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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZB 55/98
  4. Verkündet am:
  5. 1. Februar 2001
  6. Walz
  7. Justizamtsinspektor
  8. als Urkundsbeamter
  9. der Geschäftsstelle
  10. in der Rechtsbeschwerdesache
  11. betreffend die IR-Marke Nr. 632 239
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER
  18. MMA Art. 5 Abs. 1; PVÜ Art. 6 quinquies Abschn. B Nr. 2;
  19. MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 113
  20. -2-
  21. Weist eine IR-Marke (hier: ein englischsprachiger Werbeslogan) einen beschreibenden Bezug zu den Dienstleistungen auf, für die Schutz beansprucht
  22. wird, und erschöpft sie sich in einer ausschließlich werblichen Anpreisung, so
  23. fehlt ihr für diesen Dienstleistungsbereich die für eine Schutzbewilligung erforderliche Unterscheidungskraft.
  24. BGH, Beschl. v. 1. Februar 2001 - I ZB 55/98 - Bundespatentgericht
  25. -3-
  26. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
  27. Dr. Erdmann und die Richter Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und
  28. Dr. Schaffert
  29. beschlossen:
  30. Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluß
  31. des 29. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 22. Juli 1998 aufgehoben, soweit die Beschwerde gegen
  32. die Verweigerung des Schutzes für die in Anspruch genommenen
  33. Waren der Klasse 16 zurückgewiesen worden ist.
  34. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
  35. Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.
  36. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
  37. 100.000,-- DM festgesetzt.
  38. -4-
  39. Gründe:
  40. I. Die Markeninhaberin begehrt für ihre international registrierte Marke
  41. Nr. 632 239
  42. "LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER"
  43. Schutz in der Bundesrepublik Deutschland für Waren und Dienstleistungen
  44. der Klasse 16:
  45. "Papier, carton et produits en ces matières ..."
  46. der Klasse 39:
  47. "Organisation de voyages; services d'agences de tourisme ..."
  48. der Klasse 42:
  49. "Réservations d'hôtels et de motels ...".
  50. Die zuständige Markenstelle des Deutschen Patentamts hat der IRMarke den begehrten Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen Vorliegens des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG verweigert.
  51. Die Beschwerde der Markeninhaberin ist erfolglos geblieben.
  52. Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Markeninhaberin
  53. ihr Schutzerstreckungsbegehren weiter.
  54. -5-
  55. II. Das Bundespatentgericht hat der IR-Marke den begehrten Schutz
  56. nach Art. 5 Abs. 1 MMA und Art. 6quinquies Abschn. B Nr. 2 PVÜ i.V. mit § 113
  57. MarkenG versagt und dazu ausgeführt:
  58. Zwar bestehe kein gegenwärtiges oder künftiges Freihaltebedürfnis an
  59. der englischen Wortfolge, die vom inländischen Verkehr im Sinne von "lokale
  60. Präsenz, globale Kraft" verstanden werde. Zu den Waren "Papier, Karton und
  61. Waren aus diesen Materialien" bestehe kein Sachbezug. Dagegen liege eine
  62. beschreibende Angabe bei den Waren und Dienstleistungen des Transportund Tourismusbereichs nahe. Für das Vorliegen eines Freihaltebedürfnisses
  63. i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sei der Sachbezug allerdings nicht hinreichend konkret. Ein Schutzhindernis i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG sei
  64. ebenfalls nicht festzustellen.
  65. Der Wortfolge fehle jedoch als Werbeslogan ohne Originalität jede Unterscheidungskraft. Sie erschöpfe sich in einer bloßen werblichen Anpreisung
  66. ohne phantasievollen Überschuß in der sprachlichen Gestaltung oder Aussage. Auch über eine Mehrdeutigkeit verfüge sie nicht. In vielen Bereichen werde
  67. heutzutage mit einer Anwesenheit vor Ort und in der Welt geworben. Eine gewisse Originalität bei der Verwendung des Werbeslogans sei allenfalls für "Papier, Karton und Waren aus diesen Materialien" vorhanden, bei denen es an
  68. einem Sachbezug der Wortfolge fehle. Wegen der starken Gewöhnung des
  69. Verkehrs an derartige Slogans führe jedoch nicht jeder phantasievolle Überschuß zu einem Wiedererkennungseffekt hinsichtlich der betrieblichen Herkunft.
  70. -6-
  71. III. Die Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg. Sie führt zur Aufhebung
  72. der angefochtenen Entscheidung, soweit das Bundespatentgericht der IRMarke den Schutz für die Waren der Klasse 16 verweigert hat. Die weitergehende Rechtsbeschwerde hat dagegen keinen Erfolg.
  73. Die Annahme des Bundespatentgerichts, der IR-Marke fehle auch für die
  74. Waren der Klasse 16 (Papier, carton et produits en ces matières [non compris
  75. dans d'autres classes]; livres, publications imprimées, manuels pour l'instruction et autres ainsi que matériel publicitaire et promotionnel imprimé, bulletins
  76. d'informations se rapportant aux possibilités de voyage, cartes imprimées et
  77. formulaires et autres imprimés; matériel d'instruction et d'enseignement [à l'exception des appareils]; papeterie) jede Unterscheidungskraft, ist nicht frei von
  78. Rechtsfehlern. Das Bundespatentgericht hat zu hohe Anforderungen an die
  79. Unterscheidungskraft von Werbeslogans gestellt.
  80. Nach Art. 5 Abs. 1 MMA i.V. mit Art. 6quinquies Abschn. B Nr. 2 PVÜ sind
  81. ebenso wie nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG Marken von der Schutzbewilligung
  82. ausgeschlossen, die für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jeder
  83. Unterscheidungskraft entbehren.
  84. 1. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete)
  85. Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden (vgl. BGH, Beschl. v. 19.1.1995
  86. - I ZB 20/92, GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH; Beschl. v. 15.7.1999
  87. - I ZB 47/96, GRUR 1999, 1093, 1094 = WRP 1999, 1169 - FOR YOU; Beschl.
  88. v. 15.7.1999 - I ZB 16/97, GRUR 1999, 1089, 1091 = WRP 1999, 1167 - YES).
  89. Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h.
  90. -7-
  91. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks. 12/6581, S. 70 = BlPMZ 1994, Sonderheft, S. 64). Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender
  92. Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein
  93. gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das
  94. vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der
  95. Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß ihr die vorerwähnte
  96. Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH
  97. GRUR 1999, 1089, 1091 - YES).
  98. Davon ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen (hier: eines Werbeslogans) auszugehen, ohne daß unterschiedliche
  99. Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Werbeslogans gegenüber anderen Wortmarken gerechtfertigt sind. Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob
  100. die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr
  101. über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für
  102. die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt. Von mangelnder
  103. Unterscheidungskraft ist deshalb bei Werbeslogans lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen oder Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen. Grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig werden des weiteren in der
  104. Regel längere Wortfolgen sein. Indizien für die Eignung, die Waren und
  105. Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können dagegen Kürze, eine gewisse Originalität und Prägnanz einer Wortfolge sein; solche Umstände können eine Wortfolge zu einem eingängigen und aussagekräftigen Werbeslogan machen. Auch die Mehrdeutigkeit
  106. und Interpretationsbedürftigkeit einer Werbeaussage können einen Anhalt für
  107. -8-
  108. eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten. Dabei dürfen die Anforderungen an die Eigenart im Rahmen der Bewertung der Unterscheidungskraft von
  109. Wortfolgen nicht überspannt werden. Auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage kann nicht von vornherein die Eignung zur Produktidentifikation abgesprochen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.1999 - I ZB 2/97, GRUR
  110. 2000, 321, 322 = WRP 2000, 298 - Radio von hier; Beschl. v. 8.12.1999
  111. - I ZB 21/97, GRUR 2000, 323, 324 = WRP 2000, 300 - Partner with the Best;
  112. Beschl. v. 10.2.2000 - I ZB 37/97, GRUR 2000, 720, 721 = WRP 2000, 739
  113. - Unter Uns; vgl. Fezer, Markenrecht, 2. Aufl., § 8 Rdn. 97a).
  114. 2. Die Wortfolge "LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER" genügt diesen an die Unterscheidungskraft zu stellenden Anforderungen, soweit für die in
  115. Rede stehenden Waren der Klasse 16 (Papier, carton et produits en ces matières ...) Schutz beansprucht wird.
  116. Einen bestimmten Sachbezug zu einer der angeführten Waren der Klasse 16 (Papier, carton et produits en ces matières ...) weist die IR-Marke nach
  117. den tatsächlichen Feststellungen des Bundespatentgerichts nicht auf (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 23.11.2000 - I ZB 34/98, WRP 2001, 692, 693 = MarkenR 2001, 209 - Test it.). Die Übersetzung der englischsprachigen Wortfolge
  118. ist nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts den inländischen Verkehrskreisen mit "lokale Präsenz, globale Kraft" ohne weiteres bekannt. Die
  119. Wortfolge ist kurz und prägnant und unterscheidet sich deutlich von einem längeren Werbeslogan. Die Bestandteile der Wortfolge "LOCAL PRESENCE" und
  120. "GLOBAL POWER" drücken einen gewissen Gegensatz aus und regen
  121. - bezogen auf die in Rede stehenden Waren - durch ihre Gegenüberstellung
  122. zum Nachdenken über die Aussage an. Der Werbeslogan verfügt zudem auch
  123. nach der Beurteilung des Bundespatentgerichts bei den Waren der Klasse 16
  124. -9-
  125. über eine gewisse Originalität. Dies reicht bezogen auf die Waren der Klasse 16 aus, nicht jede Unterscheidungskraft zu verneinen.
  126. Dagegen läßt die Annahme des Bundespatentgerichts, der IR-Marke
  127. fehle die Unterscheidungskraft für die Dienstleistungen der Klassen 39 (Organisation de voyages; services d'agences de tourisme ...) und 42 (Réservations
  128. d'hôtels et de motels ...), für die Schutz beansprucht wird, keinen Rechtsfehler
  129. erkennen. Der Werbeslogan weist für diesen Bereich einen beschreibenden
  130. Bezug zu den Dienstleistungen auf und erschöpft sich in einer ausschließlich
  131. werblichen Anpreisung (vgl. BGH WRP 2001, 692, 694 - Test it.). Gerade im
  132. Transport- und Touristikbereich ist es nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Bundespatentgerichts für den Verkehr von großer Bedeutung,
  133. daß das Unternehmen am Ort anwesend ist und dort, aber auch weltweit über
  134. ausreichende Kraft zur ordnungsgemäßen Vertragsabwicklung verfügt.
  135. IV. Danach war der angefochtene Beschluß unter Zurückweisung der
  136. weitergehenden Rechtsbeschwerde teilweise aufzuheben und die Sache insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.
  137. Erdmann
  138. Starck
  139. Büscher
  140. Bornkamm
  141. Schaffert