Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

108 lines
5.8 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 146/04
  4. vom
  5. 9. Februar 2005
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk: ja
  8. BGHZ:
  9. nein
  10. BGHR:
  11. ja
  12. ZPO § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 i.d.F. des 1. Justizmodernisierungsgesetzes
  13. vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198)
  14. Zur Kostentragung unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstandes nach
  15. billigem Ermessen (§ 269 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 ZPO) auch in den Fällen, in
  16. denen die mit einem Prozeßkostenhilfeantrag verbundene Klage noch vor ihrer
  17. Zustellung zurückgenommen wurde.
  18. BGH, Beschluß vom 9. Februar 2005 - XII ZB 146/04 - OLG Frankfurt am Main
  19. LG Wiesbaden
  20. -2-
  21. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Februar 2005 durch die
  22. Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
  23. Prof. Dr. Wagenitz und Dose
  24. beschlossen:
  25. Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des
  26. 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
  27. 10. März 2004 aufgehoben.
  28. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung
  29. - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
  30. Dem Kläger wird als Rechtsbeschwerdeführer Prozeßkostenhilfe
  31. bewilligt und Rechtsanwalt Dr. Kortüm beigeordnet. Die Partei hat
  32. auf die Prozeßkosten monatliche Raten von 75 € ab 1. April 2005
  33. zu zahlen. Die Zahlungen sind an die Bundeskasse zu leisten.
  34. Gründe:
  35. I.
  36. Am 6. Oktober 2003 hat der Kläger - nachdem er zuvor der Beklagten
  37. vergeblich eine Frist zur Abgabe der Erklärung gesetzt hatte - eine auf Zustimmung der Beklagten in die Kündigung eines gemeinsam abgeschlossenen Bausparvertrags gerichtete Klage eingereicht. Zugleich hat er um Bewilligung von
  38. Prozeßkostenhilfe nachgesucht. Das Landgericht hat der Beklagten eine nicht
  39. -3-
  40. beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes übersandt und sie aufgefordert, zum
  41. Prozeßkostenhilfegesuch des Klägers Stellung zu nehmen. Die Beklagte hat
  42. daraufhin die begehrte Zustimmung zur Kündigung des Bausparvertrags erklärt.
  43. Der Kläger hat sodann die Klage zurückgenommen und beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie durch ihr Verhalten Anlaß
  44. zur Einreichung der Klage gegeben habe.
  45. Das Landgericht hat daraufhin der Beklagten gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3
  46. ZPO a.F. die Kosten auferlegt. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat
  47. das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und den
  48. Kostenantrag des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen Kostenantrag weiter.
  49. II.
  50. Das Rechtsmittel ist begründet. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
  51. 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liegen die Voraussetzungen,
  52. die § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO (a.F.) für die vom Antragsteller begehrte Kostenentscheidung aufstellt, nicht vor. Die Kostenregelungen des § 269 ZPO bezögen sich auf die Parteien eines Rechtsstreits, zu dem es jedoch erst mit der
  53. - hier fehlenden - Zustellung der Klage komme. Für die Regelung des § 269
  54. Abs. 3 Satz 3 ZPO (a.F.) gelte nichts anderes. Im Prozeßkostenhilfeverfahren
  55. ergebe sich die Unanwendbarkeit des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO (a.F.) im übri-
  56. -4-
  57. gen bereits daraus, daß eine Kostenerstattung in diesem Verfahren nach § 118
  58. Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht stattfinde.
  59. 2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  60. Wie der Bundesgerichtshof - nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses - entschieden hat, ist die durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses
  61. vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) eingefügte Vorschrift des § 269 Abs. 3
  62. Satz 3 ZPO (a.F.) auch dann anwendbar, wenn eine Klage zurückgenommen
  63. wird, bevor sie zugestellt worden ist, und wenn die Zustellung deshalb nachfolgend unterbleibt (BGH Beschlüsse vom 18. November 2003 - VIII ZB 72/03 FamRZ 2004, 697 und vom 18. Dezember 2003 - VII ZB 55/02 - ZfBR 2004,
  64. 373). Diese Auffassung hat inzwischen mit der Einfügung eines § 269 Abs. 3
  65. Satz 3 2. Halbsatz ZPO durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) Eingang in das Gesetz gefunden.
  66. Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht deshalb als richtig, weil im Prozeßkostenhilfeverfahren Gerichtskosten nicht entstanden und
  67. außergerichtliche Kosten dem Gegner (gemäß § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO) nicht
  68. zu erstatten sind. Der Kläger hat nämlich nicht nur Prozeßkostenhilfe beantragt,
  69. sondern zugleich Klage eingereicht. Richtig ist zwar, daß ein als Klage bezeichneter Schriftsatz zunächst nur als ein Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe gemeint sein kann. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn in dem
  70. Schriftsatz gebeten wird, "vorab" über die Gewährung von Prozeßkostenhilfe zu
  71. entscheiden, oder wenn die Klagebegründung in anderer Weise klarstellt, daß
  72. eine Klageerhebung noch nicht beabsichtigt ist (vgl. etwa Senatsurteil vom
  73. 22. Mai 1996 - XII ZR 14/95 - FamRZ 1996, 1142, 1143; Musielak /Foerste ZPO
  74. 4. Aufl. § 253 Rdn. 6). Im vorliegenden Fall sind dem Schriftsatz des Klägers
  75. Anhaltspunkte für eine solche Willensrichtung indes nicht zu entnehmen. Der
  76. -5-
  77. Kläger hat im Gegenteil ausdrücklich erklärt, Klage zu erheben und gleichzeitig
  78. um Prozeßkostenhilfe nachgesucht. Von diesem Verständnis geht im Ergebnis
  79. - unbeschadet seiner Hilfsbegründung - letztlich wohl auch das Oberlandesgericht aus, da es anderenfalls auf die Zulassungsfrage nach der Anwendbarkeit
  80. des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auf den vorliegenden Fall nicht ankäme.
  81. 3. Die angefochtene Entscheidung kann nach allem nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden, da das
  82. Oberlandesgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - die ihm nach
  83. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO obliegende Ermessensentscheidung noch nicht getroffen hat. Die Sache war daher an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen,
  84. damit es diese Entscheidung nachholt.
  85. Hahne
  86. Sprick
  87. Wagenitz
  88. Weber-Monecke
  89. Dose