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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 56/11
  5. Verkündet am:
  6. 11. September 2012
  7. Herrwerth,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. VOB/B (2000) § 13 Nr. 5 Abs. 2
  19. BGB §§ 199, 765
  20. a) Das Recht des Auftraggebers auf Selbstbeseitigung eines Mangels entsteht
  21. nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B, ebenso wie nach den § 634 Nr. 2, § 637 BGB,
  22. mit fruchtlosem Fristablauf. Der Geltendmachung eines auf Geld gerichteten
  23. Gewährleistungsanspruchs durch den Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer bedarf es dazu nicht.
  24. b) In diesen Fällen entsteht damit auch der Anspruch des Auftraggebers aus
  25. einer auf Zahlung gerichteten Gewährleistungsbürgschaft, wenn die in § 13
  26. Nr. 5 Abs. 2 VOB/B genannten Voraussetzungen vorliegen, ohne dass ein
  27. auf Gewährleistung gestützter Zahlungsanspruch geltend gemacht werden
  28. muss.
  29. -2c) Es widerspricht dem Schutzzweck des Rechtsinstituts der Verjährung, den
  30. Beginn der Verjährungsfrist an eine Leistungsaufforderung des Gläubigers zu
  31. knüpfen, da es dieser dann in der Hand hätte, den Verjährungsbeginn und
  32. die Notwendigkeit verjährungshemmender Maßnahmen weitgehend beliebig
  33. hinauszuzögern (Bestätigung des Senatsurteils vom 29. Januar 2008 - XI ZR
  34. 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 24).
  35. BGH, Urteil vom 11. September 2012 - XI ZR 56/11 - OLG Frankfurt/Main
  36. LG Wiesbaden
  37. -3-
  38. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  39. vom 26. Juni 2012 durch den Richter Dr. Joeres als Vorsitzenden, die Richter
  40. Dr. Grüneberg, Maihold und Pamp und die Richterin Dr. Menges
  41. für Recht erkannt:
  42. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats
  43. des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. Januar 2011
  44. aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der
  45. 10. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 5. Februar
  46. 2010 wird zurückgewiesen.
  47. Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
  48. Von Rechts wegen
  49. Tatbestand:
  50. 1
  51. Der Kläger nimmt die beklagte Versicherung aus einer Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch. Die Beklagte beruft sich auf Verjährung.
  52. 2
  53. Der Kläger schloss mit der Me.
  54. GmbH (im Folgenden:
  55. Hauptschuldnerin) am 3. September 2001 einen Werkvertrag über Fassadenarbeiten am Neubau eines Hochhauses in M.
  56. , für den die Geltung der Ver-
  57. dingungsordnung für Bauleistungen, Teil B, in der damals geltenden Fassung
  58. vom 30. Mai 2000 (im Folgenden: VOB/B) vereinbart wurde. Die Beklagte übernahm mit Urkunde vom 16. Oktober 2001 für die Hauptschuldnerin gegenüber
  59. -4-
  60. dem Kläger eine selbstschuldnerische Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft bis zu einer Gesamthöhe von 330.856 DM. Am 12. August
  61. 2002 wurde über das Vermögen der Hauptschuldnerin das Insolvenzverfahren
  62. eröffnet. Deren Leistungen nahm der Kläger am 17. April 2003 ab und bezahlte
  63. den Werklohn mit Ausnahme eines vereinbarten Gewährleistungseinbehalts.
  64. 3
  65. Im August 2003 traten Schäden an der Fassade auf, von der im Laufe
  66. des Sommers und Herbstes 2003 Teile auf den Gehsteig herabstürzten. Nach
  67. Einholung eines Sachverständigengutachtens verlangte der Kläger mit Schreiben vom 27. Oktober 2003 von dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der
  68. Hauptschuldnerin, die Fassade zum Schutz von Personen gegen herabfallende
  69. Bruchstücke zu sichern. Dies lehnte der Insolvenzverwalter am 28. Oktober
  70. 2003 ab. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2003 kündigte der Kläger die Ersatzvornahme der Sicherungsmaßnahmen an und forderte den Insolvenzverwalter
  71. auf, bis zum 28. November 2003 die Mängel an der Fassade zu beseitigen.
  72. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist leitete der Kläger im Dezember 2003 ein
  73. selbstständiges Beweisverfahren ein. Er ließ in den Jahren 2003 und 2004 Sicherungsmaßnahmen durchführen und in den Jahren 2004 und 2005 die Mängel beseitigen. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2007 nahm er die Beklagte
  74. wegen der Kosten von Sicherungsmaßnahmen und Mängelbeseitigung aus der
  75. Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch. Nach Aufforderung des Klägers verzichtete die Beklagte am 28. Dezember 2007 bis zum 31. Dezember 2008 auf
  76. die Einrede der Verjährung, sofern Verjährung der Hauptschuld bzw. des Anspruchs aus der Bürgschaft nicht bereits eingetreten sein sollte.
  77. 4
  78. Am 29. Dezember 2008 hat der Kläger den Erlass eines Mahnbescheids
  79. beantragt, der der Beklagten am 13. Januar 2009 zugestellt worden ist. Mit der
  80. Anspruchsbegründung hat der Kläger den geltend gemachten Zahlungsanspruch in Höhe von 132.851,03 € nebst Zinsen weiterverfolgt. Das Landgericht
  81. -5-
  82. hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben und die Revision zugelassen.
  83. Entscheidungsgründe:
  84. 5
  85. Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils (§ 563
  86. Abs. 3 ZPO).
  87. I.
  88. 6
  89. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
  90. 7
  91. Der Anspruch des Klägers sei nicht verjährt, da die Bürgschaftsforderung
  92. im Jahr 2003 nicht entstanden sei. Der gegen einen Bürgen gerichtete Anspruch entstehe mit Fälligkeit der gesicherten Forderung, ohne dass es einer an
  93. den Bürgen gerichteten Leistungsaufforderung bedürfe. Da eine Gewährleistungsbürgschaft nur Geldforderungen sichere, trete der Sicherungsfall erst ein,
  94. wenn der Nachbesserungs- oder Nacherfüllungsanspruch in einen Geldanspruch übergegangen sei. Für weitergehende Inhalte der Sicherungsabrede
  95. gebe der vorliegende Bauvertrag nichts her. Nach dem vor der Schuldrechtsmodernisierung geltenden werkvertraglichen Gewährleistungsmodell habe dem
  96. Auftraggeber ein Anspruch auf Minderung oder Schadensersatz zugestanden,
  97. wenn dem Werkunternehmer fruchtlos eine Frist für die Nachbesserung mit Ablehnungsandrohung gesetzt worden sei. Verzichte der Auftraggeber auf die Ablehnungsandrohung, komme es nach Fristablauf zu einem Schwebezustand.
  98. -6-
  99. Der Auftraggeber könne weiterhin Nachbesserung verlangen, der Unternehmer
  100. sei allerdings gehindert, diese ohne Zustimmung des Auftraggebers durchzuführen. Weiter könne der Auftraggeber Anspruch auf Kostenvorschuss oder auf
  101. Erstattung der Kosten einer Drittnachbesserung verlangen. In diesem Fall entstehe der von der Bürgschaft gesicherte Anspruch erst mit Geltendmachung der
  102. Geldforderung. Das benachteilige den Bürgen nicht unangemessen, wenn er
  103. eine unbefristete Bürgschaft übernommen habe. Außerdem sei nicht ersichtlich,
  104. dass die Anspruchswahl des Auftraggebers zwangsläufig aus sachwidrigen
  105. Gründen erst spät erfolgen werde. Zwar hänge damit die Durchsetzbarkeit einer
  106. Gewährleistungsbürgschaft von Umständen ab, denen im Einzelfall keiner der
  107. Vertragspartner besondere Bedeutung beigemessen habe. Das sei jedoch im
  108. Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen.
  109. 8
  110. Im Streitfall habe der Kläger gegenüber der Hauptschuldnerin keine Ablehnungsandrohung ausgesprochen, sodass es nach Ablauf der in dem Aufforderungsschreiben vom 29. Oktober 2003 gesetzten Frist zu dem dargestellten
  111. Schwebezustand gekommen sei, den der Kläger nicht durch Geltendmachung
  112. eines Geldanspruchs aufgelöst habe. Damit sei ein Anspruch auf Geldzahlung
  113. im Jahr 2003 noch nicht entstanden.
  114. II.
  115. 9
  116. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht der Verjährungseinrede den Erfolg versagt, weil der Bürgschaftsanspruch im Jahr 2003 nicht im
  117. Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden und deswegen die Verjährungsfrist nicht vor dem Verzicht der Beklagten auf die Einrede der Verjährung verstrichen sei.
  118. -7-
  119. 10
  120. 1. Zutreffend und von der Revision unangegriffen ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB für die
  121. streitige Bürgschaftsforderung die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB in
  122. der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung maßgeblich ist, wenn - wie
  123. hier - am 1. Januar 2002 die ursprünglich geltende dreißigjährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 2009 - XI ZR
  124. 181/08, WM 2010, 302 Rn. 25). Der Lauf dieser Verjährungsfrist begann nach
  125. § 199 Abs. 1 BGB nicht vor Ende des Jahres, in dem der von der Bürgschaft
  126. gesicherte Gewährleistungsanspruch entstanden ist.
  127. 11
  128. 2. Im rechtlichen Ausgangspunkt nicht zu beanstanden ist weiter die Annahme des Berufungsgerichts, der Anspruch aus einer selbstschuldnerischen
  129. Bürgschaft entstehe im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB grundsätzlich mit
  130. Fälligkeit der gesicherten Hauptschuld. Nicht gefolgt werden kann jedoch der
  131. Auffassung des Berufungsgerichts, die Hauptforderung auf Erstattung der Kosten für die Mängelbeseitigung sei nicht im Jahr 2003 entstanden, weil der Kläger bei der Fristsetzung zur Nachbesserung deren Ablehnung nicht angedroht
  132. und einen dadurch bewirkten Schwebezustand nicht durch eine Zahlungsaufforderung aufgelöst habe.
  133. 12
  134. a) Ein Anspruch ist nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB in dem Zeitpunkt entstanden, zu dem er erstmalig geltend gemacht und im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Dies setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs voraus, da erst von diesem Zeitpunkt an (§ 271 Abs. 1 Halbs. 1 BGB) der Gläubiger mit Erfolg die
  135. Leistung fordern und gegebenenfalls den Ablauf der Verjährungsfrist durch Klageerhebung unterbinden kann (BGH, Urteile vom 17. Februar 1971 - VIII ZR
  136. 4/70, BGHZ 55, 340, 341 f., vom 18. Dezember 1980 - VII ZR 41/80, BGHZ 79,
  137. -8-
  138. 176, 177 f., vom 23. Januar 2001 - X ZR 247/98, WM 2001, 687, 689 und vom
  139. 8. Juli 2008 - XI ZR 230/07, WM 2008, 1731 Rn. 17, jeweils mwN).
  140. 13
  141. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht weiter an, dass danach bei
  142. Fehlen anderer Vereinbarungen der Parteien jedenfalls die Ansprüche aus einer - hier vorliegenden - selbstschuldnerischen Bürgschaft zugleich mit der gesicherten Forderung entstehen und es für den Beginn der Verjährungsfrist keiner Leistungsaufforderung bedarf (BGH, Urteile vom 29. Januar 2008 - XI ZR
  143. 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 24, vom 8. Juli 2008 - XI ZR 230/07, WM 2008,
  144. 1731 Rn. 18, vom 11. März 2008 - XI ZR 81/07, juris Rn. 11, vom 23. September 2008 - XI ZR 395/07, WM 2008, 2165 Rn. 10 und vom 10. Februar 2011
  145. - VII ZR 53/10, WM 2011, 541 Rn. 12).
  146. 14
  147. b) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, ein
  148. Geldanspruch sei nicht entstanden, weil der Kläger zwar Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt, nicht aber deren Ablehnung angedroht habe. Die VOB/B, deren
  149. Geltung nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts im
  150. Streitfall vereinbart wurde, verlangt in § 13 Nr. 5 Abs. 2 zur Begründung eines
  151. Selbsteintrittsrechts des Auftraggebers neben der - vorliegend unstreitig erfolgten - Fristsetzung zur Nachbesserung keine Androhung des Auftraggebers, er
  152. werde die Beseitigung des Mangels nach Fristablauf ablehnen. Abweichend
  153. von der für die Wandelung und Minderung geltenden Regelung in § 634 Abs. 1
  154. Satz 1 BGB aF (BGH, Urteile vom 16. September 1999 - VII ZR 456/98, BGHZ
  155. 142, 278, 281 und vom 8. Dezember 2010 - XI ZR 181/08, WM 2010, 302
  156. Rn. 32) entsteht nach dem klaren Wortlaut von § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B das
  157. Selbsteintrittsrecht des Auftraggebers bereits mit erfolglosem Ablauf der für die
  158. Nachbesserung gesetzten Frist. Weitere Voraussetzungen bestehen nicht (KG
  159. Berlin, MDR 1990, 339; Nikisch/Weick, VOB Teil B, 3. Aufl., § 13 Rn. 142; Wirth
  160. in Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Aufl., B § 13 Nr. 5 Rn. 506; vgl. ders., VOB,
  161. -9-
  162. 17. Aufl., VOB/B § 15 Abs. 5 Rn. 124 ff., 133). Insoweit entspricht § 13 Nr. 5
  163. Abs. 2 VOB/B den im Rahmen eines BGB-Werkvertrages für das Recht der
  164. Selbstvornahme geltenden § 633 Abs. 3 BGB aF bzw. § 634 Nr. 2 nF, § 637
  165. BGB nF, die eine Ablehnungsandrohung des Auftraggebers ebenfalls nicht vorsehen (BGH, Urteil vom 27. Februar 2003 - VII ZR 338/01, BGHZ 154, 119,
  166. 122 f.). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitert damit die
  167. Entstehung der Hauptforderung auf Erstattung von Mängelbeseitigungskosten
  168. nicht daran, dass der Kläger die Ablehnung der Nachbesserung durch die
  169. Hauptschuldnerin nicht angedroht hat.
  170. 15
  171. 3. Die Einstandspflicht der Beklagten aus der Bürgschaft setzt - anders
  172. als die Revisionserwiderung meint - auch nicht voraus, dass der Kläger die
  173. Hauptschuldnerin wegen der Kosten der Ersatzvornahme auf Zahlung in Anspruch nimmt. Der auf Geldzahlung gerichtete sekundäre Gewährleistungsanspruch des Auftraggebers entsteht vielmehr ohne Zahlungsaufforderung mit
  174. Ablauf der im Aufforderungsschreiben - hier vom 29. Oktober 2003 - erfolglos
  175. gesetzten Frist zur Mängelbeseitigung.
  176. 16
  177. a) Bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung ist im Allgemeinen davon
  178. auszugehen, dass der Bürge einer Gewährleistungsbürgschaft nur für das Erfüllungsinteresse und nicht für die gegenständliche Nachbesserung der Werkleistung haften soll (BGH, Urteile vom 13. September 2001 - VII ZR 467/00, BGHZ
  179. 148, 151, 154 und vom 28. September 2000 - VII ZR 460/97, WM 2000, 2373,
  180. 2375). Der Bürgschaftsfall tritt danach ein, wenn der Auftraggeber einen auf
  181. Geld gerichteten Gewährleistungsanspruch erworben hat. Wie das Berufungsgericht von der Revision unangegriffen festgestellt hat, gilt im Streitfall nichts
  182. anderes.
  183. - 10 -
  184. 17
  185. b) Der Zeitpunkt, zu dem ein auf Geld gerichteter Anspruch des Auftraggebers auf Vorschuss für eine Ersatzvornahme der Mangelbeseitigung oder auf
  186. Erstattung der Kosten der Mangelbeseitigung fällig wird und damit den Bürgschaftsanspruch entstehen lässt, ist umstritten. Teilweise wird dafür die Erfüllung der tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen (vgl. § 633 Abs. 3 BGB
  187. aF, § 637 BGB nF bzw. § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B) und die darauf beruhende
  188. Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Auftragnehmers für ausreichend erachtet (vgl. OLG Frankfurt/Main, OLGR Frankfurt 2008, 573, 574; Funke, BauR
  189. 2010, 969, 978; Groß, IBR 2009, 453; Klein/Klein/Koos, BauR 2009, 333, 338 f.;
  190. Lubojanski, IBR 2004, 420; May, IBR 2007, 115; ders., BauR 2007, 187, 194 f.;
  191. Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 519; Schmitz, ibr-online/IBR Reihe, Sicherheiten für die Bauvertragsparteien, Stand: 31.10.2011 Rn. 242; Vogel, jurisPRPrivBauR 6/2008 Anm. 4 D.; ders., EWiR 2006, 295, 296; Wellensiek, IBR
  192. 2007, 483; Wolff, IBR 2006, 93; ebenso wohl OLG Brandenburg, Urteil vom
  193. 14. Juni 2007 - 12 U 216/06, juris Rn. 31, 36; OLG Schleswig, Urteil vom
  194. 11. Juni 2009 - 5 U 148/08, juris Rn. 36; Drossart in Kuffer/Wirth, Handbuch des
  195. Fachanwalts Bau- und Architektenrecht, 3. Aufl., V. Rn. 213 f.; Heiermann/
  196. Mansfeld in Heiermann/Riedl/Rusam, 12. Aufl., VOB/B § 17 Rn. 62; offen gelassen bei Schulze-Hagen in Kniffka u.a., ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht 2012, Stand: 30.03.2012, § 634a BGB Rn. 262). Die Gegenansicht verlangt darüber hinaus die tatsächliche Geltendmachung eines - bezifferten - Zahlungsanspruchs, etwa als Vorschuss oder als Erstattung für die Kosten einer
  197. Ersatzvornahme, durch den Auftraggeber (OLG Köln, WM 2006, 1248, 1249;
  198. OLG Dresden, Beschluss vom 18. Oktober 2007 - 12 U 1498/07, juris Rn. 3 f.;
  199. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - 13 U 106/09, juris Rn. 2;
  200. Alfes, ibr-online 2006, 1103; Bräuer, NZBau 2007, 477, 479; Joussen, IBR
  201. 2007, 116; Motzke, juris-PrivBauR 2/2007 Anm. 5 C.; Nobbe in Schimansky/
  202. Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 91 Rn. 323; Schulze-Hagen,
  203. - 11 -
  204. BauR 2007, 170, 184 f.; Thode, WuB I E 4.-3.06.; Trapp/Werner, BauR 2008,
  205. 1209, 1214 f.).
  206. 18
  207. c) Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung an, dass der Anspruch des Auftraggebers aus einer Gewährleistungsbürgschaft entsteht, wenn
  208. die Voraussetzungen des § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B vorliegen, ohne dass zusätzlich der Auftraggeber dem Auftragnehmer gegenüber einen auf Gewährleistung
  209. gestützten Zahlungsanspruch geltend machen müsste.
  210. 19
  211. aa) Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift setzt nämlich das Selbstbeseitigungsrecht des Auftraggebers, ebenso wie bei den § 634 Nr. 2, § 637 BGB,
  212. lediglich den fruchtlosen Fristablauf voraus (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar
  213. 2003 - VII ZR 338/01, BGHZ 154, 119, 122; KG, MDR 1990, 339; Wirth in
  214. Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Aufl., B § 13 Nr. 5 Rn. 506). Für die Auffassung,
  215. die Entstehung eines auf Geld gerichteten Gewährleistungsanspruchs verlange
  216. zudem die tatsächliche Inanspruchnahme des Unternehmers durch den Auftraggeber, findet sich weder im Wortlaut von § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B noch in
  217. § 633 BGB aF, § 634 Nr. 2 nF, § 637 BGB nF eine Stütze. Das dem Auftraggeber nach Fristablauf zustehende Wahlrecht hält somit nicht die Entstehung der
  218. zueinander in einem Auswahlverhältnis stehenden Gewährleistungsrechte in
  219. der Schwebe, sondern es setzt die Fälligkeit der zur Wahl stehenden Ansprüche voraus. Denn der Begriff der Fälligkeit beschreibt den Zeitpunkt, ab dem
  220. der Gläubiger die Leistung fordern kann, nicht den Zeitpunkt, in dem der Gläubiger die Leistung tatsächlich fordert (BGH, Urteile vom 23. Januar 2001
  221. - X ZR 247/98, WM 2001, 687, 689 und vom 8. Juli 2008 - XI ZR 230/07, WM
  222. 2008, 1731 Rn. 17; vgl. auch Bräuer, NZBau 2007, 477, 478).
  223. - 12 -
  224. 20
  225. bb) Entgegen der Revisionserwiderung begegnet es keinen Bedenken,
  226. dass der Auftraggeber gleichzeitig fällige Ansprüche auf Nachbesserung und
  227. auf (Vorschuss-)Zahlung hat. Vielmehr ist es Kennzeichen einer Anspruchskonkurrenz, dass mehrere fällige Ansprüche nebeneinander bestehen. Sind mithin
  228. die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B erfüllt, kann der
  229. Auftraggeber vom Auftragnehmer nach Fristablauf entweder Erstattung der
  230. Kosten einer Drittnachbesserung und ggf. einen Kostenvorschuss hierfür verlangen oder auf Nachbesserung der Werkleistung bestehen. Lediglich der Auftragnehmer ist gehindert, ohne die Zustimmung des Auftraggebers die Nachbesserung durchzuführen, da dieser ab dem Ablauf der Nachbesserungsfrist
  231. allein entscheiden kann, welche Ansprüche er gegen den Auftragnehmer geltend machen will (BGH, Urteil vom 27. Februar 2003 - VII ZR 338/01, BGHZ
  232. 154, 119, 122 mwN; vgl. Beck´scher VOB-Kommentar/Kohler, 2. Aufl.,
  233. § 13 Nr. 5 Rn. 101; Riedl/Mansfeld in Heiermann/Riedl/Rusam, 12. Aufl., VOB/B
  234. § 13 Rn. 125; Wirth in Ingenstau/Korbion, VOB, 17. Aufl., VOB/B § 13 Abs. 5
  235. Rn. 120). Die Ausübung des Wahlrechts durch den Auftraggeber beantwortet
  236. - worauf die Revision zutreffend hinweist - mithin nur die Frage, welchen der
  237. bestehenden Gewährleistungsansprüche der Auftraggeber geltend machen will,
  238. sie begründet jedoch nicht einen bis dahin nicht bestehenden Anspruch.
  239. 21
  240. cc) Der von der Gewährleistungsbürgschaft gesicherte Geldanspruch
  241. - hier aus § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B - entsteht, wenn die tatbestandlichen
  242. Voraussetzungen des auf Geld gerichteten Gewährleistungsanspruchs vom
  243. Auftraggeber
  244. geschaffen
  245. wurden
  246. (Mansfeld
  247. in
  248. Heiermann/Riedl/Rusam,
  249. 12. Aufl., VOB/B § 13 Rn. 125; vgl. auch Senatsurteil vom 8. Dezember 2009
  250. - XI ZR 181/08, WM 2010, 302 Rn. 28 zu einem Wandelungsanspruch). Ab diesem Zeitpunkt kann er vom Auftraggeber geltend gemacht und klageweise
  251. durchgesetzt werden. Deswegen ist es entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung für die Entstehung dieses Geldanspruchs nicht erforderlich,
  252. - 13 -
  253. dass der endgültige Zahlungsanspruch oder ein Anspruch auf Vorschuss vom
  254. Auftraggeber - teilweise - beziffert werden und damit Gegenstand einer Leistungsklage sein kann. Es genügt die Möglichkeit, Feststellungsklage zu erheben (BGH, Urteile vom 22. Februar 1979 - VII ZR 256/77, BGHZ 73, 363, 365,
  255. vom 18. Dezember 1980 - VII ZR 41/80, BGHZ 79, 176, 178, vom 18. Juni 2009
  256. - VII ZR 167/08, BGHZ 181, 310 Rn. 19 und vom 19. Juli 2010 - II ZR 57/09,
  257. WM 2010, 1655 Rn. 8; vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 199 Rn. 3;
  258. MünchKommBGB/Grothe, 6. Aufl., § 199 Rn. 4). Aus diesem Grund kommt es
  259. auch nicht darauf an, ob - wie die Revisionserwiderung meint - der Kläger durch
  260. einen vorrangigen Gewährleistungseinbehalt zunächst an der Erhebung einer
  261. bezifferten Vorschussklage gehindert war.
  262. 22
  263. dd) Das Entstehen der Bürgschaftsforderung hängt nicht davon ab, dass
  264. die zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer getroffene Sicherungsabrede
  265. eine Haftung des Bürgen vor Ausübung des Wahlrechts bzw. Bezifferung eines
  266. Zahlungsanspruchs vorsieht (aA OLG Köln, WM 2006, 1248, 1249). Aus der
  267. der Bürgschaftsbestellung zugrunde liegenden Sicherungsabrede ergibt sich
  268. regelmäßig, in welchem Umfang die Bürgschaft vom Gläubiger in Anspruch genommen werden darf (vgl. auch BGH, Urteile vom 21. Januar 1993 - VII ZR
  269. 127/91, BGHZ 121, 168, 170 und vom 28. September 2000 - VII ZR 460/97,
  270. WM 2000, 2373, 2374). Soweit der Gläubiger nach der Sicherungsabrede nicht
  271. berechtigt ist, die vereinbarte Bürgschaft anzufordern, kann sich der Bürge aus
  272. § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB auf eine entsprechende Einrede berufen (vgl. BGH,
  273. Urteile vom 10. Februar 2000 - IX ZR 397/98, BGHZ 143, 381, 384 f. und vom
  274. 8. März 2001 - IX ZR 236/00, BGHZ 147, 99, 102). Danach beträfe der Einwand, der Gläubiger sei nach der konkreten Sicherungsabrede nicht berechtigt,
  275. die Bürgschaft mit Entstehen der Hauptforderung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt anzufordern, hier jedenfalls nicht die Fälligkeit der Hauptforderung
  276. und damit auch nicht den Bestand der Bürgschaftsverpflichtung (vgl. Münch-
  277. - 14 -
  278. KommBGB/Habersack, 5. Aufl., § 768 Rn. 2, 4). Ob der Bürge dem Auftraggeber aus der Sicherungsabrede eine solche zur Leistungsverweigerung berechtigende Einrede entgegenhalten kann, ist daher eine gegenüber der Anspruchsentstehung im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB nachgelagerte Frage
  279. (vgl. May, BauR 2007, 187, 194 f.; Vogel, EWiR 2006, 295, 296).
  280. 23
  281. d) Die von der Revisionserwiderung geforderte Anknüpfung des Beginns
  282. der Verjährungsfrist für die Gewährleistungsbürgschaft an die Geltendmachung
  283. eines bezifferten Zahlungsanspruchs durch den Auftraggeber widerspricht zudem dem Zweck der Verjährung der Bürgenverpflichtung.
  284. 24
  285. aa) Das Rechtsinstitut der Verjährung dient dem Schutz des Schuldners
  286. und der Herstellung des Rechtsfriedens nach Ablauf der Verjährungsfrist. Damit
  287. ist es unvereinbar, den Beginn der Verjährungsfrist einseitig an eine Leistungsaufforderung des Gläubigers der Bürgschaftsforderung - hier ein Zahlungsverlangen des Auftraggebers an den Auftragnehmer - zu knüpfen, da es dieser
  288. dann in der Hand hätte, den Verjährungsbeginn und die Notwendigkeit verjährungshemmender Maßnahmen weitgehend beliebig hinauszuzögern (vgl. dazu
  289. BGH, Urteile vom 29. Januar 2008 - XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 24, vom
  290. 11. März 2008 - XI ZR 81/07, juris Rn. 11, vom 8. Juli 2008 - XI ZR 230/07, WM
  291. 2008, 1731 Rn. 28 und vom 18. Juni 2009 - VII ZR 167/08, BGHZ 181, 310
  292. Rn. 15; siehe auch Bräuer, NZBau 2007, 477, 478).
  293. 25
  294. bb) Die danach früher eintretende Notwendigkeit, die Verjährung hemmende Maßnahmen zu ergreifen, erhöht das Haftungsrisiko des Gewährleistungsbürgen nicht zwangsläufig (so aber Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 185;
  295. Thode, WuB I E 4. - 3.06). Zur Hemmung der Verjährung genügt die Erhebung
  296. einer unbezifferten Feststellungsklage. Wegen § 286 Abs. 1 und 4 BGB fällt die
  297. Gefahr, der Bürge könnte frühzeitig in Verzug geraten (so Schlößer, NJW 2006,
  298. - 15 -
  299. 645, 647 f.; Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 186), nicht ins Gewicht (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2008 - XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 25;
  300. Hohmann, WM 2004, 757, 760), zumal der Gläubiger Informationen zur Hauptschuld, die der Bürge mit zumutbaren Anstrengungen nicht erlangen kann, mitzuteilen hat (BGH, Urteil vom 10. Februar 2010 - VII ZR 53/10, WM 2011, 541
  301. Rn. 16 f.). Einer frühzeitigen Inanspruchnahme zur Anspruchssicherung kann
  302. der Gewährleistungsbürge schließlich dadurch entgehen, dass er - wie im
  303. Streitfall die Beklagte - für einen bestimmten Zeitraum auf die Erhebung der
  304. Verjährungseinrede verzichtet.
  305. 26
  306. cc) Der Hinweis der Revisionserwiderung, damit könne die nach der
  307. Schuldrechtsreform der dreijährigen Regelverjährung unterliegende Bürgschaftsforderung vor den gesicherten Gewährleistungsansprüchen verjähren,
  308. trifft zwar zu. Dies beruht jedoch auf dem getrennten Schicksal beider Forderungen und stellt weder eine spezifische Folge des Verjährungsbeginns von
  309. Bürgschaftsforderungen mit Fälligkeit der gesicherten Forderung noch eine Besonderheit des Werkvertragsrechts dar (vgl. Senatsurteil vom 23. September
  310. 2008 - XI ZR 395/07, WM 2008, 2165 Rn. 10). Ebenso beruht auf gesetzgeberischer Entscheidung, dass der Auftraggeber Unterschiede in den Verjährungsfristen dazu nutzen kann, die Fälligkeit der Bürgschaftsverpflichtung durch die
  311. späte Geltendmachung von Gewährleistungsrechten zu verzögern (vgl.
  312. Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 519 f.). Zu verschiedenen Zeitpunkten ablaufende Verjährungsfristen von Hauptforderung und Bürgschaft werden in § 768
  313. BGB hingenommen und liefern keine Rechtfertigung, die Verjährung der Bürgenhaftung dadurch zu erschweren, dass erst die Geltendmachung eines dem
  314. Auftraggeber gegen den Auftragnehmer zustehenden Geldanspruchs zur Entstehung der gesicherten Hauptforderung und damit zum Beginn der Verjährungsfrist führen soll (vgl. auch Trapp/Werner, BauR 2008, 1209, 1213 f.).
  315. - 16 -
  316. 27
  317. 4. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ergibt sich aus
  318. dem von den Parteien geschlossenen Bürgschaftsvertrag nichts anderes. Dieser kann vom Revisionsgericht ausgelegt werden, weil weitere tatsächliche
  319. Feststellungen nicht erforderlich sind und dadurch der Rechtsstreit zu einer abschließenden Entscheidung geführt wird (vgl. BGH, Urteile vom 21. September
  320. 1994 - XII ZR 77/93, BGHZ 127, 138, 142 und vom 8. Juli 2008 - XI ZR 230/07,
  321. WM 2008, 1731 Rn. 25; jeweils mwN). Zudem handelt es sich bei der Bürgschaftsurkunde um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305
  322. Abs. 1 BGB, die über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung
  323. finden und die der Senat deshalb selbst auslegen kann (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 28 mwN).
  324. 28
  325. a) Den Parteien des Bürgschaftsvertrags steht es frei, statt des Entstehens der Hauptforderung deren Geltendmachung als Fälligkeitsvoraussetzung
  326. der Bürgschaft zu vereinbaren (Senatsurteile vom 29. Januar 2008 - XI ZR
  327. 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 25, vom 11. März 2008 - XI ZR 81/07, juris Rn. 12
  328. und vom 8. Juli 2008 - XI ZR 230/07, WM 2008, 1731 Rn. 24 ff.; vgl. auch BGH,
  329. Urteil vom 18. Dezember 1980 - VII ZR 41/80, BGHZ 79, 176, 178 f.). Eine solche Vereinbarung haben die Parteien weder ausdrücklich noch in schlüssiger
  330. Weise getroffen. Der Wortlaut der formularmäßigen Bürgschaftsurkunde vom
  331. 16. Oktober 2001 liefert dafür keinen Anhalt.
  332. 29
  333. b) Eine von den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarung
  334. der Parteien zur Fälligkeit der Bürgschaft ergibt sich auch nicht aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist durch die im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung erfolgte Neugestaltung der Verjährungsregelung keine verdeckte Regelungslücke entstanden,
  335. die die Parteien zwar nicht erkannt haben, die sie aber geschlossen hätten,
  336. wenn ihnen die Lücke bekannt gewesen wäre (vgl. BGH, Urteile vom
  337. - 17 -
  338. 21. September 1994 - XII ZR 77/93, BGHZ 127, 138, 142 und vom 24. November 1998 - X ZR 21/97, NJW-RR 1999, 923, 924; jeweils mwN). Vielmehr sind
  339. die Folgen der neuen Verjährungsvorschriften für bestehende Rechtsverhältnisse in Übergangsvorschriften detailliert geregelt (vgl. Art. 229 § 6 EGBGB).
  340. 30
  341. Ebenso rechtfertigt der fehlende Gleichlauf zwischen der Verjährungsfrist
  342. der Gewährleistungsansprüche, die die Parteien mit 60 Monaten vereinbart haben, und der dreijährigen Regelverjährung nach § 195 BGB, die für die Bürgschaftsverpflichtung gilt, keine ergänzende Vertragsauslegung (vgl. Schulze/
  343. Hagen in Kniffka u.a., ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht 2012, Stand:
  344. 30.03.2012, § 634a BGB Rn. 262; aA OLG Karlsruhe, WM 2008, 631; Joussen
  345. in Ingenstau/Korbion, VOB, 17. Aufl., VOB/B § 17 Abs. 4 Rn. 107). Auch in Fällen, in denen die Verjährungsfrist der gesicherten Schuld über die regelmäßige
  346. Verjährungsfrist von drei Jahren hinausreicht, hat der Bürgschaftsgläubiger ausreichend Gelegenheit, verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen (vgl.
  347. OLG Frankfurt/Main, OLGR Frankfurt 2008, 573, 574; OLG Brandenburg, Urteil
  348. vom 14. Juni 2007 - 12 U 216/06, juris Rn. 37 ff.). Dies belastet ihn nicht unbillig, da er im Einzelfall zusätzlich durch den nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hinausgeschobenen Fristbeginn geschützt wird (Senatsurteil vom 28. Februar
  349. 2012 - XI ZR 192/11, WM 2012, 688 Rn. 18 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom
  350. 18. Juni 2009 - VII ZR 167/08, BGHZ 181, 310 Rn. 17).
  351. 31
  352. 5. Danach entstand die gegen die Beklagte gerichtete Bürgschaftsforderung des Klägers mit Ablauf der in dem Aufforderungsschreiben vom 29. Oktober 2003 gegenüber dem Insolvenzverwalter der Hauptschuldnerin gesetzten
  353. Nachbesserungsfrist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) lagen zu diesem Zeitpunkt ebenfalls vor, da der Kläger Kenntnis von der Beklagten als Schuldnerin
  354. der Bürgschaftsverpflichtung und ebenso von den Umständen hatte, die sowohl
  355. - 18 -
  356. die Fälligkeit des auf Geld gerichteten Gewährleistungsanspruchs als auch der
  357. Bürgschaftsverpflichtung begründeten. Nach dem unstreitigen Sachverhalt waren ihm insbesondere die Mängel der Fassade bekannt. Er hatte zur Ursachenklärung noch vor dem an die Auftragnehmerin gerichteten Aufforderungsschreiben ein Sachverständigengutachten eingeholt. Damit war der Kläger
  358. - anders als die Revisionserwiderung meint - auch zur ordnungsgemäßen Geltendmachung dieses Baumangels in einem Klageverfahren in der Lage, da dies
  359. keine vorprozessuale Klärung der Mangelursachen erfordert, sondern eine objektive Beschreibung der Mangelerscheinungen ausreicht (vgl. BGH, Beschluss
  360. vom 24. November 2005 - VII ZB 76/05, NJW-RR 2006, 212 Rn. 18; BGH, Urteil vom 17. Januar 2002 - VII ZR 488/00, NZBau 2002, 335, 336).
  361. 32
  362. Nichts anderes würden gelten, wenn - wovon das Berufungsgericht nicht
  363. ausgeht - in der Klageforderung Ansprüche auf Schadensersatz enthalten sein
  364. sollten, da diese vor der Fristsetzung zur Nachbesserung mit Eintritt des Schadens an der Fassade im Sommer und Herbst 2003 entstanden wären.
  365. III.
  366. 33
  367. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als
  368. richtig (§ 561 ZPO). Anders als die Revisionserwiderung meint, war es dem
  369. Kläger nicht unzumutbar, in unverjährter Zeit die Verjährung hemmende Maßnahmen einzuleiten.
  370. 34
  371. 1. Der Verjährungsbeginn setzt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen voraus.
  372. Es ist nicht erforderlich, dass der Anspruchsberechtigte aus den ihm bekannten
  373. Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Kenntnis liegt damit vor,
  374. - 19 -
  375. wenn dem Forderungsinhaber die Erhebung einer Klage, sei es auch nur in der
  376. Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos
  377. möglich ist (BGH, Urteile vom 6. Mai 1993 - III ZR 2/92, BGHZ 122, 317, 324 f.,
  378. vom 2. April 1998 - III ZR 309/96, BGHZ 138, 247, 252, vom 11. Januar 2007
  379. - III ZR 302/05, BGHZ 170, 260 Rn. 28, vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM
  380. 2008, 1346 Rn. 27 und vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07, WM 2008,
  381. 2155 Rn. 15).
  382. 35
  383. Rechtsunkenntnis kann allerdings ausnahmsweise bei zweifelhafter oder
  384. unübersichtlicher Rechtslage den Verjährungsbeginn hinausschieben (BGH,
  385. Urteile vom 25. Februar 1999 - IX ZR 30/98, WM 1999, 974, 975, vom 14. Juli
  386. 2010 - IV ZR 208/09, WM 2010, 1708 Rn. 20, vom 23. September 2008 - XI ZR
  387. 262/07, WM 2008, 2155 Rn. 15 und vom 15. Juni 2010 - XI ZR 309/09, WM
  388. 2010, 1399 Rn. 12). Ob eine für den Beginn der Verjährung hinreichende
  389. Kenntnis vorhanden ist, ist zwar im Wesentlichen eine Tatfrage, wird aber auch
  390. durch den der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegenden Begriff der
  391. Zumutbarkeit der Klageerhebung geprägt (BGH, Urteile vom 6. Mai 1993
  392. - III ZR 2/92, BGHZ 122, 317, 326, vom 2. April 1998 - III ZR 309/96, BGHZ
  393. 138, 247, 253, vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07, WM 2008, 2155
  394. Rn. 17 und vom 15. Juni 2010 - XI ZR 309/09, WM 2010, 1399 Rn. 13).
  395. 36
  396. 2. Nach diesen Grundsätzen waren mit Ablauf der vom Kläger für die
  397. Nachbesserung gesetzten Frist die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erfüllt. Das Berufungsgericht hat
  398. dazu auf Grundlage seiner Auffassung konsequent keine Feststellungen getroffen. Nach Auffassung des Senats war es dem Kläger nicht unzumutbar, binnen
  399. der nachfolgenden drei Kalenderjahre die Verjährung hemmende Maßnahmen
  400. zu ergreifen.
  401. - 20 -
  402. 37
  403. a) Es trifft zwar zu, dass bis zum Urteil des erkennenden Senats vom
  404. 29. Januar 2008 (XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 22 ff.) umstritten war, ob
  405. der Anspruch aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft mit Fälligkeit der gesicherten Forderung oder erst nach einer zusätzlichen Leistungsaufforderung
  406. des Gläubigers entsteht. Dasselbe gilt, wie oben näher dargestellt, für die hier
  407. entschiedene Frage, ob eine Bürgschaft, die einen auf Geld gerichteten Gewährleistungsanspruch nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B sichert, erst mit dessen
  408. Geltendmachung entsteht. Jedoch war es dem Kläger wegen dieser Rechtsunsicherheit nicht unzumutbar, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, die die Verjährung gehemmt hätten. Anders als in Fällen, in denen die umstrittene Rechtsfrage die Person des richtigen Anspruchsgegners (vgl. BGH, Urteil vom
  409. 25. Februar 1999 - IX ZR 30/98, WM 1999, 974, 975; vgl. dazu auch Bitter/
  410. Alles, NJW 2011, 2081, 2083 f.) oder das Bestehen eines Anspruchs betrifft
  411. (vgl. Senatsurteile vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07, WM 2008, 2155
  412. Rn. 19 und vom 7. Dezember 2010 - XI ZR 348/09, NJW 2011, 1278 Rn. 21),
  413. musste der Kläger nicht zwischen sich gegenseitig ausschließenden Wegen der
  414. Rechtsverfolgung wählen und war damit auch nicht zwangsläufig mit einem
  415. - möglicherweise unzumutbaren - Kostenrisiko belastet. Denn aus Sicht des
  416. Klägers war nach dem Meinungsstreit in Rechtsprechung und Literatur lediglich
  417. unsicher, ob er die Verjährung hemmende Maßnahmen bereits innerhalb von
  418. drei auf die Fristsetzung zur Nachbesserung folgenden Kalenderjahren ergreifen musste oder den Beginn der Verjährungsfrist dadurch hinausschieben konnte, dass er von einer - bezifferten - Geltendmachung seiner Ansprüche zunächst absah. In jedem Fall stand ihm danach der Weg offen, in den ersten drei
  419. Kalenderjahren nach Fristsetzung durch Inanspruchnahme der Beklagten als
  420. Bürgin eine Hemmung der Verjährung herbeizuführen. Dass ihm dies aus besonderen Gründen unzumutbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
  421. - 21 -
  422. 38
  423. b) Dass ein Oberlandesgericht (OLG Köln, WM 2006, 1248, 1249 f.) in
  424. einer vergleichbaren Fallgestaltung die vorsorglich von einem Auftraggeber gegen den Gewährleistungsbürgen erhobene Feststellungsklage mangels Rechtsschutzbedürfnis abgewiesen hat, beruht auf dem hinzunehmenden allgemeinen
  425. Risiko, dass die Rechtslage in den Tatsacheninstanzen unterschiedlich gesehen wird (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2008 - III ZR 132/08, WM 2009,
  426. 566 Rn. 14). Ohnehin hätte der Kläger die Hemmung der Verjährung ebenso
  427. durch eine Klage gegen die Bürgin auf Vorschuss für die Ersatzvornahme zur
  428. Mangelbeseitigung oder auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten herbeiführen
  429. können.
  430. 39
  431. c) Nach Ablauf der Frist zur Nachbesserung stand für den Kläger nicht
  432. infrage, dass er die Verjährung seiner Bürgschaftsansprüche jedenfalls durch
  433. Klageerhebung in den ersten drei Kalenderjahren nach Fristsetzung zur Mangelbeseitigung hemmen konnte. Wenn der Kläger diesen unabhängig vom vorliegenden Meinungsstreit in Rechtsprechung und Literatur eröffneten Weg nicht
  434. einschlägt, um vermeintliche andere Rechte zu wahren oder wirtschaftliche Vorteile zu nutzen, so hindert dies den Verjährungsbeginn nicht (vgl. Senat, Urteil
  435. vom 20. Januar 2009 - XI ZR 504/07, WM 2009, 506 Rn. 49).
  436. - 22 -
  437. IV.
  438. 40
  439. Das angefochtene Urteil war demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
  440. Da keine weiteren Feststellungen zu treffen waren, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Berufung des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil zurückweisen.
  441. Joeres
  442. Grüneberg
  443. Pamp
  444. Maihold
  445. Menges
  446. Vorinstanzen:
  447. LG Wiesbaden, Entscheidung vom 05.02.2010 - 10 O 67/09 OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 04.01.2011 - 8 U 47/10 -