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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 2 StR 252/17
  4. vom
  5. 7. Dezember 2017
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen gefährlicher Körperverletzung
  9. ECLI:DE:BGH:2017:071217B2STR252.17.0
  10. -2-
  11. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. Dezember 2017
  12. gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
  13. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. Dezember 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
  14. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
  15. über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere als
  16. Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  17. Gründe:
  18. 1
  19. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der
  20. Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
  21. I.
  22. 2
  23. 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Nebenkläger
  24. W.
  25. einem Freund des Angeklagten, dem Zeugen
  26. J. , im Oktober
  27. 2015 gestattet, in seiner Wohnung, einer im Eigentum des Zeugen M.
  28. -3-
  29. stehenden früheren Pizzeria, eine Marihuanaplantage zu betreiben.
  30. J.
  31. hatte daraufhin in den Räumlichkeiten des Nebenklägers Zelte aufgestellt und
  32. Cannabispflanzen aufgezogen. Ob und welches (Eigen-)Interesse der Angeklagte am Betrieb der Marihuanaplantage hatte, vermochte das Schwurgericht
  33. nicht festzustellen. Jedenfalls waren im Dezember 2015 Meinungsverschiedenheiten über die Frage entstanden, wer die durch den Betrieb der Plantage angefallenen Stromkosten zu tragen habe. Bei einem Treffen am Abend des
  34. 20. Dezember 2015, an welchem der Angeklagte, der Nebenkläger und der
  35. Zeuge
  36. J.
  37. sowie ein Nachbar des Nebenklägers, der Zeuge A.
  38. , teil-
  39. genommen hatten, war es zu einer aggressiv geführten Auseinandersetzung
  40. gekommen, in deren Verlauf der Nebenkläger Drohungen ausgesprochen und
  41. diese mit einem Holzknüppel unterstrichen hatte; er hatte damit gedroht, die
  42. Polizei zu verständigen, wenn die Plantage nicht abgebaut würde. Die Beteiligten hatten daraufhin eine Vereinbarung über das weitere Vorgehen getroffen,
  43. deren Einzelheiten nicht festzustellen waren; jedenfalls war man übereingekommen, sich am folgenden Morgen erneut in der Pizzeria zu treffen; dabei
  44. sollte die Marihuanaplantage abgebaut werden. Vermutlich war auch eine Vereinbarung über die Bezahlung der Stromkosten oder eine Sicherheitsleistung
  45. hierfür getroffen worden, deren Einzelheiten unbekannt geblieben sind.
  46. 3
  47. Vereinbarungsgemäß begaben sich am Tattag, dem 21. Dezember 2015,
  48. der Angeklagte sowie die Zeugen
  49. J.
  50. und S.
  51. sowie vier weitere
  52. Personen zur Pizzeria. Als sie dort gegen 8.20 Uhr eintrafen, befand sich der
  53. Nebenkläger nicht vor Ort. Er hatte sich von dem Zeugen M.
  54. zu seiner
  55. Arbeitsstelle fahren lassen und seinen Nachbarn, den Zeugen A.
  56. , unter der
  57. Androhung, ihn anderenfalls „zu ficken“, damit beauftragt, für die Einhaltung der
  58. Vereinbarungen zu sorgen. Der Angeklagte rief den Nebenkläger an und teilte
  59. ihm mit, dass sie nunmehr vor Ort seien. Nachdem der Zeuge M.
  60. zu-
  61. -4-
  62. rückgekehrt war, öffnete dieser dem als Wortführer auftretenden Angeklagten,
  63. der sich nach dem Verbleib des Nebenklägers erkundigte, sowie dessen Begleitern die Räumlichkeiten der Pizzeria und schloss sie in dem Gebäude ein. Gegen 9.40 Uhr schrieb der Zeuge A.
  64. dem Nebenkläger eine Kurznachricht
  65. und bat ihn eindringlich, sofort zu kommen; dabei teilte er ihm mit, dass „hier“
  66. „sieben Leute“ seien und er „nix machen“ könne.
  67. 4
  68. Während der Zeuge M.
  69. in Z.
  70. den Nebenkläger an seiner Arbeitsstelle
  71. abholte, wies der Zeuge A.
  72. den Beteiligten einen Weg aus den
  73. Räumlichkeiten der Pizzeria ins Freie. Der Angeklagte sowie die Zeugen
  74. J.
  75. und S.
  76. standen im Begriff, Teile der Marihuanaplantage in ihre
  77. Fahrzeuge einzuladen, als der Nebenkläger erschien. Dieser lief aggressiv auf
  78. den Zeugen S.
  79. zu und rief „ich bringe euch alle um“; dabei stach er mit ei-
  80. nem Teppichmesser, welches er in der Hand hielt, nach S.
  81. , der gerade
  82. noch zur Seite springen konnte und dabei zu Boden fiel. Der Nebenkläger
  83. schrie, fluchte und drohte weiter damit, alle umzubringen. Der Angeklagte, der
  84. wahrgenommen hatte, dass der Nebenkläger den Zeugen S.
  85. mit dem Mes-
  86. ser nur knapp verfehlt hatte, nahm diese Drohung aufgrund der „Wut und Stärke“ des Nebenklägers ernst und geriet in Todesangst. Der Nebenkläger lief
  87. nunmehr – weiterhin mit dem Messer in der Hand – auf den Angeklagten zu;
  88. dieser floh zwischen zwei im Hof abgestellte Kraftfahrzeuge und zog das von
  89. ihm mitgeführte Messer aus der Hosentasche. Der Nebenkläger wandte sich
  90. – durch den Zeugen S.
  91. abgelenkt, der sich inzwischen vom Boden erhoben
  92. hatte, dem Nebenkläger gefolgt war und diesem etwas zugerufen hatte – zu
  93. diesem um; in diesem Moment stach der Angeklagte dem Nebenkläger das
  94. Messer mit Wucht in den oberen Rücken, um den Angriff auf S.
  95. zu been-
  96. den. Dabei erkannte er, dass der Stich lebensgefährlich war, nahm dies jedoch
  97. billigend in Kauf. Der Nebenkläger hielt kurz inne und ließ das Teppichmesser
  98. -5-
  99. fallen. Sodann rannte er auf den Zeugen
  100. J.
  101. zu. Der Angeklagte folgte
  102. ihm und versetzte ihm einen Messerstich in das Bein. Daraufhin floh der Nebenkläger in das Innere des Gebäudes und suchte dort Hilfe, während der Angeklagte mit seinen Begleitern den Tatort verließ.
  103. 5
  104. Der Nebenkläger erlitt durch den Messerstich in den Rücken eine akut
  105. lebensgefährliche, bis auf den knöchernen Brustkorb reichende Stichverletzung,
  106. die zu einer Verletzung des Rippenfells und der Lunge führte; aufgrund des hohen Blutverlustes sowie der Ausbildung eines Pneumothoraxes war eine sofortige Notoperation des Nebenklägers erforderlich, durch die sein Leben gerettet
  107. werden konnte.
  108. 6
  109. 2. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte sich
  110. zwar in einer Notwehr- bzw. Nothilfelage hinsichtlich des vom Nebenkläger mit
  111. dem Teppichmesser angegriffenen Zeugen S.
  112. befand und mit Verteidi-
  113. gungswillen handelte. Es hat jedoch angenommen, dass die Verteidigungshandlung des Angeklagten, der lebensgefährliche Stich in den Rücken des Angreifers, nicht erforderlich gewesen sei. Fraglich sei bereits, ob das Notwehrrecht des Angeklagten nicht eingeschränkt gewesen sei, weil ihm aufgrund der
  114. Geschehnisse und der vom Nebenkläger ausgesprochenen heftigen Drohungen
  115. am Vorabend bewusst gewesen sei, dass es beim Eintreffen des Nebenklägers
  116. zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommen könne. Darüber hinaus sei
  117. dem Angeklagten bewusst gewesen, dass „er gegen die getroffene Absprache
  118. verstoßen hatte“. Da er die aggressiv-impulsive Art des Nebenklägers gekannt
  119. habe, habe er mit einem sofortigen Angriff des Nebenklägers rechnen müssen.
  120. Hinzu trete, dass der Angeklagte sich zum Tatzeitpunkt in Begleitung zweier
  121. Freunde befunden habe, während der Nebenkläger alleine gewesen sei. Auch
  122. habe der Angeklagte gewusst, dass sich in der Pizzeria mindestens fünf weitere
  123. -6-
  124. Helfer befanden, die auf entsprechende Rufe hätten herbeieilen können. In dieser Situation sei der Angeklagte verpflichtet gewesen, den Messereinsatz anzudrohen. Zwar sei der Nebenkläger „mit einer Art Teppichmesser bewaffnet“
  125. gewesen. „Die Gesamtumstände der Überzahl der Angegriffenen und dass der
  126. Nebenkläger dem Angeklagten den Rücken zukehrte, erforderten es in dieser
  127. Situation, einen Messereinsatz anzudrohen“ (UA S. 38). Jedenfalls aber sei der
  128. Angeklagte nicht dazu berechtigt gewesen, den Nebenkläger in den Rücken zu
  129. stechen, sondern hätte den Stich „in den messerführenden Arm, die Beine oder
  130. das Gesäß des Nebenklägers setzen müssen.“ Es sei nicht erkennbar, warum
  131. ihm dies nicht möglich gewesen sein sollte. Der Nebenkläger habe zum Zeitpunkt der Stichführung aufrecht und mit dem Rücken zum Angeklagten gestanden, so dass dieser nicht mit einer Ausweichbewegung des Angreifers habe
  132. rechnen müssen und zu einer bewussten Platzierung des Stichs in der Lage
  133. gewesen sei.
  134. II.
  135. 7
  136. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Rechtfertigung des
  137. Angeklagten durch Nothilfe (§ 32 StGB) abgelehnt hat, halten einer rechtlichen
  138. Überprüfung nicht stand.
  139. 8
  140. 1. a) Eine in einer objektiven Notwehr- bzw. Nothilfelage verübte Tat ist
  141. nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das in der konkreten Situation zur Verfügung steht (st. Rspr.; vgl.
  142. Senat, Beschluss vom 21. November 2012 - 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105,
  143. -7-
  144. 106; BGH, Urteil vom 27. September 2012 - 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139,
  145. 140). Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer umfassenden und objektiven Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013
  146. - 4 StR 347/13, NStZ 2014, 147, 148; Urteil vom 24. Juni 1998 - 3 StR 186/98,
  147. BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 14). Die Erforderlichkeit einer Verteidigungshandlung kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände der objektiven
  148. Kampflage bestimmt werden; dabei kommt es maßgeblich auf den konkreten
  149. Ablauf von Angriff und Abwehr, auf die Stärke und Gefährlichkeit des Angreifers
  150. und auf die Verteidigungsmöglichkeiten des Angegriffenen bzw. Nothilfe Leistenden an (BGH, Beschluss vom 13. April 2017 - 4 StR 35/17, NStZ-RR 2017,
  151. 271; Urteile vom 8. Juni 2016 - 5 StR 564/15, NStZ 2017, 276 und vom
  152. 1. Dezember 1987 - 1 StR 582/87, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Angriff 2; Beschluss vom 29. Januar 2003 - 2 StR 529/02, NStZ 2003, 420, 421). Auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel muss nur zurückgegriffen werden, wenn
  153. deren Abwehrwirkung unter den gegebenen Umständen unzweifelhaft ist und
  154. genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht (vgl. Senat, Urteil
  155. vom 2. November 2011 - 2 StR 375/11, NStZ 2012, 272, 274; BGH, Urteil vom
  156. 8. Juni 2016 - 5 StR 564/15, NStZ 2017, 276).
  157. 9
  158. Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz eines
  159. Messers kann sonach durch Notwehr gerechtfertigt sein. Die Verpflichtung, den
  160. Gebrauch eines Messers vorher anzudrohen, besteht grundsätzlich nur gegenüber einem unbewaffneten Angreifer (vgl. Senat, Beschluss vom 12. April 2016
  161. - 2 StR 523/15, NStZ 2016, 526, 527; Beschluss vom 12. Dezember 1975
  162. - 2 StR 451/75, BGHSt 26, 256, 258; BGH, Beschluss vom 24. Juli 2001 - 4 StR
  163. 256/01).
  164. -8-
  165. 10
  166. b) Eine Verteidigung ist nicht im Sinne des § 32 Abs. 1 StGB geboten,
  167. wenn von dem Angegriffenen aus Rechtsgründen die Hinnahme der Rechtsgutsverletzung oder eine eingeschränkte und risikoreichere Verteidigung zu
  168. fordern ist (BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 - 1 StR 597/15, NStZ-RR 2016, 272,
  169. 273; vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 32 Rn. 36). Der Angegriffene muss sich
  170. daher insbesondere bei der Wahl eines lebensgefährlichen Verteidigungsmittels
  171. besondere Zurückhaltung auferlegen, wenn er die Auseinandersetzung schuldhaft provoziert hat (Notwehrprovokation, vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1996
  172. - 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100). Wer durch ein rechtswidriges, pflichtwidriges oder sozialethisch eindeutig zu missbilligendes Vorverhalten einen Angriff
  173. auf sich schuldhaft provoziert hat, auch wenn er ihn nicht in Rechnung gestellt
  174. haben sollte oder gar beabsichtigt hat, darf nicht bedenkenlos von seinem Notwehrrecht Gebrauch machen und sofort ein lebensgefährliches Mittel einsetzen
  175. (vgl. Senat, Urteil vom 3. Juni 2015 - 2 StR 473/14, NStZ 2016, 84, 85; BGH,
  176. Urteil vom 2. Juli 2015 - 4 StR 509/14, NStZ-RR 2015, 303, 304; vgl. auch
  177. BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - 1 StR 403/02, Rn. 39, insoweit in BGHSt
  178. 48, 207 nicht abgedruckt). Der Angegriffene ist in Fällen der Notwehrprovokation daher verpflichtet, dem Angriff gegebenenfalls auszuweichen oder das Risiko hinzunehmen, das mit der Wahl eines weniger gefährlichen Abwehrmittels
  179. verbunden ist (Senat, Urteil vom 14. Juni 1972 - 2 StR 679/71, BGHSt 24, 356,
  180. 359; BGH, Urteil vom 26. Oktober 1993 - 5 StR 493/93, 39, 374, 379). Allerdings ist das Notwehrrecht auch in Fällen eines rechtswidrigen oder sozialethisch zu missbilligenden Vorverhaltens nur eingeschränkt; ein vollständiger
  181. Ausschluss oder eine zeitlich unbegrenzte Ausdehnung der Beschränkungen
  182. des Notwehrrechts ist damit nicht verbunden (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom
  183. 14. Juni 1972 - 2 StR 679/71, BGHSt 24, 356, 358; BGH, Urteile vom 2. Juli
  184. 2015 - 4 StR 509/14, NStZ-RR 2015, 303, 304 und vom 12. Februar 2003
  185. - 1 StR 403/02, Rn. 32 ff., insoweit in BGHSt 48, 207 nicht abgedruckt).
  186. -9-
  187. 11
  188. 2. Gemessen hieran hat das Landgericht seine Annahme, dass es an der
  189. Erforderlichkeit der Verteidigung fehlte, nicht tragfähig belegt.
  190. 12
  191. a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts war der Angeklagte zu einer Androhung des Messereinsatzes gegenüber dem seinerseits bewaffneten
  192. Nebenkläger nicht verpflichtet. Die Annahme, dass der Angeklagte von Rechts
  193. wegen zu einem Messereinsatz gegen eine weniger sensible Körperregion des
  194. Angreifers verpflichtet gewesen wäre, ist nicht tragfähig belegt. Insoweit fehlt es
  195. an Ausführungen, die diese Annahme unter Einbeziehung der konkreten Tatsituation sowie der Gemütsverfassung des Angeklagten, der Todesangst verspürte, tragen.
  196. 13
  197. b) Soweit das Landgericht im Übrigen eine Einschränkung des Notwehrbzw. Nothilferechts erwogen hat, weil der Angeklagte angesichts des aggressiven Verhaltens des Nebenklägers am Vorabend mit einem Angriff rechnen
  198. musste, bleibt unklar, inwiefern diese Erwägung eine Einschränkung des Notwehrrechts tragen könnte. Die bloße Neigung des Angreifers zu aggressivem
  199. Verhalten sowie die Kenntnis des Angegriffenen hiervon vermag eine Einschränkung des Notwehrrechts nicht zu begründen. Anhaltspunkte dafür, dass
  200. der Nebenkläger aufgrund akuter Alkoholisierung oder aus sonstigen Gründen
  201. für sein Verhalten nicht voll verantwortlich gewesen sein könnte, sind weder
  202. festgestellt noch liegen sie nahe (zur Einschränkung des Notwehrrechts gegenüber einem schuldlos handelnden Angreifer vgl. Senat, Beschluss vom 12. April
  203. 2016 - 2 StR 523/15, NStZ 2016, 526, 527; BGH, Urteil vom 12. Februar 2003
  204. - 1 StR 403/02, Rn. 38, insoweit in BGHSt 48, 207 nicht abgedruckt).
  205. - 10 -
  206. 14
  207. c) Soweit das Landgericht die Möglichkeit einer Einschränkung des Notwehrrechts mit der Begründung in den Raum gestellt hat, dass der Angeklagte
  208. einer mit dem Nebenkläger getroffenen Absprache zuwidergehandelt und damit
  209. den Angriff auf sich bzw. den Zeugen S.
  210. provoziert haben könnte, erschließt
  211. sich – auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe – nicht, worin das Landgericht eine solche Zuwiderhandlung erblickt.
  212. Feststellungen zum Inhalt der zwischen den Beteiligten am Vorabend getroffenen Abreden vermochte das Landgericht nicht zu treffen; es hat auch nicht festzustellen vermocht, aus welchem Grund der Nebenkläger zur Tatzeit von seiner
  213. Arbeitsstelle „Hals über Kopf“ weggefahren und am Tatort erschienen ist. Insoweit hielt es zwar für möglich, dass „entweder die Anwesenheit weiterer Personen oder der vollständige Abbau der Plantage unter Mitnahme der gesamten
  214. „Ernte“ gegen die Absprache verstoßen haben“ könnte (UA S. 27). Weil nicht
  215. nachvollziehbar sei, inwiefern ihn die Anwesenheit weiterer Personen gestört
  216. oder der ersichtlich verabredete vollständige Abbau der Marihuanaplantage dazu veranlasst haben konnte, seine Arbeitsstelle überstürzt zu verlassen, sei „am
  217. wahrscheinlichsten […], dass er befürchtete, dass absprachewidrig auch Dinge
  218. mitgenommen werden sollten, die eigentlich vor Ort bleiben sollten“. Ob sich
  219. diese Sorge des Nebenklägers als berechtigt erwiesen hat, ist nicht festgestellt.
  220. Damit ist eine mögliche Einschränkung des Notwehrrechts durch ein schuldhaftes Vorverhalten des Angeklagten nicht tragfähig belegt.
  221. - 11 -
  222. III.
  223. 15
  224. Der Senat hebt das Urteil mit den Feststellungen auf, um dem neu zur
  225. Entscheidung berufenen Tatgericht insgesamt neue und widerspruchsfreie
  226. Feststellungen zu ermöglichen.
  227. Krehl
  228. Eschelbach
  229. Grube
  230. Bartel
  231. Schmidt