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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. AnwZ (B) 77/06
  4. vom
  5. 26. April 2007
  6. in dem Verfahren
  7. wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft infolge Vermögensverfalls
  8. -2-
  9. Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
  10. Richter Terno, die Richter Dr. Ernemann, Dr. Schmidt-Räntsch und Schaal sowie die Rechtsanwältinnen Dr. Hauger und Kappelhoff und den Rechtsanwalt
  11. Dr. Martini ohne mündliche Verhandlung
  12. am 26. April 2007
  13. beschlossen:
  14. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss
  15. des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes NordrheinWestfalen vom 31. März 2006 wird zurückgewiesen.
  16. Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu
  17. tragen und der Antragsgegnerin die ihr dadurch entstandenen
  18. notwendigen außergerichtlichen Kosten zu ersetzen.
  19. Der
  20. Gegenstandswert
  21. des
  22. Beschwerdeverfahrens
  23. wird
  24. auf
  25. 50.000 € festgesetzt.
  26. Gründe:
  27. I.
  28. 1
  29. Der Antragsteller ist seit 1974 als Rechtsanwalt zugelassen. Neben seiner Zulassung als Rechtsanwalt war er auch Notar.
  30. 2
  31. Am 8. Juli 2005 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, wegen
  32. einer Häufung von gegen ihn gerichteten Prozess- und Vollstreckungsverfahren
  33. -3-
  34. stelle sich die Frage des Vermögensverfalls. Da der Antragsteller hierauf nicht
  35. reagierte, bat sie ihn am 16. September 2005 erneut um Stellungnahme innerhalb von vier Wochen. Dieses Schreiben wurde dem Antragsteller am 22. September 2005 durch Übergabe an seine Angestellte N.
  36. K.
  37. zugestellt, da
  38. der Antragsteller in seinen Büroräumen nicht anzutreffen war. Er reagierte hierauf nicht. Am 7. November 2005 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung
  39. des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls nach § 14
  40. Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller wiederum durch
  41. Übergabe an eine Mitarbeiterin zugestellt, die in der Postzustellungsurkunde als
  42. „K.
  43. 3
  44. , U.
  45. “ bezeichnet wurde.
  46. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller mit einem am 31. Januar
  47. 2006 bei dem Anwaltsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
  48. gegen die Versäumung der Antragsfrist beantragt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Anwaltsgerichtshof unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit
  49. welcher er geltend macht, ihm habe Wiedereinsetzung gewährt werden müssen; auch seien Gründe für den Vermögensverfall nicht gegeben.
  50. II.
  51. 4
  52. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, weil der Anwaltsgerichtshof den Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung zu Recht als unzulässig
  53. verworfen hat.
  54. -4-
  55. 5
  56. 1. Der Antrag war nach § 16 Abs. 5 Satz 1 BRAO innerhalb eines Monats
  57. ab Zustellung bei dem Anwaltsgerichtshof einzureichen. Die Zustellung erfolgte
  58. ausweislich der Postzustellungsurkunde am 11. November 2005 durch Übergabe an eine Mitarbeiterin des Antragstellers. Der Antragsteller beschäftigte zwar
  59. im Zeitpunkt der Zustellung keine Mitarbeiterin mit dem in der Postzustellungsurkunde angegebenen Namen U.
  60. K.
  61. . Bei dieser Bezeichnung handelt
  62. es sich aber um ein Versehen. Gemeint war Frau N.
  63. K.
  64. , die am Tag der
  65. Zustellung bei dem Antragsteller beschäftigt war und die Sendung entgegengenommen hat. Dies hat der Antragsteller nicht in Abrede gestellt. Auch seine eigene sowie die eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin geben keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Zusteller den Bescheid einer anderen Person als der
  66. bei dem Antragsteller seinerzeit angestellten N.
  67. K.
  68. übergeben haben
  69. könnte. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war deshalb und weil der 11.
  70. Dezember 2005 ein Sonntag war, bis spätestens zum Ablauf des 12. Dezember
  71. 2005 bei dem Anwaltsgerichtshof einzureichen. Tatsächlich ist er dort aber erst
  72. am 31. Januar 2006 eingereicht worden, war also verspätet.
  73. 6
  74. 2. Eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Antragsfrist war
  75. dem Antragsteller nicht zu gewähren.
  76. 7
  77. a) Nach § 40 Abs. 4 BRAO i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG ist einem Antragsteller, der ohne sein Verschulden verhindert war, die Antragsfrist nach § 16
  78. Abs. 5 Satz 1 BRAO einzuhalten, auf Antrag von dem Anwaltsgerichtshof die
  79. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen, wenn er seinen Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses stellt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein solcher
  80. Hinderungsgrund kann auch darin liegen, dass der Antragsteller von der Ersatzzustellung der an ihn gerichteten Verfügung keine Kenntnis hatte (BGH,
  81. -5-
  82. Beschl. v. 4. Februar 1987, IVb ZB 162/86, FamRZ 1987, 925; BayObLG NJWRR 1988, 509; Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 22 Rdn. 60).
  83. Ohne Verschulden tritt ein durch Unkenntnis von der Zustellung bewirktes Hindernis aber nur ein, wenn der Antragsteller seine Unkenntnis bei Anwendung
  84. der Sorgfalt, die unter Berücksichtigung der konkreten Sachlage im Verkehr
  85. erforderlich war und die ihm vernünftigerweise zugemutet werden konnte, nicht
  86. abzuwenden imstande war (BayObLG wie vor; Sternal, aaO, § 22 Rdn. 54).
  87. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
  88. 8
  89. b) Fraglich ist schon, ob der Antragsteller seine fehlende Kenntnis von
  90. dem Bescheid substantiiert dargelegt hat. In der Begründung seines Antrags
  91. auf gerichtliche Entscheidung und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
  92. behauptet er zwar, er habe den Bescheid nicht erhalten. Wie es dazu aber gekommen sein könnte, legt der Antragsteller nicht dar. Unklar ist schon, wie seine Mitarbeiterin mit dem Schriftstück verfahren ist und ob sie es ihm entsprechend seiner angeblichen Anweisung auf den Schreibtisch gelegt oder zunächst
  93. in dem Empfang aufbewahrt hatte. Dazu, ob und aus welchen Gründen es an
  94. der einen oder anderen Stelle in Verlust geraten ist, bietet der Antragsteller lediglich die vage Vermutung an, dass es versehentlich unter andere Akten geraten sein könnte. Ob das ausreicht, ist zweifelhaft, kann aber offen bleiben.
  95. 9
  96. c) Der Antragsteller hat jedenfalls nicht die Sorgfalt walten lassen, die unter den gegebenen Umständen angezeigt gewesen wäre.
  97. 10
  98. aa) Seine Mitarbeiterin K.
  99. hatte nach den Angaben des Antragstellers
  100. auch amtliche Post, die als „persönlich/vertraulich“ gekennzeichnet war, ungeöffnet dem Antragsteller zu übergeben, wenn er im Büro war. War das, wie am
  101. -6-
  102. 11. November 2005, nicht der Fall, hatte sie die Post ungeöffnet auf den
  103. Schreibtisch neben das Telefon zu legen.
  104. 11
  105. bb) Schon diese Anweisung genügte den Anforderungen nicht.
  106. 12
  107. (1) Der Antragsteller musste nämlich mit dem Widerruf seiner Zulassung
  108. rechnen. Die Antragsgegnerin hatte ihm am 8. Juli 2005 mitgeteilt, sie habe
  109. aufgrund zahlreicher Prozesse und Vollstreckungsverfahren Anhaltspunkte für
  110. einen Vermögensverfall und prüfe, ob aus diesem Grund seine Zulassung zur
  111. Rechtsanwaltschaft zu widerrufen sei. Diese Mitteilung war mit der Aufforderung verbunden, sich zu den wirtschaftlichen Verhältnissen zu äußern. Diese
  112. Frist hatte der Antragsteller verstreichen lassen. Deshalb hatte die Antragsgegnerin ihn am 16. September 2006 erneut aufgefordert, innerhalb von vier Wochen zu seinen Vermögensverhältnissen Stellung zu nehmen, was wieder nicht
  113. geschah. Damit war abzusehen, dass die Antragsgegnerin die in ihrem Schreiben angesprochenen Prozesse und Vollstreckungsverfahren als Ausdruck des
  114. Vermögensverfalls bewerten und einen Widerruf aussprechen würde. Ein Antragsteller, der Anhaltspunkte für den Erlass eines Widerrufsbescheids hat,
  115. muss nach der Rechtsprechung des Senats Vorsorge dafür treffen, dass ihn ein
  116. dann tatsächlich ergehender Widerrufsbescheid auch erreicht (Senat, Beschl. v.
  117. 29. Januar 1996, AnwZ (B) 46/95, BRAK-Mitt. 1996, 79 f.; Feuerich/Weyland,
  118. BRAO, 6. Aufl., § 40 Rdn. 55 a. E.).
  119. 13
  120. (2) Das stellte die Anweisung, die der Antragsteller erteilt haben will,
  121. nicht sicher. Danach sollte das Schreiben im Falle seiner Abwesenheit auf den
  122. Schreibtisch gelegt werden, wo es nach den Angaben des Antragstellers selbst
  123. in andere Post oder Akten rutschen und außer Kontrolle geraten konnte, auch
  124. wenn es gut sichtbar abgelegt war. Das musste jedenfalls bei den zu erwarten-
  125. -7-
  126. den Sendungen der Antragsgegnerin durch ergänzende Anweisung etwa zur
  127. Vorabunterrichtung des Antragstellers bei Abwesenheit oder durch besondere
  128. Vorkehrung bei der Ablage auf dem Schreibtisch verhindert werden. Die gebotene Ergänzung seiner Anweisung hat der Antragsteller nicht vorgenommen.
  129. 14
  130. cc) Er hat zudem nicht sichergestellt, dass seine erteilte Anweisung tatsächlich eingehalten wurde. Das ergibt sich schon aus der eidesstattlichen Versicherung seiner Mitarbeiterin K.
  131. . Diese konnte nämlich nicht mehr sicher
  132. sagen, ob sie den Brief tatsächlich, wie vorgesehen, gleich auf den Schreibtisch
  133. gelegt oder entgegen der Anweisung doch zunächst im Empfang verwahrt hat.
  134. Zu dieser Unsicherheit konnte es nur kommen, wenn die umgehende Ablage
  135. solcher Sendungen auf dem Schreibtisch nicht selbstverständlich und die anweisungswidrige Ablage im Empfang eine im normalen Geschäftsgang anzunehmende Alternative war. Die möglicherweise fehlende Kenntnis des Antragstellers von dem Widerrufsbescheid war daher auch aus diesem Grund jedenfalls nicht unverschuldet.
  136. 15
  137. cc) Darauf, ob sich zusätzliche Anhaltspunkte für dieses Organisationsdefizit auch aus den Berichten des Abwicklers seiner Rechtsanwaltskanzlei und
  138. des Verwalters seines Notariats ergeben, kommt es mithin nicht an. Es bedarf
  139. auch keiner Entscheidung darüber, ob dem Antragsteller ausreichend rechtliches Gehör zu diesen Berichten gewährt worden ist und ob der Kanzleiabwickler (und der Notariatsverwalter) auch persönlich zu dem Inhalt ihrer Berichte zu
  140. vernehmen waren.
  141. -8-
  142. 3. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die
  143. 16
  144. Beteiligten darauf verzichtet haben.
  145. Terno
  146. Ernemann
  147. Hauger
  148. Schmidt-Räntsch
  149. Kappelhoff
  150. Vorinstanz:
  151. AGH Hamm, Entscheidung vom 31.03.2006 - 1 ZU 12/06 -
  152. Schaal
  153. Martini