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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. AnwZ (Brfg) 30/16
  4. vom
  5. 25. August 2016
  6. in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
  7. wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
  8. ECLI:DE:BGH:2016:250816BANWZ.BRFG.30.16.0
  9. -2-
  10. Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat am 25. August 2016
  11. durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, die Richterin Roggenbuck und den Richter Seiters sowie die Rechtsanwältin Schäfer und den
  12. Rechtsanwalt Dr. Lauer
  13. beschlossen:
  14. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das
  15. ihrer Prozessbevollmächtigten am 10. Mai 2016 an Verkündungs
  16. statt zugestellte Urteil des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs der
  17. Freien und Hansestadt Hamburg wird abgelehnt.
  18. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
  19. Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
  20. Gründe:
  21. I.
  22. 1
  23. Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom 10. Juni 2015 die Zulassung der
  24. Klägerin zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung an. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch
  25. ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 13. Oktober 2015 zurück und lehnte die Aussetzung ab. Die Klägerin erhob daraufhin Klage und beantragte einstweiligen
  26. -3-
  27. Rechtsschutz. Mit Beschluss vom 22. März 2016 wies der Anwaltsgerichtshof
  28. den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zurück. Mit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 10. Mai 2016 an Verkündungs statt zugestelltem Urteil wurde die Klage abgewiesen. Die Klägerin
  29. begehrt nunmehr die Zulassung der Berufung.
  30. II.
  31. 2
  32. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ist nach § 112e
  33. Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er
  34. bleibt jedoch ohne Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
  35. 3
  36. 1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils
  37. (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit
  38. schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom
  39. 4. April 2012 - AnwZ (Brfg) 1/12, juris Rn. 3 und vom 14. November 2013
  40. - AnwZ (Brfg) 65/13, juris Rn. 2; jeweils mwN). Entsprechende Zweifel vermag
  41. die Klägerin mit ihrer Antragsbegründung nicht darzulegen.
  42. 4
  43. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
  44. zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei
  45. denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind.
  46. Ein Vermögensverfall wird kraft Gesetzes vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in
  47. das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO;
  48. -4-
  49. § 882b ZPO) eingetragen ist. Hierbei ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Widerrufs infolge des ab
  50. 1. September 2009 geltenden Verfahrensrechts auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens - hier Widerspruchsbescheid
  51. vom 13. Oktober 2015 - abzustellen; danach eingetretene Entwicklungen bleiben der Beurteilung in einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur
  52. Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187
  53. Rn. 9 ff.; vom 4. April 2012, aaO Rn. 4; vom 14. November 2013, aaO Rn. 5
  54. und vom 6. Februar 2014 - AnwZ (Brfg) 83/13, BRAK-Mitt. 2014, 164 Rn. 3).
  55. 5
  56. Die Klägerin war zum maßgeblichen Zeitpunkt im Schuldnerverzeichnis
  57. aufgrund des Verfahrens DR
  58. eingetragen. Ob zu diesem Zeitpunkt die
  59. in den Bescheiden der Beklagten angesprochenen Verfahren, aufgrund derer
  60. die Klägerin bereits zuvor im Schuldnerverzeichnis eingetragen wurde, gelöscht
  61. waren, ist unerheblich.
  62. 6
  63. Aufgrund der Eintragung bestand die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls. Zwar kommt die Vermutung nicht zur Geltung, wenn der Rechtsanwalt nachweist, dass die der Eintragung zugrundeliegende Forderung im
  64. maßgeblichen Zeitpunkt bereits getilgt war (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom
  65. 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577 und vom 29. Juli 2016
  66. - AnwZ (Brfg) 9/16, juris Rn. 5). Dies ist aber nicht der Fall. Die Klägerin trägt in
  67. ihrer Zulassungsbegründung lediglich - zudem ohne Nachweis; nach der vom
  68. Anwaltsgerichtshof eingeholten Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis vom
  69. Februar 2016 war das Verfahren DR
  70. dort noch eingetragen - vor, die
  71. Eintragung "wurde allerdings mit Schreiben der zuständigen Gerichtsvollzieherin bereits vom 10.11.2015 zur Löschung aus dem Schuldnerverzeichnis beim
  72. Amtsgericht H.
  73. veranlasst".
  74. -5-
  75. 7
  76. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. nur Beschlüsse vom
  77. 4. April 2012, aaO Rn. 3; vom 14. November 2013, aaO Rn. 4; vom 6. Februar
  78. 2014, aaO Rn. 5 und vom 22. März 2016, AnwZ (Brfg) 18/14, juris Rn. 8) muss
  79. ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, zur Widerlegung
  80. der Vermutung ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger
  81. und Verbindlichkeiten vorlegen und - ggfs. unter Vorlage eines nachvollziehbaren bzw. realistischen Tilgungsplans - dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbzw. Widerspruchsbescheids nachhaltig geordnet sind. Dies hat die Klägerin,
  82. wie bereits der Anwaltsgerichtshof zutreffend festgestellt hat, nicht getan.
  83. 8
  84. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts
  85. grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden.
  86. Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann diese nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast
  87. trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine
  88. Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern
  89. (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 3. Juni 2015 - AnwZ (Brfg) 11/15, juris Rn. 8
  90. und vom 17. März 2016 - AnwZ (Brfg) 6/16, juris Rn. 4, jeweils mwN). Eine solche Ausnahmesituation ist hier nicht gegeben. Die Klägerin ist weiter Einzelanwältin. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht einmal mehr darauf an, dass die
  91. Annahme eines Ausnahmetatbestands neben dem Vorliegen der angesprochenen - hier nicht gegebenen - Voraussetzungen auch erfordert, dass der Rechtsanwalt seinen Beruf bisher ohne jede Beanstandung ("tadellos") geführt hat
  92. -6-
  93. (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 3. Juni 2015, aaO und vom 8. Juni 2016
  94. - AnwZ (Brfg) 18/16, juris Rn. 5). Die Staatsanwaltschaft H.
  95. ter dem 23. Dezember 2015 (
  96. Js
  97. hat aber un-
  98. ) Anklage gegen die Klägerin wegen
  99. Untreue zum Nachteil einer Mandantin erhoben. Ferner ist gegen die Klägerin
  100. ein berufsrechtliches Verfahren anhängig, weil sie trotz des Sofortvollzugs der
  101. Widerrufsverfügung weiter als Rechtsanwältin aufgetreten sein soll; in 1. Instanz hat das Anwaltsgericht ein vorläufiges Berufsverbot nach § 150 BRAO
  102. verhängt. Der pauschale Hinweis der Klägerin auf die bis zur Rechtskraft einer
  103. Verurteilung bestehende Unschuldsvermutung geht insoweit fehl, da sie die
  104. Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands
  105. trägt.
  106. 9
  107. 2. Die Rechtssache weist auch weder besondere rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3
  108. VwGO).
  109. 10
  110. Dass die Beklagte die Zulassung der Klägerin zu Recht widerrufen hat,
  111. ist nach Maßgabe der o.a. Senatsrechtsprechung eindeutig.
  112. 11
  113. Soweit die Klägerin verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich der Besetzung des Anwaltsgerichtshofs mit - zumal mehrheitlich - Rechtsanwälten
  114. geltend macht, sind diese unbegründet. Das System der Anwaltsgerichtsbarkeit
  115. in Deutschland ist verfassungskonform (vgl. nur BVerfGE 26, 186, 192 ff.; 48,
  116. 300, 315 ff.; BVerfGK 8, 280, 284 f.; Senat, Beschlüsse vom 4. Mai 1998
  117. - AnwZ (B) 81/97, BRAK-Mitt. 1999, 39, 40; vom 6. November 2006 - AnwZ (B)
  118. 87/05, juris Rn. 7; vom 11. Mai 2010 - AnwZ (B) 110/09, juris Rn. 4 und vom
  119. 9. April 2014 - AnwZ (Brfg) 1/14, juris Rn. 8).
  120. -7-
  121. 12
  122. Soweit die Klägerin in ihrer Antragsbegründung umfangreich die Fehlerhaftigkeit des von der Beklagten angeordneten Sofortvollzugs und des diesen
  123. bestätigenden Beschlusses des Anwaltsgerichtshofs vom 22. März 2016 rügt,
  124. ist dies nicht Streitgegenstand. Gegen den Beschluss hat die Klägerin kein
  125. Rechtsmittel eingelegt; ein solches wäre auch unzulässig gewesen (Senat, Beschlüsse vom 31. Januar 2013 - AnwZ (B) 6/12, juris Rn. 3 und vom 13. Juli
  126. 2015 - AnwZ (B) 1/15, juris Rn. 2).
  127. 13
  128. Soweit die Klägerin auf ihre Befangenheitsanträge gegen die Mitglieder
  129. des Anwaltsgerichtshofs verweist, sind diese durch Beschluss des Anwaltsgerichtshofs vom 18. März 2016 - in anderer Besetzung - zurückgewiesen worden.
  130. Eine solche Entscheidung kann nach § 112c Abs. 1 BRAO, § 146 Abs. 2 VwGO
  131. nicht mit der Beschwerde angefochten werden und ist folglich gemäß § 112c
  132. Abs. 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 512 ZPO einer inhaltlichen Überprüfung
  133. durch das Berufungsgericht entzogen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 8. Dezember 2011 - AnwZ (Brfg) 46/11, juris Rn. 7; vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg)
  134. 55/11, juris Rn. 14; vom 4. Juni 2014 - AnwZ (Brfg) 9/14, juris Rn. 12 und vom
  135. 8. Dezember 2014 - AnwZ (Brfg) 45/14, juris Rn. 4).
  136. -8-
  137. III.
  138. 14
  139. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
  140. Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
  141. Limperg
  142. Roggenbuck
  143. Schäfer
  144. Seiters
  145. Lauer
  146. Vorinstanz:
  147. AGH Hamburg, Entscheidung vom 10.05.2016 - AGH I ZU 8/15 (I/10) -