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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 65/11
  4. vom
  5. 29. September 2011
  6. in der Zwangsversteigerungssache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZVG § 37 Nr. 1
  14. Die Bezeichnung der Nutzungsart eines Grundstücks in der Terminsbestimmung
  15. als "bebaut mit einem Einfamilienhaus" genügt den Anforderungen des § 37 Nr. 1
  16. ZVG auch dann, wenn einige Räume des Einfamilienhauses als Ingenieurbüro
  17. genutzt werden.
  18. BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - V ZB 65/11 - LG Verden
  19. AG Sulingen
  20. -2-
  21. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 2011 durch
  22. den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den
  23. Richter Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
  24. beschlossen:
  25. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6a. Zivilkammer
  26. des Landgerichts Verden vom 2. März 2011 wird zurückgewiesen.
  27. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt für
  28. die Gerichtsgebühren 125.000 € und für die anwaltliche Vertretung
  29. der Beschwerdeführer 190.0000 €.
  30. Gründe:
  31. I.
  32. 1
  33. Im Juli 2009 ordnete das Vollstreckungsgericht die Zwangsversteigerung
  34. des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten, mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks der Schuldner an. In dem zur Verkehrswertfestsetzung eingeholten Sachverständigengutachten heißt es, in dem Haus werde von dem
  35. Schuldner ein Ingenieurbüro zur Planung und Ausführung von Industriebauten
  36. geführt. Nach dem beigefügten Grundriss umfasst diese Nutzung jeweils einen
  37. Raum im Erd- und im Dachgeschoss von 18,48 bzw. 13,97 qm sowie zwei als Archiv genutzte Kellerräume (16,34 und 9,27 qm). Der Verkehrswert des Grundstücks wurde auf 190.000 € festgesetzt.
  38. -3-
  39. 2
  40. Die Terminsbestimmung auf den 1. Dezember 2010, die unter anderem am
  41. 11. Oktober 2010 im Niedersächsischen Staatsanzeiger bekannt gemacht wurde,
  42. enthält folgende Angaben: "… Gebäude- und Freifläche…, bebaut mit einem Einfamilienhaus (teilunterkellert, ausgebautes Dachgeschoss, ausgebauter Spitzboden, Gesamtwohnfläche 252 m²) und einem Stallgebäude (etwa 66 m² Nutzfläche)
  43. mit angebautem Carport…".
  44. 3
  45. In dem Termin blieb der Beteiligte zu 8 Meistbietender mit einem Bargebot
  46. von 125.000 €. Ihm wurde durch Beschluss vom 15. Dezember 2010 der Zuschlag
  47. erteilt. Die Zuschlagsbeschwerde, die die Schuldner auf eine fehlerhafte Terminsbestimmung stützen, ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der
  48. Rechtsbeschwerde verfolgen sie ihren Antrag auf Versagung des Zuschlags weiter.
  49. II.
  50. 4
  51. Das Beschwerdegericht hält die Vorschriften über die Bestimmung des
  52. Zwangsversteigerungstermins für eingehalten. Die Veröffentlichung im Niedersächsischen Staatsanzeiger sei rechtzeitig erfolgt und auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Eines Hinweises auf die gewerbliche Nutzung des Hauses habe es
  53. nicht bedurft. Ob die gewerbliche Teilnutzung eines Wohngebäudes in der Bekanntmachung anzuführen sei, richte sich nach dem Zweck der Terminsbestimmung, bei einem möglichst großen Kreis ein Bietinteresse zu wecken. Die gewerbliche Nutzung eines Wohnhauses sei für Bieter in der Regel aber nur von Interesse, wenn sich die gewerblich genutzten Räume in tatsächlicher Hinsicht von den
  54. Wohnräumen unterschieden oder umfangreiche Betriebseinrichtungen enthielten.
  55. So verhalte es sich hier nicht. Die Räume wiesen weder eine besondere bauliche
  56. Beschaffenheit auf noch seien Maschinen- oder Betriebseinrichtungen vorhanden.
  57. -4-
  58. Da sie von dem übrigen Teil des Hauses nicht durch einen separaten Zugang abgegrenzt seien, wäre ein Hinweis auf die gewerbliche Nutzung sogar geeignet gewesen, falsche Vorstellungen über die Beschaffenheit des Objekts zu vermitteln.
  59. III.
  60. 5
  61. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Versteigerungstermin ist gemäß
  62. § 43 Abs. 1 ZVG ordnungsgemäß bekannt gemacht worden, so dass der Zuschlagsversagungsgrund des § 83 Nr. 7 ZVG nicht gegeben ist.
  63. 6
  64. 1. Das Beschwerdegericht geht zutreffend davon aus, dass die Vorschrift
  65. des § 43 Abs. 1 Satz 1 ZVG, wonach die Terminsbestimmung sechs Wochen vor
  66. dem Versteigerungstermin bekannt gemacht sein muss, verletzt ist, wenn die Bekanntmachung inhaltlich nicht den zwingenden Vorgaben des § 37 ZVG genügt
  67. (Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 160/09, WM 2010, 2365).
  68. Hierzu zählt auch die Bezeichnung des Grundstücks (§ 37 Nr. 1 ZVG).
  69. 7
  70. 2. a) Richtig ist ferner, dass sich die an die Bezeichnung des Grundstücks
  71. nach § 37 Nr. 1 ZVG zu stellenden Anforderungen aus den beiden Zwecken der
  72. Terminsbestimmung ergeben. Sie soll zum einen denjenigen, deren Rechte durch
  73. die Zwangsversteigerung betroffen werden können, die Wahrnehmung ihrer Rechte im Verfahren ermöglichen und zum anderen Erwerbsinteressenten auf den
  74. Termin aufmerksam machen, um durch eine Konkurrenz von Bietern eine Versteigerung des Grundstücks zu einem seinem Wert möglichst entsprechenden Gebot
  75. zu erreichen (vgl. Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 160/09, aaO;
  76. Beschluss vom 22. März 2007 - V ZB 138/06, NJW 2007, 2995, 2997 Rn. 33 f.
  77. sowie BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1978 - VI ZR 67/77, NJW 1979, 162, 163;
  78. -5-
  79. insoweit in BGHZ 72, 234 nicht abgedruckt). Diesem zweiten Zweck dient es,
  80. wenn die Terminsbestimmung neben den Angaben zur sicheren Identifizierung
  81. des Grundstücks auch dessen Nutzungsart erkennen lässt. Da der Kreis der an
  82. einem Erwerb Interessierten je nach Nutzungsmöglichkeit regelmäßig ein anderer
  83. sein wird, ist eine solche Angabe wesentlich, um möglichen Interessenten den
  84. Anstoß zu geben, sich weitere Informationen zu dem Objekt zu beschaffen und
  85. ggf. als Bieter an der Versteigerung teilzunehmen (vgl. OLG Hamm, Rpfleger
  86. 1991, 71, 72; 1992, 122; 2000, 172, 173).
  87. 8
  88. aa) Welche Angaben in diesem Zusammenhang zu den zwingenden Anforderungen im Sinne von § 37 Nr. 1 ZVG gehören, hat der Senat noch nicht entschieden; die ganz überwiegende Auffassung hält eine über die im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs angegebene Wirtschaftsart (z.B. Gebäude- und Freifläche) hinausgehende Beschreibung der Nutzung jedenfalls bei einem gewerblich
  89. oder gemischt genutzten Grundstück (z.B. Fabrikhalle, Reitanlage, Wohnhaus mit
  90. Restaurant) und bei einer außergewöhnlichen Bebauung (z.B. Schloss) für erforderlich (vgl. die Nachweise in Senat, Beschluss vom 22. März 2007 - V ZB 138/06,
  91. NJW 2007, 2995, 2998 Rn. 36). Dies geht auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm zurück, wonach die interessierte Öffentlichkeit bei der aus dem
  92. Grundbuch zur Wirtschaftsart übernommenen Angabe "Gebäude- und Freifläche"
  93. annehme, dass es sich um ein mit einem privaten Wohnhaus bebautes Grundstück handele, und deshalb einen besonderen Hinweis nur bei einem ganz oder
  94. teilweise gewerblich genutzten Objekt erwarte (OLG Hamm, Rpfleger 1992, 122
  95. [zu A.]; 1997, 226; 2000, 172, 173). Ob das überzeugt oder eher davon auszugehen ist, dass Angaben wie „Gebäude- und Freifläche“ von Bietinteressenten allgemein als nichtssagend empfunden werden und deshalb stets der Ergänzung um
  96. einen Hinweis auf die tatsächliche Nutzung des Grundstücks bedürfen (vgl.
  97. Hintzen in Dassler/Schiffhauer u.a., ZVG, 13. Aufl., § 37 Rn. 6), kann offen bleiben.
  98. -6-
  99. 9
  100. bb) Enthält die Terminsbestimmung - wie vorliegend - eine über den
  101. Grundbuchbeschrieb hinausgehende Angabe zu der tatsächlichen Nutzung des
  102. Grundstücks (hier: „Einfamilienhaus“), kann die Vorschrift des § 37 Abs.1 ZVG nur
  103. verletzt sein, wenn diese Angabe unrichtig oder irreführend ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bekanntmachung im Hinblick auf die Nutzungsart des
  104. Grundstücks zwar aussagekräftig sein, aber keine ins Einzelne gehende Beschreibung des Versteigerungsobjekts enthalten muss; exposéartige Beschreibungen sind nicht erforderlich (Senat, Beschluss vom 22. März 2007 - V ZB
  105. 138/06, NJW 2007, 2995, 2998 Rn. 37). Besonderheiten der Bebauung oder der
  106. Nutzung, insbesondere eine teilweise gewerbliche Nutzung, gehören deshalb nur
  107. dann zu den nach § 37 Nr. 1 ZVG unverzichtbaren Angaben, wenn sie dem Objekt
  108. ein solches Gepräge geben, dass die schlagwortartige Bezeichnung ohne ihre
  109. Erwähnung irreführend wäre. Das kommt beispielsweise bei einem als Mehrfamilienhaus bezeichneten, tatsächlich aber als Heim oder als Pension genutzten Gebäude in Betracht. Umgekehrt verliert ein Mietshaus seinen Charakter als Mehrfamilienhaus aber nicht dadurch, dass einige Einheiten zu gewerblichen Zwecken,
  110. z.B. als Laden, Arztpraxis oder Anwaltskanzlei, genutzt werden. Ebenso ist ein
  111. Einfamilienhaus auch dann richtig bezeichnet, wenn es über eine Einliegerwohnung verfügt oder wenn ein Teil der Räume als Büro oder der Keller als Kosmetikbzw. Fußpflegestudio genutzt wird (unzutreffend daher LG Hannover, Beschluss
  112. vom 15. Januar 2010 - 13 T 56/09).
  113. 10
  114. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wird durch die Bezeichnung eines Versteigerungsobjekts als Einfamilienhaus auch nicht die Fehlvorstellung erweckt, es sei lediglich eine Wohnnutzung möglich und baurechtlich zulässig. Die Bezeichnung eines Grundstücks nach § 37 Nr. 1 ZVG hat nur beschreibenden Charakter, trifft also keine Aussage über dessen rechtlich zulässige Nutzung (vgl. OLG Karlsruhe, MDR 1990, 452). Demgemäß folgt aus der Angabe
  115. -7-
  116. "Einfamilienhaus" nicht die Unzulässigkeit einer (teil-)gewerblichen Nutzung des
  117. Versteigerungsobjekts.
  118. 11
  119. b) Die hier gewählte Bezeichnung als ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück genügt damit den Anforderungen des § 37 Nr. 1 ZVG. Dass die als
  120. Ingenieurbüro genutzten Räume dem Haus den Charakter eines Einfamilienhauses nehmen könnten, ist schon deshalb ausgeschlossen, weil sie nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts keine besondere bauliche Beschaffenheit
  121. aufweisen.
  122. IV.
  123. 12
  124. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Dass die Schuldner die Gerichtskosten des von ihnen erfolglos betriebenen Rechtsbeschwerdeverfahrens zu
  125. tragen haben, folgt aus dem Gesetz; ein Ausspruch über die außergerichtlichen
  126. Kosten scheidet aus, weil sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde
  127. grundsätzlich, und so auch hier, nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB
  128. 125/05, BGHZ 170, 378, 381 Rn. 7).
  129. 13
  130. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist für die Gerichtsgebühren nach dem Wert des Zuschlagsbeschlusses zu bestimmen, dessen
  131. Aufhebung die Schuldner erreichen wollen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Er entspricht
  132. dem Meistgebot (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GKG). Der Wert für die anwaltliche Vertretung
  133. -8-
  134. der Beschwerdeführer richtet sich nach dem Wert des versteigerten Objekts und
  135. beträgt daher 190.000 € (§ 26 Nr. 2 RVG).
  136. Krüger
  137. Stresemann
  138. Brückner
  139. Roth
  140. Weinland
  141. Vorinstanzen:
  142. AG Sulingen, Entscheidung vom 15.12.2010 - 7 K 6/09 LG Verden, Entscheidung vom 02.03.2011 - 6a T 1/11 -