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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XII ZR 107/08
  5. Verkündet am:
  6. 9. Dezember 2009
  7. Breskic,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. EGBGB Artt. 14, 15, 18; BGB § 313
  19. a) Der Anspruch auf eine nach iranischem Recht vereinbarte Morgengabe unterliegt - als allgemeine Wirkung der Ehe - dem von Art. 14 EGBGB berufenen Sachrecht.
  20. b) Zu den nach deutschem Sachrecht bestehenden Möglichkeiten, einen als
  21. Morgengabe in iranischer Währung vereinbarten Betrag an die iranische
  22. Geldwertentwicklung anzupassen.
  23. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2009 - XII ZR 107/08 - OLG Hamburg
  24. AG Hamburg-Barmbek
  25. -2-
  26. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  27. vom 9. Dezember 2009 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
  28. Richter Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Klinkhammer und Schilling
  29. für Recht erkannt:
  30. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Familiensenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom
  31. 29. Mai 2008 aufgehoben.
  32. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts
  33. Hamburg-Barmbek - Familiengericht - vom 16. November 2006
  34. wird zurückgewiesen.
  35. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.
  36. Von Rechts wegen
  37. Tatbestand:
  38. 1
  39. Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung einer vereinbarten und
  40. nach Maßgabe des iranischen Rechts an die iranische Geldwertentwicklung
  41. angepassten Morgengabe.
  42. 2
  43. Die Parteien - damals iranische Staatsangehörige - schlossen 1992 in
  44. Teheran die Ehe. Dabei verpflichtete sich der Beklagte zur Leistung einer "Morgengabe". Diese sollte bestehen aus "Ein Koran, ein Spiegel, ein Paar Kerzen-
  45. -3-
  46. träger und Rl. 15.000.000" (iranische Rial; nach dem Kursstand vom 29. März
  47. 2006 umgerechnet: 1.428,23 €), die "restlos zu Lasten des Ehemannes gehen"
  48. sollten "und bei Forderung seitens der Ehefrau ihr auszuzahlen" seien. Die Heiratsurkunde trägt die Unterschrift mehrerer Zeugen, darunter auch eine Unterschrift mit dem Namen des Vaters der Klägerin.
  49. 3
  50. 1993 verließen die Parteien den Iran und erwarben später die deutsche
  51. Staatsangehörigkeit. Die Ehe wurde 2006 auf Antrag beider Parteien in
  52. Deutschland nach deutschem Recht rechtskräftig geschieden.
  53. Die Klägerin beruft sich auf die Anwendbarkeit iranischen Rechts und
  54. 4
  55. verlangt vom Beklagten als Morgengabe die vereinbarte, aber nach Maßgabe
  56. des iranischen Rechts an die dortige Geldwertentwicklung angepasste Geldleistung in Höhe von (15.000.000 Rl. x 274,5 : 27,9 =) 147.580.500 Rl. (entspricht
  57. nach den Berechnungen der Klägerin: 13.204,60 €). Die Ehe sei wirksam geschlossen worden. Ihr Vater sei bei der Eheschließung persönlich anwesend
  58. gewesen und habe die Heiratsurkunde selbst unterschrieben.
  59. Der Beklagte hält deutsches Recht für anwendbar. Bei Anwendung irani-
  60. 5
  61. schen Rechts müsse zudem das iranische Scheidungsrecht einbezogen werden. Danach sei die Ehefrau bei einer von ihr initiierten Scheidung zur Zahlung
  62. einer Abfindung in Höhe der Morgengabe oder - nach Verhandlung - auch eines
  63. höheren oder niedrigeren Betrages verpflichtet. Da die Klägerin die Ehescheidung beantragt habe, rechne er vorsorglich mit diesem Abfindungsanspruch
  64. auf. Im Übrigen sei die Ehe nicht wirksam geschlossen, da der Vater der Klägerin bei der Eheschließung nicht anwesend gewesen sei; statt seiner habe ein
  65. Onkel der Klägerin die Heiratsurkunde mit dem Namen des Vaters unterschrieben.
  66. -4-
  67. 6
  68. Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von lediglich 1.428,23 €
  69. (Nominalbetrag der Morgengabe, umgerechnet) verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der
  70. Klage in vollem Umfang entsprochen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit
  71. der zugelassenen Revision.
  72. Entscheidungsgründe:
  73. 7
  74. Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.
  75. I.
  76. 8
  77. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist das Klagebegehren nach
  78. iranischem Recht zu beurteilen. Die Morgengabe sei güterrechtlich zu qualifizieren. Deshalb sei gemäß Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB das
  79. im Zeitpunkt der Eheschließung gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten maßgebend. Das danach berufene iranische Recht sehe vor, den als Morgengabe
  80. in iranischer Währung vereinbarten Geldbetrag nach Maßgabe einer von der
  81. Zentralbank des Iran festgelegten Indexierung (Kennzahl der Inflationsrate im
  82. Jahr vor Scheidungsausspruch [hier 274,5] geteilt durch Kennzahl bei Eheschließung [hier 27,9]) an die iranische Geldwertentwicklung anzupassen (gesetzliche Anmerkung zu Art. 1082 iranisches ZGB; mit Wirkung auch für zuvor
  83. geschlossene Ehen in Geltung seit 1998; abgedruckt bei Bergmann/Ferid/
  84. Henrich/Enayat Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Iran - Stand 1. Oktober 2002 - S. 123 sowie bei Yassari StAZ 2003, 198, 200 f. und Fn. 21; vgl.
  85. auch dies. FamRZ 2002, 1093 f.). Die Wirksamkeit der von den Parteien ge-
  86. -5-
  87. schlossenen Ehe stehe auch dann außer Zweifel, wenn der Vater bei der Eheschließung nicht persönlich anwesend gewesen sei.
  88. II.
  89. 9
  90. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  91. 10
  92. 1. Das Oberlandesgericht geht zu Unrecht davon aus, dass die Vereinbarung über die Morgengabe nach iranischem Recht zu beurteilen und die Morgengabe deshalb auch nach Maßgabe dieses Rechts an die iranische Geldwertentwicklung anzupassen sei. Nach welchem Recht Vereinbarungen, in denen sich ein Ehegatte zur Zahlung einer sog. Morgengabe verpflichtet, zu beurteilen sind, bestimmt sich vorrangig danach, wie solche Vereinbarungen nach
  93. deutschem Internationalen Privatrecht zu qualifizieren sind.
  94. a) Die Frage nach der Qualifikation von Morgengabeversprechen konnte
  95. 11
  96. der Bundesgerichtshof bislang dahinstehen lassen (vgl. Senatsurteile vom
  97. 14. Oktober 1998 - XII ZR 66/97 - FamRZ 1999, 217 und vom 28. Januar 1987
  98. - IVb ZR 10/86 - FamRZ 1987, 463, 464; vgl. auch Senatsurteil vom 6. Oktober
  99. 2004 - XII ZR 225/01 - FamRZ 2004, 1952, 1958). In der Rechtsprechung der
  100. Instanzgerichte und in der Literatur wird diese Frage unterschiedlich beantwortet.
  101. 12
  102. Allgemein wird darauf verwiesen, dass sich das tief im islamischen Recht
  103. verwurzelte Rechtsinstitut der Morgengabe (auch "Brautgabe" oder "Mahr") in
  104. allen islamischen Rechtsordnungen ähnele, dabei aber - nach Tradition und
  105. aktueller Funktion - unterschiedliche Vorstellungen und Ziele verwirkliche. Angeführt wird etwa das überkommene Verständnis der Morgengabe als einer
  106. Gegenleistung für die körperliche Hingabe der Frau oder als Äquivalent für den
  107. -6-
  108. dem Mann in der Ehe geschuldeten Gehorsam. In Rechtsordnungen, welche
  109. die Verstoßungsscheidung kennen, soll die Morgengabe (auch) den Zweck verfolgen, den Ehemann von einer missbräuchlichen Ausübung seines Verstoßungsrechts abzuhalten. Eine heute wohl vorrangige Funktion der Morgengabe
  110. wird im Aufbau von Vermögen für die Ehefrau gesehen, die bei Scheidung oder
  111. Tod des Mannes vielfach schutzlos dastehe. Insoweit wird auf den im klassischislamischen Recht seit alters her geltenden Güterstand der Gütertrennung und
  112. eine dort nur eng begrenzte Verpflichtung des Ehemannes zur Zahlung von
  113. nachehelichem Unterhalt verwiesen (vgl. zum Ganzen etwa Wurmnest RabelsZ
  114. 2007, 527, 538 ff.; Yassari StAZ 2003, 198, 199 und 201; dies. FamRZ 2002,
  115. 1088, 1093 f.).
  116. 13
  117. Hieraus werden, wie das Berufungsgericht näher dargelegt hat, für die international-privatrechtliche Qualifikation der Morgengabe unterschiedliche
  118. Schlüsse gezogen (Überblick über den Meinungsstand bei Staudinger/
  119. Mankowski BGB [2003] Art. 14 EGBGB Rdn. 273 ff.; Johannsen/Henrich Eherecht 4. Aufl. Art. 14 EGBGB Rdn. 6; Palandt/Heldrich 68. Aufl. Art. 13 Rdn. 9;
  120. Henrich FS Sonnenberger 2004, 389; Wurmnest aaO S. 546 ff.). Zum Teil wird
  121. die Morgengabe jedenfalls dann, wenn sie nicht schon bei der Eheschließung
  122. bezahlt wird, den allgemeinen Wirkungen der Ehe zugeordnet und dem Art. 14
  123. EGBGB unterstellt (OLG Köln FamRZ 2006, 1380, 1381; Staudinger/
  124. Mankowski aaO Rdn. 273; Johannsen/Henrich aaO; Henrich Internationales
  125. Familienrecht aaO; ders. FS Sonnenberger aaO; ders. FamRZ 2004, 1958,
  126. 1959. Ebenso Palandt/Heldrich BGB 68. Aufl. Art. 13 Rdn. 9, der allerdings
  127. Art. 18 Abs. 4 EGBGB anwenden will, wenn die Morgengabe im Zusammenhang mit der Scheidung geltend gemacht wird; ebenso OLG Nürnberg FamRZ
  128. 2001, 1613). Andere Stimmen befürworten eine güterrechtliche Qualifikation
  129. (Art. 15 EGBGB; vgl. etwa OLG Bremen FamRZ 1980, 606; MünchKomm/Siehr
  130. BGB 4. Aufl. Art. 15 EGBGB; Soergel/Schurig BGB 12. Aufl. Art. 14 EGBGB
  131. -7-
  132. Rdn. 48 und Art. 15 EGBGB Rdn. 35; Bamberger/Roth/Mörsdorf-Schulte BGB
  133. 2. Aufl. Art. 14 EGBGB Rdn. 20; Wurmnest aaO S. 553 ff.; vgl. auch OLG Köln
  134. IPrax 1983, 73). Nach wieder anderer Ansicht sind Vereinbarungen über die
  135. Morgengabe unterhaltsrechtlich zu qualifizieren (Art. 18 EGBGB; vgl. etwa OLG
  136. Celle FamRZ 1998, 374, 375; KG FamRZ 1988, 296; für Anwendung des
  137. Art. 18 Abs. 4 EGBGB bei Geltendmachung der Morgengabe im Zusammenhang mit der Scheidung vgl. bereits oben OLG Nürnberg aaO und Palandt/Heldrich aaO). Mitunter wird auch eine schuldrechtliche Qualifikation in
  138. den Kreis möglicher Lösungen einbezogen (Art. 28 EGBGB; so etwa OLG Köln
  139. OLGR 1993, 328 = NJW-RR 1994, 200; KG FamRZ 1980, 470). Nach einer
  140. weiteren Auffassung soll für die Qualifikation der Morgengabe der Kontext
  141. maßgebend sein, in dem die Ehefrau den Anspruch auf die Morgengabe geltend mache, mit der Folge, dass bei bestehender Ehe das Ehewirkungsstatut,
  142. bei Geltendmachung im Zuge einer Scheidung das Scheidungsstatut und bei
  143. Forderung der Morgengabe nach dem Tod des Ehemannes das Erbstatut Anwendung finde (vgl. etwa Heldrich IPrax 1983, 64 und die ausf. Nachw. bei
  144. Wurmnest aaO S. 548 Fn. 120).
  145. 14
  146. b) Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an, nach welcher der Anspruch auf die Morgengabe als eine allgemeine Wirkung der Ehe zu
  147. qualifizieren und deshalb dem Art. 14 EGBGB zu unterstellen ist. Dabei geht
  148. der Senat davon aus, dass die Morgengabe - je nach Fallgestaltung - aus der
  149. Sicht des deutschen Rechts Berührungspunkte mit dem ehelichen bzw. nachehelichen Unterhaltsrecht, dem Ehegüterrecht, dem Scheidungs- und dem
  150. Erbrecht aufweisen kann, dass sie sich aber weder generell noch für den vorliegenden Fall schwerpunktmäßig einem dieser Institute zuordnen lässt.
  151. 15
  152. aa) Gegen eine ausschließlich unterhaltsrechtliche Qualifikation spricht
  153. bereits, dass die Morgengabe weder eine Bedürftigkeit der Ehefrau verlangt
  154. -8-
  155. noch auf eine bestimmte Bedürfnislage der Ehefrau abgestimmt ist. Während
  156. des Bestehens der Ehe trifft den Ehemann eine umfassende Unterhaltspflicht,
  157. die nicht nur die Aufbringung der Haushaltskosten, sondern in sozialadäquatem
  158. Rahmen auch die persönlichen Bedürfnisse der Ehefrau einbezieht und von der
  159. Morgengabe unabhängig ist (Wurmnest aaO S. 551). Im Scheidungsfall dient
  160. die Morgengabe zwar auch der Versorgung der Ehefrau - mithin einer Funktion,
  161. die im deutschen Recht vom nachehelichen Unterhalt erfüllt wird. Dies ändert
  162. aber nichts daran, dass die - wenn auch eng begrenzte - Verpflichtung zum
  163. nachehelichen Unterhalt neben die Verpflichtung zur Zahlung der Morgengabe
  164. tritt; materiell-rechtlich wird also zwischen dem laufenden Unterhalt und der
  165. Grundlage der eigenen Vermögensbildung der Frau unterschieden (wie hier
  166. etwa Staudinger/Mankowski BGB 13. Bearb. Art. 14 EGBGB Rdn. 273;
  167. Bamberger/Roth/Otte BGB 2. Aufl. Art. 14 EGBGB Rdn. 64; Johannsen/Henrich
  168. aaO Rdn. 6; Wurmnest aaO S. 551; Henrich Internationales Familienrecht
  169. 2. Aufl. S. 69).
  170. 16
  171. bb) Gegen eine güterrechtliche Qualifikation spricht, dass die Verpflichtung zur Zahlung einer Morgengabe für sich genommen keinen Güterstand begründet. Zwar kann die Morgengabe mögliche Nachteile, welche die vom iranischen Recht vorgegebene Gütertrennung (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich/Enayat
  172. aaO S. 50) für die Ehefrau im Scheidungsfall mit sich bringt, im Einzelfall in begrenztem Rahmen kompensieren. Sie zielt - etwa bei der Vereinbarung einer
  173. mehr symbolischen Gabe (Beispiel nach Johannsen/Henrich aaO Rdn. 6: Koran
  174. und Goldmünze) - aber nicht notwendig auf eine solche (begrenzte) vermögensmäßige Sicherung der Ehefrau. Zudem wird die Morgengabe generell auf
  175. der Grundlage der wirtschaftlichen Verhältnisse vor der Eheschließung berechnet und ist von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung des Mannesvermögens unabhängig; sie kann also nicht - wie der Zugewinnausgleich - als pauschalierte Teilhabe der Ehefrau an der vom Ehemann in der Ehe erzielten Ver-
  176. -9-
  177. mögenssteigerung verstanden werden (wie hier: Staudinger/Mankowski aaO
  178. Rdn. 274; Johannsen/Henrich aaO Rdn. 6; Henrich Internationales Familienrecht 2. Aufl. S. 69).
  179. 17
  180. cc) Eine schuldvertragliche Qualifikation lässt unberücksichtigt, dass die
  181. Morgengabe zwar in der Regel, aber nicht notwendig auf einer vertraglichen
  182. Grundlage beruht. Sie verkennt zudem, dass diese Grundlage nicht schuldrechtlichen, sondern eherechtlichen Charakter hat, und zwar auch dann, wenn
  183. die Morgengabe erst in einer auf den eigentlichen Eheschließungsvertrag folgenden Abrede vereinbart wurde. Eheverträge werden indes nicht den Artt. 27
  184. bis 36 EGBGB unterstellt; für die Vereinbarung einer Morgengabe kann nichts
  185. anderes gelten (wie hier: Staudinger/Mankowski aaO Rdn. 276).
  186. 18
  187. dd) Auch eine Anknüpfung, die danach differenziert, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch auf die Morgengabe erhoben wird, und deshalb etwa einen
  188. im Zusammenhang mit der Scheidung geltend gemachten Anspruch dem
  189. Scheidungsstatut, eine nach dem Tod des Ehemannes verfolgte Forderung auf
  190. die Morgengabe dagegen dem Erbstatut unterwirft, vermag nicht zu überzeugen. Denn sie berücksichtigt nicht, dass der Anspruch auf die Morgengabe mit
  191. der Eheschließung entsteht und, auch falls er gestundet wird, seinen Charakter
  192. dadurch nicht wandelt. Dies gilt auch für seine international-privatrechtliche
  193. Qualifikation (instruktiv Wurmnest aaO S. 549).
  194. 19
  195. ee) Islamisch geprägte Rechtsordnungen, die - wie auch die des Iran das Versprechen einer Morgengabe nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung der
  196. Eheschließung normieren, verstehen den Anspruch auf die Morgengabe als
  197. eine Ehewirkung. Daraus lässt sich freilich noch kein zwingender Schluss auf
  198. die Einordnung der Morgengabe in das Begriffssystem des deutschen Internationalen Privatrechts ziehen und die Annahme begründen, die Morgengabe müs-
  199. - 10 -
  200. se notwendig unter Art. 14 EGBGB subsumiert werden. Dies gilt schon deshalb
  201. nicht, weil im islamisch-rechtlichen Schrifttum der Begriff der Ehewirkungen
  202. synonym für alle - vermögensrechtlichen wie nichtvermögensrechtlichen Rechte und Pflichten gebraucht wird (Wurmnest aaO S. 546). Richtig ist auch,
  203. dass der Begriff der allgemeinen Wirkungen der Ehe in Art. 14 EGBGB im wesentlichen solche Sachbereiche erfasst, welche die persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten zueinander sowie ihr Verhältnis zu Dritten betreffen (vgl.
  204. etwa Kropholler Internationales Privatrecht 2004 S. 341). Dies folgt jedoch weniger aus dem Begriff der "allgemeinen Ehewirkungen" als vielmehr aus der
  205. Systematik des EGBGB, welche die Eheschließung, das Ehegüterrecht sowie
  206. das Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht speziellen Statuten unterstellt und
  207. damit dem unmittelbaren Anwendungsbereich des Art. 14 EGBGB nur einen
  208. Restbereich, im wesentlichen eben die personalen Rechtsbeziehungen, belässt. Von diesem systematischen Ausgangspunkt her lassen sich unter den
  209. allgemeinen Wirkungen der Ehe alle Wirkungen der Ehe verstehen, für die keine andere speziellere Verweisungsnorm bereitgestellt wird (MünchKomm/Siehr
  210. BGB 4. Aufl. Art. 14 EGBGB Rdn. 5). Art. 14 EGBGB wird damit zugleich zu
  211. einer Art Auffangtatbestand. In diesem Auffangtatbestand ist auch für den Anspruch auf die Morgengabe, weil von den spezielleren Familienstatuten nicht
  212. - auch nicht schwerpunktmäßig - erfasst, Raum. Einer "dehnenden" Anwendung
  213. des Ehewirkungsbegriffs (Wurmnest aaO S. 553) bedarf es dazu nicht.
  214. 20
  215. Mit diesem kollisionsrechtlichen Verständnis der Morgengabe wird eine
  216. Lösung erreicht, die im praktischen Ergebnis auch von jenen Stimmen in
  217. Rechtsprechung und Literatur befürwortet wird, die den Anspruch auf die Morgengabe, wenn er - wie auch hier - im Zusammenhang mit der Scheidung geltend gemacht wird, unterhaltsrechtlich qualifizieren und über die Verweisung
  218. des Art. 18 Abs. 4 EGBGB dem Scheidungsstatut und damit letztlich dem bei
  219. Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags maßgebenden Ehewirkungsstatut
  220. - 11 -
  221. (Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 EGBGB), hier also deutschem Recht, unterstellen
  222. wollen.
  223. 21
  224. Deutliche Unterschiede ergeben sich dagegen zu der Auffassung, welche die Morgengabe als ein güterrechtlich einzuordnendes Rechtsinstitut versteht und dieses dem Art. 15 EGBGB - mithin dem bei Eheschließung geltenden Ehewirkungsstatut - zuordnet. Der Senat verkennt nicht den Vorteil, der mit
  225. dem unwandelbaren Ehegüterrechtsstatut für die Rechtssicherheit verbunden
  226. ist und den Ehegatten eine für die Dauer ihrer Ehe gleichbleibende, von allen
  227. Veränderungen ihrer Lebensumstände unabhängige kollisionsrechtliche Behandlung ihrer ehegüterrechtlichen Verhältnisse verbürgt. Diesem Vorzug ist
  228. indes der Gewinn gegenüberzustellen, den eine die gewandelten Lebensumstände berücksichtigende Anknüpfung namentlich dort mit sich bringt, wo - wie
  229. im vorliegenden Fall - Ehegatten den bisherigen Lebens- und Kulturraum aufgrund eines gemeinsamen Entschlusses verlassen haben, eine neue gemeinsame Staatsangehörigkeit erwerben und in ein grundlegend anderes soziales
  230. und rechtliches Umfeld eingebunden werden. Dies gilt besonders in Ansehung
  231. von Rechtsinstituten, die - wie die Morgengabe - von einer starken kulturellreligiösen Tradition geprägt sind und die sich in ein dieser Tradition weitgehend
  232. fremdes Ehe-, Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht wie das deutsche Familienrecht kaum ohne innere Brüche einfügen lassen. Die Unterstellung der Morgengabe unter das wandelbare Ehewirkungsstatut und damit - im Ergebnis unter das deutsche Sach- (Familien-)recht vermeidet solche Friktionen besser
  233. als das vom Güterrechtsstatut bewirkte starre Festhalten an einem Sachrecht,
  234. das aufgrund gewandelter Anknüpfung für andere, mit der Morgengabe in Zusammenhang stehende familienrechtliche Regelungen, wie hier: Scheidung und
  235. nachehelicher Unterhalt, keine Geltung beanspruchen kann.
  236. - 12 -
  237. 22
  238. Der vorliegende Fall verdeutlicht diesen Vorzug. Der Anspruch auf die
  239. Morgengabe wird mit der Subsumtion unter die allgemeinen Ehewirkungen
  240. - anders als bei einer güterrechtlichen Anknüpfung - einem wandelbaren Statut
  241. unterworfen. Die Anknüpfung an das wandelbare Ehewirkungsstatut sichert den
  242. Gleichlauf der international-rechtlichen Behandlung der Morgengabe mit der
  243. ebenfalls wandelbaren kollisionsrechtlichen Anknüpfung von Scheidung und
  244. nachehelichem Unterhalt: Scheidung, nachehelicher Unterhalt und Versprechen
  245. der Morgengabe unterstehen damit demselben Sachrecht. Der Ehemann kann
  246. deshalb dem Verlangen der Ehefrau nicht, wie hier geschehen, den Einwand
  247. entgegensetzen, bei einer nach iranischem Recht durchzuführenden Scheidung
  248. hätte die Ehefrau ihm für sein Einverständnis mit der Scheidung ein Entgelt leisten müssen, das nach iranischem Recht in einem Verzicht auf die Morgengabe
  249. oder in der Zuwendung eines anderen, mit der Morgengabe aber wertmäßig
  250. korrelierenden Vermögensgegenstandes liegen könne; dieses Vorteils dürfe er
  251. nicht durch eine unterschiedliche Anknüpfung des Scheidungsrechts und der
  252. damit - nach dem anwendbaren iranischen Recht - verwobenen Morgengabe
  253. verlustig gehen. Einer solchen Argumentation ist von vornherein der Boden entzogen, wenn Morgengabe und Scheidungsrecht demselben - hier deutschen Sachrecht unterstellt werden (vgl. auch Wurmnest FamRZ 2005, 1878, 1883 f.).
  254. Entsprechendes gilt für die Frage, ob für das Versprechen der Morgengabe
  255. - etwa im Hinblick auf den sich nach deutschem Recht beurteilenden nachehelichen Unterhalt - nach iranischem Recht die Geschäftsgrundlage (in Analogie zu
  256. dem aus dem deutschen Recht bekannten Institut) entfallen ist. Morgengabe
  257. und nachehelicher Unterhalt unterliegen demselben - deutschen - Sachrecht.
  258. Die Frage eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage für das Versprechen der
  259. Morgengabe bestimmt sich deshalb allein nach deutschem Recht (vgl. hierzu
  260. Wurmnest FamRZ 2005, 1878, insbes. 1884). Einer - naturgemäß weitgehend
  261. fiktiven - Nachempfindung deutscher Rechtsgrundsätze in einem fremdrechtli-
  262. - 13 -
  263. chen Regelungsgefüge, das auf einen ganz anderen kulturellen und sozialen
  264. Kontext zugeschnitten ist, bleiben die deutschen Gerichte damit weitgehend
  265. enthoben.
  266. 23
  267. 2. Da die Parteien deutsche Staatsangehörige sind, ist die Morgengabe
  268. - nach dem von Art. 14 Abs. 1 EGBGB berufenen deutschen Sachrecht - als
  269. eine ehevertragliche Zusage des Ehemannes anzusehen. Sie verpflichtet den
  270. Ehemann, der Ehefrau den in der Zusage genannten Geldbetrag zu zahlen.
  271. Eine Anpassung dieses Betrages an die iranische Geldwertentwicklung, wie sie
  272. das iranische Recht vorsieht, ist zwar auch nach deutschem Recht - im Wege
  273. der Auslegung der getroffenen Vereinbarung oder nach den Grundsätzen über
  274. den Wegfall der Geschäftsgrundlage - grundsätzlich möglich. Die Voraussetzungen des deutschen Rechts für eine solche Anpassung liegen hier jedoch
  275. nicht vor.
  276. 24
  277. Eine Vertragsauslegung, die eine Anpassung des als Morgengabe geschuldeten Betrages an die iranische Geldwertentwicklung begründen könnte,
  278. kommt nicht in Betracht. Der Wortlaut der Abrede gibt für eine solche Anpassung - als von den Parteien gewollt - nichts her. Auch eine stillschweigende vertragliche Inbezugnahme der Parteien auf die iranische Anpassungsregelung
  279. scheidet aus, da diese Regelung erst 1998, also rund sechs Jahre nach der
  280. Eheschließung, iranisches Recht geworden ist.
  281. 25
  282. Fehlt es - wie hier - an einer vertraglich vereinbarten Regelung über die
  283. Anpassung eines in einer fremden Währung als geschuldet vereinbarten Betrages, so kann dieser Betrag zwar gleichwohl - nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) - an die Wertentwicklung der ausländischen Währung anzupassen sein. Dies setzt allerdings voraus, dass der Wert
  284. der ausländischen Währung spürbar verfällt, dass diese Entwicklung bei der
  285. - 14 -
  286. Vereinbarung nicht vorhersehbar war und dass dem Gläubiger ein Festhalten
  287. an der unveränderten Vereinbarung nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzungen liegen - worauf bereits das Amtsgericht hingewiesen hat - hier
  288. indes ebenfalls nicht vor. Zum einen ist nicht festgestellt und weder von der
  289. Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die iranische Währung stabil und die weitere Währungsentwicklung deshalb
  290. nicht vorhersehbar war; die damaligen Inflationsraten sprechen im Gegenteil für
  291. eine auch schon bei Vertragsschluss ungewisse Währungsentwicklung. Zum
  292. andern ist zu berücksichtigen, dass sich ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf
  293. nachehelichen Unterhalt und Versorgungsausgleich aufgrund des Statutenwechsels, der mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch beide
  294. Parteien einhergegangen ist, nach deutschem Scheidungsfolgenrecht bestimmt. Das deutsche Scheidungsfolgenrecht stellt die geschiedene Ehefrau
  295. deutlich besser als das iranische Recht. Diese vom deutschen Sachrecht bewirkte Besserstellung der geschiedenen Ehefrau kann es rechtfertigen, ihr
  296. - umgekehrt - Nachteile zuzumuten, die sich für sie im Einzelfall daraus ergeben
  297. können, dass das deutsche Sachrecht nunmehr auch für eine zwischen den
  298. Eheleuten getroffene Vereinbarung einer Morgengabe maßgebend ist.
  299. 26
  300. So liegen die Dinge hier: Mit dem Wechsel des Ehewirkungsstatuts geht
  301. die Klägerin zwar die Vorteile einer "automatischen" Anpassung des als Morgengabe vereinbarten Betrages an die iranische Geldwertentwicklung nach
  302. Maßgabe des iranischen Index verlustig. Dem steht indes als Vorteil der
  303. - ebenfalls durch den Statutenwechsel bewirkte - Schutz gegenüber, den das
  304. deutsche Scheidungsfolgenrecht der Klägerin als geschiedener Ehefrau gewährt. Im Hinblick auf diesen Schutz ist es für die Klägerin nicht schlechthin
  305. unzumutbar, sich an dem als Morgengabe vereinbarten Betrag festhalten zu
  306. lassen. Auf die Frage, ob die Klägerin aus der Anwendbarkeit des deutschen
  307. Scheidungsfolgenrechts konkrete Vorteile zieht, ob sie also insbesondere
  308. - 15 -
  309. nachehelichen Unterhalt oder Versorgungsausgleich beanspruchen kann,
  310. kommt es nicht an. Denn jedenfalls kann vom Beklagten nicht ohne weiteres
  311. erwartet werden, er hätte sich bei Vertragsschluss - in (hypothetischer) Kenntnis der künftigen Entwicklung und damit auch der späteren Geltung des deutschen Scheidungsfolgenrechts für seine Ehe - redlicherweise auf eine Regelung einlassen müssen, die der Ehefrau - neben möglichen mit dem Statutenwechsel einhergehenden Vorteilen - zusätzlich eine automatische Anpassung
  312. der Morgengabe an die iranische Währungsentwicklung verbürgt.
  313. 27
  314. 3. Damit bewendet es bei dem der Klägerin vom Amtsgericht bereits
  315. rechtskräftig zugesprochenen Betrag. Auf die von der Revision angesprochene
  316. Frage, ob ein Anspruch der Klägerin auf die Morgengabe - im Hinblick auf die
  317. behauptete Abwesenheit ihres Vaters bei der Eheschließung und einen damit
  318. möglicherweise einhergehenden Wirksamkeitsmangel der Ehe - überhaupt entstanden ist, kommt es nicht an. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit (bejahendenfalls) ein solcher Anspruch im Wege der Auslegung des
  319. Morgengabeversprechens um ein Entgelt zu mindern ist, das die Klägerin dem
  320. Beklagten bei einer nach iranischem Recht erfolgten Scheidung schulden würde (vgl. dazu OLG Hamburg FamRZ 2004, 459; ablehnend etwa Wurmnest
  321. FamRZ 2005, 1878, 1883)
  322. III.
  323. 28
  324. Nach allem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Senat
  325. vermag in der Sache abschließend zu entscheiden. Das Berufungsurteil war
  326. - 16 -
  327. aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts
  328. zurückzuweisen.
  329. Hahne
  330. Weber-Monecke
  331. Klinkhammer
  332. Wagenitz
  333. Schilling
  334. Vorinstanzen:
  335. AG Hamburg-Barmbek, Entscheidung vom 16.11.2006 - 891 F 21/06 OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.05.2008 - 10 UF 83/06 -