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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- 2 ARs 293/10
- 2 AR 174/10
- vom
- 15. September 2010
- BGHR:
- BGHSt:
- Veröffentlichung:
-
- ja
- ja
- ja
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- StPO §§ 462a Abs. 1 Satz 1, 463 Abs. 1 und 7 StGB; § 67h
- a) Die Krisenintervention nach § 67h StGB ist Vollstreckung einer Maßregel im
- Sinne von § 463 Abs. 1 i.V.m. § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO.
- b) § 463 Abs. 7 StPO findet im Fall der Krisenintervention nach § 67h StGB
- entsprechende Anwendung.
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- BGH, Beschluss vom 15. September 2010 - 2 ARs 293/10 in der Strafvollstreckungssache
- gegen
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- Az.: 60 Js 8406/04 Staatsanwaltschaft Wuppertal
- Az.: 22 StVK 162/10 Bew. Landgericht Wuppertal
- Az.: 121 StVK 344/10 Landgericht Köln
- Az.: 2 RWs 229/10 Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf
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- Landgericht Köln
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- Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts am 15. September 2010 beschlossen:
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- Die Untersuchung und Entscheidung der Sache wird gemäß
- § 14 StPO dem
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- Landgericht -Strafvollstreckungskammer- Köln
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- übertragen.
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- Gründe:
- 1
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- 1. Gegen den Verurteilten wurde mit Urteil des Landgerichts Wuppertal
- vom 26. März 2006 im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Maßregel wurde
- zugleich zur Bewährung ausgesetzt. Mit Beschluss vom 27. März 2006 wurde
- die Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt. Durch weiteren Beschluss vom
- 24. März 2009 wurde diese Anordnung aufgehoben und zugleich bestimmt,
- dass es bei der gesetzlichen Höchstdauer der befristeten Führungsaufsicht von
- fünf Jahren bleibe. Am 12. September 2009 beschloss das Landgericht Wuppertal, die zur Bewährung ausgesetzte Unterbringung für die Dauer von drei
- Monaten in Vollzug zu setzen und die sofortige Vollstreckbarkeit der Maßnahme
- anzuordnen. Aufgrund dessen wurde der Verurteilte in die LVR-Klinik in Köln
- aufgenommen. Nach weiterer Invollzugsetzung für die Dauer von drei Monaten
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- durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Köln vom
- 2. Dezember 2009 verblieb der Verurteilte schließlich bis zum 12. März 2010 im
- Vollzug der Unterbringung.
- Das Landgericht Wuppertal und das Landgericht Köln - Strafvollstre-
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-
- ckungskammer - streiten über die Zuständigkeit für die weitere Bewährungsüberwachung und Führungsaufsicht aus dem Urteil des Landgerichts Wuppertal.
- 2. Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht
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- Köln.
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- a) Mit der ersten Invollzugsetzung der Unterbringungsanordnung gemäß
- § 67h StGB und der Aufnahme des Verurteilten in die LVR-Klinik in Köln liegt
- ungeachtet dessen, dass es nicht zu einem Widerruf der Aussetzung nach
- § 67g StGB gekommen ist, eine (Teil-)Vollstreckung der mit Urteil vom 26. März
- 2006 angeordneten Unterbringung nach § 63 StGB vor. Allein diese Anordnung
- ist Grundlage für die Unterbringung des Verurteilten; § 67h StGB stellt insoweit
- keine eigenständige Maßnahme dar, sondern erlaubt lediglich eine unselbständige Vollstreckungsmodalität der Maßregel nach § 63 StGB (vgl. LK-Rissingvan Saan/Peglau, 12. Aufl., § 67h Rn. 4). Mit der Aufnahme des Verurteilten
- wurde daher gemäß § 463 Abs. 1 i.V.m. § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für die Bewährungsüberwachung begründet; deren Fortdauer beruht nach § 463 Abs. 1 i.V.m. § 462a Abs. 1 Satz 2
- StPO darauf, dass die weitere Vollstreckung der Unterbringungsanordnung zur
- Bewährung
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- ausgesetzt
-
- ist
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- (anders
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- für
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- Verfahren
-
- nach
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- dem
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- JGG
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- Thüringer Oberlandesgericht, NStZ 2010, 283).
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- b) Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für die durch die befristete Invollzugsetzung der Unterbringungsanordnung lediglich unterbrochene
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- (vgl. LK-Rissing-van Saan/Peglau, a.a.O., § 67h Rn. 18) Führungsaufsicht ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 463 Abs. 7 i.V.m. § 462a
- Abs. 1 Satz 2 StPO. § 463 Abs. 7 StPO stellt für die Anwendung des § 462a
- Abs. 1 StPO die Kraft Gesetzes eingetretene Führungsaufsicht nach § 68f StGB
- der Aussetzung des Strafrests in bestimmten Fällen gleich. Sie behandelt damit
- den Eintritt von Führungsaufsicht wie einen Fall der Strafaussetzung zur Bewährung und erweitert so - nach vorangegangener Vollstreckung von Freiheitsentziehung - die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer auf die nicht freiheitsentziehende Sicherungsmaßregel der Führungsaufsicht (vgl. Senat,
- NJW 2010, 951; ferner KK-Appl, 6. Aufl. § 463 StPO, Rn. 7). Auch in diesen
- Fällen soll der allgemeinen Zielrichtung des § 462a StPO entsprechend die besondere Erfahrung und Entscheidungsnähe der Strafvollstreckungskammer, die
- den Verurteilten im Zusammenhang mit der Vollziehung von Strafe oder Maßregel kennt, genutzt werden, um hinsichtlich aller in demselben Strafverfahren
- zu treffender nachträglicher Entscheidungen die Einheitlichkeit des auf die Resozialisierung des Täters gerichteten Handelns zu gewährleisten (vgl. die Begr.
- zu GE d. EGStGB, BT-Drs. 7/550, S. 314 i.V.m. S. 312).
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- Dass der Fall der Krisenintervention nach § 67h StGB in § 463 Abs. 7
- StPO nicht ausdrücklich als ein Anwendungsfall der Norm genannt ist, steht
- ihrer Anwendung nicht entgegen. Der Gesetzgeber, der § 67h StGB im Rahmen
- des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht vom 13. April 2007 (BGBl. I
- 513) in das StGB eingefügt und dabei auch § 463 StPO geändert hat, hat ersichtlich nicht bedacht, dass mit der befristeten Invollzugsetzung einer Maßnahme nach § 63 oder § 64 StGB eine Vollstreckung dieser Maßregeln i.S.v.
- § 462a Abs. 1 StPO verbunden ist und sich im Anschluss daran die Frage stellt,
- wer nunmehr - nachdem die Bewährungsaufsicht der Strafvollstreckungskammer obliegt - für die im Rahmen der Führungsaufsicht nachträglich zu treffenden Entscheidungen zuständig sein soll. Damit steht der gesetzgeberische Wille
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- einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift nicht im Wege. Auch im Fall
- der Krisenintervention nach § 67h StGB greift der ursprüngliche gesetzgeberische Zweck und lässt es geboten erscheinen, die nachträglich hinsichtlich der
- Bewährungs- und Führungsaufsicht zu treffenden Entscheidungen in den Händen der Strafvollstreckungskammer zu belassen, die den ehemals Untergebrachten bereits aus der Zeit der Vollstreckung der Maßnahme kennt und damit
- - im Verhältnis zum erkennenden Gericht - über bessere und zeitnähere Informationen zu seiner Person verfügt.
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- Ott
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