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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. Xa ARZ 167/09
  4. vom
  5. 30. Juli 2009
  6. in dem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren
  7. Nachschlagewerk:
  8. BGHZ:
  9. BGHR:
  10. ja
  11. nein
  12. ja
  13. ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6; GVG § 17a Abs. 2 Satz 3
  14. Hat ein Gericht in einem Prozesskostenhilfeverfahren die Unzulässigkeit des
  15. Rechtswegs ausgesprochen und die Sache an ein anderes Gericht verwiesen,
  16. ist es dem anderen Gericht verwehrt, die Rechtswegzuständigkeit im Rahmen
  17. der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch abweichend zu beurteilen (ebenso BAG, Beschl. v. 27.10.1992 - 5 AS 5/92, NJW 1993, 751, 752).
  18. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2009 - Xa ARZ 167/09 - LG Mühlhausen
  19. AG Nordhausen
  20. VG Weimar
  21. -2-
  22. Der Xa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Juli 2009 durch die
  23. Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und
  24. die Richter Dr. Berger und Dr. Bacher
  25. beschlossen:
  26. Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Nordhausen.
  27. Gründe:
  28. 1
  29. I.
  30. Der Antragsteller hat unter Vorlage eines Klageentwurfs Prozess-
  31. kostenhilfe für eine Klage gegen das Landratsamt …
  32. beantragt. Mit
  33. der beabsichtigten Klage will er dem Beklagten gerichtlich verbieten lassen,
  34. sein Grundstück zu betreten, und den Beklagten und dessen Mitarbeiter dazu
  35. verurteilen lassen, bei einem Zutrittserfordernis auf Grundlage hoheitlicher
  36. Rechte bestimmte, im Klageantrag näher bezeichnete Formalien einzuhalten.
  37. 2
  38. Das Verwaltungsgericht Weimar hat nach Zustellung des Prozesskostenhilfegesuchs und Anhörung beider Parteien den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht
  39. Nordhausen verwiesen. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von
  40. Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die
  41. beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine Aussicht auf Erfolg, weil das Amtsgericht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zuständig sei.
  42. Darüber hinaus sei die beabsichtigte Klage unbegründet. Es gebe zivilrechtlich
  43. keine Anspruchsgrundlage dafür, ein bestimmtes Behördenhandeln zu erzwingen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist erfolglos geblieben. Das Landgericht hat in der Beschwerdeentscheidung ausge-
  44. -3-
  45. führt, das Amtsgericht habe seine Zuständigkeit zu Recht verneint. Ob dem Antragsteller Ansprüche aus § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG zustünden, könne dahingestellt bleiben; für eine entsprechende Klage sei das Landgericht ausschließlich zuständig.
  46. 3
  47. Nach Zustellung der Beschwerdeentscheidung hat der Antragsteller beim
  48. Landgericht beantragt, die Sache gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Diesem Begehren hat das Landgericht entsprochen.
  49. 4
  50. II.
  51. Der Antrag auf gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit ist zuläs-
  52. sig. Er führt in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Bestimmung des Amtsgerichts Nordhausen als zuständiges Gericht für die inhaltliche Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch.
  53. 5
  54. 1.
  55. Der Antrag auf Bestimmung der Zuständigkeit ist in entsprechender
  56. Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO - ausnahmsweise - zulässig.
  57. 6
  58. a)
  59. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern
  60. zwei Gerichte aus unterschiedlichen Rechtswegen ihre Zuständigkeit verneint
  61. haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten
  62. Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGH, Beschl. v.
  63. 26.07.2001 - X ARZ 69/01, NJW 2001, 3631, 3632; BAG, Beschl. v. 27.10.1992
  64. - 5 AS 5/92, NJW 1993, 751).
  65. 7
  66. b)
  67. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die vorangegangenen
  68. Entscheidungen über die Zuständigkeit im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens ergangen sind. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ermöglicht die Entscheidung
  69. eines negativen Kompetenzkonfliktes auch im Verfahren wegen der Gewährung
  70. von Prozesskostenhilfe vor Rechtshängigkeit der Hauptsache, sofern das Verfahren wie hier durch Mitteilung der Antragsschrift an den Gegner in Gang ge-
  71. -4-
  72. setzt worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 09.03.1994 - XII ARZ 8/94, NJW-RR
  73. 1994, 706 m.w.N.).
  74. 8
  75. c)
  76. Einer Bestimmung des zuständigen Gerichts steht auch nicht entge-
  77. gen, dass es im Streitfall um die Zulässigkeit des Rechtswegs geht.
  78. 9
  79. Ein nach § 17a Abs. 2 GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht
  80. den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein
  81. anderes Gericht verwiesen hat, ist allerdings einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er rechtskräftig geworden ist. Auch wenn sich das Gericht, an
  82. das die Sache verwiesen wurde, an den Verweisungsbeschluss nicht für gebunden hält, kommt eine Zuständigkeitsbestimmung analog § 36 Nr. 6 ZPO
  83. grundsätzlich nicht in Betracht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es innerhalb
  84. eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung von rechtskräftigen
  85. Verweisungsbeschlüssen kommt und keines der in Frage kommenden Gerichte
  86. bereit ist, die Sache zu bearbeiten (BGH, Beschl. v. 26.07.2001 - X ARZ 69/01,
  87. NJW 2001, 3631) oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist
  88. (BGH, Beschl. v. 13.11.2001 - X ARZ 266/01, NJW-RR 2002, 713; ebenso
  89. BAG, Beschl. v. 28.02.2006 - 5 AS 19/05, NJW 2006, 1372 Tz. 8).
  90. 10
  91. Im vorliegenden Fall haben sowohl das Verwaltungsgericht als auch das
  92. Amtsgericht und das Landgericht eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt. Zwar hat das Amtsgericht formal über das Prozesskostenhilfegesuch
  93. entschieden. Die von ihm ausgesprochene Ablehnung dieses Gesuchs beschränkt sich jedoch auf eine Prüfung der bereits vom Verwaltungsgericht - mit
  94. abweichendem Ergebnis - behandelten Zuständigkeitsfrage. Eine Entscheidung
  95. über die sachlichen Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage steht damit
  96. noch aus. Sie kann auch nicht darin gesehen werden, dass das Amtsgericht
  97. -5-
  98. das Klagebegehren in einer Hilfserwägung als unbegründet bezeichnet hat. Das
  99. Landgericht hat seine Beschwerdeentscheidung nicht auf diesen Gesichtspunkt
  100. gestützt, sondern lediglich über die Frage der Zuständigkeit entschieden.
  101. Bliebe es dabei, hätte der Antragsteller keine zumutbare Möglichkeit, eine
  102. 11
  103. sachliche Entscheidung über sein Prozesskostenhilfegesuch zu erreichen. Zwar
  104. erwächst die Versagung von Prozesskostenhilfe nicht in Rechtskraft (BGH,
  105. Beschl. v. 03.03.2004 - IV ZB 43/03, NJW 2004, 1805, 1806; BVerfG, Beschl. v.
  106. 15.05.2007 - 1 BvR 2347/05, WM 2007, 1170 Tz. 13), so dass der Antragsteller
  107. nicht gehindert ist, einen erneuten Antrag beim Verwaltungsgericht oder beim
  108. Amtsgericht zu stellen. Angesichts des bisherigen Verfahrensverlaufs erscheint
  109. es aber unwahrscheinlich, dass die genannten Gerichte bei der Prüfung eines
  110. neuen Gesuchs von ihrer bisherigen Auffassung abrücken würden.
  111. 12
  112. d)
  113. Alle vorangegangenen Entscheidungen sind rechtskräftig und bin-
  114. dend.
  115. 13
  116. Der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts ist mangels rechtzeitiger Einlegung eines Rechtsmittels nicht mehr anfechtbar und gemäß § 17a
  117. Abs. 2 Satz 3 GVG für das Amtsgericht bindend. Dies gilt auch dann, wenn die
  118. Anwendung von § 17a GVG im Prozesskostenhilfeverfahren unzulässig wäre
  119. (dafür z.B. Zöller/Lückemann, ZPO, 27. Aufl., Vor §§ 17-16b GVG Rdn. 12; Musielak/Wittschier, ZPO, 6. Aufl., § 17 GVG Rdn. 3, je m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Eine Auslegung, nach der die genannte Bestimmung auch im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe anzuwenden ist, ist jedenfalls nicht unvertretbar (BGH, Beschl. v. 26.07.2001 - X ARZ 132/01, NJW
  120. 2001, 3633; vgl. auch BAG, Beschl. v. 27.10.1992 - 5 AS 5/92, NJW 1993, 751,
  121. 752).
  122. -6-
  123. 14
  124. Der Beschluss, mit dem das Amtsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt hat, ist nach der Zurückweisung der dagegen eingelegten
  125. Beschwerde ebenfalls nicht mehr anfechtbar. Eine Verneinung der Zuständigkeit im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegt auch dann vor, wenn ein Prozesskostenhilfegesuch mit der Begründung abgelehnt worden ist, die beabsichtigte
  126. Rechtsverfolgung habe mangels Zuständigkeit keine Aussicht auf Erfolg (BGH,
  127. Beschl. v. 09.02.1994 - XII ARZ 1/94, NJW 1994, 1416).
  128. 15
  129. 2.
  130. Als zuständiges Gericht für die inhaltliche Entscheidung über das
  131. Prozesskostenhilfegesuch ist das Amtsgericht Nordhausen zu bestimmen. Dies
  132. ergibt sich aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG. Diese Bindungswirkung gilt
  133. zwar nur für das Verfahren über die Gewährung der beantragten Prozesskostenhilfe, nicht auch für ein darauf folgendes Hauptsacheverfahren (vgl. BGH,
  134. Beschl. v. 18.04.1991 - I ARZ 748/90; BAG, Beschl. v. 27.10.1992 - 5 AS 5/92,
  135. NJW 1993, 751, 752). Sie stünde auch einer - nach dem Sach- und Streitstand
  136. kaum in Betracht kommenden - Versagung der Prozesskostenhilfe wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit nicht entgegen (vgl. BGH, Beschl. v. 13.07.2004
  137. - VI ZB 12/04, NJW-RR 2004, 1437). Aufgrund der Bindungswirkung ist es dem
  138. -7-
  139. Amtsgericht jedoch verwehrt, die Rechtswegzuständigkeit im Rahmen der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch abweichend zu beurteilen (BAG,
  140. aaO). Es hat deshalb inhaltlich über das Gesuch zu befinden und darf die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage nicht wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit verneinen.
  141. Meier-Beck
  142. Keukenschrijver
  143. Berger
  144. Mühlens
  145. Bacher
  146. Vorinstanz:
  147. LG Mühlhausen, Entscheidung vom 14.05.2009 - 1 T 29/09 -