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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. X ZR 69/10
  5. Verkündet am:
  6. 13. September 2011
  7. Anderer
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Diglycidverbindung
  19. PatG § 14
  20. Offenbart die Beschreibung eines Patents mehrere Möglichkeiten, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, ist jedoch nur eine dieser
  21. Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden, kann eine Verletzung des Patents mit äquivalenten Mitteln nur dann angenommen werden,
  22. wenn sich die abgewandelte Lösung in ihren spezifischen Wirkungen mit der
  23. unter Schutz gestellten Lösung deckt und sich in ähnlicher Weise wie diese Lösung von der nur in der Beschreibung, nicht aber im Patentanspruch aufgezeigten Lösungsvariante unterscheidet.
  24. BGH, Urteil vom 13. September 2011 - X ZR 69/10 - OLG Frankfurt/Main
  25. LG Frankfurt/Main
  26. -2-
  27. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
  28. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Schuster
  29. für Recht erkannt:
  30. Auf die Revision der Beklagten wird das am 15. April 2010 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
  31. aufgehoben, soweit darin zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
  32. Die Anschlussrevision der Kläger wird zurückgewiesen.
  33. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
  34. und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  35. Von Rechts wegen
  36. Tatbestand:
  37. 1
  38. Die Kläger nehmen die Beklagte aus einem Patentlizenzvertrag im Wege
  39. der Stufenklage auf Auskunft und Bucheinsicht sowie Zahlung der sich daraus
  40. ergebenden Lizenzgebühr in Anspruch.
  41. 2
  42. Der Kläger zu 1 ist Inhaber des deutschen Patents 36 17 672 (Lizenzpatents), das am 26. Mai 1986 angemeldet worden ist und ein Verfahren zur
  43. Herstellung eines Reagenz, ein danach hergestelltes Reagenz sowie dessen
  44. -3-
  45. Verwendung zur Bindung von Polymeren und Mikroorganismen aus wässrigen
  46. Lösungen betrifft. Als Erfinder sind der Kläger zu 1 und der Kläger zu 2 benannt. Der Hinweis auf die Erteilung des Lizenzpatents ist am 17. Februar 2000
  47. veröffentlicht worden. Das Schutzrecht ist am 26. Mai 2006 durch Zeitablauf
  48. erloschen.
  49. 3
  50. Die Patentansprüche 1, 8 und 9, auf die die übrigen Patentansprüche zurückbezogen sind, lauten:
  51. "1.
  52. Verfahren zur Herstellung eines Reagenz auf der Basis einer organischen
  53. oder Silica-Festphase zur Isolierung eines Polymers oder eines Mikroorganismus aus einer wässrigen Lösung in vitro und/oder ex vivo, dadurch gekennzeichnet, dass man
  54. (1)
  55. Silica durch Umsetzung mit einer epoxyhaltigen Silylverbindung oder
  56. einem mercaptogruppenhaltigen Silan sowie Oxypropyldiglycidäther
  57. silanisiert bzw. die organische Festphase durch Umsetzung mit einer
  58. Diglycidverbindung epoxidiert;
  59. (2)
  60. das erhaltene Produkt mit einem amino- und/oder carhoxylhaltigen
  61. Monomer, Oligomer oder Polymer umsetzt und
  62. (3)
  63. das erhaltene Reaktionsprodukt mit einer Polycarbonsäure oder
  64. einem Derivat derselben, das in die freie Säure überführt werden
  65. kann, umsetzt.
  66. 8.
  67. Reagenz zum Zwecke der Isolation eines Polymers oder eines Mikroorganismus aus einer wässrigen Lösung in vitro oder ex vivo, herstellbar nach
  68. einem der Verfahren gemäß den Ansprüchen 1 bis 7.
  69. 9.
  70. Verwendung des Reagenz gemäß Anspruch 8 zur Eliminierung von Biopolymeren oder Mikroorganismen aus einer wässrigen Lösung durch Adsorption an dieses Reagenz."
  71. -4-
  72. 4
  73. Mit Vertrag vom 15. Dezember 1987 erteilten die Kläger der Beklagten
  74. eine ausschließliche Lizenz an dem Gegenstand des Schutzrechts. Die Beklagte verpflichtete sich in dem Vertrag zur Zahlung einer vom Nettoverkaufserlös
  75. abhängigen Lizenzgebühr.
  76. 5
  77. Die Kläger machen geltend, die Beklagte mache von dem patentgemäßen
  78. Verfahren bei der Herstellung des Produkts D.
  79. wortsinngemäß, jedenfalls aber äquivalent Gebrauch.
  80. 6
  81. Das Landgericht hat die Beklagte ohne Beweisaufnahme durch Teilurteil
  82. antragsgemäß zur Erteilung der begehrten Auskunft sowie zur Gestattung der
  83. Bucheinsicht durch einen vereidigten Buchprüfer verurteilt. Der Tenor des erstinstanzlichen Urteils lautet hinsichtlich der Verurteilung zur Auskunft wie folgt:
  84. "Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern Auskunft darüber zu erteilen, welche Nettoverkaufserlöse sie in den Jahren 1988 bis 6. November 2002 mit Reagenzien
  85. zum Zwecke der Isolation eines Polymers oder eines Mikroorganismus ex-vivo erzielt hat, die nach einem der Verfahren gemäß den Ansprüchen 1 bis 7 des Patents DE 36 17 672 herstellbar waren und/oder hergestellt worden sind."
  86. 7
  87. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten nach Einholung
  88. eines Sachverständigengutachtens mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die
  89. Verurteilung zur Auskunfterteilung wie folgt ergänzt wird:
  90. "wobei als Vorprodukt eine organische Festphase eingesetzt worden ist, die den
  91. Stoff
  92. E.
  93. [enthält],
  94. insbesondere,
  95. welche
  96. Netto-
  97. verkaufserlöse sie in den Jahren 1988 bis 6. November 2002 mit dem Produkt
  98. D. erzielt hat."
  99. 8
  100. Die Anschlussberufung der Kläger, die auf eine Verurteilung auch hinsichtlich des weiteren Zeitraums bis zum Erlöschen des Lizenzpatents gerichtet war,
  101. hat das Berufungsgericht als unzulässig verworfen.
  102. -5-
  103. 9
  104. Gegen das Berufungsurteil richten sich die Beklagte mit der vom Senat
  105. zugelassenen Revision und die Kläger, deren Nichtzulassungsbeschwerde der
  106. Senat zurückgewiesen hat, mit der Anschlussrevision. Beide Parteien verfolgen
  107. ihr zweitinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter.
  108. Entscheidungsgründe:
  109. 10
  110. Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der
  111. Sache an das Berufungsgericht. Die Anschlussrevision der Kläger ist unbegründet.
  112. I.
  113. 11
  114. Das Lizenzpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Rea-
  115. genz, ein nach diesem Verfahren hergestelltes Reagenz sowie dessen Verwendung zur Bindung von Polymeren und Mikroorganismen aus wässrigen Lösungen.
  116. 12
  117. 1.
  118. Materialien, mit denen Biopolymere oder Mikroorganismen aus einer
  119. Lösung isoliert werden können, finden nach den Ausführungen in der Lizenzpatentschrift nicht nur in der biochemischen und medizinischen Forschung,
  120. sondern auch in der medizinischen Therapie Anwendung, zum Beispiel bei
  121. extrakorporalen Immunperfusionsverfahren, bei denen arzneimittelresistente
  122. Krankheitserreger aus menschlichem Plasma entfernt werden. Dieser Einsatzzweck stellt hohe Anforderungen an die Qualität des Materials. Dieses muss
  123. möglichst selektiv wirken und eine hohe Bindungskapazität aufweisen. Ferner
  124. darf es keine toxischen Wirkungen zeitigen und keine unerwünschten physiologischen Schutzmechanismen auslösen.
  125. -6-
  126. 13
  127. In der Lizenzpatentschrift wird ausgeführt, Festphasen auf der Basis von
  128. Silica seien für Trenn- und Extraktionszwecke in vitro geeignet, aber für die Anwendung in einem extrakorporalen Perfusionssystem nicht verwendbar, weil
  129. durch Silanolgruppen das Gerinnungssystem, das Complementsystem und
  130. Blutplättchen aktiviert würden. Versuche, die Thrombogenität durch kovalente
  131. Bindung von Heparin oder ähnlichen Substanzen zu beseitigen, hätten nur zu
  132. unzureichenden Erfolgen geführt.
  133. 14
  134. Das Lizenzpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem,
  135. ein Verfahren zur Herstellung eines Materials zur Verfügung zu stellen, das die
  136. vorteilhaften Eigenschaften von Silica mit den spezifischen Bindungseigenschaften von Heparin verbindet und nicht thrombogen ist.
  137. 15
  138. 2.
  139. Zur Lösung des Problems schlägt das Lizenzpatent in Patent-
  140. anspruch 1 ein Verfahren vor, bei dem wahlweise eine Silica-Festphase oder
  141. eine organische Festphase in bestimmter Weise verarbeitet wird. Für die im
  142. vorliegenden Zusammenhang allein interessierenden organischen Festphasen
  143. weist das patentgemäße Verfahren folgende Merkmale auf:
  144. 1.
  145. Das Verfahren dient der Herstellung eines Reagenz
  146. a)
  147. auf der Basis einer organischen Festphase
  148. b)
  149. zur Isolierung eines Polymers oder eines Mikroorganismus
  150. c)
  151. aus einer wässrigen Lösung in vitro und/oder ex vivo.
  152. 2.
  153. [Betrifft nur Reagenzien auf Basis einer Silica-Festphase]
  154. 3.
  155. Die organische Festphase
  156. a)
  157. wird epoxidiert,
  158. b)
  159. und zwar durch Umsetzung mit einer Diglycidverbindung.
  160. -7-
  161. 4.
  162. Das erhaltene Produkt wird mit einem amino- und/oder carhoxylhaltigen Monomer, Oligomer oder Polymer umgesetzt.
  163. 5.
  164. Das erhaltene Reaktionsprodukt wird mit einer Polycarbonsäure
  165. oder einem Derivat derselben, das in die freie Säure überführt
  166. werden kann, umgesetzt.
  167. 16
  168. Patentanspruch 8 des Lizenzpatents betrifft ein Reagenz, das nach diesem Verfahren hergestellt werden kann, Patentanspruch 9 die Verwendung
  169. eines solchen Reagenz zur Eliminierung von Biopolymeren oder Mikroorganismen aus einer wässrigen Lösung durch Adsorption.
  170. 17
  171. 3.
  172. Das patentgemäße Verfahren besteht aus drei Schritten, die in den
  173. Merkmalen 3, 4 und 5 definiert sind.
  174. 18
  175. a)
  176. In dem in Merkmal 3 a definierten Verfahrensschritt wird die organi-
  177. sche Festphase epoxidiert, d.h. mit einer Epoxidgruppe versehen. Eine Epoxidgruppe besteht aus einem Ring aus zwei Kohlenstoffatomen und einem Sauerstoffatom. Sie ist in hohem Maße reaktionsfähig und erleichtert deshalb die Anbindung weiterer Moleküle.
  178. 19
  179. Gemäß Merkmal 3 b erfolgt die Epoxidierung mittels einer Diglycidverbindung. Dies ist eine Verbindung mit zwei Glycidgruppen. Eine Glycidgruppe
  180. (auch als Glycidylgruppe bezeichnet) besteht aus einer Epoxidgruppe und je
  181. einem weiteren Kohlenstoff- und Sauerstoffatom:
  182. -8-
  183. 20
  184. Eine dieser Glycidgruppen wird bei dem Verfahrensschritt gemäß Merkmal 3 dafür genutzt, die Verbindung an die organische Festphase anzukoppeln.
  185. Die zweite Glycidgruppe bleibt erhalten und steht für die Anbindung weiterer
  186. Verbindungen zur Verfügung.
  187. 21
  188. b)
  189. In dem in Merkmal 4 definierten Verfahrensschritt wird ein Stoff, der
  190. eine Aminogruppe (Stickstoff) oder eine Carboxylgruppe (COOH) enthält, an die
  191. verbleibende Glycidgruppe angekoppelt.
  192. 22
  193. c)
  194. In dem in Merkmal 5 definierten Verfahrensschritt wird an die Amino-
  195. bzw. Carboxylgruppe eine Polycarbonsäure, d.h. eine Verbindung mit mehreren
  196. Carboxylgruppen angekoppelt. Diese Verbindung hat die Funktion des Liganden, also des Stoffs, an den der zu isolierende Stoff angebunden wird. Als geeignete Polycarbonsäure wird in Ausführungsbeispiel 9 der Lizenzpatentschrift
  197. unter anderem Heparin genannt.
  198. 23
  199. d)
  200. Die patentgemäße Abfolge der drei Verfahrensschritte bewirkt, dass
  201. der Ligand nicht unmittelbar an die Glycidgruppe angekoppelt wird, sondern die
  202. in Merkmal 4 beschriebene Amino- oder Carboxylgruppe als Verbindung zwischen diesen beiden Komponenten dient. Dies führt nach den insoweit nicht
  203. angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts zu einer Verbesserung
  204. der Blutverträglichkeit.
  205. 24
  206. II.
  207. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie
  208. folgt begründet:
  209. -9-
  210. 25
  211. Bei der Herstellung des Produktes D. werde nicht nur von den unstreitig
  212. verwirklichten Merkmalen 1, 4 und 5 Gebrauch gemacht, sondern auch von
  213. Merkmal 3. Dieses sei zwar nicht wortsinngemäß, wohl aber äquivalent verwirklicht.
  214. 26
  215. Für die Bestimmung des Sinngehalts des dreistufigen Verfahrens gemäß
  216. Patentanspruch 1 ließen sich aus der Beschreibung der Lizenzpatentschrift zuverlässige Kriterien nicht entnehmen. Die Beschreibung sei unverändert aus der
  217. Offenlegungsschrift übernommen, die jedoch das in Rede stehende Verfahren
  218. noch nicht vorgeschlagen habe. Der Sinngehalt von Patentanspruch 1 lasse
  219. sich nur aus sich selbst heraus bestimmen.
  220. 27
  221. Nach den fundierten Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen
  222. sei für den Durchschnittsfachmann, einen Diplomchemiker mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Herstellung und Anwendung von Produkten für die Chromatographie oder Biotechnologie, neu und überraschend, dass die Aktivierung
  223. durch die eingeführte Epoxidgruppe nicht direkt zur Kopplung des biospezifischen Affinitätsliganden genutzt werde, sondern die endgültige Anbindung des
  224. biospezifischen Liganden erst in einem dritten Schritt durch Umsetzung des
  225. bevorzugt mit N-Ethoxycarbonyl-2-Ethoxy-1,2-Dihydrochinolin (EDDQ) aktivierten Substrats erfolge. Diese Aktivierungsmaßnahmen führten zu der vom Lizenzpatent angestrebten unspezifischen Bindung von Begleitproteinen aus dem
  226. Plasma und damit zu einer Verbesserung der Blutverträglichkeit. Dem Verfahrensschritt 3 komme demgegenüber nur die Funktion zu, in einem ersten Schritt
  227. eine freie reaktive Glycidgruppe an der Festphase zur Verfügung zu stellen, an
  228. die in einem zweiten Schritt das aminohaltige Monomer angekuppelt werde. Die
  229. Verwendung der Diglycidverbindung gemäß Merkmal 3 habe keine weitergehenden Auswirkungen auf die Qualität des Produkts.
  230. - 10 -
  231. 28
  232. Bei der Herstellung des Produkts D.
  233. werde Merkmal 3 nicht wortsinn-
  234. gemäß verwirklicht. Es werde eine organische Festphase eingesetzt, die dem
  235. Stoff
  236. E.
  237. entspreche.
  238. Bei
  239. dessen
  240. Her-
  241. stellung erfolge die Epoxidierung nicht durch Umsetzung mit einer Diglicydverbindung, sondern durch Copolymerisation von Verbindungen, die nur eine Glycidgruppe pro Reagenzmolekül enthielten. Damit werde Merkmal 3 aber äquivalent verwirklicht. Beim Einbau einer freien Glycidgruppe in die Festphase durch
  242. Copolymerisation würden keine anderen Wirkungen erzielt als bei der patentgemäßen Lösung, bei der eine Glycidgruppe der Diglycidverbindung an die
  243. Festphase angekoppelt werde, während die andere Glycidgruppe frei bleibe
  244. und zur Anbindung der Aminogruppe zur Verfügung gestellt werde. Die Verwendung einer Festphase mit einer freien Glycidgruppe sei nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen für den Fachmann
  245. naheliegend gewesen. Die Herstellung aktivierter Träger auf der Basis eines
  246. hydroxylhaltigen Trägers sei jedem Fachmann vertraut. Es sei daher nur eine
  247. Frage der Verfügbarkeit oder der Kosten des Grundmaterials, ob der Fachmann
  248. eine Umsetzung mit einer Diglycidverbindung durchführe oder auf eine Festphase mit bereits vorhandener reaktiver Glycidgruppe zurückgreife. Die Überlegungen, die der Fachmann habe anstellen müssen, um zu der zuletzt genannten Lösung zu gelangen, seien derart am Sinngehalt der im Lizenzpatent unter
  249. Schutz gestellten technischen Lehre orientiert, dass der Fachmann die abweichende Ausführung als der gegenständlichen Lösung gleichwertige in Betracht
  250. ziehe. Die technische Funktion des Merkmals 3 erschöpfe sich in der Befestigung der Aminogruppe an der Festphase. Der für die Erfindung wesentliche
  251. Schritt gemäß Merkmal 4 bestehe darin, dass die endgültige Anbindung des
  252. biospezifischen Liganden erst in einem dritten Schritt erfolge.
  253. III.
  254. 29
  255. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.
  256. - 11 -
  257. 30
  258. 1.
  259. Zu Unrecht rügt die Revision allerdings, das Berufungsgericht habe
  260. die Funktion eines gerichtlichen Sachverständigen im Patentverletzungsprozess
  261. verkannt und die Ansichten des im Streitfall beauftragten Sachverständigen ohne eigenständige Überprüfung des Auslegungsergebnisses sowie der zu Grunde gelegten rechtlichen Maßstäbe übernommen.
  262. 31
  263. Das Berufungsgericht hat die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung weitgehend übernommen. Hieraus kann entgegen der Auffassung der Revision nicht abgeleitet
  264. werden, dass es von einer eigenen Überprüfung und Beurteilung abgesehen
  265. hat. Das Berufungsgericht hat im angefochtenen Urteil die wesentlichen Gründe, die zu einer Bejahung der Äquivalenz geführt haben, im Einzelnen dargelegt. Diese Ausführungen enthalten keine Hinweise darauf, dass sich das Berufungsgericht an die Ausführungen des Sachverständigen gebunden gefühlt hat.
  266. Die angeführten Argumente belegen vielmehr, dass das Berufungsgericht die
  267. maßgeblichen Rechtsfragen eigenständig beurteilt und die Angaben des gerichtlichen Sachverständigen zu den technischen Grundlagen nicht ungeprüft
  268. übernommen hat.
  269. 32
  270. 2.
  271. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe bei der Auslegung des
  272. Lizenzpatents nicht auf den Sinngehalt der Patentansprüche, sondern auf einen
  273. allgemeinen Erfindungsgedanken abgestellt.
  274. 33
  275. Diese Rüge greift im Ergebnis durch.
  276. 34
  277. a)
  278. Zu Unrecht macht die Revision allerdings geltend, die vom Beru-
  279. fungsgericht zu Grunde gelegte Auffassung führe dazu, dass Merkmal 3 vollständig aufgegeben werde. Die beiden Teilmerkmale 3 a und 3 b werden nach
  280. den Feststellungen des Berufungsgerichts vielmehr durch andere Mittel ersetzt.
  281. - 12 -
  282. 35
  283. Nach den insoweit nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts wird die organische Festphase auch bei der in Streit stehenden Ausführungsform expoxidiert, wie dies in Merkmal 3 a vorgesehen ist. An die Stelle
  284. der in Merkmal 3 b vorgesehenen Umsetzung mit einer Diglycidverbindung tritt
  285. bei der in Streit stehenden Ausführungsform die Einbringung von Epoxidgruppen durch Copolymerisation. Dies unterscheidet sich vom wortsinngemäßen
  286. Verfahren zum einen dadurch, dass keine Diglycidverbindung eingesetzt wird,
  287. zum anderen dadurch, dass die Epoxidgruppen nicht erst im Wege der Umsetzung auf eine zuvor erstellte Festphase, sondern schon bei der Herstellung der
  288. Festphase in diese eingebracht werden. Beides hat das Berufungsgericht zutreffend nicht als Wegfall des Merkmals 3 b, sondern als Ersetzung dieses
  289. Merkmals durch andere Mittel angesehen.
  290. 36
  291. b)
  292. Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht habe bei der Prü-
  293. fung, ob diese Mittel gleichwirkend sind, fehlerhaft nicht auf die Wirkung der im
  294. Patentanspruch vorgesehenen Mittel im Kontext der Erfindung, sondern lediglich auf die Einzelfunktion des Merkmals 3 abgestellt.
  295. 37
  296. Auch diese Rüge ist unbegründet.
  297. 38
  298. (1)
  299. Das Berufungsgericht hat die erfindungsgemäße Wirkung des in
  300. Merkmal 3 vorgesehenen Verfahrensschrittes darin gesehen, dass eine freie
  301. reaktive Glycidgruppe an der Festphase zur Verfügung gestellt werde, an die im
  302. nächsten Schritt ein aminohaltiges Monomer angekuppelt werde. Dass auch die
  303. Anbindung an die Festphase mittels einer Glycidgruppe erfolge und deshalb
  304. eine Diglycidverbindung zum Einsatz komme, habe keine weitergehenden
  305. Auswirkungen auf die Qualität des verfahrensgemäß hergestellten Produkts.
  306. 39
  307. Damit hat das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend darauf abgestellt,
  308. welche Wirkungen der patentgemäßen Umsetzung mit einer Diglycidverbindung
  309. - 13 -
  310. im Kontext der Erfindung zukommen. Dass der Einsatz von Glycidgruppen zur
  311. Anbindung an die Festphase darüber hinaus noch andere Wirkungen hat, ist für
  312. die Frage der Gleichwirkung unerheblich, sofern diesen Wirkungen im Kontext
  313. der erfindungsgemäßen Lehre keine Bedeutung zukommt.
  314. 40
  315. (2)
  316. Das Berufungsgericht ist nach Befragung des gerichtlichen Sachver-
  317. ständigen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Epoxidierung durch Umsetzung
  318. mit einer Diglycidverbindung im Kontext der Erfindung keine weiteren Vorteile
  319. habe. Die gegen diese tatrichterliche Würdigung erhobenen Revisionsrügen hat
  320. der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird insoweit abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO).
  321. 41
  322. c)
  323. Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht habe den Grund-
  324. satz unberücksichtigt gelassen, dass Äquivalenz zu verneinen ist, wenn sich
  325. das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung beschränkt, als dies vom technischen Gehalt der Erfindung geboten wäre.
  326. 42
  327. Diese Rüge ist begründet.
  328. 43
  329. Das Berufungsgericht hat für die Frage, ob die Überlegungen, die der
  330. Fachmann anstellen musste, um zu der abgewandelten Lösung zu gelangen,
  331. am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind, darauf abgestellt, dass sich die technische Funktion des
  332. Merkmals 3 in der Befestigung der Aminogruppe an der Festphase beschränke,
  333. während der für die Erfindung wesentliche Schritt darin bestehe, die endgültige
  334. Anbindung des biospezifischen Liganden erst nach einem Zwischenschritt vorzunehmen. Damit hat es allein den technischen Sinngehalt der Erfindung berücksichtigt und sich nicht mit dem Umstand befasst, dass der Patentanspruch
  335. den in der Beschreibung des Lizenzpatents aufgezeigten technischen Gehalt
  336. der Erfindung insoweit nicht vollständig ausschöpft.
  337. - 14 -
  338. 44
  339. Nach der Rechtsprechung des Senats ist, wenn das Patent bei objektiver
  340. Betrachtung hinter dem weiter gehenden technischen Gehalt der Erfindung zurückbleibt, der Schutz auf das zu beschränken, was noch mit dem Sinngehalt
  341. seiner Patentansprüche in Beziehung zu setzen ist (BGH, Urteil vom 12. März
  342. 2002 - X ZR 135/01, GRUR 2002, 519, 523 - Schneidmesser II). Der Senat hat
  343. dies in einer nach dem angefochtenen Urteil ergangenen Entscheidung dahin
  344. präzisiert, dass eine Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Patents
  345. ausgeschlossen ist, wenn sie zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls
  346. auffindbar ist, der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie - aus
  347. welchen Gründen auch immer - nicht unter Schutz gestellt werden sollte, und
  348. dass eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln in der Regel zu verneinen
  349. ist, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist (BGH, Urteil vom
  350. 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, GRUR 2011, 701 Rn. 35 f. - Okklusionsvorrichtung).
  351. 45
  352. In der Beschreibung des Lizenzpatents wird im Zusammenhang mit Ausführungsbeispiel 9 dargelegt, alternativ zu der in diesem Beispiel beschriebenen
  353. Umsetzung einer organischen Festphase mit der Diglycidverbindung Oxypropyldiglycidether könne an eine amino- oder merkaptoderivatisierte Festphase, zum
  354. Beispiel ein Copolymer aus Äthylenglykol, Glycidmethacrylat und Erythroldimethylacrylat, die Polykarbonsäure gemäß den vorangegangenen Beispielen
  355. 1 und 5 kovalent gebunden werden. Das Landgericht hat daraus die Anregung
  356. entnommen, eine organische Festphase einzusetzen, in die Epoxid-Gruppen
  357. bereits im Wege der Copolymerisation eingearbeitet worden sind, so dass die in
  358. Merkmal 3 vorgesehene Umsetzung mit einer Diglycidverbindung entbehrlich
  359. ist. Das Berufungsgericht hat sich mit diesem Gesichtspunkt nicht befasst. Bei
  360. zutreffender Beurteilung hätte es ihn aufgreifen und zu der Schlussfolgerung
  361. gelangen müssen, dass die in Ausführungsbeispiel 9 aufgezeigte Bandbreite in
  362. - 15 -
  363. der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 gerade nicht in vollem Umfang aufgegriffen worden ist. Anders als das Landgericht gemeint hat, ist aus dem Umstand, dass in der Beschreibung zwei mögliche Wege zur Herstellung einer mit
  364. Epoxidgruppen versehenen organische Festphase aufgezeigt werden, in Patentanspruch 1 aber nur einer dieser Wege unter Schutz gestellt wird, zu folgern, dass der Schutz auf diese Variante beschränkt ist. Dies schließt nicht aus,
  365. dass die Verwirklichung mit abgewandelten Mitteln als gleichwertig anzusehen
  366. ist, sofern die Überlegungen, die erforderlich sind, um zu der abgewandelten
  367. Lösung zu gelangen, am Sinngehalt des Patentanspruchs orientiert sind. Der
  368. Sinngehalt von Patentanspruch 1 ist im Streitfall jedoch auf eine spezielle Art
  369. der Epoxidierung beschränkt, obwohl in der Beschreibung des Lizenzpatents
  370. andere Methoden aufgezeigt und als gleichermaßen geeignet eingestuft werden.
  371. 46
  372. Vor diesem Hintergrund steht es mit dem eingangs aufgezeigten Grundsatz nicht in Einklang, eine abgewandelte Lösung schon dann als gleichwertig
  373. anzusehen, wenn sie zur Lösung des der Erfindung zu Grunde liegenden technischen Problems in gleicher Weise geeignet ist. Erforderlich wäre vielmehr,
  374. dass sich die abgewandelte Lösung in ihren spezifischen Wirkungen mit der
  375. unter Schutz gestellten Lösung deckt und sich in ähnlicher Weise wie diese Lösung von der nur in der Beschreibung, nicht aber im Patentanspruch aufgezeigten Lösungsvariante unterscheidet. Aus den vom Berufungsgericht getroffenen
  376. Feststellungen ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt
  377. ist.
  378. 47
  379. 3.
  380. Die angefochtene Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Grün-
  381. den als zutreffend dar.
  382. 48
  383. Die Kläger haben in den Tatsacheninstanzen geltend gemacht, der Begriff
  384. "Diglycid" könne nach dem Sprachgebrauch der Lizenzpatentschrift nicht dahin
  385. - 16 -
  386. verstanden werden, dass eine so bezeichnete Substanz stets zwei Epoxidgruppen enthalten müsse. Dieser Auffassung hat sich weder das Landgericht noch
  387. das Berufungsgericht angeschlossen. Die Kläger haben keine Rechtsfehler
  388. aufgezeigt, die dieser Beurteilung entgegenstehen.
  389. 49
  390. Entgegen der Auffassung der Kläger stellt es keinen Verfahrensfehler dar,
  391. dass das Berufungsgericht den gerichtlichen Sachverständigen zu diesem
  392. Thema nicht mündlich befragt hat. Der gerichtliche Sachverständige hat die
  393. Frage in seinem schriftlichen Gutachten (Seite 7 unter 2) behandelt und eine
  394. wortsinngemäße Verwirklichung von Merkmal 3 b mit der Begründung verneint,
  395. die bei der Herstellung von D.
  396. verwendeten Reagenzien enthielten nur eine
  397. Glycidgruppe pro Reagenzmolekül. Das Berufungsgericht war nicht gehalten,
  398. den Sachverständigen hierzu von Amts wegen ergänzend mündlich zu befragen. Dass es den Klägern verwehrt hat, dem Sachverständigen zu diesem
  399. Thema Fragen zu stellen, ist weder gerügt noch sonst ersichtlich.
  400. 50
  401. 4.
  402. Der Senat kann nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst
  403. entscheiden.
  404. 51
  405. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen
  406. Feststellungen wäre die Klage abzuweisen. Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist das Merkmal 3 b weder wortsinngemäß noch äquivalent verwirklicht.
  407. Der Senat kann aber nicht ausschließen, dass das Berufungsgericht bei vollständig zutreffender rechtlicher Beurteilung zu zusätzlichen Feststellungen gelangt wäre, aus denen sich eine äquivalente Verwirklichung dieses Merkmals
  408. ergibt.
  409. 52
  410. Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein Rechtsstreit nur dann zur
  411. erstmaligen Prüfung einer äquivalenten Verletzung an das Berufungsgericht
  412. zurückzuverweisen, wenn der Kläger in der Revisionsinstanz aufzeigt, inwiefern
  413. - 17 -
  414. im wiedereröffneten Berufungsrechtszug tatsächliche Feststellungen zu erwarten sind, aus denen sich ergibt, dass die angegriffene Ausführungsform nach
  415. ihrer gegebenenfalls durch ergänzenden Tatsachenvortrag zu erläuternden tatsächlichen Ausgestaltung die Voraussetzungen der Äquivalenz erfüllt (BGH,
  416. Urteil vom 14. Dezember 2010 - X ZR 193/03, GRUR 2011, 313 Rn. 40 f.
  417. - Crimpwerkzeug IV). Dieser Grundsatz greift auch - und erst recht -, wenn das
  418. Berufungsgericht sich bereits mit der Frage der Äquivalenz befasst, diese aber
  419. unzutreffend beurteilt hat.
  420. 53
  421. Im Streitfall haben die Kläger hinreichend konkret aufgezeigt, dass weitere
  422. tatsächliche Feststellungen zu der Frage in Betracht kommen, ob die Verwendung von E.
  423. zu den in Ausführungsbeispiel 9 der Lizenzpatentschrift auf-
  424. gezeigten Verfahren gehört und deshalb grundsätzlich nicht als äquivalente
  425. Verwirklichung von Merkmal 3 b angesehen werden kann oder ob der Einsatz
  426. dieses Materials einen dritten Weg darstellt, der weder unter den Wortsinn von
  427. Patentanspruch 1 noch unter die in Ausführungsbeispiel 9 geschilderte Vorgehensweise fällt. Auch im zuletzt genannten Fall wäre eine äquivalente Verwirklichung von Merkmal 3 b zu verneinen, wenn der Einsatz von E.
  428. in seinen
  429. für die Erfindung relevanten Wirkungen im Wesentlichen gleich zu beurteilen
  430. wäre wie die in Ausführungsbeispiel 9 beschriebenen Verfahrensweisen. Äquivalenz käme aber in Betracht, wenn diese Wirkungen im Wesentlichen denjenigen glichen, die bei der Umsetzung mit einer Diglycidverbindung eintreten, so
  431. dass sich der von der Beklagten beschrittene Weg in ähnlicher Weise von dem
  432. in Ausführungsbeispiel 9 beschriebenen Verfahren unterschiede wie der in Patentanspruch 1 beanspruchte Weg.
  433. 54
  434. Den Klägern ist es aufgrund ihres bisherigen Vortrages nicht verwehrt, auf
  435. eine Aufklärung dieser Frage hinzuwirken. Sie haben zwar in den Vorinstanzen
  436. und noch in ihrer Erwiderung auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten geltend gemacht, den Darlegungen zu Ausführungsbeispiel 9 seien An-
  437. - 18 -
  438. haltspunkte dafür zu entnehmen, das im Patent beanspruchte Verfahren in
  439. Richtung auf den von der Beklagten eingeschlagenen Weg abzuwandeln. Diese
  440. Ausführungen beruhen aber auf der auch dem Urteil des Landgerichts zugrundeliegenden Prämisse, dass die in Ausführungsbeispiel 9 beschriebenen Verfahren grundsätzlich als äquivalente Verwirklichung von Merkmal 3 b anzusehen sind. Vor diesem Hintergrund hatten die Kläger keinen Anlass, auf Unterschiede zwischen diesen Verfahren und der Vorgehensweise bei der Herstellung von D.
  441. hinzuweisen. Derartige Unterschiede werden, wie die Kläger in
  442. der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zutreffend aufgezeigt haben, im
  443. Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen (Seite 11/12) angesprochen. Ob
  444. sie im vorliegenden Zusammenhang relevant sind und ob sie im Ergebnis dazu
  445. führen, dass der von der Beklagten beschrittene Weg in den Schutzbereich des
  446. Lizenzpatents fällt, wird das Berufungsgericht auf entsprechenden Vortrag der
  447. Parteien hin zu klären haben.
  448. 55
  449. IV.
  450. Die Anschlussrevision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die
  451. Anschlussberufung der Kläger zu Recht als unzulässig verworfen.
  452. 56
  453. 1.
  454. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit
  455. der Anschlussberufung nach dem Prozessrecht in der Fassung zu beurteilen
  456. ist, die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung maßgeblich ist, und
  457. dass die danach maßgebliche Frist von einem Monat ab Zustellung der Berufungsbegründung gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der bis zum 31. August
  458. 2004 geltenden Fassung auch für eine Klageerweiterung im Sinne von § 264
  459. Nr. 2 ZPO gilt. Beides steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zur anwendbaren Gesetzesfassung: BGH, Urteil vom 24. Oktober
  460. 2007 - IV ZR 12/07, NJW-RR 2008, 221 Rn. 12; zur Anwendbarkeit im Falle der
  461. Klageerweiterung: BGH, Urteil vom 12. März 2009 - VII ZR 26/06, NJW 2009,
  462. 1870 Rn. 22) und wird von der Anschlussrevision nicht angegriffen.
  463. - 19 -
  464. 57
  465. 2.
  466. Die Anschlussrevision macht geltend, nach dem Grundsatz der inter-
  467. essengerechten Auslegung sei bereits der erstinstanzliche Klageantrag dahin
  468. auszulegen gewesen, dass Auskunft und Bucheinsicht für den gesamten Zeitraum verlangt werde, für den die Rechtsordnung dies zulasse.
  469. 58
  470. Diese Argumentation verfängt nicht.
  471. 59
  472. Die Kläger haben die der ersten Klagestufe zu Grunde liegenden Ansprüche ursprünglich für den Zeitraum von 1988 bis 2001 geltend gemacht. In der
  473. Klageschrift, die vom 13. Dezember 2001 datiert, haben sie nicht näher ausgeführt, weshalb sie diese zeitliche Beschränkung vorgenommen haben. In einem
  474. nachgelassenen Schriftsatz vom 16. Dezember 2002 haben sie - wiederum ohne Angabe von Gründen - als Endtermin den 6. November 2002 benannt. Dies
  475. ist der Tag der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht.
  476. 60
  477. In zweiter Instanz haben die Kläger innerhalb der bis zum 29. März 2004
  478. gesetzten Frist zur Berufungserwiderung mit Schriftsatz vom 22. März 2004 nur
  479. Zurückweisung der Berufung beantragt. In einer am 21. April 2004 eingereichten "endgültigen" Fassung der Berufungserwiderung haben sie beantragt, die
  480. Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Urteilstenor neu gefasst
  481. wird. Auch nach dieser Fassung beziehen sich die zu titulierenden Pflichten auf
  482. den Zeitraum von 1988 bis 6. November 2002.
  483. 61
  484. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass die Kläger
  485. die ihnen zustehenden Ansprüche in Wahrheit für den nach der Rechtsordnung
  486. maximal möglichen Zeitraum geltend machen wollten.
  487. 62
  488. Nach dem - nach der erstinstanzlichen Entscheidung im vorliegenden
  489. Rechtsstreit ergangenen - Urteil des Senats vom 4. Mai 2004 (X ZR 234/02,
  490. BGHZ 159, 66, 70 - Taxameter) kann der Patentinhaber im Falle einer Verlet-
  491. - 20 -
  492. zung seines Schutzrechts Auskunftsansprüche auch für die Zeit nach der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz geltend machen. Wenn
  493. die Kläger dieses Ziel hätten verfolgen wollen, hätte es einer Befristung nicht
  494. bedurft. Durch eine dennoch vorgenommene Befristung auf einen Zeitpunkt, der
  495. jedenfalls nicht nach dem Ende der mündlichen Verhandlung lag, gaben die
  496. Kläger zu erkennen, dass sie dieses Maximalziel - mit dessen Erreichbarkeit vor
  497. Veröffentlichung der Taxameter-Entscheidung nicht sicher zu rechnen war nicht anstreben wollten. Anhaltspunkte, die eine abweichende Auslegung rechtfertigen könnten, sind weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Insbesondere
  498. fehlt es an einem entsprechenden Hinweis in der Klagebegründung.
  499. 63
  500. Aus der in erster Instanz vorgenommenen Anpassung an den Tag der
  501. letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht kann nicht gefolgert werden, dass die Kläger den Auskunftsanspruch unabhängig vom konkreten Datum
  502. für den Zeitraum jedenfalls bis zur letzten mündlichen Verhandlung in allen Tatsacheninstanzen geltend machen wollten. Auch für eine Auslegung in diesem
  503. Sinne hätte es näherer Anhaltspunkte in der Klagebegründung bedurft, die gerade nicht vorliegen. Unabhängig davon hätte es bei einem entsprechenden
  504. Klagebegehren nahegelegen, in der Berufungserwiderung, spätestens aber im
  505. Schriftsatz vom 21. April 2004, mit dem die Anträge neu gefasst wurden, eine
  506. - 21 -
  507. Anpassung vorzunehmen. Dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar war,
  508. wann die letzte mündliche Verhandlung stattfinden würde, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Kläger haben sich von diesem Umstand auch in erster Instanz nicht davon abhalten lassen, schon in der Klageschrift ein konkretes Enddatum zu nennen. Hätten sie damit tatsächlich den Zeitraum bis zur letzten
  509. mündlichen Verhandlung gemeint, hätte es nahegelegen, auch in der Berufungserwiderung einen entsprechend angepassten voraussichtlichen Endtermin
  510. anzugeben.
  511. Meier-Beck
  512. Gröning
  513. Hoffmann
  514. Bacher
  515. Schuster
  516. Vorinstanzen:
  517. LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 21.05.2003 - 2-6 O 192/02 OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 15.04.2010 - 6 U 131/03 -