs. 1 Satz 1 InsO - s. hierzu BGH, Urt. v. 9. November 2006
  163. - IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35 Tz. 15 f.).
  164. -7-
  165. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des H.
  166. 15
  167. L.
  168. am 11. August 2004 führte nach § 110 Abs. 1 Satz 1 InsO zur Unwirk-
  169. samkeit der Abtretung der Mietzinsforderung für den Monat September 2004.
  170. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte nicht nur Abtretungsempfängerin,
  171. sondern zugleich Grundschuldgläubigerin war (BGH, Urt. v. 9. November 2006
  172. aaO; Beschl. v. 13. Juli 2006 - IX ZB 301/04, WM 2006, 1685, 1686 f.). Zwangsverwaltung war im September 2004 noch nicht angeordnet.
  173. Goette
  174. Kurzwelly
  175. Caliebe
  176. Kraemer
  177. Drescher
  178. Vorinstanzen:
  179. LG Oldenburg, Entscheidung vom 09.05.2006 - 4 O 2546/05 OLG Oldenburg, Entscheidung vom 10.01.2007 - 4 U 52/06 -