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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. Urteil
  4. 4 StR 152/08
  5. vom
  6. 31. Juli 2008
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
  10. -2-
  11. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. Juli 2008,
  12. an der teilgenommen haben:
  13. Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
  14. Dr. Tepperwien,
  15. Richter am Bundesgerichtshof
  16. Prof. Dr. Kuckein,
  17. Athing,
  18. Richterin am Bundesgerichtshof
  19. Solin-Stojanović,
  20. Richter am Bundesgerichtshof
  21. Dr. Mutzbauer
  22. als beisitzende Richter,
  23. Staatsanwältin
  24. in der Verhandlung,
  25. Staatsanwalt
  26. bei der Verkündung
  27. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  28. Rechtsanwalt
  29. als Verteidiger,
  30. Justizangestellte
  31. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  32. für Recht erkannt:
  33. -3-
  34. 1.
  35. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
  36. des Landgerichts Bochum vom 10. Dezember 2007 mit
  37. den Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung
  38. nicht angeordnet worden ist.
  39. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  40. Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  41. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft wird
  42. verworfen.
  43. 2.
  44. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete
  45. Urteil wird verworfen.
  46. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
  47. tragen.
  48. Von Rechts wegen
  49. Gründe:
  50. 1
  51. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen 115fachen unerlaubten
  52. Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, zum Teil in nicht geringer Menge, und
  53. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
  54. Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Ent-
  55. -4-
  56. ziehungsanstalt angeordnet, wobei ein Jahr und sechs Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Außerdem hat es eine
  57. Sperre von vier Jahren für die Erteilung einer Fahrerlaubnis, den Verfall von
  58. Wertersatz in Höhe von 39.510 Euro und die Einziehung des Pkw des Angeklagten angeordnet.
  59. 2
  60. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit
  61. der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Er beanstandet "vor allem" die
  62. Strafzumessung des Landgerichts sowie die Verfalls- und Einziehungsentscheidung. Die Staatsanwaltschaft greift das Urteil insgesamt im Rechtsfolgenausspruch an und rügt mit der Sachbeschwerde, dass neben der Unterbringung
  63. des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht auch seine Unterbringung in
  64. der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.
  65. I.
  66. 3
  67. Nach den Feststellungen der Strafkammer hat der nunmehr 60jährige,
  68. seit seinem 15. Lebensjahr straffällig gewordene Angeklagte, der bereits mehr
  69. als 18 Jahre an Haft verbüßt hatte, im Zeitraum von Juni 2006 bis Juni 2007
  70. einen umfangreichen Handel mit Heroin betrieben. Als er am 14. Juni 2007
  71. - ohne Fahrerlaubnis - in seinem Pkw ca. 450 g Heroingemisch und knapp 10 g
  72. Kokain aus den Niederlanden nach Deutschland verbrachte, wurde er festgenommen.
  73. -5-
  74. II.
  75. 4
  76. Revision der Staatsanwaltschaft
  77. 5
  78. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat im Wesentlichen Erfolg.
  79. 6
  80. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler die Voraussetzungen für eine
  81. Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB bejaht. Daneben hat es festgestellt, dass auch die formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB vorliegen. Der
  82. Angeklagte sei ein "Hangtäter"; von ihm seien - nach drei Vorverurteilungen
  83. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
  84. Menge in den Jahren 1978, 2003 und 2005 zu insgesamt fast zehn Jahren
  85. Freiheitsstrafe - "prognostisch weitere Straftaten nach dem BtMG zu erwarten"
  86. (UA 25). Die Strafkammer meint jedoch, die angeordnete Unterbringung in einer
  87. Entziehungsanstalt erscheine als die im Verhältnis zur Sicherungsverwahrung
  88. mildere und noch ausreichende Maßregel, weil die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" Erfolg haben werde
  89. (UA 26).
  90. 7
  91. Diese Würdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie berücksichtigt nicht, dass das Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung
  92. im Hinblick auf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ein hohes Maß an
  93. prognostischer Sicherheit voraussetzt, dass mit der Unterbringung die vom Angeklagten ausgehende Gefahr beseitigt werden kann (vgl. BGH NStZ 2007,
  94. 328; Fischer StGB 55. Aufl. § 72 Rdn. 2a m.w.N.). Das Landgericht hat aber
  95. festgestellt, dass die Drogenabhängigkeit des Angeklagten "nur verhältnismäßig
  96. schwach ausgeprägt" ist (UA 14) und er mit dem Rauschgifthandel zum großen
  97. -6-
  98. Teil seinen Lebensunterhalt bestritten hat (UA 17). Da er nach den Feststellungen spätestens nach seiner Entlassung aus einer auf Grund des Urteils aus
  99. dem Jahre 2005 erfolgten stationären Therapiemaßnahme nach § 35 Abs. 1
  100. BtMG im Juni 2006 sogleich bereit war, sich in neue umfangreiche Betäubungsmittelgeschäfte einzulassen, und er den Betäubungsmittelhandel auch
  101. während der anschließenden ambulanten Therapie fortsetzte, liegt es nicht fern
  102. zu folgern, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht allein ausreichen wird, die Allgemeingefährlichkeit des Angeklagten zu beseitigen. Bei
  103. einer solchen Sachlage verbleibt es bei dem Grundsatz, dass Unsicherheiten
  104. über den Erfolg allein der milderen Maßregel zur kumulativen Anordnung der
  105. Maßregeln führen muss (vgl. BGH NStZ 2000, 587, 589; StV 2007, 633, 634).
  106. III.
  107. 8
  108. Revision des Angeklagten
  109. 9
  110. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
  111. 10
  112. Der auf dem Geständnis des Angeklagten beruhende Schuldspruch
  113. weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Dies gilt auch für
  114. die Rechtsfolgenentscheidung der Strafkammer. Hierzu ist im Hinblick auf das
  115. Revisionsvorbringen lediglich zu bemerken:
  116. 11
  117. Das Landgericht hat alle bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte
  118. (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) erörtert. Insbesondere hat es das bereits vorgerückte Alter des Angeklagten und damit seine Haftempfindlichkeit strafmildernd berücksichtigt und gesehen, dass im Fall III 116 das im observierten Pkw des An-
  119. -7-
  120. geklagten befindliche Rauschgift sichergestellt wurde (UA 13 f., 16 f., 19). Zu
  121. den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten hat die Strafkammer - entgegen der Auffassung der Revision - durchaus Feststellungen getroffen; denn
  122. im Urteil ist u.a. ausgeführt, dass der Angeklagte seinen Finanzbedarf zu einem
  123. erheblichen Teil aus dem Handel mit Heroin deckte (UA 18), er den nunmehr
  124. eingezogenen Pkw bar bezahlt hat (UA 11) und dass sein Konto bei der Postbank ein Guthaben von über 7.800 Euro aufwies (UA 14 f.). Die Beanstandung
  125. des Beschwerdeführers, es sei nicht berücksichtigt worden, dass sein Gesundheitszustand auf Grund mehrerer Leiden im orthopädischen Bereich "nicht der
  126. beste (sei)“, ist zum einen urteilsfremd und daher auf die Sachrüge nicht zu berücksichtigen, zum anderen wäre eine entsprechende Feststellung auch kein
  127. gesondert zu erörternder bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt gewesen.
  128. 12
  129. Die Verfalls- und die Einziehungsanordnung weisen ebenfalls keinen den
  130. Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Insbesondere hat das Landgericht die Vorschrift des § 73 c StGB nicht übersehen (UA 20) und bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigt, dass die Einziehung des Pkw, der einen
  131. Zeitwert von etwa 7.500 Euro hat (UA 15), den Angeklagten belastet (UA 17).
  132. IV.
  133. 13
  134. Das Urteil muss daher auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben werden, soweit die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung nicht angeordnet worden ist. Der Strafausspruch wird durch die Teilaufhebung nicht berührt, weil auszuschließen ist, dass die Strafen von dem Unterbleiben der Anordnung der Maßregel nach § 66 StGB beeinflusst sind (vgl.
  135. BGH NStZ 2007, 212, 213 m.w.N.).
  136. -8-
  137. 14
  138. Der neu entscheidende Tatrichter wird nunmehr - sachverständig beraten
  139. - in einer umfassenden Gesamtwürdigung zu prüfen haben, ob durch die bereits
  140. angeordnete Unterbringung nach § 64 StGB ein hohes Maß an prognostischer
  141. Gewissheit besteht, dass allein hierdurch die vom Angeklagten ausgehende
  142. Gefahr beseitigt werden kann.
  143. Tepperwien
  144. Kuckein
  145. Solin-Stojanović
  146. Athing
  147. Mutzbauer