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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 2 StR 541/08
  4. vom
  5. 9. Januar 2009
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen Unterschlagung
  9. -2-
  10. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 9. Januar 2009 gemäß
  11. § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
  12. 1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 30. Juni 2008, soweit es sie betrifft, mit den
  13. Feststellungen aufgehoben.
  14. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
  15. über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere (allgemeine)
  16. Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  17. Gründe:
  18. Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Unterschlagung unter Einbe-
  19. 1
  20. ziehung von Einzelstrafen aus einem früheren Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil
  21. wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
  22. I.
  23. 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die 62-jährige, viel-
  24. 2
  25. fach vor allem wegen Betruges vorbestrafte Angeklagte und der Mitangeklagte
  26. S.
  27. , ein Reifenhändler, Gesellschafter einer Bauträger GmbH. Anfang August
  28. 2005 leaste die damalige Geschäftsführerin der GmbH, die Zeugin R.
  29. , ei-
  30. nen Mercedes Benz im Wert von ca. 40.000 Euro, dessen Nutzung in Abspra-
  31. -3-
  32. che mit dem Leasingunternehmen der auch als Halterin eingetragenen Angeklagten zustand. Wegen nicht gezahlter Leasingraten kündigte das Leasingunternehmen den Vertrag gegenüber der Zeugin R.
  33. unter dem 16. Januar
  34. 2006 und setzte eine Frist zur Rücklieferung des Fahrzeugs bis zum 26. Januar
  35. 2006. Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 wurde auch die Angeklagte, die bereits anderweitig am 20. Januar 2006 von der Kündigung erfahren hatte, aufgefordert, das Fahrzeug zur Abholung bereitzustellen. Diese hatte jedoch schon
  36. Anfang Januar 2006 den Entschluss gefasst, das Leasingfahrzeug "verschwinden" zu lassen. In Ausführung dieses Entschlusses gab sie dem Mitangeklagten
  37. S.
  38. - ohne ihm Einzelheiten mitzuteilen - zu verstehen, das Leasingfahrzeug
  39. werde verlustig gehen und er solle den PKW dann als gestohlen melden. Die
  40. näheren Umstände des anschließenden Verschwindens des Mercedes Benz
  41. konnten nicht aufgeklärt werden. So befand sich das Fahrzeug am 20. Januar
  42. 2006 noch im Besitz der Angeklagten. Am 25. Januar 2006 überfuhr der polnische Staatsangehörige W.
  43. mit dem PKW die Grenze von Polen nach
  44. Litauen und zurück. Zuletzt tauchte das Leasingfahrzeug am 4. Februar 2006
  45. am Grenzübergang Polen/Ukraine auf, als es von einem anderen polnischen
  46. Staatsbürger in die Ukraine verbracht wurde; anschließend passierte der Fahrer
  47. zu Fuß die Grenze zurück nach Polen. Am 6. Februar 2006 erstattete der Mitangeklagte S.
  48. Anzeige mit der wahrheitswidrigen Behauptung, der ihm am
  49. 29. Januar 2006 von der Angeklagten zwecks Reifenwechsels übergebene
  50. Mercedes sei am 6. Februar zwischen 18.30 und 18.45 Uhr von zwei Ausländern von seinem Werkstattgelände gestohlen worden.
  51. 3
  52. 2. Ihre Überzeugung von der Täterschaft der die Tat bestreitenden Angeklagten stützt die Strafkammer maßgeblich auf die entsprechende Einlassung
  53. des Mitangeklagten S. , der wegen der von ihm erstatteten falschen Diebstahlsanzeige wegen Vortäuschens einer Straftat zu einer Geldstrafe von 100
  54. -4-
  55. Tagessätzen zu je 25 Euro verurteilt worden ist, sowie u. a. auf die Aussage
  56. des Zeugen W.
  57. (UA S. 8).
  58. II.
  59. 4
  60. Das Urteil hat keinen Bestand, weil die Beweiswürdigung lückenhaft ist.
  61. 5
  62. In seiner Antragsschrift vom 25. November 2008 hat der Generalbundesanwalt u. a. ausgeführt:
  63. 6
  64. "Die Beweiswürdigung der Strafkammer hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten - Unterschlagung eines Leasingfahrzeuges zum Nachteil der V.
  65. AG - auf die Angaben des Mitangeklagten S.
  66. Aussage des Zeugen
  67. gestützt. Die
  68. Hü.
  69. , die nach Auffassung der Strafkammer die Tä-
  70. terschaft der Angeklagten H.
  71. 'noch erhärtet' (UA S. 11), ist allenfalls ein In-
  72. diz für das pflichtwidrige Unterlassen der Rückgabe des Leasingfahrzeuges
  73. trotz bekannter Kündigung des Leasingvertrages; diese Zeugenaussage bestätigt aber nicht die belastenden Angaben des Mitangeklagten S.
  74. in Bezug
  75. auf ein Verschwindenlassen und damit Zueignung des Fahrzeuges durch die
  76. Angeklagte. In einem solchen Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht und
  77. die Entscheidung alleine davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt,
  78. müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände,
  79. welche die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1 und 14). Den
  80. an diese Beweiskonstellation - Aussage gegen Aussage - zu stellenden Anforderungen (vgl. BGH Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 4 StR 384/08 -; BGHR
  81. StPO § 261 Beweiswürdigung 1, 14); Meyer-Goßner StPO 51. Auflage § 261
  82. Rdn. 11a) werden die Urteilsgründe nicht gerecht.
  83. -5-
  84. Rechtlich zu beanstanden ist bereits, dass die Strafkammer sich aus-
  85. 7
  86. schließlich mit der 'Richtigkeit des Geständnisses' oder dem 'glaubhaften Geständnis des Mitangeklagten' S.
  87. (UA S. 9/11) auseinandersetzt, dabei aber of-
  88. fensichtlich in erster Linie das Einräumen der eigenen Täterschaft des Mitangeklagten S.
  89. in Bezug auf den Anklagevorwurf 'Vortäuschen einer Straftat' in
  90. den Blick nimmt. Dies folgt aus der Erwägung der Strafkammer, der Angeklagte
  91. habe während des gesamten Hauptverfahrens deutlich gemacht, dass er seine
  92. Rechte sehr gut kenne und sich entsprechend verhalte (UA S. 9). Das Landgericht lässt völlig unbeachtet, dass diese 'geständige Einlassung im Sinne des
  93. Anklagevorwurfs zum Einen die Angeklagte H.
  94. entscheidend im Sinne der
  95. Anklage belastet, zum Anderen aber auch den Mitangeklagten S.
  96. selbst ent-
  97. lastet, an der Unterschlagung des Leasingfahrzeuges als Täter oder Mittäter
  98. beteiligt gewesen zu sein. Dieses naheliegende Motiv für eine mögliche Falschbelastung der Angeklagten H.
  99. Angaben des Mitangeklagten S.
  100. hätte die Strafkammer bei der Bewertung der
  101. in ihre Erwägungen mit einbeziehen und
  102. erörtern müssen, ob sich der Mitangeklagte von einer Falschaussage eine
  103. günstigere Beurteilung seiner eigenen strafrechtlichen Verstrickung versprochen hat oder ob es ihm möglicherweise auch darum gegangen sein könnte,
  104. andere Hintermänner der Tat zu decken (BGHR StPO § 261 Mitangeklagte 3).
  105. Es begegnet zudem durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass die Ur-
  106. 8
  107. teilsgründe keine geschlossene Darstellung der Angaben des Mitangeklagten
  108. S.
  109. enthalten, die nach Auffassung der Strafkammer die Angeklagte H.
  110. 'überführt' haben (UA S. 10/11). Der Hinweis der Strafkammer auf die gegen
  111. Ende des Verfahrens erfolgten geständigen Einlassungen des Mitangeklagten
  112. S.
  113. und dessen geständige Angaben im Ursprungsverfahren 801 Js
  114. 21366/06 - 2 Kls jug. genügt nicht. Dies lässt besorgen, dass die Strafkammer
  115. weder die 'den geständigen Einlassungen' (UA S. 9) widersprechenden Aussagen des Mitangeklagten zu Beginn der Hauptverhandlung (UA S. 9) noch den
  116. -6-
  117. Aussageverlauf und die Aussagekonstanz ausreichend in ihre Würdigung mit
  118. einbezogen hat. Die geständige Einlassung des Mitangeklagten S.
  119. in dem
  120. genannten Ursprungsverfahren, das schließlich zur Abtrennung des Verfahrens
  121. gegen die Angeklagten S.
  122. und H.
  123. geführt hat (UA S. 10), wird äußerst
  124. knapp wiedergegeben. Offen bleibt, ob der Mitangeklagte auch im Ursprungsverfahren zunächst den Anklagevorwurf 'Vortäuschen einer Straftat' bestritten
  125. und erst im Verlauf der Vernehmung eingeräumt hat. Der Tatrichter wäre bei
  126. dieser Sach- und Beweislage - insbesondere unter Berücksichtigung einer eigenen Tatbeteiligung des Mitangeklagten - gehalten gewesen, den Verlauf des
  127. Aussageverhaltens des Mitangeklagten bei Beschuldigtenvernehmungen im
  128. Ermittlungsverfahren und bei richterlichen Vernehmungen im Ursprungsverfahren und in der Hauptverhandlung in dieser Sache für das Revisionsgericht
  129. nachvollziehbar und nachprüfbar darzulegen. Darüber hinaus hätte er die das
  130. Kerngeschehen berührenden Änderungen der Aussagen des Mitangeklagten
  131. S.
  132. in einer Gesamtschau daraufhin würdigen müssen, ob sie zu durchgrei-
  133. fenden Zweifeln an der Richtigkeit des Tatvorwurfs zu Lasten der Angeklagten
  134. H. Anlass geben konnten. Das Einräumen der Täterschaft im Ursprungsverfahren und das Aussageverhalten in der Hauptverhandlung in dieser Sache wären mit Blick auf die Beurteilung der Aussagekonstanz des Mitangeklagten besonders zu beachten gewesen.
  135. 9
  136. Rechtlich zu beanstanden sind schließlich die (knappen) Überlegungen
  137. der Strafkammer zur inhaltlichen Richtigkeit der geständigen Angaben des Mitangeklagten. Aus welchen Gründen die Kammer schon deshalb keinen Anlass
  138. sieht, an der Richtigkeit des Geständnisses zu zweifeln, als der Mitangeklagte
  139. während des gesamten Hauptverfahrens sehr deutlich gemacht habe, 'dass er
  140. seine Rechte sehr gut kenne und sich entsprechend verhalte' (UA S. 9), ist nicht
  141. nachvollziehbar und wird in den Urteilsgründen auch nicht weiter ausgeführt.
  142. Die Strafkammer hätte zudem bereits die 'geständigen Angaben' des Mitange-
  143. -7-
  144. klagten im Ursprungsverfahren einer ausdrücklichen Prüfung und Richtigkeitskontrolle unterziehen müssen. Der Hinweis auf die Zeugin Hüh. - damals Schöffin im Ursprungsverfahren -, die diese Angaben des Mitangeklagten glaubhaft
  145. bestätigt habe, vermag eine solche Prüfung nicht zu ersetzen. Nicht nachvollziehbar ist schließlich, aus welchen Gründen die Strafkammer aus der Tatsache, dass das Leasingfahrzeug am 4. Februar 2006 in die Ukraine überführt
  146. wurde und seither von dem Fahrzeug jede Spur fehlt (UA S. 10) die Einlassungen des Mitangeklagten als 'ohne weiteres plausibel' beurteilt (UA S. 10). Diese
  147. Überlegung vermag die inhaltliche Richtigkeit der Angaben des Mitangeklagten
  148. in Bezug auf eine Täterschaft der Angeklagten H. jedenfalls nicht zu belegen.
  149. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht wesentliche Gesichtspunkte für die
  150. Würdigung der Glaubhaftigkeit einer Aussage wie etwa deren Plausibilität, Detailreichtum und Widerspruchsfreiheit nicht ausreichend bedacht hat."
  151. Dem schließt sich der Senat an und weist ergänzend darauf hin, dass die
  152. 10
  153. Urteilsgründe auch keine geschlossene Darstellung der Angaben des Zeugen
  154. W.
  155. enthält. Insbesondere verhält sich das Urteil nicht dazu, wer dem
  156. Zeugen W.
  157. ten S.
  158. , der zwar die Angeklagte nicht, wohl aber den Mitangeklag-
  159. kennt (UA S. 12) am 25. Januar 2006 - nach Kündigung des Leasing-
  160. vertrags - den Zugriff auf das Leasingfahrzeug ermöglicht hat, um damit nach
  161. Polen und nach Litauen zu fahren, bzw. an wen W.
  162. schließend zurückgegeben hat.
  163. das Fahrzeug an-
  164. -8-
  165. 11
  166. Da sich das Verfahren nur noch gegen eine erwachsene Angeklagte richtet, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück.
  167. Fischer
  168. Rothfuß
  169. Appl
  170. Roggenbuck
  171. Schmitt