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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. X ZR 60/13
  5. Verkündet am:
  6. 5. Mai 2015
  7. Wermes
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in der Patentnichtigkeitssache
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Verdickerpolymer I
  19. EPÜ Art. 54
  20. Werden als Bestandteile einer Stoffzusammensetzung mehrere Stoffe oder
  21. Stoffgruppen alternativ beansprucht, fehlt es dem Gegenstand des Patents bereits dann an der erforderlichen Neuheit in der gesamten beanspruchten Bandbreite, wenn einer dieser Stoffe oder eine dieser Stoffgruppen als Bestandteil
  22. einer solchen Zusammensetzung bekannt war.
  23. BGH, Urteil vom 5. Mai 2015 - X ZR 60/13 - Bundespatentgericht
  24. -2-
  25. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2015 durch die Richter Gröning, Dr. Grabinski, Hoffmann und
  26. Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm
  27. für Recht erkannt:
  28. Die Berufung gegen das am 20. November 2012 verkündete Urteil
  29. des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird
  30. auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  31. Von Rechts wegen
  32. Tatbestand:
  33. 1
  34. Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 10. Mai 1995 angemeldeten, auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 682 094 (Streitpatents). Das Streitpatent nimmt eine Priorität
  35. vom 12. Mai 1994 in Anspruch. Von den insgesamt acht Patentansprüchen hat
  36. Patentanspruch 1 nach Durchführung eines Einspruchsverfahrens in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:
  37. "1. A pourable water dispersible associative thickener composition for aqueous systems having a viscosity less than
  38. 15,000 mPa.s (centipoise) at 25°C consisting of:
  39. a) from 15 to 40% by weight of an associative thickener polymer selected from polyurethanes, polyesters, modified cel-
  40. -3-
  41. lulosics, poIyester-urethanes, polyether-alpha olefins and
  42. polyether-polyols;
  43. b) at least 30% by weight water;
  44. c) from 1 to 30% by weight of one or more surfactants selected from anionic and non-ionic surfactants and mixtures
  45. thereof; and
  46. d) optionally one or more additional components selected
  47. from binders, clays, neutralization chemicals, buffering
  48. agents, inorganic salts, chelating agents and pH adjusting
  49. agents,
  50. except a thickener preparation for thickening aqueous systems consisting of a mixture of
  51. (i) a water-soluble or water-dispersible thickener containing urethane groups,
  52. (ii) a non-ionic emulsifier, and
  53. (iii) at least one compound of the formula (I)
  54. (I)
  55. wherein in this formula R1 and R3 denote identical or different hydrocarbon residues and R2 and R4 denote hydrogen or identical or different hydrocarbon residues, Q
  56. denotes alkylene oxide units, as are obtained from alkoxylating alcohols with alkylene oxides having 2 to 4 carbon
  57. atoms, and n denotes numbers from 0 to 120,
  58. wherein the thickener preparation is in the form of an
  59. aqueous solution or dispersion."
  60. 2
  61. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei
  62. nicht patentfähig; er sei nicht neu, beruhe jedenfalls aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zudem gehe der Gegenstand von Patentanspruch 1 über den
  63. Inhalt der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen hinaus.
  64. -4-
  65. 3
  66. Das Patentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in der Fassung von drei beschränkten Anspruchssätzen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
  67. Entscheidungsgründe:
  68. 4
  69. I.
  70. Das Streitpatent betrifft Verdickerzusammensetzungen zur Kontrolle
  71. der Viskosität und anderer rheologischer Eigenschaften (Fließeigenschaften)
  72. von wässrigen Systemen.
  73. 5
  74. 1. Nach der Beschreibung des Streitpatents sind solche Verdickerzusammensetzungen für eine Anwendung insbesondere bei Latexfarben, Beschichtungen, Tinten, Baumaterialien, Kosmetika und Holzbeizen bekannt. Hierfür würden zunehmend synthetische Eindicker verwendet, zu denen unter anderem auch Polyurethaneindicker zählten. Solche rheologischen Additive würden
  75. oftmals auch als Eindicker oder Assoziativverdicker bezeichnet. Zu dem Mechanismus, durch den sie eindickten, gehörten hydrophobe Assoziationen zwischen den hydrophoben Komponenten in den Eindickermolekülen und anderen
  76. hydrophoben Oberflächen. Handelsübliche Assoziativverdicker seien gewöhnlich gießbare Flüssigkeiten, wobei die Verdickerzusammensetzung üblicherweise durch Vermischen des assoziativen Polymers mit Wasser und einem organischen Lösungsmittel hergestellt würden. Diese organischen Lösungsmittel
  77. würden zugesetzt, um die Viskosität der Polymere in Wasser zu senken. Da die
  78. flüchtigen organischen Lösungsmittel oder deren flüchtige organischen Komponenten ein Risiko für Mensch und Umwelt darstellten, würden in vielen Ländern
  79. -5-
  80. die Toleranzwerte für diese Gase sukzessiv gesenkt oder bestimmte Anwendungen dieser Lösungsmittel verboten.
  81. 6
  82. 2. Dem Streitpatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe zugrunde,
  83. eine flüssige, in Wasser dispergierbare Verdickerzusammensetzung mit einer
  84. zur weiteren Verarbeitung passenden Viskosität bereitzustellen, ohne dabei
  85. Umweltprobleme zu verursachen.
  86. 7
  87. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Verdickerzusammensetzung mit folgenden Merkmalen vor:
  88. 1.
  89. Assoziative Verdickerzusammensetzung für wässrige Systeme,
  90. 1.1 die gießbar und in Wasser dispergierbar ist und
  91. 1.2 die eine Viskosität von weniger als 15.000 mPa·s bei
  92. 25°C aufweist,
  93. bestehend aus
  94. 2.
  95. 15 bis 40 Gew.-% eines assoziativen Verdickerpolymers,
  96. 2.1 ausgewählt aus Polyurethanen, Polyestern, modifizierten Cellulosederivaten, Polyesterurethanen, Polyetherα-Olefinen und Polyetherpolyolen;
  97. 3.
  98. mindestens 30 Gew.-% Wasser;
  99. 4.
  100. 1 bis 30 Gew.-% eines oder mehrerer oberflächenaktiver Mittel,
  101. 4.1 ausgewählt aus anionischen und nicht-ionischen oberflächenaktiven Mitteln und deren Gemischen;
  102. 5.
  103. optional einem oder mehreren zusätzlichen Bestandteilen,
  104. -6-
  105. 5.1 ausgewählt aus Bindemitteln, Tonen, Neutralisationschemikalien, Pufferungsmitteln, anorganischen Salzen,
  106. Chelatbildnern und pH-Wert-Einstellungsmitteln;
  107. 6.
  108. ausgenommen einer Verdickungsmittelzubereitung zum Verdicken wässriger Systeme, bestehend aus einem Gemisch
  109. 6.1 eines wasserlöslichen oder in Wasser dispergierbaren
  110. Verdickungsmittels, das Urethangruppen enthält,
  111. 6.2 eines nicht-ionischen Emulgators und
  112. 6.3 mindestens einer Verbindung gemäß der Formel (I)
  113. (I)
  114. wobei in dieser Formel
  115. R1 und R3 identische oder unterschiedliche Kohlenwasserstoffe bezeichnen,
  116. R2 und R4 Wasserstoff oder identische oder unterschiedliche Kohlenwasserstoffreste bezeichnen,
  117. Q Alkenoxideinheiten bezeichnet, wie sie aus dem Alkoxylieren von Alkoholen mit Alkenoxiden erhalten werden, die 2 bis 4 Kohlenstoffatome aufweisen, und
  118. n Zahlen von 0 bis 120 bezeichnet,
  119. 6.4 in Form einer wässrigen Lösung oder Dispersion.
  120. 8
  121. 3. Dies bedarf in zweierlei Hinsicht der näheren Erläuterung:
  122. -7-
  123. 9
  124. a) Die Wendung "bestehend aus" ("consisting of") deutet in Patentansprüchen, die chemische Zusammensetzungen oder Gemische zum Gegenstand haben, in der Regel auf eine abschließende Aufzählung der in Bezug genommenen Bestandteile hin (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2011 - X ZR 75/08,
  125. GRUR 2011, 1109 Rn. 37 - Reifenabdichtmittel; EPA, Prüfungsrichtlinien Teil F,
  126. Kap. IV Nr. 4.21; EPA, Entscheidung vom 15. September 1993 - T 711/90 unter 2.).
  127. 10
  128. Von der Frage der Bestandteile einer Stoffzusammensetzung zu trennen
  129. ist die Frage des Reinheitsgrades der dazu eingesetzten Stoffe. Insbesondere
  130. wenn, wie für die hier interessierenden Verdickerzusammensetzungen, handelsübliche Chemikalien benutzt werden, wird aus fachlicher Sicht nicht notgedrungen immer vollständige Reinheit der Bestandteile oder Zutaten vorausgesetzt, sondern gegebenenfalls nur ein dem jeweiligen Bedarf angepasster
  131. Reinheitsgrad. Da sich vorliegend aus Patentanspruch 1 oder der Beschreibung
  132. keine besonderen Anforderungen an die Reinheit der herzustellenden Zusammensetzung ergeben, schließt die Vorgabe "bestehend aus" ("consisting of")
  133. aus fachlicher Sicht nicht aus, dass die dafür zu verwendenden Polymere Mittel
  134. und gegebenenfalls fakultativen Zusätze in geringem Umfang auch Rückstände
  135. der für ihre Herstellung verwendeten Ausgangsstoffe und restliches Wasser
  136. enthalten können.
  137. 11
  138. b) Der Begriff des oberflächenaktiven Mittels in Merkmal 4 ist eine
  139. Übersetzung des englischen Worts "surfactant", das für die Worte "surface active agent" steht. Es ist zugleich ein Synonym für Tenside, die wiederum synonym auch als Emulgatoren bezeichnet werden.
  140. 12
  141. II. Das Patentgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, der Gegenstand des
  142. Streitpatents sei in der - nachveröffentlichten (Art. 54 Abs. 3 EPÜ) - europäi-
  143. -8-
  144. schen Patentanmeldung 618 243 (NiK6) vorweggenommen und habe ausgehend von einer anderen Entgegenhaltung (NiK10e) auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die Gegenstände der Hilfsanträge beruhten ebenfalls
  145. nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
  146. 13
  147. 1. Die NiK6 betreffe eine Zubereitung auf Polyurethanbasis zur Verdickung wässriger Systeme, die wegen ihrer Löslichkeit und Dispergierbarkeit in
  148. Wasser zwangsläufig auch gießbar sei und bei der es sich um eine assoziativ
  149. wirkende Verdickerzusammensetzung mit besonders niedriger Eigenviskosität
  150. handele. Darüber hinaus zeige das Dokument weitere Verdickerzusammensetzungen mit den Merkmalen 3 bis 4.1 sowie der ohnehin lediglich optionalen
  151. Merkmalsgruppe 5 und ohne die vom Streitpatent durch Disclaimer ausgenommenen Zusatzstoffe gemäß Merkmalsgruppe 6. Eine entsprechende Zusammensetzung werde in den Vergleichsbeispielen 21 und 24 der NiK6 mit jeweils
  152. 25 Gewichtsprozent eines aus Polyurethanen ausgewählten assoziativen Verdickerpolymers und eines nicht-ionischen oberflächenaktiven Mittels sowie mit
  153. einem Restwasseranteil von 50 Gewichtsprozent offenbart. Die in den Vergleichsbeispielen
  154. verwendeten
  155. Produkte
  156. COATEX BR 900
  157. und
  158. COATEX BR 910 seien zweifelsfrei trockene, nicht-ionische, wasserlösliche
  159. Assoziativverdicker vom Polyurethan-Typ. Dem stehe nicht entgegen, dass in
  160. der Tabelle 13 für die Vergleichsbeispiele 21 und 24 die Komponenten für zwei
  161. Spalten falsch bezeichnet seien. Der fachkundige Leser werde diesen Schreibfehler und die richtige Bedeutung zweifelsfrei erkennen.
  162. 14
  163. 2. Zudem beruhe der Gegenstand des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
  164. 15
  165. In der vorveröffentlichten Produktbeschreibung für COAPUR 5035
  166. (NiK10e) werde unter dieser Bezeichnung ein flüssiger, zweifelsfrei assoziativ
  167. -9-
  168. wirkender, nicht-ionischer Polyurethanverdicker mit einer niedrigen Viskosität
  169. von 4000 cP beschrieben, der zu 35 % in Wasser gelöst und völlig frei von
  170. flüchtigen organischen Lösungsmitteln sei. Dieses Produkt unterscheide sich
  171. vom Gegenstand des Streitpatents lediglich durch das Fehlen eines anionischen oder nicht-ionischen oberflächenaktiven Mittels gemäß Merkmalsgruppe 4.
  172. 16
  173. Dem Fachmann, bei dem es sich um einen regelmäßig in einem Team
  174. arbeitenden Diplom-Chemiker der Fachrichtung organische Chemie mit besonderen Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Polymerchemie, der
  175. Rheologie und Grenzflächenchemie von polymerbasierten, wässrigen Systemen sowie der assoziativen Verdicker und oberflächenaktiven Mitteln handele,
  176. sei geläufig gewesen, dass durch den Zusatz von oberflächenaktiven Stoffen
  177. aufgrund ihrer Wechselwirkung mit den Assoziativverdickerpolymeren bei der
  178. Anwendung in Farben und Beschichtungsmitteln deren rheologische Eigenschaften noch weiter günstig beeinflusst werden könnten. Er werde deshalb
  179. einen solchen Zusatz zu dem Produkt COAPUR 5035 in Betracht ziehen, und
  180. dabei insbesondere oberflächenaktive Mittel vom anionischen und nichtionischen Typ experimentell untersuchen, denn aus dem Lehrbuch von
  181. M. Hulden - Colloides and Surfaces A: Physicochemical and Engineering Aspects, 82 (1994) S. 263 bis 277 - (NiK18) sei der vorteilhafte Einfluss von oberflächenaktiven Mitteln gemäß der Merkmalsgruppe 4 auf wässrige Assoziativverdickerzusammensetzungen bekannt gewesen. Durch routinemäßiges Optimieren gelange er zwanglos zu Anteilen von 1 bis 30 Gewichtsprozenten und
  182. somit ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Streitpatents.
  183. 17
  184. Ebenso habe ein Entwicklungsansatz ausgehend von dem Aufsatz von
  185. E. J. Schaller - Rheology Modifiers in Surface Coatings Australia, Vol. 22,
  186. Nr. 10, Okt. 1985 S. 6 bis 13 - (NiK12) zusammen mit dem allgemeinen Fach-
  187. - 10 -
  188. wissen sowie mit den in der japanischen Offenlegungsschrift 60-49022 (NiK14)
  189. ohne erfinderische Tätigkeit zu dem Gegenstand des Streitpatents geführt.
  190. 18
  191. Schließlich beruhe der Gegenstand des Streitpatents auch in der Fassung eines der Hilfsanträge nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
  192. 19
  193. III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand.
  194. 20
  195. 1. Das Patentgericht hat zu Recht angenommen, dass NiK6, die als europäische Patentanmeldung aufgrund ihrer vor dem Prioritätstag erfolgten Anmeldung zum Stand der Technik gehört (Art. 54 Abs. 3 EPÜ), den Gegenstand
  196. von Patentanspruch 1 vorwegnimmt.
  197. 21
  198. a) NiK6 betrifft eine Verdickungsmittelzubereitung aus einem Urethangruppen aufweisenden, in Wasser dispergierbaren Verdickungsmittel, einem
  199. - als Komponente b bezeichneten - nicht-inonischen Emulgator und einer als
  200. "c1" benannten Komponente, deren Definition dem Disclaimermerkmal 6.3 in
  201. Patentanspruch 1 entspricht. Mit der Erfindung gemäß NiK6 sollte das Problem
  202. gelöst werden, eine neue Verdickungsmittelzubereitung auf Polyurethanbasis
  203. für wässrige Systeme zu finden, die bei zumindest gleich guter Verdickerwirkung eine deutlich geringere Eigenviskosität aufweist. Die Lösung bestand darin, einem Polyurethanverdicker neben den größtenteils bereits bekannten
  204. Emulgatoren eine c1-Komponente beizumischen (NiK6, S. 2 Z. 42 bis 55).
  205. 22
  206. Zum Beleg der vorteilhaften Wirkung einer solchen Komponente dokumentiert NiK6 in der nachfolgend eingefügten Tabelle 13 vergleichend Messergebnisse der Viskosität und Verdickerwirkung von Zusammensetzungen gemäß
  207. der dortigen Erfindung (Beispiele 44, 45) und Mischungen, denen ein nichtionischer Emulgator und/oder die Komponente c1 fehlt (Vergleichsbeispiele 20,
  208. - 11 -
  209. 21, 23, 24) und die deshalb zum Teil (Vergleichsbeispiele 21 und 24) die vom
  210. Streitpatent vorgeschlagene stoffliche Zusammensetzung aufweisen:
  211. 23
  212. Soweit in dieser Tabelle Spalten für "Komponente A" bzw. "Komponente
  213. B" vorgesehen sind, hat das Patentgericht festgestellt, dass der Fachmann darin ein Versehen erkennt und die "Komponente A" für die Vergleichsbeispiele 21
  214. und 24 als "Komponente b" und "Komponente B" als "Komponente c1" interpretiert. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Urteil wird Bezug
  215. genommen. Durchgreifende konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der vom Patentgericht getroffenen Feststellung begründen und eine neue
  216. Feststellung gebieten würden (§§ 117 PatG, 529 Abs. 1 ZPO), vermag die Berufung, die insoweit im Wesentlichen das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten vertiefend wiederholt, nicht aufzuzeigen. Ihre Erklärungsversuche, warum der Fachmann den Schreibfehler nicht erkennen und eine andere Erkenntnis aus der NiK6 gewinnen werde, sind nicht plausibel. In der Beschreibung der
  217. NiK6 finden sich keine Definitionen für Komponenten A und B, wohl aber für
  218. Komponenten b und c1 usw. (Beschreibung ab S. 2 Zeile 46 ff.). Ohne eine Er-
  219. - 12 -
  220. klärung, um was es sich bei "Komponente A" in der NiK6 handelt, müsste der
  221. Fachmann die Beispiele 44 und 45 sowie die Vergleichsbeispiele 20 bis 25 als
  222. nicht ausführbar oder unklar ansehen, während eine Betrachtung des Dokuments in seiner Gesamtheit ihn zum richtigen Verständnis führt. Die Tabellen
  223. darin weisen ganz überwiegend die Komponentenbezeichnungen "b", "c1" usw.
  224. auf. Soweit in Tabelle 9 Ethyloxid abweichend davon als "Komponente B" bezeichnet ist, ergibt sich aus den der Tabelle unmittelbar vorangestellten Erläuterungen, dass "c1" gemeint ist. Die Bezeichnung und Zuordnung der Komponenten sowohl in NiK6 selbst als auch in der US-amerikanischen Parallelanmeldung ist somit zwar uneinheitlich, insgesamt ist jedoch die vom Patentgericht
  225. gefundene Erklärung allein plausibel.
  226. 24
  227. b) Auch hinsichtlich der Feststellung des Patentgerichts, dass es sich bei
  228. den in den Vergleichsbeispielen 21 und 24 eingesetzten, auf dem Markt bereits
  229. eingeführten Produkten COATEX BR 900 und COATEX BR 910 um trockene,
  230. nicht-ionische, wasserlösliche Assoziativverdicker vom Polyurethantyp entsprechend der Merkmalsgruppe 2 handelt, hat die Berufung keine konkreten Anhaltspunkte aufzuzeigen vermocht, die Zweifel an dieser Feststellung des Patentgerichts begründen und neue Feststellungen gebieten könnten.
  231. 25
  232. Das Produktblatt für COATEX BR 900 (NiK9a) weist dieses Erzeugnis
  233. als einen lösungsmittelfreien, nicht-ionischen und wasserlöslichen Eindicker
  234. vom Polyurethantyp aus. Dass es sich bei dem aktiven Wirkstoff der genannten
  235. Produkte um ein Verdickerpolymer im Sinne der Merkmalsgruppe 2 handelt,
  236. stand in erster Instanz außer Streit und ist von der Klägerin zudem anhand der
  237. Anlage NiK27 eingehend erläutert worden. Die Berufung hat dies nicht zu erschüttern vermocht. Dass NiK27 nachveröffentlicht ist, ist unbedenklich, weil
  238. damit kein Stand der Technik dokumentiert werden soll, sondern chemische
  239. - 13 -
  240. Zusammenhänge, die unverändert bestehen (vgl. insoweit BGH, Urteil vom
  241. 24. Juli 2012 - X ZR 126/09, GRUR 2012, 1130 Rn. 24 f. - Leflunomid).
  242. 26
  243. Soweit für COATEX BR 900 ein aktiver Inhalt von mindestens 97 % angegeben wird, haben das schriftsätzliche Vorbringen der Beklagten und die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung weder Anhaltspunkte dafür ergeben,
  244. dass dem als Verdickungsmittel angegebenen Polyurethan andere aktive Stoffe
  245. beigemischt gewesen sein könnten, noch dass es sich bei dem Rest um etwas
  246. anderes als Rückstände der Ausgangssubstanzen und gegebenenfalls Wasser
  247. handelt. Soweit die Berufung die Verwendung von Polyurethan mit dem Hinweis
  248. auf den deutlich abweichenden Viskositätswert von 29.500 mPas.s/23°C im
  249. Vergleichsbeispiel 2 der Tabelle 2 gegenüber dem entsprechenden Wert in den
  250. Vergleichsbeispielen 21 und 24 der Tabelle 13 anzweifelt, übersieht sie zum
  251. einen, dass die Viskosität in breiten Grenzen variieren kann (vgl. NiK6 S. 5
  252. Z. 25 ff.), und zum anderen, dass bei den Vergleichsbeispielen in Tabelle 2
  253. nicht zwangsläufig ebenfalls mit COATEX BR 900 bzw. 910 gearbeitet worden
  254. sein muss.
  255. 27
  256. In den Vergleichsbeispielen 21 und 24 in Tabelle 13 wird dem Assoziativverdicker auf Polyurethanbasis lediglich als Komponente b (fälschlich als
  257. "Komponente A" bezeichnet) ein mit der nebenstehenden Strukturformel definiertes nichtionisches Tensid sowie Wasser jeweils in
  258. Mengen hinzugefügt, die den Merkmalen 3
  259. und 4 entsprechen. Die Vergleichsbeispiele 21 und 24 entsprechen mit den für sie angegebenen Viskositätswerten dem
  260. Merkmal 1.2. Mit dem Fehlen einer Komponente gemäß Merkmal 6.3 erfüllen
  261. die Vergleichsmerkmale die Disclaimermerkmalsgruppe 6.
  262. - 14 -
  263. 28
  264. c) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 wird damit zumindest von
  265. dem Vergleichsbeispiel 21 der NiK6 neuheitsschädlich vorweggenommen.
  266. 29
  267. aa)
  268. Dass
  269. das
  270. Produktblatt
  271. NiK9a
  272. für
  273. eine
  274. Verwendung
  275. von
  276. COATEX BR 900 nur Beimischungen dieses Produkts in Wasser mit einem
  277. Gehalt von bis zu 10 % - bei Fehlen weiterer Zusatzstoffe - vorsieht, steht dem
  278. nicht entgegen, weil die Verwendung des Produkts in den NiK6 zugrunde liegenden Versuchen nicht an die Herstellerhinweise für eine leichte Handhabung
  279. gebunden waren und die dort gezeigten Vergleichsbeispiele 20 und 21 deutlich
  280. zeigen, dass es eines Tensids als weiteren Zusatzstoff bedarf, um eine hinreichend niedrige Viskosität zu erreichen.
  281. 30
  282. bb) Entgegen der Ansicht der Berufung verstößt es nicht gegen das für
  283. die Neuheitsprüfung geltende Gebot des Einzelvergleichs, im Rahmen der Ermittlung des Offenbarungsgehalts von NiK6 die Produktinformationen aus
  284. NiK9a zu berücksichtigen. Es ist anerkannt, dass Verweise in Dokumenten wie
  285. etwa auf "herkömmliche Verfahren" durch Heranziehen von Nachschlagewerken konkretisiert werden können (Busse/Keukenschrijver, 7. Aufl., § 3 Rn. 83
  286. mN in Fn. 329). Entsprechend verhält es sich hier. Die Bezugnahme auf
  287. COATEX BR 900 in NiK6 als auf einen handelsüblichen Polyurethanverdicker
  288. deutet darauf hin, dass es sich um ein so marktgängiges Erzeugnis handelt,
  289. dass dem Fachmann seine Zusammensetzung ohne Weiteres bekannt ist oder
  290. er sich die entsprechenden Produktinformationen ohne Hindernisse beschaffen
  291. kann.
  292. 31
  293. cc) NiK6 trifft Patentanspruch 1 des Streitpatents entgegen der Auffassung der Berufung insgesamt neuheitsschädlich, obwohl die Vergleichsbeispiele 21 und 24 in NiK6 in Bezug auf die Merkmalsgruppe 2 lediglich ein Polyurethan gemäß COATEX BR 900 bzw. 910 und in Bezug auf die Merkmals-
  294. - 15 -
  295. gruppe 4 nur ein nicht-ionisches Tensid offenbaren. Patentschutz kann nur für
  296. eine insgesamt neue Erfindung beansprucht werden. Wird ihr Gegenstand im
  297. Stand der Technik auch nur mit einer erfassten Ausführungsform vorweggenommen, fehlt es an dieser Voraussetzung (vgl. Benkard/Melullis, PatG,
  298. 10. Aufl., § 3 Rn. 12). Andernfalls würde ein Exklusivrecht für schon im Stand
  299. der Technik Bekanntes verliehen. Das gilt auch, wenn, wie hier, als Bestandteile einer Stoffzusammensetzung mehrere Stoffe oder Stoffgruppen alternativ
  300. beansprucht werden, obwohl einige dieser Stoffe oder Stoffgruppen als Bestandteil einer solchen Zusammensetzung bekannt waren. Dies steht zu der
  301. von der Beklagten angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere zum Offenbarungsgehalt von Strukturformeln (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 - Olanzapin) nicht in Widerspruch.
  302. Denn es geht nicht darum, ob mit Polyurethanen auch die anderen in Patentanspruch 1 beanspruchten Verdickerpolymere offenbart sind, sondern, worauf der
  303. Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, darum, dass ein solcher
  304. Anspruch nicht in seiner Gesamtheit gewährt werden kann.
  305. 32
  306. dd) Für die Vorwegnahme der Merkmalsgruppe 2 reicht es im Übrigen
  307. aus, dass COATEX BR 900 - am Prioritätstag - auf dem Markt erhältlich war.
  308. Damit war der Fachmann in der Lage, eine der Merkmalsgruppe 2 entsprechende Zusammensetzung herzustellen. Für eine die Neuheit eines Erzeugnisses ausschließende Offenbarung reicht es aus, wenn ein auf dem Markt erhältliches Produkt die Merkmale dieses Erzeugnisses tatsächlich aufweist. Es ist
  309. nicht erforderlich, dass der Fachmann die konkreten Eigenschaften des Produkts kannte oder in der Lage war, diese analytisch zu bestimmen und danach
  310. das Produkt herzustellen (vgl. BGH, Urteile vom 13. Juli 2010 - Xa ZR 10/07,
  311. juris Rn. 48 f.; vom 18. November 2010 - Xa ZR 149/07, GRUR 2011, 129
  312. Rn. 45 - Fentanyl-TTS).
  313. - 16 -
  314. 33
  315. 2. Patentanspruch 1 ist auch in der Fassung der Hilfsanträge nicht patentfähig. Die in diesen Fassungen beschriebenen Gegenstände beruhen nicht
  316. auf erfinderischer Tätigkeit. Die Frage der Zulässigkeit der gestellten Hilfsanträge kann daher offen bleiben.
  317. 34
  318. a) Im Hilfsantrag I wird Patentanspruch 1 folgendes zusätzliches Merkmal als Ausschlusskriterium hinzugefügt:
  319. "7. ausgenommen einer Verdickungsmittelzubereitung bestehend
  320. aus einem Gemisch zu 25 Gew.-% COATEX BR 900 oder zu
  321. 25 Gew.-% COATEX BR 910 sowie zu 25 Gew.-% eines Stoffes der folgenden Formel:
  322. und Wasser im Übrigen."
  323. 35
  324. Die in diesem Merkmal als Disclaimer beschriebene Stoffzusammensetzung entspricht den Vergleichsbeispielen 21 und 24 der NiK6.
  325. 36
  326. Hilfsantrag II entspricht Hilfsantrag I mit der Abweichung, dass in Merkmal 2.1 die Worte "Polyester, modifizierte Cellulosederivate, Polyesterurethane"
  327. fehlen.
  328. 37
  329. Hilfsantrag III entspricht Hilfsantrag II mit der Abweichung, dass Merkmal 2.1 nur noch Polyurethane als Auswahl für das Verdickerpolymer vorsieht
  330. und Unteranspruch 3 wegfällt.
  331. - 17 -
  332. 38
  333. b) Gegen die Zulässigkeit der Hilfsanträge können unter dem Gesichtspunkt des Klarheitsgebots Bedenken bestehen. Ein europäisches Patent kann
  334. im Nichtigkeitsverfahren nicht mit Patentansprüchen beschränkt verteidigt werden, die dem Erfordernis einer deutlichen (klaren) Anspruchsfassung nicht genügen (BGH, Urteil vom 18. März 2010 - Xa ZR 54/06, GRUR 2010, 709
  335. - Proxiserversystem). Das schließt ein, dass die beschränkten Ansprüche in
  336. sich widerspruchsfrei sind. Ob es daran, unbeschadet der Frage der generellen
  337. Zulässigkeit von Disclaimern, bereits deshalb fehlt, weil hier Verdickungsmittelzubereitungen von den Ansprüchen ausgenommen sein sollen, die COATEX
  338. BR 900 bzw. 910 enthalten, deren Aktivstoff ein Polyurethan ist (oben III 1 b),
  339. Polyurethan gleichzeitig aber als Verdickerpolymer in der Fassung aller Hilfsanträge beansprucht wird und damit unklar sein könnte, was beansprucht wird und
  340. was nicht, bedarf im Hinblick auf die nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit keiner abschließenden Entscheidung.
  341. 39
  342. c) Jedenfalls war eine den Gegenständen der jeweiligen Patentansprüche 1 aus den Hilfsanträgen I bis III entsprechende Verdickerzusammensetzung dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt.
  343. 40
  344. aa) Bereits vor dem Prioritätstag war für das Produkt COAPUR 5035 ein
  345. Produktblatt (Anl. NiK10e) der Öffentlichkeit zugänglich. Soweit die Beklagte
  346. dessen Vorveröffentlichung erstmals in der Berufungsinstanz bestreitet, ist dies
  347. gemäß §§ 117 PatG, 531 Abs. 2 ZPO nicht zu beachten; die Beklagte zeigt
  348. aber auch keine tatsächlichen Umstände auf, die Zweifel daran begründen
  349. könnten, dass COAPUR 5035 vor dem Prioritätstag tatsächlich vertrieben und
  350. mit dem Produktblatt NiK10e beworben worden ist. Dass in einzelnen zu den
  351. Akten gereichten Dokumenten von einem COAPUR-Gel die Rede ist, rechtfertigt entgegen der Berufung nicht die Annahme oder den begründeten Verdacht,
  352. dass es dieses Erzeugnis als leicht viskose Flüssigkeit gar nicht gegeben hätte.
  353. - 18 -
  354. Das Produktblatt (NiK10e) offenbart, dass es mit COAPUR 5035 ein Produkt
  355. auf der Basis eines lösungsmittelfreien, in Wasser löslichen, flüssigen Polyurethanverdickers gab, dessen aktive Stoffe darin einen Anteil von 35 % aufweisen. Die Brookfield-Viskosität wird bei einer Spindeldrehzahl von 100 U/min
  356. mit 4.000 cP angegeben (NiK10e S. 1 re. Sp.). Gegen die Feststellung des Patentgerichts, dass sich daraus eine Viskosität von weniger als 15.000 mPa·s
  357. entsprechend der Maßeinheit von Merkmal 1.2 ergibt, sind keine konkrete Zweifel begründenden Anhaltspunkte ersichtlich.
  358. 41
  359. bb) Aufgrund der in diesem Produktblatt beschriebenen vorteilhaften
  360. Eigenschaften, nämlich einer lösungsmittelfreien und gleichwohl entsprechend
  361. dem Merkmal 1.2 gießbaren Verdickerzusammensetzung, hatte der Fachmann
  362. Anlass, Überlegungen zur Herstellbarkeit eines solchen oder ähnlichen Produkts mit gleichen Eigenschaften anzustellen.
  363. 42
  364. Aus dem Produktblatt erfuhr er, dass eine solche Zusammensetzung mit
  365. einem Polyurethan zu erzielen war. Ihm war bekannt, dass die bloße Mischung
  366. eines für einen Assoziativverdicker geeigneten Polyurethans mit Wasser nicht
  367. zu der gewünschten Viskosität führen würde, jedenfalls wenn der aktive Anteil
  368. bei 35 % liegt. Da das in NiK10e beschriebene Produkt keine organischen Lösungsmittel enthielt, drängte sich ihm auf, dass ein anderer Zusatzstoff erforderlich ist, um die gewünschte Viskosität zu erzielen. Hierzu war aus NiK12 und
  369. dem Aufsatz von Thibeault u.a. "Effect of Surfactants and Cosolvents on the
  370. Behavior of Associative Thickeners in Latex Systems" in Adv.Chem.Series 213
  371. (1986) S. 375 (NiK13) bekannt, dass neben organischen Lösungsmitteln auch
  372. oberflächenaktive Stoffe entsprechende Auswirkungen auf die assoziativen
  373. Bindungen und somit auf die Viskosität eines Verdickers haben. Dem Aufsatz
  374. "Hydrophobically modified urethane-ethoxylate (HEUR) associative thickeners"
  375. von Huldén in Colloids and Surfaces A, 82 (1994), S. 263 (NiK18) entnahm er
  376. - 19 -
  377. entsprechend den Feststellungen des Patentgerichts, die nicht infolge konkreter
  378. Anhaltspunkte zweifelhaft erscheinen, dass diese Wirkungen von oberflächenaktiven Stoffen nicht erst im Endprodukt sondern bereits in den dem Endprodukt beigemischten, wässrigen Verdickerzusammensetzungen wirksam werden.
  379. 43
  380. Die durch diese neueren Veröffentlichungen in NiK12, 13 und 18 vermittelten Erkenntnisse wurden durch die in der älteren australischen Patentanmeldung 32174/78 (NiK15) mitgeteilten Beobachtungen, die Hinzufügung von oberflächenaktiven Stoffen zu Polyurethan bewirke eine erhebliche Steigerung der
  381. Viskosität (S. 5 Abs. 2), aus fachlicher Sicht nicht entscheidend erschüttert.
  382. NiK18 beschreibt hierzu klar, dass die Zugabe solcher Stoffe zwar zunächst zu
  383. einer Steigerung, nach Überschreiten eines Maximums aber wieder zu einer
  384. Senkung der Viskosität führe (NiK18, Zusammenfassung).
  385. 44
  386. Auch wenn NiK12 sich, wie die Berufung es darstellt, vorrangig mit dem
  387. Endprodukt befasst, womit ausweislich der Titelzeile Farben auf Wasserbasis
  388. angesprochen sind, stellt diese Veröffentlichung für den Gegenstand des Streitpatents unmittelbar einschlägiges, dem Fachmann zuzurechnendes Fachwissen dar. Die vom Streitpatent unter Schutz gestellten Zusammensetzungen sind
  389. für die Verwendung in wässrigen Systemen vorgesehen, welche nach den weiteren Ausführungen in der Beschreibung u.a. auf Wasser oder Latex basierende Farben und Beschichtungen, Baumaterialien oder Kosmetika einschließen.
  390. Aus fachlicher Sicht betreffen die durch einen wissenschaftlichen Beitrag mit
  391. diesem Thema vermittelten Erkenntnisse direkt die Weiterentwicklung des
  392. Stands der Technik am Prioritätstag. NiK12 spricht im Übrigen auch, worauf
  393. bereits das Patentgericht hingewiesen hat, den Umweltaspekt an. Es werden
  394. die Vorzüge der verschiedenen oberflächenaktiven Stoffe geschildert und in
  395. diesem Zusammenhang wird bemerkt, dass Butylcarbitol als wasserlösliches
  396. - 20 -
  397. Hilfslösungsmittel (scil: nur) die beste Auswahl sei, wenn die Konzentrationen
  398. unter den gesetzlich festgelegten Höchstwerten gehalten werden können (vgl.
  399. NiK12 S. 12).
  400. 45
  401. Hiervon ausgehend hatte der Fachmann Anlass, Assoziativverdicker aus
  402. der Gruppe der Polyurethane im Wege von Versuchen mit oberflächenaktiven
  403. Stoffen in Wasser zu mischen und dabei jeweils Anteile gemäß den Merkmalen 2 bis 4.1 in Betracht zu ziehen. Entsprechend den Feststellungen des Patentgerichts, die auch insoweit nicht durch konkrete Anhaltspunkte infrage stehen, war zu erwarten, mit solchen Versuchen auch zu Zusammensetzungen
  404. entsprechend diesen Merkmalen außerhalb der durch die Disclaimer der Hilfsanträge ausgenommenen Stoffe zu gelangen und dabei eine Gießbarkeit, Dispergierbarkeit und Viskosität entsprechend der Merkmalsgruppe 1 zu erzielen,
  405. ohne eine Mischung entsprechend den Merkmalen 6 und 7 verwenden zu müssen. Die Entwicklung einer Verdickerzusammensetzung entsprechend dem Gegenstand des Patentsanspruchs 1 in der Fassung eines der Hilfsanträge hatte
  406. daher für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt nahegelegen.
  407. 46
  408. 3. Hinsichtlich der Patentfähigkeit der Unteransprüche sowohl in der
  409. Fassung des Hauptantrags als auch in den Fassungen der Hilfsanträge der Beklagten wird auf die zutreffenden Ausführungen des Patentgerichts verwiesen,
  410. gegen die mit der Berufung auch keine durchgreifenden Bedenken erhoben
  411. wurden.
  412. - 21 -
  413. 47
  414. IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1
  415. ZPO.
  416. Gröning
  417. Grabinski
  418. Deichfuß
  419. Hoffmann
  420. Kober-Dehm
  421. Vorinstanz:
  422. Bundespatentgericht, Entscheidung vom 20.11.2012 - 3 Ni 20/11 (EP) -