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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. X ZB 9/03
  4. vom
  5. 17. Februar 2004
  6. in der Rechtsbeschwerdesache
  7. betreffend die Gebrauchsmusteranmeldung 200 08 040.7
  8. Nachschlagewerk: ja
  9. BGHZ:
  10. ja
  11. BGHR:
  12. ja
  13. Signalfolge
  14. GebrMG § 2 Nr. 3
  15. Aus dem Fehlen eines beständigen körperlichen Substrats bei einer als
  16. Gebrauchsmuster angemeldeten Erfindung folgt nicht notwendig, daß die Erfindung rechtlich als Verfahren im Sinn des § 2 Nr. 3 GebrMG einzuordnen ist.
  17. Einen Schutzausschluß für einen solchen Gegenstand sehen die §§ 1, 2
  18. GebrMG seit Inkrafttreten des Produktpirateriegesetzes nicht vor.
  19. Einem auf eine Signalfolge, die ein Programm zum Ablauf auf einem Rechner
  20. darstellt, gerichteten Schutzanspruch steht der Schutzausschluß des § 2 Nr. 3
  21. GebrMG nicht entgegen.
  22. BGH, Beschl. v. 17. Februar 2004 - X ZB 9/03 - Bundespatentgericht
  23. -2-
  24. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
  25. Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die
  26. Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf
  27. am 17. Februar 2004
  28. beschlossen:
  29. Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des
  30. 5. Senats (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 21. März 2003 aufgehoben.
  31. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an
  32. das Patentgericht zurückverwiesen.
  33. Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf
  34. 25.000,--
  35.  
  36. 
  37. Gründe:
  38. Die Anmelderin stellte am 4. Mai 2000 Antrag auf Eintragung des Gebrauchsmusters 200 08 040.7 mit der Bezeichnung "Systeme, Computerprogramm-Produkte und Tarifierungssysteme zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten". Die Anmel-
  39. -3-
  40. dung umfaßte 37 Seiten Beschreibung sowie 28 Schutzansprüche; die unabhängigen Schutzansprüche 1, 2, 11, 12, 21 und 22 lauteten wie folgt:
  41. " 1. System zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten, umfassend wenigstens einen Benutzerhost und ein Tarifierungsserversystem, wobei der Benutzerhost mit einem Tarifierungshilfsprogramm ausgerüstet ist, welches vom Benutzerhost auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz
  42. überwacht und im Fall von Tarifrelevanz eine bisher bestehende Wählverbindung des Benutzerhosts zu einem Zugangsserver zum Internet trennt und eine neue Wählverbindung zum Tarifierungsserversystem aufbaut, wenn die Wählverbindung nicht bereits zum Tarifierungsserversystem bestanden hat, wonach die Anfrage von dem Tarifierungsserversystem zu dem das gewählte Internetangebot bereitstellenden
  43. Anbieterserver gelangt, wobei das Tarifierungsserversystem
  44. so eingerichtet ist, daß es tarifrelevante Daten der Anfrage
  45. protokolliert, und wobei der Benutzerhost und das Tarifierungsserversystem so eingerichtet sind, daß eine Tarifänderung ohne Trennung der bestehenden Wählverbindung aufgrund der Protokollierung der tarifrelevanten Daten ermöglicht
  46. ist.
  47. 2. System zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten, umfassend wenigstens einen Benutzerhost und ein Tarifierungsserversystem, wobei der Benutzerhost mit einem Tarifierungshilfsprogramm ausgerüstet ist, welches vom Benutzerhost auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz
  48. überwacht und im Fall von Tarifrelevanz über das Internet eine
  49. Umleitung der Anfrage über das Tarifierungsserversystem
  50. veranlaßt, wobei das Tarifierungsserversystem so eingerichtet
  51. ist, daß die Anfrage von ihm zu dem das gewählte Internetangebot bereitstellenden Anbieterserver gelangt, wobei das Tarifierungsserversystem tarifrelevante Daten der Anfrage protokolliert.
  52. 11. Computerprogramm-Produkt zum Ablauf mit einem InternetBrowser auf einem Benutzerhost als Teil eines Systems zur
  53. -4-
  54. variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit
  55. vom gewählten Internetangebot, wobei das Computerprogramm-Produkt ein Tarifierungshilfsprogramm umfaßt, welches vom Benutzerhost auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht, und im Fall von
  56. Tarifrelevanz eine zum Internet bestehende Wählverbindung
  57. des Benutzerhosts trennt und eine neue Wählverbindung zu
  58. einem Tarifierungsserversystem des Systems zur variablen
  59. Tarifierung aufbaut, wenn die Wählverbindung nicht bereits zu
  60. dem Tarifierungsserversystem bestanden hat, wobei das Tarifierungshilfsprogramm die zum Tarifierungsserversystem aufgebaute Wählverbindung nicht trennt, wenn eine Anfrage nach
  61. einem anderen Internetangebot mit einem anderen Tarif auszusenden ist, soweit der Benutzer nicht ausdrücklich einen
  62. Befehl für eine derartige Trennung gibt.
  63. 12. Computerprogramm-Produkt zum Ablauf mit einem InternetBrowser auf einem Benutzerhost als Teil eines Systems zur
  64. variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit
  65. vom gewählten Internetangebot, wobei das Computerprogramm-Produkt ein Tarifierungshilfsprogramm umfaßt, welches vom Benutzerhost auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht, und im Fall von
  66. Tarifrelevanz über das Internet eine Umleitung der Anfrage
  67. über ein Tarifierungsserversystem veranlaßt.
  68. 21. Tarifierungsserversystem zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten, die von einem Benutzerhost gewählt werden, umfassend
  69. einen Tarifierungsserversystem und einer Einrichtung für einen Zugang einer Wählverbindung vom Benutzerhost, wobei
  70. das Tarifierungsserversystem so eingerichtet ist, daß es bei
  71. Anfragen nach Internetangeboten diese an den betreffenden
  72. Anbieterserver weiterleitet und auf Tarifrelevanz überprüft und
  73. tarifrelevante Daten der Anfragen protokolliert, ohne daß das
  74. Tarifierungsserversystem anfragebezogene Tarifierungsdaten
  75. vom Anbieterserver übermittelt bekommt, wobei ein Tarifwechsel innerhalb eines Internetangebots oder aufgrund eines
  76. Wechsels zu einem anderen Internetangebot unter Aufrechterhaltung der bestehenden Wählverbindung möglich ist.
  77. -5-
  78. 22. Tarifierungsserversystem zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten, welches so eingerichtet ist, daß es aus dem Internet an es
  79. gerichtete Anfragen nach Internetangeboten jeweils an den
  80. betreffenden Anbieterserver weiterleitet und auf Tarifrelevanz
  81. überprüft und tarifrelevante Daten der Anfragen protokolliert,
  82. ohne daß das Tarifierungsserversystem anfragebezogene Tarifierungsdaten vom Anbieterserver übermittelt bekommt."
  83. Wegen der auf die genannten Schutzansprüche rückbezogenen weiteren Schutzansprüche 2 bis 10, 13 bis 20 und 23 bis 28 wird auf die Anmeldeunterlagen verwiesen.
  84. Nach Beanstandung der Anmeldung durch die Gebrauchsmusterstelle
  85. hat die Anmelderin 28 Schutzansprüche gemäß Hilfsantrag eingereicht, in denen in den Schutzansprüchen 1 bis 4 und 9 jeweils das Wort "Benutzerhost"
  86. durch das Wort "Benutzerrechner" ersetzt wurde, wobei die Schutzansprüche 11 und 12 wie folgt formuliert waren:
  87. "11. Benutzerrechner mit einem mit einem Internet-Browser und
  88. einem Tarifierungshilfsprogramm als Teil eines Systems zur
  89. variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit
  90. vom gewählten Internetangebot, wobei das Tarifierungshilfsprogramm vom Benutzerrechner auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht, und
  91. im Fall von Tarifrelevanz eine zum Internet bestehende Wählverbindung des Benutzerrechners trennt und eine neue Wählverbindung zu einem Tarifierungsserversystem des Systems
  92. zur variablen Tarifierung aufbaut, wenn die Wählverbindung
  93. nicht bereits zu dem Tarifierungsserversystem bestanden hat,
  94. wobei das Tarifierungshilfsprogramm die zum Tarifierungsserversystem aufgebaute Wählverbindung nicht trennt, wenn eine
  95. Anfrage nach einem anderen Internetangebot mit einem anderen Tarif auszusenden ist, soweit der Benutzer nicht ausdrücklich einen Befehl für eine derartige Trennung gibt.
  96. -6-
  97. 12. Benutzerrechner mit einem Internet-Browser und einem Tarifierungshilfsprogramm als Teil eines Systems zur variablen
  98. Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit vom gewählten Internetangebot, wobei das Tarifierungshilfsprogramm
  99. vom Benutzerrechner auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht, und im Fall von
  100. Tarifrelevanz über das Internet eine Umleitung der Anfrage
  101. über ein Tarifierungsserversystem veranlaßt."
  102. Die nachgeordneten Schutzansprüche 13 bis 20 wurden entsprechend
  103. angepaßt. In Patentanspruch 21 wurde ebenfalls das Wort "Benutzerhost"
  104. durch "Benutzerrechner" ersetzt.
  105. Die Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat
  106. die Anmeldung zurückgewiesen, und zwar nach Hauptantrag, weil die Anmeldung teilweise auf den Schutz von Gegenständen gerichtet sei, die dem Gebrauchsmusterschutz nicht zugänglich seien. Bei den in den Schutzansprüchen 1 bis 10 definierten Systemen handle es sich um dem Schutzausschließungsgrund des § 2 Nr. 3 GebrMG unterfallende Verfahren. Durch die Ersetzung des Begriffs "Benutzerhost" durch "Benutzerrechner" nach Hilfsantrag
  107. seien die Verfahrensmerkmale nicht beseitigt worden.
  108. Gegen den Beschluß der Gebrauchsmusterstelle hat die Anmelderin
  109. Beschwerde eingelegt, mit der sie den Eintragungsantrag in geänderter Form
  110. weiterverfolgt hat. Sie hat im Beschwerdeverfahren die unabhängigen Schutzansprüche nach dem Hauptantrag wie folgt formuliert:
  111. " 1. Rechneranlage zur variablen Tarifierung von Internetgebühren
  112. in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten, umfassend
  113. wenigstens einen Benutzerrechner und einen Tarifierungsserverrechner, wobei der Benutzerrechner mit einem Tarifierungshilfsprogramm so programmiert ist, daß er vom Benut-
  114. -7-
  115. zerrechner auszusendende Anfragen nach Internetangeboten
  116. auf Tarifrelevanz überwacht und im Fall von Tarifrelevanz eine
  117. bisher bestehende Wählverbindung des Benutzerrechners zu
  118. einem Zugangsserver zum Internet trennt und eine neue
  119. Wählverbindung zum Tarifierungsserverrechner aufbaut, wenn
  120. die Wählverbindung nicht bereits zum Tarifierungsserverrechner bestanden hat, wobei der Tarifierungsserverrechner so
  121. eingerichtet ist, daß er tarifrelevante Daten der Anfrage protokolliert und die Anfrage zu dem das gewählte Internetangebot
  122. bereitstellenden Anbieterserver weiterleitet, und wobei der
  123. Benutzerrechner und der Tarifierungsserverrechner so eingerichtet sind, daß eine Tarifänderung ohne Trennung der bestehenden Wählverbindung aufgrund der Protokollierung der
  124. tarifrelevanten Daten ermöglicht ist.
  125. 2. Rechneranlage zur variablen Tarifierung von Internetgebühren
  126. in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten, umfassend
  127. wenigstens einen Benutzerrechner und einen Tarifierungsserverrechner, wobei der Benutzerrechner mit einem Tarifierungshilfsprogramm so programmiert ist, daß er vom Benutzerrechner auszusendende Anfragen nach Internetangeboten
  128. auf Tarifrelevanz überwacht und im Fall von Tarifrelevanz über
  129. das Internet eine Umleitung der Anfrage über den Tarifierungsserverrechner veranlaßt, wobei der Tarifierungsserverrechner so eingerichtet ist, daß er die Anfrage zu dem das
  130. gewählte Internetangebot bereitstellenden Anbieterserver
  131. weiterleitet, wobei der Tarifierungsserverrechner tarifrelevante
  132. Daten der Anfrage protokolliert.
  133. 11. Datenträger mit darauf gespeicherten Daten oder für die
  134. Übersendung über das Internet geeignete, Daten repräsentierende Signalfolge, wobei die Daten ein Tarifierungshilfsprogramm zum Ablauf mit einem Internet-Browser auf einem Benutzerrechner als Teil einer Rechneranlage zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit vom gewählten
  135. Internetangebot darstellen, wobei das Tarifierungshilfsprogramm so ausgebildet ist, daß es beim Ablauf auf dem Benutzerrechner von diesem auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht, und im Fall von
  136. Tarifrelevanz eine zum Internet bestehende Wählverbindung
  137. des Benutzerrechners trennt und eine neue Wählverbindung
  138. -8-
  139. zu einem Tarifierungsserverrechner der Rechneranlage zur
  140. variablen Tarifierung aufbaut, wenn die Wählverbindung nicht
  141. bereits zu dem Tarifierungsserversystem bestanden hat, wobei das Tarifierungshilfsprogramm die zum Tarifierungsserverrechner aufgebaute Wählverbindung nicht trennt, wenn eine
  142. Anfrage nach einem anderen Internetangebot mit einem anderen Tarif auszusenden ist, soweit der Benutzer nicht ausdrücklich einen Befehl für eine derartige Trennung gibt.
  143. 12. Datenträger mit darauf gespeicherten Daten oder für die
  144. Übersendung über das Internet geeignete, Daten repräsentierende Signalfolge, wobei die Daten ein Tarifierungshilfsprogramm zum Ablauf mit einem Internet-Browser auf einem Benutzerrechner als Teil einer Rechneranlage zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit vom gewählten
  145. Internetangebot darstellen, wobei das Tarifierungshilfsprogramm so ausgebildet ist, daß es beim Ablauf auf dem Benutzerrechner von diesem auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht, und im Fall von
  146. Tarifrelevanz über das Internet eine Umleitung der Anfrage
  147. über einen Tarifierungsserverrechner veranlaßt.
  148. 21. Tarifierungsserverrechner zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von, von einem über eine Wählverbindung gekoppelten Benutzerrechner gewählten Internetangeboten, wobei der Tarifierungsserverrechner so eingerichtet ist, daß er bei Anfragen nach Internetangeboten diese
  149. an den betreffenden Anbieterserver weiterleitet und auf Tarifrelevanz überprüft und tarifrelevante Daten der Anfragen protokolliert, ohne daß der Tarifierungsserverrechner anfragebezogene Tarifierungsdaten vom Anbieterserver übermittelt bekommt.
  150. 22. Tarifierungsserverrechner zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten, welcher so eingerichtet ist, daß er aus dem Internet an ihn
  151. gerichtete Anfragen nach Internetangeboten jeweils an den
  152. betreffenden Anbieterserver weiterleitet und auf Tarifrelevanz
  153. überprüft und tarifrelevante Daten der Anfragen protokolliert,
  154. ohne daß der Tarifierungsserverrechner anfragebezogene Tarifierungsdaten vom Anbieterserver übermittelt bekommt."
  155. -9-
  156. Wegen der auf die vorstehend wiedergegebenen Schutzansprüche
  157. rückbezogenen weiteren Schutzansprüche wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
  158. Die Schutzansprüche 11 bis 20 nach dem ersten Hilfsantrag unterscheiden sich von denen nach dem Hauptantrag dadurch, daß sie nicht (auch) auf
  159. eine Signalfolge gerichtet sind.
  160. Die Anmelderin hat beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Erfindung mit den Schutzansprüchen 1 bis 29 nach Hauptantrag
  161. sowie mit der Beschreibung vom 21. Juni 2002 und den Zeichnungen vom
  162. 16. Dezember 2002, hilfsweise mit den Schutzansprüchen und den weiteren
  163. Unterlagen nach Hilfsantrag 1, weiter hilfsweise mit den Unterlagen nach den
  164. Hilfsanträgen 2 bis 5 einzutragen. Die Beschwerde hatte insoweit Erfolg, als
  165. das Beschwerdegericht unter Zurückweisung der weitergehenden Anmeldung
  166. und Beschwerde die Eintragung des Gebrauchsmusters mit den Unterlagen
  167. des ersten Hilfsantrags angeordnet hat. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin den Antrag, den angefochtenen Beschluß
  168. aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
  169. II. Die kraft Zulassung statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht (§ 18 Abs. 4 GebrMG i.V.m.
  170. § 108 Abs. 1 PatG).
  171. 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, zwar beträfen die Schutzansprüche 1 bis 10 nach dem Hauptantrag Erzeugnisse und keine Verfahren, je-
  172. - 10 -
  173. doch hätten die Schutzansprüche 11 bis 20 Verfahrenscharakter, soweit sie auf
  174. eine Signalfolge gerichtet seien. In diesem Umfang beziehe sich der Eintragungsantrag auf nach § 2 Nr. 3 GebrMG vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossene Gegenstände. Eine teilweise Eintragung unter Zurückweisung der
  175. Anmeldung im Umfang der nicht eintragungsfähigen Schutzansprüche scheide
  176. aus, weil der Eintragung keine vom Eintragungsantrag abweichenden Unterlagen zugrunde gelegt werden dürften. Die in den Schutzansprüchen 11 bis 20
  177. alternativ beanspruchte Signalfolge müsse als Verfahren angesehen werden.
  178. 2. Die Rechtsbeschwerde macht demgegenüber geltend, bei dem auf
  179. dem Datenträger gespeicherten Programm und bei dem von der Signalfolge
  180. repräsentierten Programm handle es sich um ein und dasselbe technische
  181. Programm, das lediglich zum Zweck seines Transports in einem unterschiedlichen Transportgewand in Erscheinung trete. Eine unterschiedliche Behandlung
  182. der beiden Transportausformungen sei aus Rechtsgründen nicht gerechtfertigt,
  183. weil sie nicht die der Anmeldung zugrundeliegende technische Lehre, sondern
  184. eine Nebensächlichkeit in das Zentrum der Betrachtung stelle. Die Bejahung
  185. der Gebrauchsmusterfähigkeit setze nicht voraus, daß ein Schutzgegenstand
  186. dauerhaft existiere. Ein Programm sei kein Verfahren, sondern ein sich technisch-physikalisch in einer Daten- oder Signalfolge verkörperndes Erzeugnis
  187. zum Einrichten eines Universalrechners. Das Beschwerdegericht verstehe den
  188. Verfahrensausschluß in § 2 Nr. 3 GebrMG offenbar dahin, daß nur körperlich
  189. anfaßbare Erzeugnisse eintragbar seien. Eine solche Auslegung der maßgeblichen Bestimmung widerspreche deren Sinn und Zweck, der darin bestehe,
  190. durch das frühere Raumformerfordernis vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossene Gegenstände dem Schutz zuzuführen, ohne aber hinsichtlich der
  191. Schützbarkeit von Verfahren mit dem Patent gleichzuziehen. Der Verfahrensausschluß sei als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Somit seien auch
  192. - 11 -
  193. nicht anfaßbare, sich aber in technisch-physikalischen Erscheinungsformen wie
  194. Masse, Energie, Impulse, Polarisierung verkörpernde Gegenstände dem Gebrauchsmusterschutz zugänglich, soweit es sich nicht um Verfahren handle.
  195. Soweit das Beschwerdegericht den durch die Signalfolge definierten Gegenstand - irrtümlich - dahin verstanden habe, daß er sowohl vorrichtungs- als
  196. auch verfahrensmäßige Ausformungen zulasse, stelle dies keinen hinreichenden Grund dar, einen solchen Gegenstand mit Doppelcharakter bereits von der
  197. Eintragung als Gebrauchsmuster auszuschließen.
  198. 3. Bei dem Gegenstand, für den mit Schutzanspruch 11 in seiner zweiten Alternative Schutz begehrt wird, handelt es sich um eine Signalfolge, die für
  199. die Übersendung über das Internet geeignet ist und Daten repräsentiert, wobei
  200. diese Daten ein in bestimmter Weise ausgebildetes Tarifierungshilfsprogramm
  201. darstellen, das auf einem Benutzerrechner als Teil einer Rechneranlage mit
  202. einem Internet-Browser ablaufen soll und zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit vom gewählten Internetangebot dient. Eine solche
  203. (elektromagnetische) Signalfolge kann, worauf die Rechtsbeschwerde mit
  204. Recht hinweist, ein und dasselbe Programm wie die auf einem Datenträger
  205. gespeicherte Datenfolge der ersten Anspruchsalternative enthalten, es stellt in
  206. diesem Sinn nur eine andere "Verpackung" desselben Programminhalts dar.
  207. Unter der Geltung der Rechtslage vor Inkrafttreten des Produktpirateriegesetzes, durch das die geltende Regelung eingeführt worden ist, waren derartige
  208. Signalfolgen durch das "Raumformerfordernis" (vgl. Tronser, GRUR 1990, 10,
  209. 11 ff.) vom Gebrauchsmusterschutz ausgenommen. Dieses Erfordernis ist
  210. durch die erst im Lauf der parlamentarischen Beratungen in das Produktpirateriegesetz eingestellten neuformulierten §§ 1 und 2 GebrMG als Voraussetzung
  211. der Gebrauchsmusterfähigkeit abgeschafft worden. Im Bericht der Abgeordneten Geis und Stiegler (BT-Drucks. 11/5744, S. 31 ff. = BlPMZ 1990, 195, 197)
  212. - 12 -
  213. ist hierzu in Übereinstimmung mit einem Vorschlag des Bundesministers der
  214. Justiz vom Juni 1989 ausgeführt, es sei kein rechtspolitischer Grund mehr ersichtlich, das das Patent ergänzende Schutzrecht Gebrauchsmuster auf gegenständlich konkretisierte Erfindungen zu beschränken. Die Öffnung des Gebrauchsmusterschutzes solle allerdings dort ihre Grenze haben, wo das ungeprüfte Schutzrecht Gebrauchsmuster die Rechtssicherheit erheblich gefährden
  215. würde. Diese Grenze ist nach Auffassung des Berichts bei den Verfahrenserfindungen überschritten. Tatsächlich müßten eingetragene ungeprüfte "Verfahrensgebrauchsmuster", die wegen des Fehlens von Zeichnungen oder von
  216. Darstellungen chemischer Formeln von Dritten in keiner Weise auch nur einigermaßen zuverlässig auf ihre Schutzfähigkeit und ihren Schutzumfang geprüft
  217. werden könnten, zu einer erheblichen Marktbeunruhigung führen. In Verfolg
  218. dieser Linie hat der Bundestag auf das Raumformerfordernis "weitgehend" verzichtet; der Verzicht bedeute, daß alle technischen Erfindungen, also z.B. auch
  219. gestaltlose Stoffe, als Gebrauchsmuster geschützt werden könnten, wobei nur
  220. Verfahrenserfindungen ausgeschlossen bleiben sollten, da sie sich mangels
  221. konkreter Darstellbarkeit für ein ungeprüftes Schutzrecht nicht eigneten (Bericht aaO S. 199). Auch vor dem Hintergrund dieser Begründung trifft die Regelung in § 2 Nr. 3 GebrMG keine Bestimmung dahin, daß nur Erzeugnisse mit
  222. einem beständigen körperlichen Substrat gebrauchsmusterfähig seien, sie ordnet im Einklang damit ihrem Wortlaut nach vielmehr umgekehrt (nur) an, daß
  223. Verfahren als Gebrauchsmuster nicht geschützt werden. Diese vom Gesetzgeber bewußt und eindeutig getroffene Entscheidung ist von der Rechtsprechung
  224. hinzunehmen. Sie verstößt - entgegen einer gelegentlich in der Literatur vertretenen Auffassung (König, GRUR 2001, 948; hiergegen Busse, PatG, 6. Aufl.
  225. Rdn. 6 zu § 2 GebrMG) - schon wegen der verbleibenden Möglichkeit des
  226. Patentschutzes von Verfahrenserfindungen auch nicht gegen höherrangiges
  227. Recht.
  228. - 13 -
  229. Die der Gebrauchsmusteranmeldung, soweit diese im Streit steht,
  230. zugrundeliegende Signalfolge stellt kein Verfahren im Sinn der Ausschlußbestimmung des § 2 Nr. 3 GebrMG dar. Dabei ist schon mangels für ein abweichendes Ergebnis sprechender Anhaltspunkte und insbesondere in Anbetracht
  231. der Formulierungen in § 9 PatG einerseits und in § 11 Abs. 1 GebrMG andererseits davon auszugehen, daß der in § 2 Nr. 3 GebrMG verwendete Verfahrensbegriff der herkömmlichen Verfahrensdefinition bei den technischen
  232. Schutzrechte des gewerblichen Rechtsschutzes entspricht und insbesondere
  233. Arbeitsverfahren und Herstellungsverfahren einschließt.
  234. Ein Verfahren in diesem Sinn stellt eine für die Übersendung über das
  235. Internet geeignete, Daten repräsentierende Signalfolge nicht dar. Die vom
  236. Bundespatentgericht in diesem Zusammenhang angesprochene Abarbeitung
  237. des von den Daten dargestellten Programms durch den Rechner erfolgt zumindest in ähnlicher Weise auch bei der auf einem Datenträger gespeicherten
  238. Datenfolge und verleiht dieser keinen Verfahrenscharakter. Entsprechendes gilt
  239. für die für die Übersendung über das Internet geeignete Datenfolge, der ein
  240. beständiges körperliches Substrat fehlt, ohne daß sie deshalb als Verfahren
  241. einzustufen wäre. Einen Schutzausschluß für solche Gegenstände sehen die
  242. §§ 1, 2 GebrMG seit Inkrafttreten des Produktpirateriegesetzes nicht vor.
  243. Das Bundespatentgericht wird deshalb die Zurückweisung von Anmeldung und Beschwerde nach dem Hauptantrag der Anmelderin nicht weiterhin
  244. auf den Schutzausschluß nach § 2 Nr. 3 GebrMG stützen können. Es wird jedoch zu prüfen haben, ob mit den in Streit stehenden Schutzansprüchen ein
  245. Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches beansprucht wird (vgl.
  246. BGHZ 149, 68 - Suche fehlerhafter Zeichenketten).
  247. - 14 -
  248. III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt, weil sich die Kostenfolge unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (vgl. Busse, PatG, 6. Aufl. Rdn. 8 zu
  249. § 109 PatG m.w.N.). Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht als erforderlich angesehen (§ 18 Abs. 4 GebrMG i.V.m. § 107 Abs. 1 PatG).
  250. Melullis
  251. Keukenschrijver
  252. Meier-Beck
  253. Mühlens
  254. Asendorf