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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 64/07
  4. vom
  5. 22. November 2007
  6. in dem Zwangsversteigerungsverfahren
  7. -2-
  8. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 22. November 2007 durch
  9. den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
  10. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth
  11. beschlossen:
  12. Auf die Rechtsmittel des Beteiligten zu 2 werden der Beschluss
  13. der 3. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 30. April
  14. 2007 und der Beschluss des Amtsgerichts Haldensleben vom
  15. 12. März 2007 aufgehoben.
  16. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
  17. des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
  18. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
  19. 1.689,81 €.
  20. Gründe:
  21. I.
  22. 1
  23. Mit Beschluss vom 19. Januar 2005 wurde die Zwangsversteigerung des
  24. im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücks der Beteiligten zu 3
  25. angeordnet. Der Beteiligte zu 2 beantragte mit Schreiben vom 30. Oktober 2006
  26. die Zulassung des Beitritts zu dem Verfahren; als bevorrechtigte Ansprüche
  27. nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG machte er einen mit Bescheid vom 7. Dezember
  28. 2001 festgesetzten Schmutzwasserbeitrag von 1.689,81 € und Säumniszu-
  29. -3-
  30. schläge seit Februar 2002 geltend. Die Fälligkeit des Beitrags trat laut Bescheid
  31. einen Monat nach seiner Bekanntgabe ein.
  32. 2
  33. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Antrag weiter.
  34. II.
  35. 3
  36. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist der Antrag zurückzuweisen, weil der Schmutzwasserbeitrag Anfang 2002 fällig geworden und damit
  37. länger als vier Jahre rückständig sei, so dass er nicht in die Rangklasse 3 des
  38. § 10 Abs. 1 ZVG gehöre. Ein anderer Fälligkeitszeitpunkt komme nicht in Betracht, weil die Fälligkeitsbestimmung in dem Heranziehungsbescheid auf der
  39. seinerzeit geltenden Satzung des Beteiligten zu 2 beruhe. Daran ändere nichts,
  40. dass eine wirksame Satzung erst im Jahr 2003 in Kraft getreten sei. Der zulässige Austausch der Ermächtigungsgrundlage mit Inkrafttreten einer wirksamen
  41. Satzung ohne Neubescheidung führe nicht dazu, dass die der öffentlichen Last
  42. zugrunde liegenden Beiträge erstmals fällig würden. Der Austausch wirke vielmehr zurück mit der Folge, dass die öffentliche Last als von Anfang an bestehend anzusehen sei. Zwar habe der Beteiligte zu 2 nicht ausdrücklich vorgetragen, die wirksame Satzung im Jahr 2003 rückwirkend erlassen zu haben; die
  43. Berufung auf einen Austausch ergebe aber nur dann Sinn, wenn er von seiner
  44. Befugnis zum Erlass einer rückwirkenden Satzung Gebrauch gemacht habe.
  45. Dann könne es nur bei der ursprünglichen Fälligkeit verbleiben. Davon gehe der
  46. Beteiligte zu 2 bei der Berechnung der Säumniszuschläge selbst aus.
  47. 4
  48. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  49. -4-
  50. III.
  51. 5
  52. Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet.
  53. 6
  54. 1. Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Auffassung kommt es nicht darauf an, ob bei der Berechnung des in § 10 Abs. 1
  55. Nr. 3 ZVG festgelegten Vierjahreszeitraums von dem Tag der ersten Beschlagnahme des Grundstücks oder von dem Tag des Zuschlags auszugehen ist. In
  56. beiden Fällen ist der Beitrag innerhalb des Zeitraums fällig geworden.
  57. 7
  58. a) Zu Recht geht der Beteiligte zu 2 davon aus, dass das Entstehen der
  59. sachlichen Beitragspflicht und damit die Beitragsfälligkeit u.a. eine wirksame
  60. Satzung voraussetzt (siehe für das Erschließungsbeitragsrecht nur BVerwGE 64, 218, 219; OVG Lüneburg NdsVBl. 1996, 68). Außer Frage steht, dass
  61. dieses Erfordernis im Zeitpunkt des Erlasses des Gebührenbescheids am
  62. 7. Dezember 2001 nicht erfüllt war, sondern dass erst die Abwasserabgabensatzung
  63. zur
  64. Abwasserbeseitigungssatzung
  65. des
  66. Beteiligten
  67. zu 2
  68. vom
  69. 22. September 2003 die Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung schuf. Die
  70. Bestandskraft des Bescheids hat deshalb allenfalls zur Folge, dass die persönliche Haftung des Adressaten in Höhe des auferlegten Beitrags feststeht; die
  71. dingliche Haftung des Grundstücks (§ 6 Abs. 9 KAG-LSA) begründete er ab
  72. seinem Erlass jedoch nicht (vgl. Senat, Urt. v. 22. Mai 1985, V ZR 69/80, NJW
  73. 1981, 2127). Für die von dem Beschwerdegericht angenommene Rückwirkung
  74. dieser Satzung auf den Zeitpunkt des Erlasses des Gebührenbescheids (vgl.
  75. zur Zulässigkeit der Rückwirkung, BVerwGE 50, 2, 7 f.) gibt es nämlich keine
  76. Anhaltspunkte. Nach der Regelung in § 33 ist die Satzung, welche der Beteiligte
  77. zu 2 dem Beschwerdegericht in einem Parallelverfahren vorgelegt hat, zwar
  78. rückwirkend, aber erst zum 1. Januar 2003 in Kraft getreten. Das schließt das
  79. -5-
  80. frühere Entstehen der sachlichen Beitragspflicht und damit auch die frühere
  81. Fälligkeit des Beitrags aus.
  82. 8
  83. b) Mit Erfolg macht der Beteiligte zu 2 geltend, dass die Beitragspflicht
  84. seit dem 1. Januar 2003 besteht. Ab diesem Zeitpunkt bildet die Satzung vom
  85. 22. September 2003 die Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung. Denn das
  86. Inkrafttreten dieser Satzung bewirkte, dass ein vorher erlassener, mangels Entstehens der Beitragspflicht zunächst rechtswidriger Beitragsbescheid rechtmäßig wurde; die von dem Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung
  87. anerkannte Möglichkeit der nachträglichen Heilung von Beitragsbescheiden im
  88. Erschließungsbeitragsrecht (BVerwGE 64, 218, 220 ff.; NVwZ 1984, 435, 436;
  89. 1993, 979) gilt auch, wenn das nachträglich hinzugetretene, als Heilung in Betracht kommende Ereignis in dem Erlass einer gültigen Beitragssatzung besteht
  90. (BGH, Urt. v. 13. Oktober 1994, III ZR 24/94, DVBl. 1995, 109, 110; vgl. auch
  91. BVerwG aaO).
  92. 9
  93. 2. Das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht hat zur Folge, dass ab
  94. dem 1. Januar 2003 auch die auf dem Grundstück ruhende öffentliche Last (§ 6
  95. Abs. 9 KAG-LSA) entstanden ist, denn sie ist ausschließlich von der sachlichen
  96. Beitragspflicht, und nicht von dem Beitragsbescheid abhängig (OVG Magdeburg VwRR MO 2000, 103, 105). Ein Befriedigungsrecht des Beteiligten zu 2 an
  97. dem Versteigerungsobjekt wegen des Schmutzwasserbeitrags besteht somit
  98. erst ab diesem Zeitpunkt. Der Vierjahreszeitraum (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG) ist
  99. deshalb in jedem Fall gewahrt. Legt man für seine Berechnung den Tag der
  100. ersten Beschlagnahme des Grundstücks zugrunde, ergibt sich das ohne weiteres, denn sie erfolgte mit Beschluss des Amtsgerichts vom 19. Januar 2005.
  101. Sieht man die Erteilung des Zuschlags als den maßgebenden Berechnungszeitpunkt an, gehört der Beitrag in die Rangklasse 3, wenn der Berechtigte innerhalb des Vierjahreszeitraums wegen seines Anspruchs auf Entrichtung des
  102. -6-
  103. Beitrags die Beschlagnahme des Grundstücks erwirkt hat (Stöber, ZVG,
  104. 18. Aufl., § 10 Anm. 6.17b). Diese Voraussetzung liegt hier vor, weil der Antrag
  105. auf Zulassung des Beitritts im November 2006 bei dem Amtsgericht eingegangen ist und die Zulassung des Beitritts zugunsten des Beteiligten zu 2 als Beschlagnahme des Grundstücks gilt (§§ 20, 27 Abs. 2 ZVG).
  106. 10
  107. 3. Somit haben die Vorinstanzen zu Unrecht den Antrag des Beteiligten
  108. zu 2 zurückgewiesen. Die angefochtenen Beschlüsse sind deshalb aufzuheben.
  109. Das Beschwerdegericht muss bei seiner erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung der Beitragsfälligkeit am 1. Januar 2003 über die Höhe der Säumniszuschläge befinden.
  110. Krüger
  111. Klein
  112. Schmidt-Räntsch
  113. Lemke
  114. Roth
  115. Vorinstanzen:
  116. AG Haldensleben, Entscheidung vom 12.03.2007 - 13 K 1/05 LG Magdeburg, Entscheidung vom 30.04.2007 - 3 T 262/07 (231) -