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1 year ago
  1. 5 StR 530/06
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. BESCHLUSS
  4. vom 22. Mai 2007
  5. in der Strafsache
  6. gegen
  7. wegen Meineides u. a.
  8. -2-
  9. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Mai 2007
  10. beschlossen:
  11. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. Juni 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO
  12. mit den Feststellungen aufgehoben.
  13. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
  14. auch über die Kosten der Revision, an das Landgericht zurückverwiesen.
  15. G r ü n d e
  16. 1
  17. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Meineides in Tateinheit
  18. mit Urkundenfälschung und mit versuchtem Betrug, wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen, Diebstahls und falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat
  19. mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
  20. Der Angeklagte rügt nach § 338 Nr. 2 StPO, dass ein gemäß § 22
  21. 2
  22. Nr. 5 StPO von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossener Richter
  23. bei dem Urteil mitgewirkt hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
  24. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen beruht die Ver-
  25. 3
  26. urteilung des Angeklagten wegen gemeinschaftlich begangenen Diebstahls
  27. (§§ 242, 25 Abs. 2 StGB) darauf, dass der Angeklagte die gesondert Verfolgten T.
  28. , R.
  29. und Ri.
  30. dazu bestimmt hat, zwei Warmluftgeräte
  31. von einer Baustelle zu entwenden und ihm in seine Werkstatt zu bringen.
  32. Grundlage der Verurteilung des die Tat bestreitenden Angeklagten war die
  33. Aussage des gesondert Verfolgten T.
  34. .
  35. -3-
  36. 4
  37. Während des Laufs der Hauptverhandlung wurde der Vorsitzende der
  38. Strafkammer in dem vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin gegen den gesondert Verfolgten R.
  39. wegen derselben Straftat anhängigen Strafver-
  40. fahren als Zeuge gehört. Er machte dabei Angaben über den Inhalt der Aussage des gesondert Verfolgten T.
  41. in der Hauptverhandlung vor dem
  42. Landgericht.
  43. 5
  44. Die zulässig erhobene Verfahrensrüge ist begründet. Der Vorsitzende
  45. der Strafkammer war seit seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht für das
  46. vorliegende Verfahren nach § 22 Nr. 5 StPO ausgeschlossen. Nach dieser
  47. Vorschrift ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes
  48. ausgeschlossen, wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger
  49. vernommen ist.
  50. 6
  51. Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass Sachgleichheit nicht Verfahrensidentität bedeutet und auch dann gegeben ist,
  52. wenn ein Richter in einem anderen Verfahren als Zeuge zu demselben Tatgeschehen vernommen worden ist, das er jetzt abzuurteilen hat (vgl.
  53. BGHSt 31, 358, 359; BGH NStZ 2006, 113, 114; Meyer-Goßner, StPO 49.
  54. Aufl. § 22 Rdn. 19).
  55. 7
  56. Weiterhin ist der Vorsitzende vor dem Amtsgericht förmlich als Zeuge
  57. gehört worden. Hierin unterscheidet sich der Fall von anderen Sachverhalten, bei denen ein Richter lediglich eine dienstliche Erklärung über Vorgänge
  58. abgibt, die den Gegenstand des bei ihm anhängigen Verfahrens betreffen
  59. und die er im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit in dieser Sache
  60. wahrgenommen hat (vgl. hierzu BGHSt 7, 330, 331; 44, 4, 9 f.; 45, 354,
  61. 361 f.; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Prozessverschleppung 12).
  62. 8
  63. Schließlich ist der Vorsitzende auch zum Tatgeschehen vernommen
  64. worden. Vernehmung ist insoweit nicht nur die Wiedergabe eigener Wahrnehmung zum Tatgeschehen. Vielmehr wird jede Zeugenaussage zu solchen
  65. -4-
  66. Fragen erfasst, die im Hinblick auf die Schuld- und Straffrage später richterlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bewertet werden müssen (vgl.
  67. BGHSt 31, 358, 359; BGH NStZ 2006, 113, 114).
  68. Vorliegend hat der Vorsitzende als Zeuge im Verfahren gegen den ge-
  69. 9
  70. sondert Verfolgten R.
  71. des Belastungszeugen T.
  72. Angaben gemacht über den Inhalt der Aussage
  73. . Im vorliegenden Verfahren war derselbe
  74. Sachverhalt mit demselben Beweismittel zu würdigen. Der Vorsitzende hat
  75. sich – vor der abschließenden Urteilsberatung in seiner Strafkammer – durch
  76. seine Angaben darauf festgelegt, welchen Inhalt die Aussage des Zeugen
  77. T.
  78. hatte, so dass Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit für das
  79. vorliegende Verfahren denkbar sind.
  80. 10
  81. Die Vorschrift des § 22 StPO erfordert nicht den Nachweis, dass der
  82. entscheidende Richter tatsächlich voreingenommen ist. Es soll bereits durch
  83. eine generelle Regelung der bloße Anschein einer sachfremden Beeinflussung vermieden werden (vgl. BGHSt 31, 358, 359). Sinn und Zweck der Vorschrift entspricht es, dass ein Richter, der förmlich als Zeuge vernommen
  84. worden ist, von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, wenn er über ein identisches Geschehen zu urteilen hätte (vgl.
  85. Schmid GA 1980, 285, 286; Otto StV 2006, 676, 679).
  86. 11
  87. Diese Rechtsfolge wird zu bedenken sein, wenn in derartigen Fällen
  88. ein Gerichtspräsident über die Erteilung einer Aussagegenehmigung für einen als Zeugen benannten Richter zu befinden hat. Durch eine Versagung
  89. der Aussagegenehmigung werden weder die Verteidigungsinteressen des
  90. Angeklagten noch die Pflicht des Gerichts zur Wahrheitsermittlung von vornherein eingeschränkt. Es sind vorzugsweise andere Personen, die ebenfalls
  91. -5-
  92. an der Verhandlung teilgenommen haben, als Zeugen zu den in Frage stehenden Tatsachen zu hören (vgl. dazu auch BGHR StPO § 244 Abs. 3
  93. Satz 2 Prozessverschleppung 12 sowie BGHSt 45, 354, 361 f.).
  94. Basdorf
  95. Häger
  96. Brause
  97. Gerhardt
  98. Schaal