Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

225 lines
13 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 263/09
  5. Verkündet am:
  6. 28. April 2010
  7. Ring,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB §§ 421, 556
  19. Der Vermieter ist nicht daran gehindert, die nach § 556 Abs. 3 BGB geschuldete Abrechnung der Betriebskosten, die eine Nachforderung zu seinen Gunsten
  20. ausweist, nur einem von mehreren Mietern gegenüber vorzunehmen und lediglich diesen auf Ausgleich des sich hieraus ergebenden Nachzahlungsbetrags in
  21. Anspruch zu nehmen.
  22. BGH, Urteil vom 28. April 2010 - VIII ZR 263/09 - LG Berlin
  23. AG Berlin-Pankow/Weißensee
  24. -2-
  25. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 28. April 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Hessel, den Richter Dr. Achilles und die Richterin
  27. Dr. Fetzer
  28. für Recht erkannt:
  29. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 65
  30. des Landgerichts Berlin vom 16. Juni 2009 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
  31. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
  32. Von Rechts wegen
  33. Tatbestand:
  34. 1
  35. Die Beklagte ist neben ihrem Ehemann Mieterin einer Wohnung der Klägerin in B.
  36. . In § 3 des Mietvertrags ist eine monatliche Vorauszahlung für
  37. Betriebs-, Heiz- und Wasserkosten vereinbart. Mit an die Beklagte und ihren
  38. Ehemann gerichtetem Schreiben vom 5. Dezember 2006 rechnete die Klägerin
  39. die Nebenkosten für das Abrechnungsjahr 2005 ab. Aus der Abrechnung ergab
  40. sich ein Nachzahlungsbetrag von 382,67 €, wovon ein Teilbetrag in Höhe von
  41. 254,89 € auf in diesem Schreiben nicht näher aufgeschlüsselte Heizkosten entfiel. Die Einzelheiten der Berechnung des Heizkostensaldos ergeben sich jedoch aus der von der S.
  42. GmbH für das Jahr 2005 erstellten Heizkos-
  43. tenabrechnung vom 27. November 2006. Allerdings ist diese nur an die Beklagte adressiert worden und auch nur ihr zugegangen.
  44. -3-
  45. 2
  46. Die Beklagte und ihr Ehemann haben einen Ausgleich des von der Klägerin nach Korrektur des Rechnungspostens "Schornsteinfeger" zuletzt geforderten Nachzahlungsbetrags von 369,93 € abgelehnt. Das Amtsgericht hat beide Mieter als Gesamtschuldner zur Zahlung von 115,04 € auf die "kalten Betriebskosten" und die Beklagte darüber hinaus zur Nachzahlung von 254,89 €
  47. auf die Heizkosten (jeweils nebst Zinsen) verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete
  48. Berufung der Mieter hat das Landgericht die Verurteilung zur Zahlung von "kalten Betriebskosten" aufgehoben, jedoch die Verpflichtung der Beklagten zur
  49. Tragung der Heizkosten bestätigt. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.
  50. Entscheidungsgründe:
  51. 3
  52. Die Revision hat keinen Erfolg.
  53. I.
  54. 4
  55. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
  56. für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
  57. 5
  58. Die sich aus der Heizkostenabrechnung 2005 ergebende Nachzahlungsforderung von 254,89 € sei mit dem Zugang der an die Beklagte gerichteten
  59. Heizkostenabrechnung dieser gegenüber fällig geworden. Die Fälligkeit der ihr
  60. gegenüber abgerechneten Heizkosten setze nicht voraus, dass die Abrechnung
  61. auch ihrem Ehemann als weiterem Mieter zugegangen und damit auch diesem
  62. gegenüber fällig geworden sei. Bei einer Betriebskostenabrechnung handele es
  63. sich weder um eine Willenserklärung noch um eine Gestaltungserklärung, die
  64. - wie etwa eine Kündigung - nur einheitlich gegen alle Mieter wirken könne.
  65. Mehrere Mieter hafteten dem Vermieter für den Ausgleich von Nebenkosten-
  66. -4-
  67. nachforderungen - ebenso wie für die Miete - als Gesamtschuldner. Der Vermieter sei daher nach §§ 421 ff. BGB berechtigt, den Ausgleich von Mietrückständen (einschließlich noch ausstehender Nebenkostenzahlungen) nur gegenüber einem Mitmieter zu verfolgen.
  68. II.
  69. 6
  70. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, so dass
  71. die Revision zurückzuweisen ist. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die unterbliebene Übersendung der Heizkostenabrechnung an den
  72. weiteren Mitmieter die Fälligkeit der abgerechneten Nachforderung gegenüber
  73. der Beklagten nicht in Frage stellt.
  74. 7
  75. 1. Mieten mehrere Personen eine Wohnung an, haften sie, sofern nicht
  76. etwas anderes vereinbart worden ist, für die Mietforderungen des Vermieters
  77. einschließlich der Nebenkosten als Gesamtschuldner (§§ 421, 427 BGB). Der
  78. Vermieter ist daher berechtigt, nach seinem Belieben jeden Schuldner ganz
  79. oder teilweise in Anspruch zu nehmen (§ 421 Satz 1 BGB). Auch wenn zwischen den Gesamtschuldnern eine Tilgungsgemeinschaft besteht - bis zur Bewirkung der gesamten Leistung bleiben alle Schuldner verpflichtet (§ 421 Satz 2
  80. BGB) - handelt es sich bei den zu einer Gesamtschuld verbundenen Forderungen um selbständige Ansprüche des Gläubigers. Wie die Bestimmung des
  81. § 425 BGB zeigt, ist die Gesamtschuld vom Grundgedanken der Einzelwirkung
  82. geprägt (vgl. hierzu BGHZ 108, 98, 100 m.w.N.). Daher können sich die einzelnen Gesamtschulden in vielerlei Hinsicht unterschiedlich entwickeln (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 425 Rdnr. 1; Staudinger/Noack, BGB (2005),
  83. § 425 Rdnr. 1; vgl. ferner MünchKommBGB/Bydlinski, 5. Aufl., § 425 Rdnr. 1 f.).
  84. Lediglich die von §§ 422 bis 424 BGB erfassten Umstände (Erfüllung, Erlass
  85. [sofern nicht nur ein Erlass mit Einzelwirkung anzunehmen ist, vgl. hierzu BGH,
  86. Urteil vom 19. Dezember 1985 - III ZR 90/84, NJW 1986, 1097, unter I 2 b;
  87. -5-
  88. BGHZ 155, 265, 272], Gläubigerverzug) und ihnen vergleichbare Fallgestaltungen wirken für und gegen alle Gesamtschuldner. Allerdings endet die Unabhängigkeit der einzelnen Gesamtschuldverhältnisse dort, wo sich aus den getroffenen Abreden etwas anderes ergibt, sowie in den Fällen, in denen rechtliche Umstände in Frage stehen, die notwendigerweise Gesamtwirkung haben
  89. müssen (vgl. hierzu etwa MünchKommBGB/Bydlinski, aaO, Rdnr. 2; Staudinger/Noack, aaO, Rdnr. 9, 5 f.). So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass
  90. die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses (etwa eines Mietvertrages) nur
  91. einheitlich für alle oder gegenüber allen Mietern ausgeübt werden kann (BGHZ
  92. 26, 102, 103 m.w.N.; Senatsurteil vom 16. März 2005 - VIII ZR 14/04, BGH,
  93. NJW 2005, 1715, unter II 1). Dies bedeutet aber nicht, dass auch die von einer
  94. Mehrheit von Mietern zu erfüllenden Mietzahlungsverpflichtungen ein einheitliches Schicksal teilen müssen (vgl. hierzu auch MünchKommBGB/Bydlinski,
  95. aaO, Rdnr. 6).
  96. 8
  97. 2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Vermieter nicht gehindert,
  98. die nach § 556 Abs. 3 BGB geschuldete Abrechnung der Betriebskosten, die
  99. eine Nachforderung zu seinen Gunsten ausweist, nur einem von mehreren Mietern gegenüber vorzunehmen und lediglich diesen auf Ausgleich des sich hieraus ergebenden Nachzahlungsbetrags in Anspruch zu nehmen (so auch
  100. Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 9. Aufl., § 556 Rdnr. 423; LG Frankfurt
  101. am Main, ZMR 2009, 365, 366; aA LG Berlin, GE 2000, 1032; GE 2006, 1235;
  102. Kinne in: Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 5. Aufl., § 556 BGB
  103. Rdnr. 68a; Schach, GE 2000, 1677, 1680). Der Abrechnung von Betriebskosten
  104. kommt kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert zu. Sie ist lediglich ein Rechenvorgang im Sinne des § 259 BGB (vgl. Senatsurteil vom 23. November
  105. 1981 - VIII ZR 298/80, NJW 1982, 573, unter I 2 aa; vgl. ferner SchmidtFutterer/Langenberg, aaO, Rdnr. 327; Schach, aaO, S. 1678; teilweise wird
  106. auch der Begriff "Wissenserklärung" verwendet: Schmidt-Futterer/Langenberg,
  107. -6-
  108. aaO, Rdnr. 422, 327; Schach, aaO). Die Übermittlung einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung an den Mieter dient dazu, die Fälligkeit des sich hieraus
  109. ergebenden Saldos, also einer eventuellen Nachforderung des Vermieters oder
  110. eines Guthabens des Mieters, herbeizuführen (BGHZ 113, 188, 194; Senatsurteil vom 8. März 2006 - VIII ZR 78/05, NJW 2006, 1419, Tz. 20; jeweils m.w.N.).
  111. 9
  112. Die Fälligstellung einer Forderung ist aber kein Umstand, der nur einheitlich gegenüber allen Gesamtschuldnern erfolgen kann (aA Schach, aaO,
  113. S. 1680; LG Berlin, aaO). Da zwischen ihnen kein Gemeinschaftsverhältnis besteht, kann eine Forderung nach § 425 BGB regelmäßig nur gegenüber jedem
  114. Schuldner gesondert fällig gestellt werden (vgl. BGHZ 108, 98, 101 m.w.N. für
  115. den Fall einer Fälligkeitskündigung eines Darlehens).
  116. 10
  117. 3. Die Revision hält dem entgegen, dass mehrere Mieter hinsichtlich des
  118. ihnen zustehenden Anspruchs auf rechtzeitige und ordnungsgemäße Abrechnung als Mitgläubiger im Sinne des § 432 BGB einzustufen seien, weswegen
  119. der Vermieter seine Abrechnungspflicht nur durch eine gemeinsame Abrechnung erfüllen könne. Selbst wenn dies zutreffen sollte - was vorliegend dahinstehen kann -, stünde dies der Inanspruchnahme nur eines Mieters auf Begleichung einer nur ihm gegenüber abgerechneten Nachforderung des Vermieters
  120. nicht entgegen. Denn es ist zu unterscheiden zwischen dem Anspruch auf Erteilung einer Abrechnung, der Geltendmachung einer abgerechneten Nachforderung und der Rückzahlung überschüssiger Nebenkostenvorauszahlungen.
  121. Hierbei handelt es sich um drei eigenständige Tatbestände, die unterschiedlichen rechtlichen Regelungen unterworfen sind.
  122. 11
  123. Auch wenn der Vermieter zur gemeinsamen Abrechnung gegenüber allen Mietern verpflichtet sein sollte, aber nur gegenüber einem von mehreren
  124. Mietern abrechnet, ändert dies nichts daran, dass die Abrechnung im Verhältnis
  125. zu dem Mieter, dem sie erteilt wird, ihre Funktion (Zusammenstellung aller Aus-
  126. -7-
  127. gaben und Einnahmen; Herstellung der Fälligkeit) erfüllt. Der betroffene Mieter
  128. kann auch ohne Mitwirkung seiner Mitmieter prüfen, ob die verlangte Nachforderung berechtigt ist oder nicht. Eine mögliche Verletzung der Verpflichtung zur
  129. gemeinsamen Abrechnung bleibt damit für seine gegenüber dem Vermieter bestehende eigenständige Verbindlichkeit ohne Bedeutung. Auch die von der Revision angestellten Erwägungen zur Durchsetzung von Ansprüchen der Mieter
  130. auf Auszahlung eines sich aus der Abrechnung ergebenden Guthabens führen
  131. für den vorliegend in Frage stehenden, umgekehrten Fall einer abgerechneten
  132. Nachzahlungsforderung des Vermieters zu keiner anderen Beurteilung. Ein
  133. Mieter, dem die Abrechnung zugegangen ist, ist zwar gehalten, die Auszahlung
  134. des sich hieraus ergebenden Guthabens an alle Mieter zu fordern, da diese in
  135. ihrer Gesamtheit die Überzahlung erbracht haben (vgl. Senatsurteil vom
  136. 2. März 2005 - VIII ZR 118/04, WuM 2005, 257, unter II 1; Schmidt-Futter/
  137. Langenberg, aaO, Rdnr. 424; Schmidt-Futterer/Blank, aaO, Vor § 535
  138. Rdnr. 259; aA Schach, aaO, S. 1680). Bei einer Nachforderung des Vermieters
  139. liegen die Dinge aber im Hinblick auf die Besonderheiten einer Gesamtschuld
  140. anders. § 421 BGB legt dem Vermieter gerade keine Verpflichtung zur gemeinsamen Inanspruchnahme aller Mieter auf. Wegen § 425 BGB ist er in diesem
  141. Fall auch nicht gezwungen, vor der Einforderung des noch offen stehenden Betrages allen Gesamtschuldnern eine Abrechnung zukommen zu lassen, sofern
  142. keine abweichenden Vereinbarungen getroffen worden sind.
  143. 12
  144. 4. Entgegen der Auffassung der Revision ist eine einheitliche Herbeiführung der Fälligkeit gegenüber allen Mietern auch nicht deswegen zu fordern,
  145. weil ansonsten dem in Anspruch genommenen Mieter die Möglichkeit verwehrt
  146. wäre, bei seinem Mitmieter nach § 426 BGB Regress zu nehmen. Zum einen
  147. billigt § 421 BGB dem Gläubiger das Recht zu, ohne Rücksicht auf den Innenausgleich zwischen den Gesamtschuldnern einen von ihnen nach seiner freien
  148. Wahl in Anspruch zu nehmen. Zum anderen verbleibt dem Mieter, der die ihm
  149. -8-
  150. gegenüber fällig gewordene Nebenkostenforderung des Vermieters befriedigt,
  151. die Möglichkeit, die auf ihn übergegangene Forderung des Vermieters (§ 426
  152. Abs. 2 BGB) dadurch den Mitmietern gegenüber fällig zu stellen, dass er als
  153. neuer Gläubiger diesen innerhalb der Frist des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB die
  154. Abrechnung zugehen lässt. Außerdem wird bei einer Mietergemeinschaft ohnehin die - zumindest schlüssig vereinbarte - Abrede bestehen, die anfallenden
  155. Kosten nach Kopfteilen zu tragen und demjenigen Mieter, der in Vorlage getreten ist, die aufgewendeten Auslagen anteilig zu erstatten. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass in den Fällen, in denen die Mietpartei aus Eheleuten besteht, ein Innenausgleich nach § 426 BGB - bei intakter Ehe - häufig ohnehin
  156. durch die Handhabung der ehelichen Lebensgemeinschaft überlagert wird (vgl.
  157. etwa BGH, Urteile vom 13. April 2000 - IX ZR 372/98, NJW 2000, 1944, unter II
  158. 2 b aa; vom 11. Mai 2005 - XII ZR 289/02, NJW 2005, 2307, unter II 2 a; jeweils
  159. m.w.N.).
  160. 13
  161. 5. Gemessen an diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht zutreffend
  162. die Beklagte zum Ausgleich der ihr gegenüber fällig gestellten Forderung auf
  163. Nachzahlung von Heizkosten verpflichtet gesehen. Dass die Parteien in Abwei-
  164. -9-
  165. chung von § 425 BGB eine einheitliche Abrechnung allen Mietern gegenüber
  166. vereinbart haben, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
  167. Ball
  168. Dr. Frellesen
  169. Dr. Achilles
  170. Dr. Hessel
  171. Dr. Fetzer
  172. Vorinstanzen:
  173. AG Berlin-Pankow/Weißensee, Entscheidung vom 06.05.2008 - 9 C 460/07 LG Berlin, Entscheidung vom 16.06.2009 - 65 S 323/08 -