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347 lines
13 KiB

1 year ago
  1. 5 StR 325/07
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. IM NAMEN DES VOLKES
  4. URTEIL
  5. vom 7. November 2007
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Betruges
  9. -2-
  10. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November 2007, an der teilgenommen haben:
  11. Richterin Dr. Gerhardt
  12. als Vorsitzende,
  13. Richter Dr. Raum,
  14. Richter Dr. Brause,
  15. Richter Schaal,
  16. Richter Prof. Dr. Jäger
  17. als beisitzende Richter,
  18. Staatsanwalt
  19. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  20. Rechtsanwalt
  21. als Verteidiger,
  22. Justizhauptsekretärin
  23. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  24. -3-
  25. für Recht erkannt:
  26. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
  27. Landgerichts Görlitz vom 4. April 2006 wird verworfen; die
  28. sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die dort
  29. getroffene Entschädigungsanordnung wird zurückgewiesen.
  30. Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel und die
  31. dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
  32. – Von Rechts wegen –
  33. Gründe
  34. 1
  35. Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen und ihm Entschädigung zugebilligt. Hiergegen wendet sich die
  36. Staatsanwaltschaft. Ihr vom Generalbundesanwalt vertretenes Rechtsmittel
  37. bleibt ohne Erfolg.
  38. I.
  39. 2
  40. Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten zur Last gelegt, als faktischer Geschäftsführer der VBG
  41. (künftig: VBG) gemeinsam mit seinem Onkel durch die Vorlage unrichtiger Bautenstandsmitteilungen betrügerisch die Auszahlung von
  42. etwa 300.000 DM aus kreditfinanzierten Kaufpreisen für Eigentumswohnungen erlangt zu haben.
  43. -4-
  44. 3
  45. Hierzu hat das Landgericht Folgendes festgestellt:
  46. 4
  47. Die VBG befasste sich mit dem Ankauf von Altbauten. Sie sanierte
  48. diese Gebäude, teilte sie in Eigentumswohnungen auf und verkaufte die Eigentumswohnungen an Dritte. Dabei übernahm sie auch die Verhandlungen
  49. mit den Banken, die den Erwerb der Eigentumswohnung finanzierten. Der
  50. Verkauf der Wohnungen erfolgte vor ihrer Sanierung. Die VBG als Verkäuferin verwendete im Wesentlichen gleichlautende notarielle Musterverträge.
  51. Danach wurde der Kaufpreis entsprechend dem Fortschritt der Bauarbeiten
  52. fällig gestellt. Zudem räumten die Käufer der Eigentumswohnungen der VBG
  53. eine Finanzierungsvollmacht ein. Hierzu traten die Käufer ihren Anspruch auf
  54. Auszahlung der Darlehensvaluta gegenüber der Bank an die VBG als Verkäuferin ab.
  55. 5
  56. Die VBG schaltete für die Durchführung der Sanierung zunächst
  57. Fremdfirmen ein. Ab 1997 übernahm der Onkel des Angeklagten, F.
  58. T.
  59. , die Bauleitung. Dieser gründete – auf Anraten des Angeklag-
  60. ten – die TBG
  61. (künftig: TBG). Der
  62. Angeklagte schloss namens der VBG im Jahr 1998 einen Generalunternehmervertrag, der die Sanierung von fünf Objekten der VBG zu einem Festpreis
  63. von 4,6 Mio. DM zum Gegenstand hatte. Später kam es dann zu Erweiterungen dieses Vertrages. Hierunter fielen auch die Sanierungsvorhaben Krischelstraße 6/7 und Teichstraße 19/20, die von der TBG zu einem Pauschalpreis von 1.200 DM bzw. 1.300 DM je Quadratmeter saniert werden sollten.
  64. F.
  65. T.
  66. , dem auch hier die Bauleitung oblag, wurde vom Ange-
  67. klagten mit der Überwachung der Bautenstände beauftragt. Hinsichtlich der
  68. Objekte Krischelstraße 6/7 und Teichstraße 19/20, die in Eigentumswohnungen aufgeteilt und jeweils an fünf Käufer veräußert worden waren, bescheinigte F.
  69. T.
  70. einen Bautenstand von 96,5 %. Er erstellte die Bau-
  71. tenstandsanzeigen jeweils am 12. November 1998 unter dem Briefkopf
  72. „B.
  73. T.
  74. P.
  75. “ in seiner Eigenschaft als bauleitender
  76. Architekt. Gleichzeitig unterzeichnete er am selben Tag Wohnungsüberga-
  77. -5-
  78. beprotokolle als Vertreter von sieben Käufern, die dann auch vom Angeklagten als dem Vertreter der VBG als Verkäuferin unterschrieben wurden.
  79. Aufgrund der Bautenstandsmitteilungen und der Wohnungsübergabe-
  80. 6
  81. protokolle, die der finanzierenden A.
  82. P.
  83. zugeleitet
  84. wurden, kam es zur Auszahlung der Darlehensvaluta, die aufgrund der Finanzierungsvollmacht an die VBG ausbezahlt wurde.
  85. Tatsächlich waren die Bautenstandsanzeigen unrichtig, weil die Arbei-
  86. 7
  87. ten nicht beendet waren. Das Haus Krischelstraße 6/7 hat der Angeklagte
  88. – weitgehend mit Fremdunternehmen – bis Anfang 2000 fertig gestellt, am
  89. Anwesen Teichstraße 19/20 wurden die Arbeiten nicht mehr aufgenommen.
  90. Die TBG geriet Ende 1998 in wirtschaftliche Schwierigkeiten; am
  91. 19. März 1999 stellte F.
  92. 8
  93. T.
  94. für die TBG Insolvenzantrag.
  95. Das Landgericht sah bezüglich des Angeklagten einen gemeinschaftlich mit F.
  96. T.
  97. begangenen Betrug nicht als erwiesen an. Die
  98. Einlassung des Angeklagten, er habe auf seinen Onkel vertraut und mithin
  99. nicht gewusst, dass die Bautenstände tatsächlich nicht erreicht worden seien, lasse sich nicht widerlegen. Zwar werde der Angeklagte durch F.
  100. T.
  101. massiv belastet. Dies reiche jedoch der Strafkammer nicht aus,
  102. um sich von einem entsprechenden Vorsatz des Angeklagten zu überzeugen.
  103. II.
  104. 9
  105. Das von der Staatsanwaltschaft mit formellen und materiellen Rügen
  106. angegriffene Urteil des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand.
  107. 10
  108. 1. Die Verfahrensrügen bleiben erfolglos.
  109. -6-
  110. a) Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hat das Landge-
  111. 11
  112. richt den „zum Beweis der Tatsache, dass der Zeuge H.
  113. unglaubwürdig
  114. und seine Aussage unglaubhaft ist“ gestellten Antrag zu Recht nicht als förmlichen Beweisantrag behandelt (vgl. BGHSt 39, 251; 43, 321, 327 ff.). Dass
  115. hier nur ein Beweisziel beschrieben ist, bedarf keiner näheren Darlegung. Im
  116. Übrigen begegnet die Rüge auch in formeller Hinsicht Bedenken, weil der auf
  117. den Antrag ergangene landgerichtliche Beschluss nur auszugsweise mitgeteilt wird (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
  118. b) Die in diesem Zusammenhang erhobene Aufklärungsrüge ist unzu-
  119. 12
  120. lässig. Die Staatsanwaltschaft, die meint, eine Vernehmung des damaligen
  121. Staatsanwalts D.
  122. und des leitenden Kriminalbeamten M.
  123. seien unter
  124. Aufklärungsgesichtspunkten erforderlich gewesen, legt nicht dar, welche Tatsachen damit hätten bewiesen werden sollen. Zudem teilt sie nicht mit, was
  125. der zur Durchsuchung vernommene sachbearbeitende Kriminalbeamte ausgesagt hat. Dies wäre jedoch für die Prüfung der weiteren Aufklärungsbedürftigkeit von Bedeutung gewesen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
  126. c) Das Landgericht hat ebenfalls rechtsfehlerfrei den Antrag der
  127. 13
  128. Staatsanwaltschaft auf Verlesung der Strafanzeige des M.
  129. T.
  130. abge-
  131. lehnt. Auch dieser Antrag war „zum Beweis der Unglaubwürdigkeit des Zeugen H.
  132. “ gestellt und mithin gleichfalls kein förmlicher Beweisantrag. Die
  133. Rüge ist zudem unvollständig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil auf eine polizeiliche Vernehmung des M.
  134. T.
  135. Bezug genommen wird, deren In-
  136. halt nicht mitgeteilt wird.
  137. d) Die auf die abgelehnte Verlesung der Strafanzeige gestützte Aufklä-
  138. 14
  139. rungsrüge ist unzulässig. Sie enthält keine bestimmte Tatsachenbehauptung,
  140. was mit der unterlassenen Beweiserhebung hätte bewiesen werden sollen.
  141. Sie verhält sich im Übrigen nicht dazu, ob dem als Zeugen vernommenen
  142. M.
  143. T.
  144. die von ihm verfasste Strafanzeige vorgehalten und auf die-
  145. sem Weg in die Hauptverhandlung eingeführt wurde, ohne dass ein solcher
  146. -7-
  147. Vorhalt nach § 273 StPO zu protokollieren gewesen wäre (Meyer-Goßner,
  148. StPO 50. Aufl. § 273 Rdn. 9). Dies liegt nahe, zumal die Urteilsgründe sich
  149. auf diese Strafanzeige beziehen.
  150. 15
  151. 2. Die Sachrüge ist unbegründet.
  152. 16
  153. a) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts liegt kein
  154. Darstellungsmangel vor. Die Einlassung des Angeklagten wurde zusammenhängend wiedergegeben. Die Bautenstandsmitteilungen sowie die Übergabeprotokolle sind inhaltlich ebenfalls in einem für die revisionsgerichtliche
  155. Überprüfung ausreichenden Umfang beschrieben. Hinsichtlich der Bautenstandsmitteilungen, die nicht vom Angeklagten verfasst wurden und unrichtig
  156. waren, genügte eine allgemeine Umschreibung. Es ist nicht erkennbar, inwiefern einzelne Details des tatsächlich nicht erreichten Bautenstands für die
  157. subjektive Tatseite beim Angeklagten Bedeutung gewinnen könnten. Der
  158. wesentliche Inhalt der vom Angeklagten umschriebenen Übergabeprotokolle
  159. lässt sich den Urteilsgründen entnehmen. Danach hat der Angeklagte
  160. – wahrheitswidrig – seine Anwesenheit bei der Wohnungsübergabe an einzelne Käufer durch seine Unterschrift bestätigt. Inwiefern der genaue Wortlaut dieser – im Übrigen auch vom Angeklagten eingeräumten – unrichtigen
  161. Übergabeprotokolle für die revisionsgerichtliche Kontrolle von Bedeutung
  162. sein könnte, ist nicht ersichtlich.
  163. 17
  164. b) Die Beweiswürdigung hält ebenfalls rechtlicher Überprüfung stand.
  165. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter
  166. einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu
  167. überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler
  168. unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die
  169. Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen
  170. Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH wistra 2007,
  171. 18, 19; BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht
  172. -8-
  173. abgedruckt). Der Überprüfung unterliegt ebenfalls, ob das Landgericht überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit
  174. gestellt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 147; BGH NStZ 2004, 35, 36; BGH
  175. wistra 1999, 338, 339; jeweils m.w.N.). Ein Rechtsfehler kann auch darin liegen, dass der Tatrichter eine nach den Feststellungen nicht naheliegende
  176. Schlussfolgerung gezogen hat, ohne konkrete Gründe anzuführen, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Sachverhalte zu
  177. unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. BGH NStZ 2004, 35, 36).
  178. 18
  179. Einen Rechtsfehler in diesem Sinne zeigt die Revision nicht auf.
  180. 19
  181. aa) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – nicht lückenhaft. Sie enthält eine Auseinandersetzung mit dem Motiv, warum F.
  182. T.
  183. für die TBG falsche
  184. Bautenstandsmitteilungen verfasst haben könnte. Das Landgericht verweist
  185. auf die schlechte wirtschaftliche Situation der TBG, die kurze Zeit später einen Insolvenzantrag stellen musste. Damit liegt das Motiv auf der Hand. Naheliegend hat der nach außen dokumentierte Bautenstand auch im Innenverhältnis die Abrechnungsgrundlage gebildet. Angesichts seiner finanziellen
  186. Bedrängung könnte dann F.
  187. T.
  188. , der an eine Überwindung sei-
  189. ner Liquiditätskrise geglaubt haben kann, auch das Risiko auf sich genommen haben, vom Angeklagten oder seinen Mitarbeitern entdeckt zu werden.
  190. Zu weitergehenden Erörterungen hierzu, die überdies zwangsläufig spekulativ bleiben würden, musste sich das Landgericht nicht gedrängt sehen.
  191. 20
  192. bb) Das Landgericht hat die Indizien auch nicht in ihrem Beweiswert
  193. rechtsfehlerhaft falsch bewertet. Dies gilt auch für die vom Angeklagten unterzeichneten falschen Übergabeprotokolle. Abgesehen davon, dass die
  194. Übergabe nicht fälligkeitsbegründend war (sondern nur die Fertigstellung),
  195. musste das Landgericht aus der – auch dem Angeklagten bewussten – fal-
  196. -9-
  197. schen Erklärung, bei der Übergabe der Wohnung anwesend gewesen zu
  198. sein, nicht den Schluss ziehen, wonach er auch wusste oder damit rechnete,
  199. dass ein entsprechender Baufortschritt noch nicht erreicht sei. Ohne dass es
  200. hierdurch die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung überspannt hätte, durfte das Landgericht die Einlassung des Angeklagten als
  201. nicht widerlegt ansehen, man habe die Übergabeprotokolle im Büro der VBG
  202. ausgedruckt und dort unterschrieben, weil vor dem Auslaufen der Sonderabschreibung für Immobilien in den neuen Bundesländern ein sehr starker
  203. Termindruck geherrscht habe. Zumal da der letztgenannte Gesichtspunkt
  204. auch durch den als Zeugen vernommenen Bankangestellten Hi.
  205. bestätigt wurde, brauchte das Landgericht diesem Indiz kein noch größeres
  206. Gewicht im Rahmen der Beweiswürdigung einzuräumen.
  207. 21
  208. Allerdings ist die Formulierung missverständlich, dass die Unterzeichnung der Wohnungsübergabeprotokolle kein „zwingendes“ Indiz für den Vorsatz des Angeklagten darstelle. Der Senat besorgt jedoch aufgrund des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht, dass die Strafkammer der Auffassung gewesen sein könnte, nur „zwingende“ Indizien könnten belastend
  209. wirken. Dies wäre unzutreffend. Der weitere Gang der Darstellung belegt,
  210. dass die Strafkammer dies auch nicht verkannt hat. Kaum eine Seite weiter
  211. würdigt sie nämlich die belastende Aussage des F.
  212. T.
  213. im Zu-
  214. sammenhang mit den übrigen festgestellten Indizien, wozu die vorher abgehandelten falschen Übergabeprotokolle zählten.
  215. 22
  216. cc) Hierin liegt auch die von der Beschwerdeführerin vermisste Gesamtwürdigung. Das Landgericht musste die jeweiligen Indizien nicht nochmals einzeln benennen. Dabei gab es auch Indizien, die geeignet waren, die
  217. Einlassung des Angeklagten zu stützen, wie der erhebliche Umfang der Geschäftstätigkeit, wobei in einer Vielzahl von Fällen die Sanierungsvorhaben
  218. beanstandungsfrei abgewickelt worden sind. Wenn das Landgericht bei dieser Sachlage letzte Zweifel nicht überwinden konnte und nicht auszuschlie-
  219. - 10 -
  220. ßen vermochte, dass der Angeklagte selbst durch F.
  221. T.
  222. ge-
  223. täuscht wurde, ist dies vom Revisionsgericht hinzunehmen.
  224. III.
  225. 23
  226. Die nicht näher ausgeführte Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Feststellung der Entschädigungspflicht weist der Senat zurück. Auch
  227. insoweit hat die Überprüfung keinen Rechtsfehler ergeben.
  228. Gerhardt
  229. Schaal
  230. Raum
  231. Jäger
  232. Brause