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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- AnwZ(B) 117/05
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- 25. April 2007
- in dem Verfahren
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- wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
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- Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
- Richter Terno, die Richter Dr. Ernemann, Dr. Frellesen und Schaal sowie die
- Rechtsanwälte Dr. Wüllrich, Dr. Frey und Prof. Dr. Quaas
- am 25. April 2007
- beschlossen:
- Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss
- des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 21. November 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (als
- unbegründet) zurückgewiesen wird.
- Der Antragsteller hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen
- und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
- Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf
- 50.000 € festgesetzt.
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- Gründe:
- I.
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- Der Antragsteller wurde am 21. Februar 1997 - nach einer vorübergehenden Zulassung in Nordrhein-Westfalen - erneut zur Rechtsanwaltschaft zu-
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- gelassen; er ist seitdem als Rechtsanwalt beim Landgericht H.
- dem 19. Januar 1999 beim
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- Oberlandesgericht H.
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- und seit
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- lassen. Die Antragsgegnerin widerrief mit Verfügung vom 20. Juli 2005 die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2 Nr. 7
- BRAO wegen Vermögensverfalls und ordnete die sofortige Vollziehung der Widerrufsverfügung an.
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- Der Antragsteller hat mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung die
- Aufhebung der Widerrufsverfügung und die Herstellung der aufschiebenden
- Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung beantragt. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.
- Die Beteiligten haben sich in der mündlichen Verhandlung am 4. Dezember
- 2006 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
- II.
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- Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), hat in der
- Sache aber keinen Erfolg. Es kann offen bleiben, ob der Anwaltsgerichtshof den
- Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu Recht als unzulässig verworfen hat.
- Denn der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
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- Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
- zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei
- denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind.
- Diese Voraussetzungen waren im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung erfüllt und
- bestehen fort.
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- 1. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht
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- ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen;
- Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und
- Vollstreckungmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschluss vom
- 25. März 1991 - AnwZ(B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Senatsbeschluss vom
- 21. November 1994 - AnwZ(B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126).
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- Vor Erlass der Widerrufsverfügung war durch Beschluss des Amtsgerichts H.
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- vom 1. April 2005 (
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- ) das Insolvenzverfahren über
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- das Vermögen des Antragstellers eröffnet worden, nachdem dieser zuvor bereits mit vier Haftbefehlen in das Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts H.
- eingetragen worden war; die Höhe der angemeldeten Forderungen gegen den Antragsteller beläuft sich gemäß der Tabelle nach § 175 InsO
- vom 8. Juni 2005 auf insgesamt 1.000.196,89 €. Die durch die Eröffnung des
- Insolvenzverfahrens begründete gesetzliche Vermutung für den Vermögensverfall (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) hat der Antragsteller nicht widerlegt. Die Antragsgegnerin ist deshalb mit Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller bei
- Erlass der Widerrufsverfügung in Vermögensverfall geraten war. Dagegen
- bringt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nichts vor.
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- 2. Eine Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers
- wäre zwar im laufenden Verfahren noch zu berücksichtigen (BGHZ 75, 356);
- die Voraussetzungen für einen zweifelsfreien Wegfall des Widerrufsgrundes hat
- der Antragsteller jedoch nicht dargetan. Solange das Insolvenzverfahren über
- das Vermögen des Antragstellers läuft, ist die Grundlage der gesetzlichen Vermutung auch nicht entfallen. Die Vermögensverhältnisse eines Schuldners, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, können
- grundsätzlich erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, mit welcher der
- Schuldner das Recht zurückerhält, über die vormalige Insolvenzmasse frei zu
- verfügen (§ 259 Abs. 1 Satz 2 InsO), und mit der Ankündigung der Restschuld-
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- befreiung durch Beschluss des Insolvenzgerichts (§ 291 Abs. 1 InsO) wieder als
- geordnet angesehen werden (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2004
- - AnwZ(B) 40/04, NJW 2005, 1271 unter II 2 und 3). Diese Voraussetzung ist
- nicht gegeben. Das Insolvenzverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Ob es zur
- Ankündigung der Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht kommen
- wird, ist nicht abzusehen. Nach dem Schlussbericht des Insolvenzverwalters
- vom 5. September 2006 beträgt der Massebestand derzeit 207,10 €. Die Kosten des Verfahrens sind nicht gedeckt. Eine Quotenzahlung an die Insolvenzgläubiger ist nicht zu erwarten. Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt
- werden, dass sich der Antragsteller nicht mehr in Vermögensverfall befindet.
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- 3. Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist,
- geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der
- Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet; dies ist auch in aller Regel der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff
- von Gläubigern. Diese Gefährdung ist grundsätzlich nicht durch die Insolvenzeröffnung mit der damit verbundenen Verfügungsbeschränkung des Insolvenzschuldners weggefallen. Die Interessen der Mandanten sind regelmäßig schon
- deshalb gefährdet, weil diese - vorbehaltlich ihres guten Glaubens - das Honorar nicht befreiend an den Auftragnehmer zahlen können. Daran hat sich durch
- das Inkrafttreten der Insolvenzordnung nichts geändert. (Senatsbeschluss vom
- 18. Oktober 2004 - AnwZ(B) 43/03, NJW 2005, 511, unter II 2 a).
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- Anhaltspunkte dafür, dass einer der seltenen Ausnahmefälle vorliegt, in
- dem nach der Rechtsprechung des Senats eine Gefährdung der Interessen der
- Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts verneint werden kann (dazu Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2004, aaO, unter II 2 c; Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2005 - AnwZ(B) 13/05, NJW-RR 2006, 559,
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- unter II 2), sind weder vom Antragsteller dargetan, noch aus den Umständen
- ersichtlich. Das Vorbringen des Antragstellers, er habe sich gegenüber dem
- Insolvenzverwalter verpflichtet, sämtliche Zahlungen, bei denen es sich nicht
- um Honorar im Rahmen des Pfändungsfreibetrages handelt, an den Insolvenzverwalter zur Tilgung der Insolvenzverbindlichkeiten abzuführen, reicht hierfür
- schon deshalb nicht aus, weil es, wenn der Antragsteller seinen Beruf als
- Rechtsanwalt wieder ausüben könnte, allein vom Willen des Antragstellers abhinge, ob er die erhaltenen Beträge bestimmungsgemäß verwendet oder nicht
- (vgl. Senatsbeschluss vom 25. März 1991 - AnwZ(B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991,
- 102).
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- 4. Soweit der Anwaltsgerichtshof dem Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nicht entsprochen hat, ist die Entscheidung nicht anfechtbar (§ 16 Abs. 6 Satz 6 BRAO). Die
- sofortige Beschwerde ist insoweit als erneuter Antrag auf Wiederherstellung der
- aufschiebenden Wirkung auszulegen. Dieser Antrag ist im Beschwerdeverfahren zwar statthaft (§ 42 Abs. 5 Satz 2 BRAO), kann aber keinen Erfolg haben,
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- weil die Widerrufsverfügung aus den vorstehend dargelegten Gründen Bestandeskraft erlangt.
- Terno
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- Ernemann
- Wüllrich
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- Frellesen
- Frey
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- Vorinstanz:
- AGH Hamburg, Entscheidung vom 21.11.2005 - I ZU 13/05 -
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- Schaal
- Quaas
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