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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. X ZR 273/02
  5. Verkündet am:
  6. 15. Mai 2007
  7. Potsch
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in der Patentnichtigkeitssache
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. Papiermaschinengewebe
  18. EPÜ Art. 56; PatG § 4
  19. Ein nach Maßgabe von "Teilaufgaben" in einzelne Merkmalsgruppen aufgesplitterter Gegenstand der Erfindung kann nicht in der Weise der Prüfung auf
  20. erfinderische Tätigkeit zugrunde gelegt werden, dass einzelne Merkmale oder
  21. Merkmalsgruppen daraufhin untersucht werden, ob sie dem Fachmann durch
  22. den Stand der Technik je für sich nahegelegt waren. Der Prüfung der Rechtsfrage, ob der Gegenstand der Erfindung am Prioritätstag des Streitpatents
  23. durch den Stand der Technik nahegelegt war, ist vielmehr der Gegenstand der
  24. Erfindung in der Gesamtheit seiner Lösungsmerkmale in ihrem technischen
  25. Zusammenhang zugrunde zu legen.
  26. BGH, Urt. v. 15. Mai 2007 - X ZR 273/02 - Bundespatentgericht
  27. -2-
  28. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
  29. Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. MeierBeck und Asendorf
  30. für Recht erkannt:
  31. Auf die Berufungen der Beklagten werden das am 9. Juli 2002 verkündete sowie das der Beklagten am 27. November 2003 zugestellte Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wie folgt abgeändert:
  32. Die Klagen werden mit der Maßgabe abgewiesen, dass in Patentanspruch 1 des europäischen Patents 0 532 510 mit Wirkung für
  33. das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland die Worte "An
  34. industrial fabric" durch die Worte "A papermaker's fabric" ersetzt
  35. werden und sich die Patentansprüche 3, 5, 10, 12, 13 und 14 auf
  36. den so geänderten Patentanspruch 1 rückbeziehen.
  37. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
  38. Von Rechts wegen
  39. -3-
  40. Tatbestand:
  41. 1
  42. Die Beklagte, die nunmehr als A.
  43. PGmbH firmiert, ist eingetragene
  44. Inhaberin des deutschen Teils des am 15. März 1991 angemeldeten und mit
  45. Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents
  46. 0 532 510 (Streitpatent), für das die Prioritäten dreier Patentanmeldungen in
  47. den Vereinigten Staaten von Amerika vom 6. Juni 1990, 15. August 1990 und
  48. 14. Februar 1991 beansprucht sind. Das Streitpatent trägt die Bezeichnung
  49. "Papermakers fabric with flat machine direction yarns" und umfasst siebenunddreißig Patentansprüche. Mit den Nichtigkeitsklagen hat die Klägerin die Patentansprüche 1, 3, 5, 10, 12, 23, 24, 26, 34 und 36 sowie 13 und 14 angegriffen. Diese Patentansprüche lauten:
  50. 1. An industrial fabric comprising a system of CMD yarns and a
  51. system of flat monofilament MD yarns interwoven with said
  52. CMD yarns in a selected repeat pattern characterised in that:
  53. said MD yarns having paired upper and lower yarns stacked in
  54. vertical alignment; and the actual warp fill of at least said upper MD yarns is in the range of 80% - 125%.
  55. 3. A fabric according to claim 1 wherein said upper MD yarns are
  56. interwoven with floats over a selected number of said CMD
  57. yarns such that the upper surface of the fabric is predominated
  58. by said upper MD yarn floats.
  59. 5. A fabric according to claim 3 wherein said lower MD yarns are
  60. interwoven with said CMD yarns in an inverted image of the
  61. repeat of said upper MD yarns whereby the bottom surface of
  62. the fabric is also predominated by floats of said MD yarns.
  63. -4-
  64. 10. A fabric according to claim 1 wherein the actual warp fill of
  65. said lower MD yarns is also in the range of 80% - 125%.
  66. 12.
  67. A fabric according to claim 1 wherein said fabric consists essentially of all monofilament yarns.
  68. 23. A papermaker's fabric comprising a single layer system of
  69. CMD yarns and a system of flat monofilament MD yarns interwoven with said CMD yarns in a selected repeat pattern characterized in that:
  70. said MD yarns have paired upper and lower yarns stacked in
  71. vertical alignment; and
  72. the actual warp fill of at least said upper MD yarns is in the
  73. range of 80% - 125%.
  74. 24. A papermaker's fabric according to claim 23 wherein said upper MD yarns are interwoven with floats over a selected number of said CMD yarns such that the upper surface of the fabric is predominated by said upper MD yarn floats.
  75. 26. A papermaker's fabric according to claim 24 wherein said
  76. lower MD yarns are interwoven with said CMD yarns in an inverted image of the repeat of said upper MD yarns whereby
  77. the bottom surface of the fabric is also predominated by floats
  78. of said MD yarns.
  79. 34. A papermaker's fabric according to claim 23 wherein the actual warp fill of said lower MD yarns is also in the range of
  80. 80% - 125%.
  81. -5-
  82. 36. A papermaker's fabric according to claim 23 wherein said
  83. fabric consists essentially of all monofilament yarns.
  84. 2
  85. Die Patentansprüche 13 und 14 lauten:
  86. 13. A fabric according to claim 1 wherein said system of CMD
  87. yarns includes at least upper and lower layers of CMD yarns.
  88. 14. A fabric according to claim 13 wherein said upper MD yarns
  89. are interwoven with floats over a selected number of said upper layer CMD yarns such that the upper surface of the fabric
  90. is predominated by said upper MD yarn floats.
  91. 3
  92. Die Klägerin hat geltend gemacht, die Gegenstände der angegriffenen
  93. Patentansprüche seien nicht patentfähig. Hierzu hat sie sich auf die USPatentschriften 4 290 209 (D1) und 4 621 663 (D3) sowie auf die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 211 426 (D2) bezogen.
  94. 4
  95. Die Klägerin hat beantragt,
  96. das europäische Patent 0 532 510 im Umfang der Patentansprüche
  97. 1, 3, 5, 10, 12, 23, 24, 26, 34 und 36 sowie 13 und 14 mit Wirkung
  98. für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig
  99. zu erklären.
  100. 5
  101. Die Beklagte hat beantragt,
  102. die Klagen abzuweisen.
  103. -6-
  104. 6
  105. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent mit Urteil vom 9. Juli 2001
  106. (BPatGE 46, 127) im Umfang seiner Patentansprüche 1, 3, 5, 10, 12, 23, 24,
  107. 26, 34 und 36 und mit dem der Beklagten am 27. November 2003 zugestellten
  108. Urteil im Umfang seiner Patentansprüche 13 und 14 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
  109. 7
  110. Hiergegen richten sich die zur einheitlichen Entscheidung verbundenen
  111. Berufungen der Beklagten, mit denen sie zunächst die Abänderung der angefochtenen Urteile und die Abweisung der Nichtigkeitsklagen begehrt hat. In der
  112. mündlichen Verhandlung hat die Beklagte Patentanspruch 1 nur noch mit der
  113. Maßgabe verteidigt, dass in Patentanspruch 1 des europäischen Patents
  114. 0 532 510 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland
  115. die Worte "An industrial fabric" durch die Worte "A papermaker's fabric" ersetzt
  116. werden und sich die Patentansprüche 3, 5, 10, 12, 13 und 14 auf den so geänderten Patentanspruch 1 rückbeziehen. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in einer weiter beschränkten Fassung der Patentansprüche 1 und 23, wobei sich die angegriffenen weiteren Patentansprüche auf die Fassung des
  117. Hilfsantrags rückbeziehen sollen.
  118. 8
  119. Die Klägerin verteidigt die angefochtenen Urteile.
  120. 9
  121. Der Senat hat ein Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof.
  122. Dr.-Ing. H.
  123. P.
  124. vom 6. März 2006 eingeholt, das der Sachverständige in der
  125. mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat ein Privatgutachten von Prof. Dr. E.
  126. J.
  127. und Prof. J.
  128. vom 25. Oktober 2006 zu den Akten gereicht.
  129. M.
  130. -7-
  131. Entscheidungsgründe:
  132. 10
  133. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt,
  134. dass mit dem Hauptantrag der Berufung Patentanspruch 1 des Streitpatents
  135. nur noch in der Weise beschränkt verteidigt wird, dass "A papermaker’s fabric"
  136. (Papiermaschinengewebe) beansprucht ist. Mit dieser eindeutig und vorbehaltslos erfolgten Erklärung hat sie ihre Berufungen teilweise zurückgenommen
  137. (§ 516 Abs. 1 ZPO; vgl. Sen.Urt. v. 17.2.2004 - X ZR 48/00 - Tintenstandsdetektor; Rogge in Benkard, PatG u. GebrMG, 10. Aufl., vor §§ 110 - 121 PatG
  138. Rdn. 8; Keukenschrijver in Busse, PatG, 6. Aufl., vor § 110 PatG Rdn. 6). Nur in
  139. diesem auf zulässige Weise noch verteidigten Umfang ist das Streitpatent Gegenstand des Berufungsverfahrens. Insoweit haben die in zulässiger Weise
  140. eingelegten Rechtsmittel Erfolg. Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass
  141. die Gegenstände nach den Patentansprüchen 1 in seiner noch verteidigten
  142. Fassung und nach Patentanspruch 23 nicht patentfähig wären, so dass die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht vorliegen (Art. 138 Abs. 1 Buchst. a,
  143. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 52, 54, 56 EPÜ).
  144. 11
  145. I. 1. Das Streitpatent betrifft in den mit den Nichtigkeitsklagen angegriffenen und zuletzt noch beschränkt verteidigten Patentansprüchen ein Papiermaschinengewebe (papermaker’s fabric) mit CMD-Fäden (Cross-MachineDirection-Fäden, nachfolgend Schussfäden) und MD-Fäden (Machine-Direction-Fäden, nachfolgend Kettfäden), das flache, monofile (einfädige) Fäden
  146. aufweist. Mit derartigen Geweben werden kontinuierliche Papierbahnen durch
  147. die Papiermaschine hindurchtransportiert, insbesondere durch deren Trocknungstrommeln. Bei ihnen kommt es, wie der gerichtliche Sachverständige in
  148. der mündlichen Verhandlung in Übereinstimmung mit den Parteien erläutert
  149. hat, maßgeblich zum einen auf eine möglichst glatte Oberfläche in dem Bereich
  150. an, in dem die Papiermasse auf dem Gewebe aufliegt; nur so lässt sich die ge-
  151. -8-
  152. wünschte glatte Oberfläche des Papiers erzeugen. Zum anderen muss das
  153. Gewebe in einem der jeweiligen Maschine zur Papierherstellung angepassten
  154. Umfang dampfdurchlässig sein, um den Trocknungsvorgang gezielt beeinflussen zu können. Dazu gibt die Beschreibung des Streitpatents an, bei der Herstellung von Papiermaschinengeweben spiele die Durchlässigkeit des Gewebes eine wichtige Rolle, weil die Gewebe dazu bestimmt seien, mit hohen Geschwindigkeiten in modernen Trocknungsanlagen umzulaufen, wobei es wünschenswert sei, Trocknungsgewebe mit einer relativ niedrigen Durchlässigkeit
  155. zu haben (Beschreibung Spalte 1, Zeilen 36 bis 41).
  156. 12
  157. Derartige Gewebe waren als solche an den Prioritätstagen des Streitpatents bekannt. Die Beschreibung des Streitpatents verweist insoweit etwa auf
  158. die US-Patentschrift 4 438 788, aus der ein Gewebe mit drei Lagen von
  159. Schussfäden bekannt sei, die mit einem System von flachen, einfädigen Kettfäden so verwebt seien, dass sowohl auf der oberen als auch auf der unteren
  160. Seite des Gewebes Schleifen zur Erzielung einer glatten Oberfläche entstünden (Beschreibung Spalte 1, Zeilen 28 bis 35), ferner auf die US-Patentschrift
  161. 4 290 209, die ein Gewebe offenbare, das aus flachen, einfädigen Kettfäden
  162. gewebt sei (Beschreibung Spalte 1, Zeilen 20 bis 23), wobei die Kettfäden nahe
  163. beieinander verwebt würden, um ein Gewebe mit verminderter Durchlässigkeit
  164. zu bilden (Beschreibung Spalte 1, Zeilen 42 bis 45). An letzterem wird kritisiert,
  165. dass zusätzliche Mittel wie Auffüllfäden nötig seien, um die Durchlässigkeit des
  166. Gewebes zu vermindern, was zu vermeiden sei (Beschreibung Spalte 1, Zeilen 45 bis 52).
  167. 13
  168. Die Erfindung ist der Beschreibung zufolge darauf gerichtet, ein Papiermaschinengewebe anzugeben, dessen Durchlässigkeit gering ist, mit gewebten, flachen Kettfäden gesteuert wird, und insgesamt aus Monofilamenten unter
  169. Verzicht auf Füllfäden hergestellt ist und bei dem kein Teil der Festigkeit oder
  170. Stabilität geopfert wird (Beschreibung Spalte 4, Zeilen 14 bis 20).
  171. -9-
  172. 2. Dies soll nach Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung
  173. 14
  174. durch ein Papiermaschinengewebe erreicht werden, das wie folgt ausgebildet
  175. ist:
  176. 1. Das Papiermaschinengewebe besteht aus einem System von
  177. Schussfäden (system of CMD yarns) und einem System von
  178. flachen, einfädigen Kettfäden (system of flat monofilament MD
  179. yarns), bei dem
  180. 2. die Schuss- und die Kettfäden in einem ausgewählten sich wiederholenden Muster verwoben sind.
  181. 3. Die Kettfäden haben paarweise obere und untere Fäden, die in
  182. vertikaler Ausrichtung geschichtet (gestapelt) sind (said MD
  183. yarns having paired upper an lower yarns stacked in vertical
  184. alignment).
  185. 4. Die tatsächliche Kettfüllung (actual warp file) wenigstens der
  186. oberen Kettfäden liegt im Bereich zwischen 80 und 125%.
  187. 15
  188. In der Beschreibung des Streitpatents wird darauf hingewiesen, dass
  189. wenigstens die oberen Kettfäden flache, monofile Fäden sind, die dicht beieinander gewebt werden, um die Durchlässigkeit des Gewebes zu vermindern und
  190. um die in Maschinenrichtung weisende Ausrichtung aufeinander liegender Paare von Kettfäden festzulegen (Beschreibung Spalte 3, Zeilen 24 bis 28; deutsche Übersetzung Seite 5, 3. Abs.). Das gestapelte, eng verwobene Kettfädensystem bietet Stabilität und macht ein relativ hohes Maßverhältnis (Querschnittsbreite zu Höhe) möglich, das auch größer als 3:1 sein kann (Beschreibung Spalte 3, Zeilen 33 bis 36). Wie die Schichtung der paarweise verwobe-
  191. - 10 -
  192. nen Kettfäden erfolgen kann, wird in der Beschreibung anhand der nachstehend wiedergegebenen Fig. 2 und 3a
  193. erläutert. Danach bedeutet die paarweise vertikale Ausrichtung der Kettfäden
  194. nach Merkmal 3, dass beim Webvorgang zwei übereinander liegende Kettfäden
  195. Verwendung finden, die in dem fertigen Gewebe, wie die Abbildung zu den Bezugszeichen 15, 17 und 19 sowie 14, 16 und 18 erkennen lässt, in der Senkrechten - gegebenenfalls getrennt durch die Schussfäden - übereinander liegen, indem die unteren MD-Fäden (15, 17 und 19) jeweils direkt unter den oberen MD-Fäden (14, 16 und 18) zu liegen kommen (in a vertically stacked realtionship; Beschreibung Spalte 6, Zeilen 8 bis 11).
  196. 16
  197. Wie die Erörterung mit den Parteien und dem gerichtlichen Sachverständigen ergeben hat, ist in dem Ausführungsbeispiel der Erfindung nach
  198. Fig. 1 des Streitpatents ein Gewebe mit zwei übereinander angeordneten
  199. Schussfäden und einem nachfolgenden dritten Schussfaden dargestellt, bei
  200. dem die im Prioritätszeitpunkt in der Webtechnik geläufige Köper-Bindung mit
  201. Unterkettverstärkung verwendet worden ist. Bei dieser wird der Kettfaden nicht
  202. um jeden Schussfaden, sondern um zwei nebeneinander liegende Schussfäden herumgeführt, wobei dies jeweils versetzt geschieht, so dass der erste
  203. Kettfaden etwa über dem ersten und zweiten sowie unter dem dritten Schussfaden, der zweite Kettfaden über dem ersten, unter dem zweiten sowie über
  204. dem dritten und vierten Schussfaden, der dritte Kettfaden unter dem ersten,
  205. - 11 -
  206. über dem zweiten sowie über dem dritten und vierten Schussfaden liegt. Auf
  207. diese Weise werden jeweils mehrere Schussfäden von den Kettfäden abgedeckt, wodurch die Oberfläche des Gewebes glatter wird. Dem entspricht die
  208. Darstellung in den Schnitten der Fig. 2 und 3a, nach denen die vertikale
  209. Schichtung (vertically stacked relationship) der Kettfäden bei der Wahl einer
  210. Köperbindung bedeutet, dass die Kettfäden jedes Kettfadenpaares im Gewebe
  211. übereinander angeordnet so verwoben werden, dass sie den einen Schussfaden oder die mehreren Schussfäden übereinander liegend (Fig. 2 und Fig. 3a)
  212. umgreifen. Eine solche Lage tritt, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt
  213. hat, zwangsläufig ein, wenn mehrere übereinander angeordnete Kettfäden im
  214. Wege der Köper-Bindung miteinander verbunden werden. Um derartige Kettfadenpaare nach Art des in den Fig. 6 bis 8 des Streitpatents dargestellten einlagigen Gewebes zu verbinden, standen im Prioritätszeitpunkt ebenfalls Webtechniken, wie die Atlasbindung, zur Verfügung.
  215. 17
  216. Die Angabe, dass die tatsächliche Kettfüllung wenigstens der oberen
  217. Kettfäden im Bereich zwischen 80 und 125% liegen soll, wird in der Beschreibung mit einem Hinweis auf die US-Patentschrift 4 290 209 und die dort beschriebene Webart erläutert, bei der die tatsächliche Kettfüllung zwischen diesen Werten schwanken kann und dennoch als hundertprozentige Kettfüllung
  218. behandelt wird (Beschreibung Spalte 6, Zeilen 32 bis 41; deutsche Übersetzung Seite 11, 3. Abs.). Von dieser Art der Kettfüllung geht damit auch das
  219. Streitpatent aus. Als Vorteil einer solchen Gestaltung wird angegeben, das Gewebe mit einer so gestapelten Kettfüllung (mit beim Weben übereinander angeordneten Kettfäden) führe zu einer wesentlich höheren Füllung als bei Geweben, die zwar den gleichen Höchstsatz von 125% aufwiesen, bei denen aber
  220. lediglich einzelne, nicht aufeinander gestapelte Kettfäden verwebt würden (Beschreibung Spalte 8, Zeile 44 bis Spalte 9, Zeile 6; deutsche Übersetzung Seite 15, 4. Abs.).
  221. - 12 -
  222. 18
  223. Ein bestimmtes Maß der Durchlässigkeit des fertigen Gewebes ist nicht
  224. Gegenstand der Lehre nach Patentanspruch 1. Das folgt auch daraus, dass die
  225. Durchlässigkeit des Gewebes nach dem Streitpatent durch die Anordnung der
  226. Kettfäden gesteuert werden soll, was nicht nur eine möglichst geringe Durchlässigkeit umfasst, sondern - je nach Einsatzzweck - auch eine größere als die
  227. mögliche geringste Durchlässigkeit. Die Lehre des Streitpatents ermöglicht es
  228. daher infolge der Verwendung flacher Monofilamente und durch Auswahl einer
  229. geeigneten Bindungsart, etwa durch Verwendung einer mehrere Schussfäden
  230. übergreifenden Köper- oder Atlasbindung, einerseits eine glatte Oberfläche des
  231. Gewebes zu erzeugen. Andererseits kann über das Nebeneinanderliegen flacher Monofilamente auch dicht gewebt werden, so dass bei dem schnellen Lauf
  232. des Gewebes in einer modernen Papiermaschine vom Gewebe wenig Luft mitgenommen wird, was einem Flattern der Papierbahn entgegenwirkt. Ferner
  233. können über das Verweben paarweise vertikal übereinander geschichteter Kettfäden gezielte Räume zum Durchtritt von Gasen, insbesondere Wasserdampf,
  234. vorgesehen werden, wodurch der Dampfdurchtritt durch das Gewebe gesteuert
  235. werden kann, etwa indem Räume nach Art einer Labyrinthdichtung entstehen.
  236. Ferner kann durch die Verwendung paarweise geschichteter oder gestapelter
  237. flacher Kettfäden die Stabilität des Gewebes gestärkt werden. Schließlich kann
  238. durch die Verwendung einer mehrere Schussfäden übergreifenden Bindung nur
  239. auf der Papierseite, nicht aber auch auf der Maschinenseite des Gewebes, erreicht werden, dass das Gewebe auf der Maschinenseite elastisch bleibt und
  240. sich um die Trocknungstrommel legen kann, ohne auf der Maschinenseite gestaucht zu werden. Mit Hilfe der patentgemäßen Lehre kann somit jedes Gewebe erzeugt werden, das nach Maßgabe des herzustellenden Papiers die jeweils für den vorgesehenen Einsatzzweck erforderliche Permeabilität aufweist.
  241. Erreicht wird dies durch ein Zusammenwirken der einzelnen Merkmale des
  242. Streitpatents nach Patentanspruch 1, die damit in einer Wechselwirkung miteinander stehen, die ein gezieltes Ausrichten auf die gewünschte Durchlässig-
  243. - 13 -
  244. keit des Gewebes unter Stärkung seiner Stabilität bei glatter Oberfläche des
  245. Gewebes auf der Papierseite erlaubt.
  246. 19
  247. II. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 ist neu (Art. 54 EPÜ), da er,
  248. wie die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen ergeben hat und
  249. wovon die angefochtenen Urteile und auch die Parteien ausgehen, in der Gesamtheit seiner Merkmale im Stand der Technik nicht vorweggenommen ist. Er
  250. ist auch im Übrigen patentfähig, da nicht festgestellt werden kann, dass er
  251. durch den Stand der Technik nahegelegt war (Art. 56 EPÜ).
  252. 20
  253. 1. Wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats
  254. ausgeführt hat, werden Papiermaschinengewebe typischerweise in mittelständigen Unternehmen hergestellt, die in der Regel keine Entwicklungsabteilungen
  255. unterhalten. Zwar sind solche Gewebe in der Regel teure Spezialprodukte, die
  256. in Papiermaschinen in der Regel mit 300 bis 400 Umdrehungen pro Minute umlaufen, daher einer hohen Belastung ausgesetzt sind und demzufolge entsprechend belastbar ausgelegt sein müssen. Typischerweise sind mit der Entwicklung derartiger Gewebe aber Weber und Webtechniker befasst, die eine Ausbildung zum Meister durchlaufen haben und über langjährige Berufserfahrung
  257. in der Herstellung von Papiermaschinengeweben und Filtergeweben verfügen.
  258. Diese Fachleute kommen aus der Webtechnik, kennen die verschiedenen Bindungsarten von Geweben und verfügen darüber hinaus über spezielle Erfahrungen mit Maschinen zum Weben von Papiermaschinen- und Filtergeweben,
  259. wobei es sich bei den hierfür erforderlichen Maschinen um gegenüber Webmaschinen zum Weben von Stoffen wesentlich komplexere Maschinen handelt.
  260. Vor allem auf Erfahrungen in der Webtechnik und im Umgang mit derartigen
  261. Maschinen und deren Ausbildung in der Praxis beruhen Weiterentwicklungen
  262. bei Papiermaschinengeweben. Auch akademisch ausgebildete Fachleute müssen solche Erfahrungen vor der Befassung mit Weiterentwicklungen der hier
  263. fraglichen Art sammeln. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist da-
  264. - 14 -
  265. her in erster Linie von diesen, nicht im Wege einer akademischen Ausbildung
  266. an einer Hochschule oder Fachhochschule erworbenen Fähigkeiten und
  267. Kenntnissen auszugehen. Die auf diesem Spezialgebiet tätigen Fachleute sind,
  268. was der gerichtliche Sachverständige auf Nachfrage näher erläutert hat, typischerweise nicht akademisch ausgebildet.
  269. 21
  270. 2. Zu den Kenntnissen und Fähigkeiten, von deren Vorhandensein danach im Prioritätszeitpunkt auszugehen ist, gehörte die Erkenntnis, dass für die
  271. Papierherstellung mit hohen Geschwindigkeiten Trocknungsgewebe mit niedriger Durchlässigkeit erforderlich sind.
  272. 22
  273. a) Einen Hinweis, wie ein solches Gewebe ausgebildet werden kann,
  274. gab die US-Patentschrift 4 290 209, die ein Mehrlagentrocknungsgewebe beschreibt, bei dem in Laufrichtung des Gewebes flache Kettfäden mit Schussfäden verwoben werden. Die Schrift offenbart, die einzelnen Kettfäden nebeneinander so anzuordnen, dass sie horizontal versetzt liegen und an ihren vertikalen Berührungsstellen aneinander liegen; bei dieser Anordnung entsteht ein
  275. vergleichsweise dichtes Gewebe mit reduzierter Durchlässigkeit für Gase. Insoweit weit die US-Patentschrift ausdrücklich darauf hin, dass die Reduzierung
  276. des Abstandes zwischen den einen Schussfaden umgreifenden abgeflachten
  277. Kettfäden eine Verringerung der Zwischenräume im Gewebe an den Stellen, an
  278. denen die Kettfäden die Schussfäden umgreifen, und damit eine Reduktion der
  279. Durchlässigkeit des Gewebes bewirkt (US-Patentschrift 4 290 209, Spalte 9
  280. Zeilen 31 bis 40; deutsche Übersetzung Seite 16, Zeilen 7 bis 13; Fig. 4, 4A
  281. und 4B). Die Dichte des Gewebes wird hierbei allein durch den Abstand einlagiger Kettfäden erzeugt. Das Verweben von Kettfadenpaaren wird nicht erwähnt. Über Maßnahmen zur Verbesserung der Festigkeit des Gewebes nachzudenken, gab diese Schrift ebenfalls keinen Anlass. Falls bei der Verwendung
  282. der Lehre aus dieser Schrift Probleme bei der Festigkeit aufgetreten wären,
  283. hätte das, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat,
  284. - 15 -
  285. zudem allenfalls Anlass gegeben, die Materialeigenschaften des Gewebes und
  286. der zu seiner Erzeugung verwendeten Kett- und Schussfäden zu überprüfen.
  287. 23
  288. Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen könnten, von einem Entwickler mit der oben angegebenen Qualifikation wäre am Prioritätstag des
  289. Streitpatents eine Webart mit oberen und unteren Kettfäden in Betracht gezogen worden, um auf diese Weise die Durchlässigkeit des Gewebes durch die
  290. Kettfäden innerhalb des Gewebes zu steuern, sind auch in den Ausführungen
  291. des gerichtlichen Sachverständigen nicht zutage getreten. Allein der Umstand,
  292. dass insoweit nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen von
  293. der Kenntnis der Webart mit Kettfadenpaaren auszugehen ist, rechtfertigt nicht
  294. die Annahme, das schließe ohne weitere Anregungen und insbesondere ohne
  295. Kenntnis von der Lehre des Streitpatents den Schritt zur Verwendung einer solchen, an sich bekannten Webart zur Steuerung der Durchlässigkeit eines Papiermaschinengewebes ein. Eine Anregung, Kettfäden paarweise geschichtet
  296. zu verweben, um über die Schichtung der Kettfäden die Räume im Gewebe so
  297. zu bemessen, dass eine bestimmte Durchlässigkeit des Gewebes erreicht wird,
  298. lässt sich der US-Patentschrift 4 290 209 auch vor diesem Hintergrund nicht
  299. entnehmen.
  300. 24
  301. b) Eine weitergehende Information findet sich auch nicht in der USPatentschrift 4 621 663. Diese zeigt ein Papiermaschinengewebe, das papierseitig mit einer Bespannung versehen ist, um die für die Papierherstellung gewünschte glatte Oberfläche zu erzeugen. Die Bespannung kann aus jedem beliebigen Material sein. Es wird als vorteilhaft bezeichnet, die Breite der Längsstreifen der Bespannung so zu wählen, dass sie ebenso breit sind wie die Gesamtdicke zweier nebeneinander liegender Kettfäden einschließlich deren Zwischenraums (US-Patentschrift 4 621 663, Spalte 2 Zeilen 35 bis 40; deutsche
  302. Übersetzung Seite 2, letzter Abs.). Ein Hinweis auf die Verwendung vertikal geschichteter Kettfadenpaare zur Steuerung der Durchlässigkeit des Gewebes
  303. - 16 -
  304. ergibt sich aus dieser Schrift jedoch ebenso wenig wie aus der britischen Patentschrift 17 620.
  305. 25
  306. c) Die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 211 426
  307. betrifft ein Papiermaschinengewebe, das bestimmungsgemäß eine hohe
  308. Durchlässigkeit für Gase, zu denen bei der Papierherstellung insbesondere
  309. Wasserdampf zählt, besitzen soll. Zu diesem Zweck schlägt die Schrift ein Gewebe mit großen Öffnungen vor. Um das damit verbundene Stabilitätsproblem
  310. zu lösen, sollen vertikal zueinander ausgerichtete Kettfäden, bei denen es sich
  311. auch um flache Fäden handeln kann (Beschreibung Spalte 5, Zeilen 24 bis 29)
  312. mit stabilisierenden Schussfäden (Spalte 4, Zeilen 5 bis 10) in der Weise verwoben werden, dass das Kettfadenpaar die Schussfäden teils über- und teils
  313. untergreift, so dass der Schussfaden durch das vertikal fluchtend angeordnete
  314. Kettfadenpaar hindurchgeführt ist, teils aber auch auf einer Seite eines Schussfadens übereinander zu liegen kommt (Beschreibung Spalte 3, Zeile 52 bis
  315. Spalte 4, Zeile 4).
  316. 26
  317. Die Schrift bestätigt die Annahme des gerichtlichen Sachverständigen,
  318. dass die Webart mit Kettfadenpaaren als solche am Prioritätstag des Streitpatents bekannt war. Die Durchlässigkeit des Gewebes wird dieser Schrift zufolge
  319. jedoch mittels der Größe der im Gewebe vorgesehenen offenen Flächen bestimmt. Die Größe dieser Flächen ergibt sich aus dem Abstand der nebeneinander verwobenen Kettfadenpaare voneinander sowie aus dem Abstand zwischen den Schussfäden. Die Schrift weist zwar darauf hin, dass die mit Abstand voneinander verwobenen Kettfäden paarweise vertikal fluchtend angeordnet sind, jedoch so, dass die effektive Dichte der lastaufnehmenden Kettfäden verdoppelt ist, ohne dass sich dadurch eine Verringerung der offenen Fläche des Siebes ergibt. Die vertikale Fluchtung der Kettfäden im fertigen Gewebe kann durch Verkleben oder Beschichten gesichert werden (Veröffentlichung
  320. der europäischen Patentanmeldung 0 211 426, Spalte 1, Zeile 50 bis Spalte 2,
  321. - 17 -
  322. Zeile 2). Dies gab keinen Hinweis darauf, mit Hilfe vertikal fluchtender paarweise angeordneter Kettfäden beim Webvorgang eine dem jeweiligen Zweck entsprechende Anpassung der Durchlässigkeit erreichen zu können.
  323. 27
  324. d) Es kann dahinstehen, ob eine Kombination der US-Patentschrift
  325. 4 290 209 mit der europäischen Patentanmeldung 0 211 426 zu dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der zuletzt verteidigten Fassung hätte führen
  326. können; zu einer solchen Kombination bestand im Prioritätszeitpunkt ohne
  327. Kenntnis der Lehre des Streitpatents kein Anlass. Beide Schriften verfolgen ein
  328. gegensätzliches Ziel; ihre Kombination war schon deshalb für den Fachmann
  329. eher fernliegend. Während die US-Patentschrift ein dichtes Gewebe für die Papierherstellung anstrebt, will die europäische Patentanmeldung das Problem
  330. der geringeren Stabilität bei einer durch Erweiterung der Abstände im Gewebe
  331. vergrößerten Durchlässigkeit lösen. Auf die besondere Webtechnik dieser zweiten Lösung zur Verbesserung des aus der US-Patentschrift bekannten Gewebes zurückzugreifen, bestand kein technischer Grund, weil sich Stabilitätsprobleme insoweit nicht stellten, sondern in erster Linie die glatte Oberfläche des
  332. Gewebes für eine Verbesserung bei der Papierherstellung im Raum stand, mit
  333. der sich die europäische Patentanmeldung nicht befasst. Ebenso wenig boten
  334. beide Schriften für eine Steuerung der Durchlässigkeit durch den Webvorgang
  335. und hierbei die Verwendung eines vertikal angeordneten, den Schussfaden unterschiedlich umgreifenden Kettfadenpaares eine Anregung; die Kombination
  336. der in ihnen geschilderten Webtechniken zur Erreichung dieses Ziels konnten
  337. sie daher auch deshalb ohne Kenntnis der Lehre des Streitpatents nicht nahelegen. Wie im Fall der US-Patentschrift 4 290 209 wird die Durchlässigkeit des
  338. Gewebes auch nach der europäischen Patentanmeldung 0 211 426 durch den
  339. Abstand zwischen den nebeneinander angeordneten Kettfäden und damit
  340. durch die Größe des Zwischenraums zwischen Schuss- und Kettfäden bestimmt, nicht jedoch durch eine Webart, bei der sich diese Lage nicht notwen-
  341. - 18 -
  342. dig in einer horizontalen Ebene einstellt, sondern in der Regel erst aus der vertikalen Schichtung der nebeneinander verwobenen Kettfäden ergibt.
  343. 28
  344. e) Soweit das Bundespatentgericht seine gegenteilige Wertung mit der
  345. Erwägung begründet hat, die Veröffentlichung der europäischen Patenanmeldung 0 211 426 offenbare in Spalte 1, Zeilen 31 bis 35, dass mit der von ihr
  346. vorgeschlagenen Verwendung von Kettfadenpaaren eine hohe Längsstabilität
  347. erzielt werde, was identisch sei mit der Merkmalsgruppe 3 des Streitpatents,
  348. durch welche die "Teilaufgabe" ausreichender Festigkeit und Stabilität gelöst
  349. werde; die US-Patentschrift 4 290 209 offenbare, dass mit der dort beschriebenen Webweise ein Flattern der Papierbahn auf dem Gewebe bei geringer
  350. Durchlässigkeit des Gewebes erreicht werde, wodurch die "Restaufgabe" der
  351. Merkmalsgruppe 4 nach Patentanspruch 1 des Streitpatents gelöst werde, beruht diese Wertung auf einer isolierten Betrachtung einzelner Merkmale, die
  352. außer Acht lässt, dass mit der Gesamtkombination sämtlicher Merkmale des
  353. Gegenstands nach Patentanspruch 1 das Verweben von Kettfadenpaaren zu
  354. einer vertikal ausgerichteten Schichtung in dem aus Kett- und Schussfäden
  355. hergestellten Gewebe nicht nur die Stabilität des Gewebes hinreichend bemessen und verbessert, sondern auch die Durchlässigkeit des Gewebes gezielt
  356. eingerichtet wird. Ein nach Maßgabe von "Teilaufgaben" in einzelne Merkmalsgruppen aufgesplitterter Gegenstand der Erfindung kann nicht in der Weise der
  357. Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zugrunde gelegt werden, dass einzelne
  358. Merkmale oder Merkmalsgruppen daraufhin untersucht werden, ob sie dem
  359. Fachmann durch den Stand der Technik je für sich nahegelegt waren. Der Prüfung der Rechtsfrage, ob der Gegenstand der Erfindung am Prioritätstag des
  360. Streitpatents durch den Stand der Technik nahegelegt war, ist vielmehr der
  361. Gegenstand der Erfindung in der Gesamtheit seiner Lösungsmerkmale in ihrem
  362. technischen Zusammenhang zu Grunde zu legen (BGHZ 147, 137, 141 - Trigonellin m.w.N.; Keukenschrijver in Busse, aaO, § 4 PatG Rdn. 58, 59; Asendorf/
  363. Schmidt in Benkard, aaO, § 4 PatG Rdn. 26; zur Gefahr des "Zerhackens" der
  364. - 19 -
  365. Erfindung durch Merkmalsgliederungen vgl. Meier-Beck, GRUR 2001, 967 f.).
  366. Bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit dürfen wie bei der Auslegung des
  367. Patentanspruchs einzelne Merkmale oder Merkmalsgruppen auch dann nicht
  368. isoliert mit dem Stand der Technik verglichen werden, wenn sich der Gegenstand der Erfindung in einzelne "Teilaufgaben" aufspalten lässt. Deshalb ist
  369. auch in einem solchen Fall der gesamte Inhalt der unter Schutz gestellten Lehre in den Blick zu nehmen.
  370. 29
  371. Patentanspruch 1 hat demzufolge in der zuletzt verteidigten Fassung mit
  372. den auf ihn rückbezogenen angegriffenen Unteransprüchen Bestand.
  373. 30
  374. III. Patentanspruch 23 betrifft ein Gewebe, das mit nur einer Lage von
  375. Schussfäden mit den Merkmalen nach Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung gewebt ist. Da Patentanspruch 1 nicht auf ein Gewebe mit
  376. mehreren Lagen Schussfäden beschränkt ist, sondern auch ein Gewebe mit einer Lage von Schussfäden umfasst, ist der Gegenstand nach Patentanspruch 23 im Gegenstand nach Patentanspruch 1 enthalten. Deshalb kann auf
  377. die Ausführungen zur Patentfähigkeit des Gegenstandes nach Patentanspruch
  378. 1 verwiesen werden. Mit Patentanspruch 1 hat daher auch Patentanspruch 23
  379. mit den angegriffenen und auf ihn rückbezogenen Patentansprüchen Bestand.
  380. - 20 -
  381. 31
  382. IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 91
  383. ZPO. Soweit die Beklagte Patentanspruch 1 zuletzt nur noch beschränkt verteidigt und damit ihre Berufung teilweise zurückgenommen hat (§ 516 ZPO), fällt
  384. die Beschränkung des Anspruchs auf Papiermaschinengewebe wertmäßig
  385. nicht ins Gewicht, so dass eine Belastung der Beklagten mit einem Teil der
  386. Rechtsmittelkosten (§ 516 Abs. 3 ZPO) nicht veranlasst ist.
  387. Melullis
  388. Keukenschrijver
  389. Meier-Beck
  390. Mühlens
  391. Asendorf
  392. Vorinstanz:
  393. Bundespatentgericht, Entscheidung vom 09.07.2002 - 1 Ni 18/01 (EU) -