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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZR 100/13
  4. vom
  5. 10. April 2014
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. April 2014 durch die
  9. Richter Prof. Dr. Büscher, Pokrant, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Koch und Dr. Löffler
  10. beschlossen:
  11. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg - 6. Zivilsenat - vom 29. April 2013 wird
  12. auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  13. Streitwert: 743.053,64 €
  14. Gründe:
  15. 1
  16. I. Die Klägerin betreibt am Kamerunkai in Hamburg einen Umschlagsbetrieb. Sie löschte am 11. November 2011 im Auftrag des Charterers des Seeschiffs "BBC Naples" eine Partie Rohre aus dem Schiff, die für die Beklagte als
  17. Empfängerin bestimmt waren. Nach der Löschung der Rohre aus der Luke 1
  18. wurden die in der Luke 2 befindlichen Rohre gelöscht. Als die Rohre aus Luke 2
  19. zu einem großen Teil gelöscht waren, kamen mit Schlamm verunreinigte tropfende Rohre zum Vorschein, die ebenfalls gelöscht wurden. In Bezug auf die
  20. Verunreinigung der Rohre wurde später festgestellt, dass es offenbar durch ein
  21. Leck in den Ballasttanks einen Eintritt von Seewasser in den Laderaum 2 gegeben hatte. Das Seewasser verflüssigte lose geschüttetes Bleierzkonzentrat, das
  22. als Beiladung durch eine Wand von den Rohren getrennt und ebenfalls im Laderaum 2 gestaut war. Da die Trennwand nicht wasserdicht war, konnte sich
  23. -3-
  24. das verflüssigte Bleierzkonzentrat auch in den mit Rohren belegten Teil des
  25. Laderaums ausbreiten und die dort lagernden Rohre kontaminieren. Die Klägerin lagerte die Rohre nach der Entladung auf ihrem Gelände. Da es sich bei
  26. Bleierzkonzentrat um ein Umweltgift handelt, mussten die Rohre fachgerecht
  27. behandelt und das Bleierzkonzentrat entsprechend den Auflagen der Hamburger Umweltbehörde entsorgt werden. Mit der Reinigung der Rohre beauftragte
  28. die Beklagte die Klägerin, die der Beklagten für die durchgeführten Reinigungsarbeiten und für die Lagerung der Rohre auf ihrem Gelände insgesamt
  29. 743.053,64 € in Rechnung stellte. Die Klägerin nimmt die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen in Anspruch.
  30. 2
  31. Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, die Klägerin könne die
  32. für die Reinigung der Rohre entstandenen Kosten nicht erstattet verlangen, weil
  33. sie den infolge der Verunreinigung der Rohre entstandenen Schaden selbst
  34. durch ein sorgfaltswidriges Löschen des Gutes verursacht habe. Die von der
  35. Klägerin bei der Löschung begangene Pflichtverletzung führe zu einem aufrechenbaren Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen des Vertrags mit
  36. Schutzwirkung zugunsten Dritter, da sie, die Beklagte, in den Schutzbereich
  37. des Umschlagsvertrags zwischen dem Charterer und der Klägerin, bei dem es
  38. sich um einen Frachtvertrag im Sinne von § 407 Abs. 1 HGB handele, einbezogen sei.
  39. 3
  40. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen
  41. gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht mit einem Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt:
  42. 4
  43. Die Beklagte könne der dem Grunde nach unstreitigen Forderung der
  44. Klägerin weder vertragliche noch deliktische Ansprüche wegen der Kontaminie-
  45. -4-
  46. rung der Rohre durch Bleierzschlamm entgegenhalten. Zwischen der Klägerin
  47. und der Beklagten bestehe kein Vertragsverhältnis. Der Charterer des Schiffes
  48. "BBC Naples" sei mit der Klägerin durch einen Umschlagsvertrag verbunden.
  49. Die Beklagte sei nicht Partei dieses Vertrags und auch nicht gemäß § 328 BGB
  50. forderungsberechtigt. Ein deliktischer Schadensersatzanspruch scheitere daran, dass die Klägerin sich beim Löschen der Rohre nicht sorgfaltswidrig verhalten habe.
  51. 5
  52. Soweit sich die Beklagte für ihre Auffassung, die Klägerin sei ihr aus dem
  53. Umschlagsvertrag vertraglich zum Schadensersatz verpflichtet, auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stütze, nach der sich die Haftung des Unterfrachtführers gegenüber dem Empfänger allein nach dem den Empfänger begünstigenden Unterfrachtvertrag richte, sei diese Rechtsprechung im Streitfall
  54. nicht anwendbar. Die Klägerin sei beauftragt worden, eine Partie Rohre aus
  55. dem Seeschiff "BBC Naples" mit Hilfe von Kränen auf die Kaianlage zu löschen
  56. und auf ihrer Lagerfläche zwischenzulagern. Da der Vertrag Bestandteile verschiedener Vertragstypen enthalte, seien die einzelnen Tätigkeiten nach den
  57. Regeln des gemischten Vertrags zu behandeln. Die Rohre seien unstreitig nicht
  58. während ihrer Beförderung zum Lager der Klägerin - also bei Vornahme einer
  59. Ortsveränderung - beschädigt worden. Nach dem Vortrag der Beklagten sei
  60. dies vielmehr geschehen, als die Klägerin mit Bleierzschlamm tropfende Rohre
  61. über bis dahin nicht kontaminierte Rohre, die auf dem Kai abgelegt gewesen
  62. seien, hinweggehoben habe. Auf diese werkvertragliche Tätigkeit sei nach den
  63. Regeln des gemischten Vertrags Werkvertragsrecht anzuwenden. Dementsprechend scheide eine Inanspruchnahme der Klägerin aus dem Umschlag- und
  64. Terminalvertrag durch die Beklagte aus.
  65. 6
  66. II. Die Beschwerde der Beklagten ist zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder
  67. -5-
  68. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch im Übrigen nicht erfordern.
  69. 7
  70. 1. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde gegen
  71. die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagten stünden als Empfängerin
  72. des Gutes aus dem Umschlagsvertrag keine vertraglichen Ansprüche gegen die
  73. Klägerin zu. Sie macht geltend, die Ausführungen des Berufungsgerichts würden, soweit sie der Sache nach die Anwendbarkeit des § 421 Abs. 1 Satz 2
  74. HGB verneinten, dem Wesen des Kaiumschlagsvertrags nicht gerecht. Hauptgegenstand dieses Vertragstyps sei die Annahme der vom Ablader angelieferten Güter, deren Beförderung auf das Schiff oder wenn - wie im Streitfall - der
  75. ausgehende Verkehr betroffen sei, das Löschen der Güter aus dem Schiff und
  76. deren Auslieferung an den berechtigten Empfänger. Es treffe zwar im Ansatz
  77. zu, dass diese Umschreibung Elemente eines Werkvertrags mit Geschäftsbesorgungscharakter aufweise. Der Umschlagsvertrag sei jedoch immer auch auf
  78. eine frachtvertragliche Leistung gerichtet, jedenfalls dann, wenn diese - wie im
  79. vorliegenden Fall - isoliert vereinbart worden sei. Es komme nicht darauf an,
  80. welche Distanz zwischen dem Ort der Übernahme des Gutes und dem Ablieferungsort liege. Von dieser völlig herrschenden Auffassung sei das Berufungsgericht hinweislos mit der Erwägung abgewichen, es habe gewissermaßen einer
  81. distanzreichen Beförderung des Ladungsgutes bedurft, um von einem Frachtvertrag ausgehen zu können. Nach Ansicht des Berufungsgerichts genüge die
  82. geringfügige Ortsveränderung, die durch das Anheben der Rohre und deren
  83. Platzierung auf der Kailagerfläche mit Hilfe von Kränen bewirkt werde, nicht für
  84. die Annahme eines Frachtvertrags.
  85. 8
  86. 2. Dieses Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde erfordert nicht die
  87. Zulassung der Revision. Richtig ist zwar der Hinweis der Beschwerde, dass in
  88. dem isoliert vereinbarten Umschlag von Transportgut eine frachtvertragliche
  89. -6-
  90. Leistung gesehen wird (vgl. Koller, Transportrecht, 8. Aufl., § 407 HGB Rn. 10a
  91. mwN). Um einen solchen Fall geht es hier jedoch nicht. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war neben der Löschung der Partie
  92. Rohre auch noch deren Zwischenlagerung auf dem Gelände der Klägerin vereinbart. Ein isolierter Umschlagsvertrag lag daher nicht vor. Wenn der Umschlag in Verbindung mit einem Fracht-, Speditions- oder Lagervertrag vereinbart wird, stellt dieser im Zweifel eine unselbständige Nebenleistung dar, die
  93. nach den Regeln des gemischten Vertrags zu behandeln ist (vgl. Koller aaO
  94. § 407 HGB Rn. 10a). Bei einer derartigen Fallgestaltung muss zwar erwogen
  95. werden, die Haftungsfragen nach Frachtrecht zu beurteilen, da dieses für Ortsveränderungsvorgänge charakteristisch ist. Es ist aber auch denkbar, den Umschlag als Nebenleistung voll den für die Hauptleistung geltenden Regeln zu
  96. unterwerfen. Dies ist insbesondere bei geringfügigen Transportaktivitäten naheliegend (vgl. Koller aaO § 407 HGB Rn. 10a; ders., TranspR 2008, 333, 336).
  97. Hiervon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen, in dem es angenommen
  98. hat, dass der zwischen dem Charterer und der Klägerin geschlossene Vertrag
  99. Bestandteile verschiedener Vertragstypen enthält, die nach den Regeln des
  100. gemischten Vertrags zu behandeln sind.
  101. 9
  102. Die Aussage, dass Frachtvertragsrecht nicht zur Anwendung kommt,
  103. wenn eine nur geringfügige Ortsveränderung erforderlich ist, kann dem angegriffenen Beschluss des Berufungsgerichts nicht entnommen werden.
  104. -7-
  105. 10
  106. 3. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4
  107. Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
  108. 11
  109. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
  110. Büscher
  111. Pokrant
  112. Koch
  113. Schaffert
  114. Löffler
  115. Vorinstanzen:
  116. LG Hamburg, Entscheidung vom 27.09.2012 - 403 HKO 12/12 OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.04.2013 - 6 U 175/12 -