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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 2 ARs 50/03
  4. 2 AR 26/03
  5. vom
  6. 5. März 2003
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
  10. Az.: 60 Js 5010/98 = 60 VRs 468/00 Staatsanwaltschaft Düsseldorf
  11. Az.: 611 Js 2101/93 = 220 VRs 10717/94 Staatsanwaltschaft Düsseldorf
  12. Az.: 33 StVK 554/02 C Landgericht Aachen
  13. Az.: 33 StVK 1002/02 C Landgericht Aachen
  14. -2-
  15. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts am 5. März 2003 beschlossen:
  16. Für die mit der Strafaussetzung zur Bewährung erstmalig zu treffenden Nebenentscheidungen (§§ 56 a bis 56 d StGB) in den
  17. Vollstreckungsverfahren der Staatsanwaltschaft Düsseldorf 220
  18. VRs 10717/94 und 60 VRs 468/00 ist das Amtsgericht Düsseldorf
  19. zuständig.
  20. Gründe:
  21. I.
  22. Das Amtsgericht Düsseldorf hat den Verurteilten wegen Vergehen gegen
  23. das Betäubungsmittelgesetz am 1. Juni 1994 und 8. Juli 1999 zu Freiheitsstrafen von fünf und vier Monaten verurteilt, die bis auf Strafreste von 51 und
  24. 23 Tagen vollstreckt sind. Ab dem 29. Oktober 2001 wurde die weitere Vollstreckung dieser beiden Reststrafen und einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Aachen vom
  25. 8. Juni 2001 unter Anrechnung der Therapiezeit auf die Strafe gemäß § 35
  26. BtMG zurückgestellt. Der Verurteilte wurde für eine Drogenentwöhnungstherapie aus der Justizvollzugsanstalt Aachen entlassen. Nach Abschluß der Therapie hat das Amtsgericht Düsseldorf die Vollstreckung der beiden Strafreste mit
  27. Beschlüssen vom 29. Mai und 29. Juli 2002 gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 BtMG
  28. zur Bewährung ausgesetzt. Die in dem erstgenannten Beschluß getroffenen
  29. Anordnungen über die Dauer der Bewährungszeit, die Unterstellung unter die
  30. Aufsicht eines Bewährungshelfers und weitere Weisungen hat das Amtsgericht
  31. -3-
  32. auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft am 30. Juli 2002 aufgehoben und damit seine Zuständigkeit für diese Anordnungen verneint. In dem anderen Beschluß wurden entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft keine Nebenentscheidungen zur Ausgestaltung der Bewährungszeit getroffen.
  33. Die Staatsanwaltschaft hat sodann beide Verfahren der Strafvollstrekkungskammer bei dem Landgericht Aachen mit dem Antrag vorgelegt, die Bewährungszeit festzusetzen und den Verurteilten der Aufsicht und Leitung eines
  34. Bewährungshelfers zu unterstellen. Die Strafvollstreckungskammer hat sich für
  35. unzuständig erklärt, die erstmaligen Anordnungen zur Ausgestaltung der Bewährungszeit zu treffen und die Sachen dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
  36. II.
  37. Die Entscheidung über die mit der Strafaussetzung zusammenhängenden erstmaligen Anordnungen nach den §§ 56 a bis 56 d obliegen dem Amtsgericht Düsseldorf.
  38. Als Gericht des ersten Rechtszugs ist das Amtsgericht nach dem ordnungsgemäßen Abschluß der Drogentherapie zuständig für die Entscheidung
  39. über die Aussetzung der beiden Restfreiheitsstrafen zur Bewährung (§ 36
  40. Abs. 1 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 BtMG). Dies ist zwischen der Strafvollstreckungskammer und dem Amtsgericht auch nicht streitig.
  41. Das Amtsgericht Düsseldorf als Gericht des ersten Rechtszugs ist aber
  42. nicht nur für die isolierte Entscheidung über die Strafaussetzung selbst zuständig, sondern auch für die damit untrennbar zusammenhängenden Nebenentscheidungen gemäß §§ 56 a bis 56 d StGB. Für die Aussetzungs- und Anrechnungsentscheidungen (§ 36 Abs. 1 bis 3 BtMG) gelten die §§ 56 a bis 56 g
  43. -4-
  44. StGB entsprechend (§ 36 Abs. 4 BtMG). Die erstmalige Bestimmung der Bewährungszeit (§ 56 a Abs. 1 StGB) und die Anordnungen nach §§ 56 b bis 56 d
  45. StGB sind notwendiger und untrennbarer Bestandteil der dem Amtsgericht obliegenden Aussetzungsentscheidung. Das Gericht des ersten Rechtszugs setzt
  46. die Vollstreckung der nach der Drogentherapie und deren Anrechnung verbliebenen Reststrafe zur Bewährung aus, sobald dies unter Berücksichtigung des
  47. Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann (§ 36 Abs. 1
  48. Satz 3 BtMG). Ob dem Verurteilten in diesem Sinne eine günstige Prognose
  49. gestellt werden kann, kann nicht losgelöst von den ergänzenden und stützenden Maßnahmen im Sinne der §§ 56 b bis 56 d StGB beurteilt werden. Gerade
  50. bei den wegen Drogendelikten verurteilten Probanden ist eine günstige Prognose in aller Regel nur dann gerechtfertigt, wenn ihre Lebensführung für die
  51. Dauer der individuell zu bestimmenden Bewährungszeit mit ergänzenden Weisungen und/oder Auflagen sowie der Bestellung eines Bewährungshelfers begleitet und überwacht wird. Das Gericht des ersten Rechtszugs kann somit eine
  52. den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Aussetzungsentscheidung
  53. nicht unabhängig davon treffen, über welchen Zeitraum von dem Verurteilten
  54. welche Auflagen und Weisungen erfüllt werden sollen und welche Hilfestellung
  55. erforderlich sind, um eine Gefährdung der Allgemeinheit soweit wie möglich
  56. auszuschließen. Die erstmaligen Entscheidungen nach §§ 56 a bis 56 d StGB
  57. sind deshalb notwendiger Bestandteil der Aussetzungsentscheidung, nicht
  58. aber durch ein anderes Gericht hiervon getrennt und unabhängig zu treffende
  59. Folgeentscheidungen (so aber OLG Düsseldorf JMBl. NRW 2002, 113; NStE
  60. Nr. 12 zu § 36 BtMG). Dies entspricht auch der Regelung in § 268 a Abs. 1
  61. StPO, daß bei der Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe zugleich mit dem
  62. Urteil der Bewährungsbeschluß mit den Anordnungen nach §§ 56 a bis 56 d
  63. StGB zu verkünden ist (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl. § 268 a
  64. -5-
  65. Rdn. 1). Diese erstmaligen Anordnungen können daher nicht einem anderen
  66. Richter übertragen werden als dem, der über die Strafaussetzung selbst zu
  67. befinden hat.
  68. Eine Begrenzung der Zuständigkeitszuweisung an das Gericht des ersten Rechtszugs ergibt sich deshalb auch nicht daraus, daß § 36 Abs. 5 Satz 1
  69. BtMG nur auf die (Aussetzungs- und Anrechnungs-)Entscheidungen nach § 36
  70. Abs. 1 bis 3 BtMG Bezug nimmt, nicht aber auf dessen Absatz 4. Die in § 36
  71. Abs. 4 BtMG für entsprechend anwendbar erklärten §§ 56 a bis 56 g StGB betreffen sowohl Anordnungen, die zugleich mit der Strafaussetzung zu treffen
  72. sind (Dauer der Bewährungszeit, Auflagen, Weisungen, Bestellung eines Bewährungshelfers), als auch nachträgliche Entscheidungen (Verlängerung der
  73. Bewährungszeit, Änderung von Auflagen und Weisungen, Widerruf der Strafaussetzung und den Straferlaß, vgl. §§ 56 a Abs. 2, 56 e, 56 f, 56 g StGB). Soweit es sich um die der Aussetzungsentscheidung nachfolgende Bewährungsaufsicht und nachträgliche Entscheidungen handelt, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung beziehen, hat der Senat zwar bereits wiederholt entschieden, daß sich die gerichtliche Zuständigkeit insoweit auch bei einer nach
  74. § 36 BtMG bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung nicht nach der Sonderregegelung in § 36 Abs. 5 Satz 1 BtMG richtet, sondern nach der allgemeinen
  75. Regelung in § 462 a StPO, so daß in diesen Fällen nach dem Vollzug von
  76. Strafhaft die Strafvollstreckungskammer zuständig ist (vgl. BGHSt 37, 338;
  77. BGH, Beschl. vom 10. April 2002 - 2 ARs 88/02; BGH NStZ-RR 2001, 343;
  78. 1996, 53; NStZ 2001, 110). Zu den nachträglichen Entscheidungen in diesem
  79. Sinne gehören aber aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht die
  80. zusammen mit der Aussetzungsentscheidung erstmalig zu treffenden Anord-
  81. -6-
  82. nungen gemäß §§ 56 a bis 56 d StGB. Diese Nebenbestimmungen sind notwendiger Bestandteil der Aussetzungsentscheidung des Gerichts des ersten
  83. Rechtszugs und keine nachträglichen oder "Folgeentscheidungen" im Sinne
  84. der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu § 36 Abs. 5 Satz 1 BtMG.
  85. Rissing-van Saan
  86. Detter
  87. Otten
  88. Bode
  89. Roggenbuck