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674 lines
25 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 2 StR 202/15
  5. vom
  6. 7. Januar 2016
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen Raubes u.a.
  10. ECLI:DE:BGH:2016:070116U2STR202.15.0
  11. -2-
  12. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
  13. 7. Oktober 2015, in der Sitzung am 7. Januar 2016, an denen teilgenommen
  14. haben:
  15. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
  16. Prof. Dr. Fischer,
  17. die Richter am Bundesgerichtshof
  18. Dr. Appl,
  19. Prof. Dr. Krehl,
  20. die Richterinnen am Bundesgerichtshof
  21. Dr. Ott,
  22. Dr. Bartel,
  23. Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
  24. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  25. Rechtsanwalt
  26. in der Verhandlung vom 7. Oktober 2015
  27. als Pflichtverteidiger,
  28. Justizhauptsekretärin
  29. Justizangestellte
  30. in der Verhandlung,
  31. bei der Verkündung
  32. als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
  33. für Recht erkannt:
  34. -3-
  35. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 12. Dezember 2014 mit den zugehörigen
  36. Feststellungen
  37. a) in den Fällen 2, 4 bis 16 der Anklageschrift vom 8. August
  38. 2014 sowie in den Fällen 1 bis 20 der Nachtragsanklage
  39. vom 19. November 2014,
  40. b) im Strafausspruch im Fall 25,
  41. c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe
  42. aufgehoben.
  43. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil
  44. a) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 2 und 25
  45. der Anklageschrift vom 8. August 2014,
  46. b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe
  47. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
  48. 3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
  49. Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
  50. zurückverwiesen.
  51. 4. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
  52. Von Rechts wegen
  53. -4-
  54. Gründe:
  55. I.
  56. 1
  57. Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im Übrigen wegen "Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, gefährlicher Körperverletzung in zwei weiteren Fällen, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sieben weiteren Fällen
  58. sowie wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 33 Fällen" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf
  59. Jahren und drei Monaten verurteilt und eine isolierte Fahrerlaubnissperre von
  60. einem Jahr angeordnet.
  61. 2
  62. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge
  63. sowie die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts den
  64. Schuldspruch im Fall 2 der Anklageschrift vom 8. August 2014 und die Rechtsfolgenaussprüche angreift. Die Revision des Angeklagten hat einen Teilerfolg
  65. und führt zur Aufhebung der Verurteilungen in den Fällen 2, 4 bis 16 der Anklageschrift vom 8. August 2014 sowie der Fälle 1 bis 20 der Nachtragsanklage
  66. vom 19. November 2014 und zur Aufhebung des Strafausspruchs im Fall 25 der
  67. Anklageschrift vom 8. August 2014. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat ebenfalls einen Teilerfolg und führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen 2 und 25 der An-
  68. -5-
  69. klageschrift vom 8. August 2014. Im Übrigen ist das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft unbegründet.
  70. 3
  71. Der Erfolg der Rechtsmittel entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage.
  72. II.
  73. 4
  74. 1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
  75. 5
  76. a) Fall 2 der Anklageschrift vom 8. August 2014
  77. 6
  78. aa) Der Angeklagte konsumierte in der Nacht vom 12. auf den
  79. 13. November 2013 gemeinsam mit dem gesondert verfolgten
  80. dem späteren Geschädigten K.
  81. sowie der Zeugin N.
  82. B.
  83. ,
  84. auf einer
  85. Aussichtsplattform im Freien einvernehmlich Alkohol. Nach geraumer Zeit kam
  86. es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem später Geschädigten
  87. K.
  88. und seiner früheren Freundin, der Zeugin N.
  89. der Angeklagte und der gesondert verfolgte B.
  90. , in welche sich
  91. einmischten. Beide ärger-
  92. ten sich über das aus ihrer Sicht unangemessene Verhalten des Geschädigten
  93. und kamen überein, diesen dafür durch körperliche Misshandlungen "bezahlen"
  94. zu lassen. B.
  95. versetzte dem Geschädigten einen Faustschlag ins Gesicht,
  96. wodurch dieser zu Boden fiel. Nachdem er sich wieder erhoben hatte und versuchte, sich zur Wehr zu setzen, stieß der durch den zuvor genossenen Alkohol
  97. bei einer Blutalkoholkonzentration von maximal 1,8 Promille enthemmte und
  98. aggressive, jedoch in vollem Umfang steuerungsfähige Angeklagte ihn mit den
  99. flachen Händen gegen die Brust und versetzte ihm schließlich einen Faust-
  100. -6-
  101. schlag in den Magen, wodurch der Geschädigte zu Boden fiel und benommen
  102. liegen blieb.
  103. 7
  104. Der Angeklagte entschloss sich nunmehr dazu, dies auszunutzen,
  105. durchsuchte die Taschen des Geschädigten nach stehlenswerten Gegenständen und nahm Mobiltelefon und Wohnungsschlüssel des Geschädigten an sich.
  106. Der gesondert verfolgte B.
  107. beobachtete dies und stieß den Geschädigten,
  108. der zwischenzeitlich mehrfach getreten worden war, ohne dass das Landgericht
  109. festzustellen vermochte, wer von den Beteiligten ihn festgehalten und wer ihn
  110. getreten hatte, in Richtung eines Gebüschs. Dort urinierte der Angeklagte auf
  111. den am Boden liegenden Geschädigten. Der gesondert verfolgte B.
  112. richte-
  113. te den Geschädigten auf, trat auf ihn ein und ließ den erheblich Verletzten
  114. schließlich dort liegen.
  115. 8
  116. Anschließend fuhr der Angeklagte, der - wie er wusste - nicht über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügte, mit einem Fahrzeug gemeinsam mit dem
  117. gesondert verfolgten B.
  118. und der Zeugin N.
  119. zur Wohnung des Ge-
  120. schädigten, öffnete diese mit dessen Wohnungsschlüssel und entwendete eine
  121. Videokamera sowie einen Monitor.
  122. 9
  123. Dem erheblich verletzt am Tatort zurückgelassenen Geschädigten gelang es, Hilfe zu holen; er wurde in ein Krankenhaus transportiert und dort behandelt.
  124. 10
  125. bb) Das Landgericht hat das Geschehen als tateinheitliches Verbrechen
  126. des Raubes, der gefährlichen Körperverletzung und des vorsätzlichen Fahrens
  127. ohne Fahrerlaubnis gewürdigt. Weil der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung bei dem Geschädigten entschuldigt und an ihn einen Geldbetrag in Höhe
  128. von 2.000 € gezahlt hatte, hat es unter Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 46a StGB einen minder schweren Fall des Raubes
  129. -7-
  130. (§ 249 Abs. 2 StGB) angenommen und eine Einzelstrafe von drei Jahren verhängt.
  131. 11
  132. b) Fall 3 der Anklageschrift vom 8. August 2014
  133. 12
  134. aa) Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im November 2013
  135. beschlossen
  136. M.
  137. ,
  138. der später Geschädigte C.
  139. B.
  140. -S.
  141. und der Angeklagte, die ebenso wie
  142. dem Motorradclub Sa.
  143. ange-
  144. hörten, diesen unter Anwendung von körperlicher Gewalt zur Rede zu stellen;
  145. sie hegten den Verdacht, dass er als Hinweisgeber der Polizei Mitverantwortung dafür trage, dass die Polizei die Wohnung des Angeklagten durchsucht
  146. hatte. Der Angeklagte und der gesondert verfolgte
  147. Geschädigten C.
  148. -S.
  149. B.
  150. bestellten den
  151. ein, konfrontierten ihn mit ihrem Verdacht und
  152. schlugen ihm, nachdem er den Vorwurf bestritten hatte, jeweils mindestens vier,
  153. höchstens fünf Mal mit der Faust ins Gesicht und ließen anschließend von ihm
  154. ab. Der Geschädigte trug eine blutende Wunde unter dem rechten Auge sowie
  155. Schwellungen im Gesicht davon und litt unter Schwindelgefühlen.
  156. 13
  157. bb) Das Landgericht hat unter Berücksichtigung des Geständnisses des
  158. Angeklagten und der nicht erheblichen Verletzungen des Geschädigten einen
  159. minder schweren Fall der gefährlichen Körperverletzung angenommen und eine
  160. Einzelstrafe von einem Jahr verhängt.
  161. 14
  162. c) Fälle 4 bis 13 der Anklageschrift vom 8. August 2014 sowie Fälle 1 bis
  163. 20 der Nachtragsanklage vom 19. November 2014
  164. 15
  165. aa) Der Angeklagte kam Anfang November 2013 mit
  166. M.
  167. überein, sich an dem von diesem organisierten und von mehreren Personen
  168. arbeitsteilig betriebenen schwunghaften Handel mit Marihuana zu beteiligen,
  169. um sich eine dauerhafte Einnahmequelle zu erschließen. Im Zeitraum zwischen
  170. -8-
  171. Anfang November 2013 und Ende Januar 2014 wurde mindestens zwei Mal pro
  172. Woche jeweils ein Kilogramm Marihuana mittlerer Qualität mit einem Wirkstoffanteil von maximal 6 Prozent THC zu einem Kaufpreis zwischen 3.500 € und
  173. 4.000 € aus den Niederlanden nach A.
  174. zum gewinnbringenden Weiterver-
  175. kauf eingeführt, dort in unterschiedlich großen Portionen von 100 Gramm bzw.
  176. 900 Gramm auf zwei Bunkerwohnungen verteilt und in der Folge von den Bandenmitgliedern gewinnbringend weiterkauft. Der Angeklagte, der in drei oder
  177. vier Fällen auch am Transport des Rauschgifts aus den Niederlanden nach
  178. A.
  179. beteiligt war, verkaufte nach der jeweiligen Einfuhr gemeinsam mit dem
  180. gesondert verfolgten B.
  181. von M.
  182. größere Portionen von jeweils 50 Gramm an die
  183. benannten Kunden zu einem Preis zwischen 250 und 300 Euro
  184. und gab das eingenommene Geld an M.
  185. weiter; von dem vereinnahmten
  186. Gewinn in Höhe von 800 bis 900 Euro erhielt er - ebenso wie B.
  187. - jeweils
  188. 150 Euro.
  189. 16
  190. bb) Das Landgericht hat 30 Taten angenommen, die es jeweils als bandenmäßiges unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
  191. Menge im Sinne des § 30a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewürdigt, als minder schwere
  192. Fälle angesehen und mit Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und neun Monaten geahndet hat.
  193. 17
  194. d) Fälle 14 bis 16 der Anklageschrift vom 8. August 2014
  195. 18
  196. aa) Im Zeitraum zwischen November 2013 und Ende Januar 2014 transportierte der Angeklagte im Auftrag des gesondert verfolgten
  197. M.
  198. in
  199. zwei Fällen jeweils ein Kilogramm und in einem Fall zwei Kilogramm Marihuana
  200. durchschnittlicher Qualität mit einem Wirkstoffanteil von maximal 6 Prozent
  201. THC zu einem Abnehmer nach Kr.
  202. diese drei Transportfahrten nicht.
  203. ; ein Entgelt erhielt der Angeklagte für
  204. -9-
  205. 19
  206. bb) Das Landgericht hat die Taten rechtlich jeweils als bandenmäßiges
  207. unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im
  208. Sinne des § 30a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewürdigt, minder schwere Fälle im Sinne
  209. des § 30a Abs. 3 StGB angenommen, den Strafrahmen wegen der vom Angeklagten geleisteten Aufklärungshilfe nochmals gemildert und Einzelstrafen von
  210. jeweils einem Jahr und drei Monaten verhängt.
  211. 20
  212. e) Fälle 18 bis 24 der Anklageschrift vom 8. August 2014
  213. 21
  214. Der Angeklagte führte am 28. November 2013, am 8. und 15. Januar
  215. 2014, am 3. und 12. Februar 2014, am 31. März 2014 sowie am 9. April 2014
  216. jeweils ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr, obwohl er über die hierfür erforderliche Fahrerlaubnis - wie er wusste - nicht verfügte.
  217. 22
  218. f) Fall 25 der Anklageschrift vom 8. August 2014
  219. 23
  220. aa) Der Angeklagte begab sich am Tag nach Rosenmontag 2014 gemeinsam mit den Klubmitgliedern Z.
  221. und F.
  222. zu dem Zeugen Cl.
  223. ,
  224. der eine sogenannte "Depotwohnung" bewohnte, in welche in der Nacht zuvor
  225. eingebrochen und die in der Wohnung gelagerten Drogen nebst zwei Waffen
  226. entwendet worden waren. Der Angeklagte sowie die gesondert verfolgten
  227. Klubmitglieder
  228. Z.
  229. und F.
  230. stellten Cl.
  231. zur Rede. Nach einem
  232. Wortgefecht entwickelte sich rasch eine körperliche Auseinandersetzung, in
  233. deren Verlauf Z.
  234. den Zeugen W.
  235. auf Cl.
  236. und F.
  237. auf den Begleiter des Cl.
  238. ,
  239. , einschlug. Der Angeklagte beteiligte sich weder an dieser
  240. körperlichen Auseinandersetzung noch war er "während der Körperverletzungen in besonderer Weise körperlich präsent". Z.
  241. und F.
  242. zunächst und ließen die Zeugen Cl.
  243. mit dem Angeklagten zu-
  244. und W.
  245. entfernten sich
  246. rück. Nachdem sich nach ihrer Rückkehr alle Beteiligten zu einer Kfz-Werkstatt
  247. begeben hatten und es dort erneut zu einer körperlichen Auseinandersetzung
  248. - 10 -
  249. gekommen war, ohne dass der Angeklagte sich hieran beteiligt hätte, wurden
  250. Cl.
  251. und W.
  252. mit dem Hinweis, sie würden nunmehr in die Niederlande
  253. in einen Container verbracht, aufgefordert, in ein Auto zu steigen. Der Geschädigte W.
  254. verspürte Todesangst und setzte sich nach Kräften zur Wehr. Er
  255. wurde von mehreren Personen, zu denen auch der Angeklagte zählte, in das
  256. Fahrzeug gedrängt. Um dies zu verhindern, packte W.
  257. den Angeklagten
  258. fest an der Schulter, wodurch dieser Schmerzen verspürte. Der Angeklagte
  259. "trat" dem Geschädigten "die Beine weg" und versetzte dem am Boden Liegenden sodann einen Faustschlag ins Gesicht.
  260. 24
  261. bb) Aufgrund des vom Angeklagten abgelegten Geständnisses und des
  262. Umstands, dass er "sich nur in geringem Maß, und zwar erst ganz am Ende des
  263. Geschehens, an der Tat beteiligt" und zuvor "passiv-deeskalierend gewirkt" habe, hat das Landgericht einen minder schweren Fall der gefährlichen Körperverletzung angenommen und eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt.
  264. 25
  265. 2. Die Einzelstrafen hat das Landgericht auf die Gesamtfreiheitsstrafe
  266. von fünf Jahren und drei Monaten zurückgeführt und eine isolierte Fahrerlaubnissperre von einem Jahr angeordnet.
  267. III.
  268. 26
  269. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor
  270. ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2
  271. StPO).
  272. 27
  273. 1. Fall 2 der Anklageschrift vom 8. August 2014
  274. - 11 -
  275. 28
  276. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen Raubes. Nach § 249 Abs. 1 StGB wird derjenige bestraft, der mit Gewalt gegen eine
  277. Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für
  278. Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht
  279. wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Gewalt
  280. oder Drohung müssen dabei vom Täter als Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme eingesetzt werden (vgl. Senat, Urteil vom 8. Mai 2013 - 2 StR 558/13,
  281. NStZ 2013, 648; Urteil vom 15. Oktober 2003 - 2 StR 283/03, BGHSt 48, 365,
  282. 366). Zwar genügt es zur Erfüllung des Tatbestands, dass die zunächst zu anderen Zwecken begonnene Gewaltanwendung fortgesetzt wird, nachdem der
  283. Wegnahmevorsatz gefasst ist. Dies gilt jedoch nur, wenn eine finale Verknüpfung zwischen Gewaltanwendung und Wegnahme besteht. Folgt die Wegnahme der Anwendung von Gewalt zu anderen Zwecken nur zeitlich nach, ohne
  284. dass eine solche finale Verknüpfung besteht, so scheidet ein Schuldspruch wegen Raubes aus (BGH, Urteil vom 26. November 2013 - 3 StR 261/13, NStZRR 2014, 110; Urteil vom 22. September 1983 - 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88,
  285. 92; Urteil vom 20. April 1995 - 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124).
  286. 29
  287. Gemessen an diesen Maßstäben ist die erforderliche finale Verknüpfung
  288. zwischen Gewaltanwendung und Wegnahmehandlung hier nicht belegt. Zur
  289. Zeit der Anwendung der Gewalt handelte der Angeklagte mit dem Ziel, den
  290. Zeugen für vorangegangenes Verhalten zu bestrafen und körperlich zu verletzen, nicht jedoch zu dem Zweck, ihm Wertgegenstände wegzunehmen. Auch
  291. eine konkludente Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben des
  292. Geschädigten, die auch in einem schlüssigen Verhalten liegen kann, hat das
  293. Landgericht nicht festgestellt. Erforderlich hierfür ist, dass der Täter die Gefahr
  294. für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes
  295. Verhalten genügend erkennbar macht (Senat, Urteil vom 8. Mai 2013 - 2 StR
  296. 558/12, NStZ 2013, 648). Die bloße Ausnutzung der Wirkung der zuvor einge-
  297. - 12 -
  298. setzten Gewalt für die Wegnahmehandlung, die das Landgericht festgestellt
  299. hat, genügt hierfür nicht.
  300. 30
  301. Dieser Mangel führt zugunsten des Angeklagten zur Aufhebung des
  302. Schuldspruchs wegen Raubes; der Senat kann nicht ausschließen, dass das
  303. Landgericht weitere Feststellungen treffen kann, welche die Annahme des Tatbestands des Raubes tragen. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreien tateinheitlichen Schuldsprüche der gefährlichen Körperverletzung und des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis.
  304. 31
  305. 2. Fälle 4 bis 13 der Anklageschrift vom 8. August 2014 und Fälle 1 bis
  306. 20 der Nachtragsanklage vom 10. November 2014
  307. 32
  308. Das Landgericht ist im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass die Veräußerungsgeschäfte des Angeklagten zu einer rechtlichen Bewertungseinheit und damit jeweils zu einer Tat des Handeltreibens mit
  309. Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verbunden werden, soweit sie auf
  310. den Vertrieb einer kurz zuvor zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs einer durch einen Erwerbsvorgang bezogenen Rauschgiftmenge gerichtet
  311. waren.
  312. 33
  313. Die Urteilsgründe belegen jedoch nicht zweifelsfrei die angenommenen
  314. 30 Taten. Das Landgericht ist - abweichend von Anklageschrift und Nachtragsanklage - davon ausgegangen, dass die Bande unter der Führung von
  315. M.
  316. im Zeitraum von Anfang November 2013 bis Ende Januar 2014 je-
  317. weils mindestens zwei Mal pro Woche ein Kilogramm Marihuana aus den Niederlanden nach Deutschland eingeführt hat. Der vom Landgericht angenommene Tatzeitraum umfasst damit rund dreizehneinhalb Wochen. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, wie das Landgericht, das
  318. seine Feststellungen auf der Grundlage des Geständnisses des Angeklagten
  319. - 13 -
  320. und der für glaubhaft erachteten Bekundungen des Zeugen Cl.
  321. getroffen
  322. hat, zur Annahme von 30 Taten und nicht von nur 27 Taten gelangt ist. Der
  323. Zeuge Cl.
  324. hatte freilich - insoweit abweichend von den Feststellungen -
  325. bekundet, es sei jeweils alle 2 bis 3 Tage ein Kilogramm Marihuana aus den
  326. Niederlanden eingeführt und in A.
  327. weiterveräußert worden. Dass das
  328. Landgericht seiner Berechnung die Angaben dieses Zeugen zugrunde gelegt
  329. hat und - zugunsten des Angeklagten - davon ausgegangen ist, dass in dem
  330. verfahrensgegenständlichen Zeitraum von drei Monaten mindestens alle drei
  331. Tage ein Kilogramm Rauschgift eingeführt worden ist, erscheint möglich. In diesem Falle wäre die Annahme von 30 im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander
  332. stehenden Taten gerechtfertigt. Bei dieser Sachlage hebt der Senat die
  333. Schuldsprüche zugunsten des Angeklagten insgesamt auf, um dem neuen
  334. Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zur genauen Anzahl der Taten zu
  335. ermöglichen.
  336. 34
  337. 3. Fälle 14 bis 16 der Anklageschrift vom 18. August 2014
  338. 35
  339. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen 14 bis 16 der Anklageschrift
  340. vom 8. August 2014 wird von den Feststellungen nicht getragen. Der Angeklagte hat in den genannten drei Fällen im Auftrag von
  341. einen Abnehmer nach Kr.
  342. M.
  343. Marihuana an
  344. geliefert. Dass der Angeklagte sich von seinem
  345. Tätigwerden einen materiellen oder immateriellen persönlichen Vorteil versprochen hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1986 - 5 StR 163/86, BGHSt 34, 124,
  346. 125), lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Dort ist vielmehr festgestellt, dass der Angeklagte eine Entlohnung nicht erhalten hat. Bei dieser Sachlage fehlt es schon an tragfähigen Feststellungen zur Eigennützigkeit des Handelns des Angeklagten, so dass die Annahme mittäterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bereits deshalb nicht tragfähig begründet ist. Die
  347. - 14 -
  348. Schuldsprüche waren daher zugunsten des Angeklagten aufzuheben. Sollte der
  349. neue Tatrichter zu der Feststellung gelangen, dass der Angeklagte eigennützig
  350. gehandelt hat, wird er sich mehr als bisher geschehen mit der Frage zu befassen haben, ob er Täter und nicht lediglich Gehilfe gewesen ist und ob sich die
  351. Umsatzgeschäfte noch innerhalb der Bandenabrede bewegten oder nicht.
  352. 36
  353. 4. Fall 25 der Anklageschrift vom 8. August 2014
  354. 37
  355. Das Landgericht hat zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass
  356. die Zeugen Cl.
  357. und W.
  358. aus "nichtigem Anlass bestraft" worden seien.
  359. Diese Erwägung ist unklar und lässt besorgen, dass das Landgericht das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes zum Nachteil des Angeklagten gewertet haben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2013 - 1 StR 525/13 mwN;
  360. Beschluss vom 10. November 2015 - 5 StR 421/15, juris). Den Feststellungen
  361. lässt sich nicht entnehmen, worin der Grund für die "Bestrafungsaktion" des
  362. Zeugen - ein mögliches Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Einbruch in
  363. die Depotwohnung oder ein möglicher "Vertrauensbruch" in anderem Zusammenhang - gelegen haben soll. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass
  364. das Urteil auf dieser fehlerhaften Strafzumessungserwägung beruht.
  365. 38
  366. 5. Die Teilaufhebung der Schuld- und Strafaussprüche entzieht dem
  367. Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage. Der Maßregelausspruch kann
  368. hingegen bestehen bleiben.
  369. 39
  370. 6. Im Übrigen erweist sich die Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet.
  371. - 15 -
  372. IV.
  373. 40
  374. 1. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision konkludent auf die Verurteilungsfälle beschränkt und den Teilfreispruch von ihrem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
  375. 41
  376. 2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat hinsichtlich des Falles 2 der
  377. Anklageschrift vom 8. August 2014 bereits mit der Aufklärungsrüge Erfolg und
  378. führt insoweit zur Aufhebung des Strafausspruchs.
  379. 42
  380. a) Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
  381. 43
  382. Die Zeugin
  383. N.
  384. hielt das Tatgeschehen im Fall 2 der Anklage-
  385. schrift vom 8. August 2014 mit ihrem Handy in insgesamt vier Audio- bzw. Videodateien fest, deren akustischen Inhalt die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründungsschrift im Einzelnen wiedergegeben hat. Diese Dateien wurden
  386. als Beweismittel beschlagnahmt. Nach einem Widerspruch des Verteidigers
  387. lehnte die Strafkammer eine Verwertung der Dateien durch Beschluss vom
  388. 5. Dezember 2014 ab, weil es sich um eine heimlich gefertigte Aufnahme handele und daher grundsätzlich ein Beweisverwertungsverbot bestehe. Eine Verwertung wegen Vorliegens besonderer Umstände scheide vorliegend aus, weil
  389. der Angeklagte ein Geständnis abgelegt habe.
  390. 44
  391. b) Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer Verfahrensrüge eine
  392. Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO). Die Audio-/Videodateien
  393. seien nicht heimlich, sondern in Kenntnis des Angeklagten hergestellt worden.
  394. Eine Verwertung scheide auch bei unterstellter und rechtlich bedenklicher Beweiserhebung nicht aus, weil es sich um ein Beweismittel zur Aufklärung einer
  395. schweren Straftat handele. Zwar habe der Angeklagte ein Teilgeständnis abgelegt und nach anfänglichem Leugnen auch gestanden, auf den Geschädigten
  396. - 16 -
  397. uriniert zu haben. Er habe das Tatgeschehen und seine eigenen Tatbeiträge
  398. jedoch bagatellisiert. Die Strafkammer sei von einer Aussage-gegenAussagekonstellation ausgegangen und habe sich nicht in der Lage gesehen,
  399. die Angaben des Angeklagten zu widerlegen. Bei dieser Beweislage habe sie
  400. sich zur Verwertung des Beweismittels gedrängt sehen müssen.
  401. 45
  402. c) Die Aufklärungsrüge hat Erfolg. Es kann dahin stehen, ob es sich bei
  403. den Audiodateien - wie vom Landgericht angenommen - tatsächlich um heimlich gefertigte Aufnahmen handelte. Gegen diese Annahme spricht, dass die
  404. Zeugin N.
  405. , die sich in der Hauptverhandlung auf ein Auskunftsverweige-
  406. rungsrecht berief, das Tatgeschehen ersichtlich aus nächster Nähe filmte. Darüber hinaus forderte die im Lager des Angeklagten stehende Zeugin N.
  407. den Angeklagten während der Aufnahme dazu auf, auf den Geschädigten K.
  408. zu urinieren. Dieser Aufforderung folgte der Angeklagte. Vor diesem
  409. Hintergrund erscheint die Annahme der Strafkammer, es habe sich um heimlich
  410. gefertigte Aufnahmen gehandelt, nicht nachvollziehbar.
  411. 46
  412. Ungeachtet der Frage der Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung bestehen an der Zulässigkeit der Beweisverwertung keine Bedenken. Die Audio-,
  413. gegebenenfalls auch die Videodateien dokumentieren unmittelbar die dem Angeklagten zur Last liegende Tat, deren vollständige Aufklärung im besonderen
  414. öffentlichen Interesse liegt. Der absolut geschützte Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) ist durch
  415. eine solche Verwertung nicht berührt, weil das öffentliche Interesse an einer
  416. umfassenden Aufklärung der Straftat überwiegt (vgl. dazu Senat, Urteil vom
  417. 22. Dezember 2011 - 2 StR 509/10, BGHSt 57, 71). Bei dieser Sachlage scheidet die Annahme eines Beweisverwertungsverbots aus.
  418. - 17 -
  419. 47
  420. Der Senat vermag auch unter Berücksichtigung des vom Angeklagten
  421. abgelegten Teilgeständnisses nicht auszuschließen, dass das Urteil im Strafausspruch auf dem Verfahrensfehler beruht.
  422. 48
  423. Die Verwertung der Audiodateien könnte - wie von der Staatsanwaltschaft vorgetragen - Anhaltspunkte dafür erbringen, dass der Angeklagte den
  424. Geschädigten über die bereits festgestellten Tathandlungen hinaus während
  425. des Tatgeschehens massiv mit dem Tode bedrohte und ihm suggerierte, dass
  426. sein weiteres Schicksal allein von seinem Gutdünken abhänge. Darüber hinaus
  427. könnte sich aus der Verwertung des Beweismittels ergeben, dass der Angeklagte auf den Geschädigten einschlug, während der gesondert verfolgte B.
  428. ihn von hinten festhielt. Bei dieser Sachlage vermag der Senat ein Beruhen
  429. des Strafausspruchs auf dem Aufklärungsmangel nicht auszuschließen.
  430. 49
  431. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
  432. 50
  433. 3. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat auch hinsichtlich des Strafausspruchs im Fall 25 der Anklageschrift vom 8. August 2014 Erfolg. Die Begründung, mit welcher das Landgericht diese Taten als minder schwere Fälle
  434. der gefährlichen Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1, 2. Alt. StGB angesehen hat, hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte während des Tatgeschehens "passiv-deeskalierend" gewirkt habe, ohne dass diese Wertung von den Feststellungen getragen wird. Der Senat vermag ein Beruhen des Strafausspruchs auf
  435. dem Rechtsfehler nicht auszuschließen (§ 337 Abs. 1 StPO).
  436. 51
  437. 4. Die Urteilsaufhebung entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe
  438. die Grundlage. Sie lässt den Maßregelausspruch jedoch unberührt.
  439. - 18 -
  440. 52
  441. 5. Im Übrigen erweist sich die Revision der Staatsanwaltschaft als unbegründet.
  442. Fischer
  443. Appl
  444. Ott
  445. RiBGH Prof. Dr. Krehl
  446. ist an der Unterschriftsleistung gehindert.
  447. Fischer
  448. Bartel