Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

288 lines
9.3 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. 4 StR 482/01
  4. Urteil
  5. vom
  6. 17. Januar 2002
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen Beihilfe zum Mord u.a.
  10. -2-
  11. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Januar
  12. 2002, an der teilgenommen haben:
  13. Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
  14. Dr. Tepperwien,
  15. die Richter am Bundesgerichtshof
  16. Dr. Kuckein,
  17. Athing,
  18. die Richterinnen am Bundesgerichtshof
  19. Solin-Stojanoviæ,
  20. Sost-Scheible
  21. als beisitzende Richter,
  22. Staatsanwalt
  23. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  24. Rechtsanwalt
  25. als Verteidiger,
  26. Rechtsanwalt
  27. als Vertreter der Nebenklägerin
  28. Justizangestellte
  29. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  30. für Recht erkannt:
  31. -3-
  32. 1.
  33. Auf die Revision des Angeklagten B.
  34. wird das Urteil
  35. des Landgerichts Saarbrücken vom 6. April 2001 in dem
  36. ihn betreffenden Strafausspruch aufgehoben.
  37. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  38. Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  39. 2.
  40. Die weiter gehende Revision des Angeklagten sowie die
  41. Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin Irmgard P.
  42. 3.
  43. werden verworfen.
  44. Die Nebenklägerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.
  45. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der
  46. Staatsanwaltschaft. Von den durch diese Revisionen
  47. entstandenen gerichtlichen Auslagen trägt die Nebenklägerin die Hälfte; die andere Hälfte und die durch die
  48. beiden Rechtsmittel verursachten notwendigen Auslagen
  49. des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
  50. Von Rechts wegen
  51. -4-
  52. Gründe:
  53. Das Landgericht hat den Mitangeklagten O.
  54. , dessen Revision bereits
  55. verworfen wurde, wegen Mordes (aus niedrigen Beweggründen) in Tateinheit
  56. mit Freiheitsberaubung mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe, den
  57. Angeklagten B.
  58. wegen Beihilfe hierzu zu einer Freiheitsstrafe von sechs
  59. Jahren verurteilt. Gegen die Verurteilung des Angeklagten B.
  60. haben der
  61. Angeklagte, die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin Revision eingelegt.
  62. Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, und das Rechtsmittel der Nebenklägerin, mit denen jeweils sachlich-rechtlich beanstandet wird, daß die Strafkammer
  63. den Angeklagten lediglich als Gehilfen und nicht als Mittäter verurteilt hat, bleiben dagegen ohne Erfolg.
  64. I. Die Feststellungen des Landgerichts:
  65. Am Tattag erkannte der Mitangeklagte O.
  66. ren Tatopfers Walter P.
  67. , als er das Taxi des späte-
  68. bestieg, diesen als denjenigen Taxifahrer wieder,
  69. den er bereits vor einigen Wochen um den Fahrpreis geprellt hatte. Auch
  70. Walter P.
  71. hatte O.
  72. wiedererkannt. Als O.
  73. am Fahrtziel erneut unter
  74. dem Vorwand, Geld für die Fahrtkosten aus seiner Wohnung holen zu wollen,
  75. das Taxi verlassen wollte, bedrängte ihn Walter P.
  76. massiv, sofort sowohl die
  77. neu angefallenen als auch die früheren Fahrtkosten zu begleichen. O.
  78. schloß daraufhin, Walter P.
  79. be-
  80. zu töten, weil er die Taxifahrt nicht bezahlen,
  81. nicht identifiziert und wegen seines früheren Fehlverhaltens nicht zur Rechenschaft gezogen werden wollte. Er zwang den Taxifahrer unter Vorhalt einer
  82. -5-
  83. mitgeführten Schreckschußpistole mit in seine Wohnung zu gehen, wo sich der
  84. Angeklagte B.
  85. aufhielt. Auf Aufforderung des O.
  86. klagte den Walter P.
  87. fesselte der Ange-
  88. mit einem Antennenkabel, nachdem O.
  89. sinngemäß
  90. geäußert hatte, der Taxifahrer habe ihn zum Zahlen zwingen wollen und wisse
  91. jetzt, wo er wohne. Deswegen "müsse er 'weg' ". Dem Angeklagten war klar,
  92. daß O.
  93. dem Taxifahrer "etwas antun wollte". Anschließend zwang O.
  94. den gefesselten Walter P.
  95. unter Verwendung der Schreckschußpistole, in
  96. sein Taxi einzusteigen und fuhr mit ihm in Begleitung des Angeklagten B.
  97. zu einem Waldweg. Dort zerrte er Walter P.
  98. aus dem Taxi, löste die Hand-
  99. fessel, warf ihn auf den Boden und erdrosselte den sich heftig Wehrenden mit
  100. dem Antennenkabel. Der Angeklagte B.
  101. neben O.
  102. und dem Tatopfer. Er half O.
  103. stand während dieses Vorgangs
  104. die Leiche in den Kofferraum
  105. des Taxis zu legen. Das in einer Tasche in der Fahrertür aufbewahrte Wechselgeld des Walter P.
  106. teilten sich die Angeklagten auf, wobei die Kammer
  107. nicht ausschließen konnte, daß der Entschluß zur Wegnahme des Geldes erst
  108. nach der Tötung des Taxifahrers von den Angeklagten gefaßt wurde. Anschließend fuhren beide auf Vorschlag des O.
  109. zu einer Tankstelle, wo sie u.a.
  110. einen mit Benzin gefüllten Kanister erwarben. Im Beisein des Angeklagten
  111. B.
  112. übergoß O.
  113. sodann auf einem abgelegenen Waldweg das Taxi mit
  114. Benzin und zündete es an, um die Spuren der Tat zu beseitigen.
  115. II. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin
  116. Der Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zum Mord
  117. und zur Freiheitsberaubung mit Todesfolge weist keinen Rechtsfehler zum
  118. Vorteil des Angeklagten auf. Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert,
  119. sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt,
  120. -6-
  121. daß sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun
  122. als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so
  123. enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der
  124. Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur
  125. Tatherrschaft sein (vgl. BGHSt 37, 289, 291). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das angefochtene Urteil erkennen, daß der Tatrichter
  126. die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt
  127. hat, so kann das gefundene Ergebnis auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (BGH StV 1998, 540; NJW 1997, 3385, 3387).
  128. Die Wertung der Tatbeteiligung des Angeklagten B.
  129. als Beihilfe und
  130. nicht als Mittäterschaft hält sich im Rahmen dieses Beurteilungsspielraums.
  131. Nach den Feststellungen hat der Mitangeklagte O.
  132. bereits beim Verlassen
  133. des Taxis allein und aus ausschließlich eigennützigen Motiven den Entschluß
  134. zur Tötung des Walter P.
  135. gefaßt. Er ist in der Folgezeit auch durchweg der
  136. dominierende Partner gewesen, hat das weitere Vorgehen bestimmt und die
  137. Tötungshandlung selbst ausgeführt. Dagegen hat der Angeklagte das Ob und
  138. Wie des tatbestandsmäßigen Geschehens weder beherrscht noch bestimmend
  139. beeinflußt. Bei seinen maßgeblichen Tathandlungen - z.B. beim Fesseln des
  140. Opfers mit dem Antennenkabel - ist er den Anweisungen des Mitangeklagten
  141. gefolgt. Auch hat die Kammer ein eigenes, zur Tat drängendes Interesse des
  142. Angeklagten, etwa aufgrund eines früheren, möglicherweise gemeinsam mit
  143. dem Mitangeklagten zum Nachteil des Walter P.
  144. begangenen, nunmehr zu
  145. -7-
  146. verdeckenden Fahrgeldbetrugs, gerade nicht festzustellen vermocht. Wenn
  147. das Tatgericht im Hinblick auf diese sehr gewichtigen Umstände (vgl.
  148. BGHSt 28, 346, 348 f.) bei seiner Abwägung zu dem Ergebnis gelangt ist, die
  149. Tatbeiträge des Angeklagten seien nur als die eines Gehilfen zu bewerten, ist
  150. dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dem steht auch nicht entgegen, daß die Angeklagten nach der Tötung des Walter P.
  151. das im Taxi aufge-
  152. fundene Wechselgeld an sich genommen und geteilt haben. Nach den Feststellungen ist nämlich nicht auszuschließen, daß die Angeklagten den En tschluß zur Wegnahme des Geldes erst nach der Tötung des Walter P.
  153. gefaßt
  154. haben.
  155. III. Die Revision des Angeklagten
  156. Die Revision des Angeklagten hat zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg.
  157. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das Schwurgericht ist beim Angeklagten B.
  158. bei Bemessung der Strafe von dem nach
  159. § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 211 StGB
  160. von drei bis 15 Jahren ausgegangen. Es hat dabei übersehen, daß bei dem
  161. Angeklagten daneben auch der zwingende Milderungsgrund des § 28 Abs. 1
  162. StGB Anwendung findet. Der Angeklagte wußte nach den Feststellungen des
  163. Landgerichts zwar, aus welchen Gründen O.
  164. den Taxifahrer töten wollte,
  165. handelte aber selbst nicht aus den Beweggründen, die O.
  166. zur Tat veranlaßt
  167. haben. Bei ihm fehlen deshalb die besonderen persönlichen Merkmale, die bei
  168. O.
  169. die Tötung Walter P. s zum Mord machten. Niedrige Beweggründe, von
  170. deren Vorliegen das Landgericht bei O.
  171. ausgeht, sind ebenso wie die nach
  172. den Feststellungen zusätzlich in Betracht kommende Verdeckungsabsicht täterbezogene Merkmale, welche die Strafbarkeit begründen (vgl. BGHSt 22,
  173. -8-
  174. 375, 378; BGH StV 1984, 69). Anhaltspunkte dafür, daß - wie der Generalbundesanwalt meint - der Angeklagte selbst die Absicht hatte, den Fahrgeldbetrug
  175. des O.
  176. zu verdecken (vgl. BGHSt 9, 180), liegen nicht vor.
  177. Zwar erscheint die verhängte Strafe auch bei doppelter Strafrahmenverschiebung nicht überhöht; jedoch vermag der Senat nicht mit letzter Sicherheit
  178. auszuschließen, daß das Landgericht bei richtiger Strafrahmenwahl eine nie drigere Strafe festgesetzt hätte.
  179. Danach hat der Strafausspruch keinen Bestand. Einer Aufhebung der
  180. insoweit getroffenen Feststellungen bedarf es nicht, weil lediglich die Strafe
  181. aus einem anderen Strafrahmen zu entnehmen ist.
  182. Tepperwien
  183. Kuckein
  184. Solin-Stojanoviæ
  185. Athing
  186. Sost-Scheible