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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. VIII ZR 25/11
  4. vom
  5. 7. September 2011
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. September 2011 durch
  9. den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Dr. Frellesen und Dr. Schneider, die
  10. Richterin Dr. Fetzer und den Richter Dr. Bünger
  11. beschlossen:
  12. Der Senat beabsichtigt, die zugelassene Revision der Beklagten
  13. durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.
  14. Gründe:
  15. 1
  16. 1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a
  17. Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche
  18. Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des
  19. Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1
  20. ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2
  21. Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich.
  22. 2
  23. Die Maßstäbe, nach denen zu beurteilen ist, ob einem Gasversorgungsunternehmen gegenüber einem Normsonderkunden ein einseitiges Preisänderungsrecht zusteht, sind durch die Rechtsprechung des Senats geklärt. Insbesondere ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen bei einem Normsonderkundenvertrag von einer wirksamen vertraglichen Vereinbarung eines Preisänderungsrechts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgegangen werden
  24. kann (vgl. nur Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, NJW 2011,
  25. 1342 Rn. 26 ff.; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 32 ff.,
  26. 38 ff.; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 Rn. 17; jeweils mwN), ob beim Fehlen einer wirksamen Vereinbarung eines Preisände-
  27. -3-
  28. rungsrechts ein solches aus der ergänzenden Auslegung des Versorgungsvertrages hergeleitet werden kann (Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR
  29. 295/09, aaO Rn. 38 f.; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 49 ff.; vom
  30. 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, aaO Rn. 26 ff.; jeweils mwN) und ob in einer
  31. vorbehaltlosen Zahlung der vom Gasversorgungsunternehmen einseitig erhöhten Gaspreise durch den Kunden eine stillschweigende Zustimmung zu dem
  32. erhöhten Preis gesehen werden kann (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010
  33. - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 57-59, 65 f.; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09,
  34. aaO Rn. 40-42; jeweils mwN). Der vorliegende Fall weist keinen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf auf.
  35. 3
  36. 2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsurteil
  37. hält rechtlicher Überprüfung stand.
  38. 4
  39. a) Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich ein einseitiges Preisänderungsrecht der Beklagten nicht aus einer ergänzenden Vertragsauslegung
  40. herleiten. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine ergänzende Vertragsauslegung nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht
  41. füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen
  42. nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge
  43. völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt (vgl. Senatsurteile vom
  44. 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 38; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR
  45. 81/08, aaO Rn. 27; jeweils mwN).
  46. 5
  47. Das ist hier nicht der Fall. Der Beklagten steht gemäß § 5 der Vertragsbedingungen das Recht zu, sich mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten
  48. jeweils zum Ende des Abrechnungsjahres vom Vertrag zu lösen. In einem solchen Fall ist ihr, auch wenn sie bis zum Ablauf der Kündigungsfrist an den ver-
  49. -4-
  50. traglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, ein Festhalten am Vertrag zu den
  51. bestehenden Bedingungen nicht ohne Weiteres unzumutbar (vgl. Senatsurteil
  52. vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 39 mwN).
  53. 6
  54. Die Kläger haben bereits am 14. Januar 2005 der ersten streitgegenständlichen Preiserhöhungen widersprochen und sodann auch gegen alle weiteren Preiserhöhungen Widerspruch erhoben. Für die Beklagte bestand deshalb Anlass, eine Kündigung des mit den Klägern bestehenden Vertrages
  55. - etwa mit dem Ziel der Rückkehr in ein Tarifkundenverhältnis - in Betracht zu
  56. ziehen, um auf diese Weise einer unbefriedigenden Erlössituation zu begegnen.
  57. Soweit die Revision demgegenüber anführt, die Kläger hätten sich nur gegen
  58. die Billigkeit der Preiserhöhungen gewandt, rechtfertigt dies ebenfalls keine abweichende Bewertung. Auf die tatsächlichen oder von der Beklagten vermuteten Gründe für den Widerspruch kommt es nicht an.
  59. 7
  60. Soweit die Beklagte geltend macht, bei Bestätigung des Berufungsurteils
  61. habe sie massenhaft Rückforderungsansprüche zu erwarten, die existenzbedrohende Verluste zur Folge hätten, kann dahinstehen, ob diesem Umstand
  62. für die Frage der ergänzenden Vertragsauslegung im Hinblick auf ein einseitiges Preisänderungsrecht Bedeutung zukommt (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli
  63. 2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 37; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR
  64. 246/08, aaO Rn. 54). Denn die Beklagte führt dazu keinen hinreichenden Vortrag in den Tatsacheninstanzen an.
  65. 8
  66. b) Entgegen der Ansicht der Revision liegen auch die Voraussetzungen
  67. des § 306 Abs. 3 BGB nicht vor. Eine Gesamtnichtigkeit nach § 306 Abs. 3
  68. BGB kommt nur dann in Betracht, wenn durch die unwirksame Klausel eine
  69. Lücke verbleibt, die weder durch dispositives Recht noch durch ergänzende
  70. Vertragsauslegung geschlossen werden kann, und das Festhalten am Vertrag
  71. -5-
  72. eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellt (BGH, Urteile vom
  73. 30. Juni 1995 - V ZR 184/94, BGHZ 130, 150, 155 f.; vom 8. Mai 2007 - KZR
  74. 14/04, NJW 2007, 3568 Rn. 12). Dies ist hier nicht der Fall (vgl. oben 2 b).
  75. 9
  76. c) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht
  77. habe rechtsfehlerhaft die von der Beklagten geltend gemachte Entreicherung
  78. gemäß § 818 Abs. 3 BGB abgelehnt. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen steht § 818 Abs. 3 BGB dem Bereicherungsanspruch der Kläger
  79. nicht entgegen. Die Beklagte kann sich vorliegend schon deshalb nicht auf Entreicherung berufen, weil die Kläger seit ihrem Widerspruch vom 14. Januar
  80. 2005 Zahlungen unter den Vorbehalt der Rückforderung gestellt haben und die
  81. Beklagte dem nicht widersprochen hat. In diesem Fall hindert § 820 Abs. 1
  82. Satz 1 BGB analog die Anwendbarkeit des § 818 Abs. 3 BGB (BGH, Urteile
  83. vom 20. Oktober 2005 - III ZR 37/05, NJW 2006, 286 unter II 3; vom 8. Juni
  84. 1988 - IVb ZR 51/87, NJW 1989, 161 unter 2 e).
  85. 10
  86. Die von der Revision angesprochene Frage der Verjährung stellt sich
  87. nicht, denn die Kläger haben insoweit die Teilabweisung der Klage durch das
  88. Amtsgericht hingenommen.
  89. 11
  90. d) Zu Recht hat das Berufungsgericht den Anspruch der Kläger auch
  91. nicht als verwirkt angesehen. Die Verwirkung eines Rechts setzt nach der
  92. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass zu dem Umstand des
  93. Zeitablaufs (Zeitmoment) besondere auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (st.
  94. Rspr., z.B. Senatsurteil vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 104/09, BGHZ 184, 253
  95. Rn. 19; BGH, Urteil vom 20. Oktober 1988 - VII ZR 302/87, BGHZ 105, 290,
  96. 298). Derartige Umstände hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Übergan-
  97. -6-
  98. genen Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen zeigt die Revision insoweit nicht
  99. auf. Schon aus dem Inhalt des ersten Widerspruchsschreibens ergibt sich vielmehr deutlich, dass die Kläger mit der Preiserhöhung nicht einverstanden waren und deshalb künftige Zahlungen nur unter Vorbehalt leisteten.
  100. 12
  101. 3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach
  102. Zustellung dieses Beschlusses.
  103. Ball
  104. Dr. Frellesen
  105. Dr. Fetzer
  106. Dr. Schneider
  107. Dr. Bünger
  108. Hinweis:
  109. Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
  110. Vorinstanzen:
  111. AG Euskirchen, Entscheidung vom 09.03.2010 - 17 C 850/09 LG Bonn, Entscheidung vom 15.12.2010 - 5 S 91/10 -