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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 124/03
  5. Verkündet am:
  6. 3. März 2004
  7. Kirchgeßner,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. MiethöheRegG § 2;
  18. BGB § 242 Cd
  19. Zur Frage, ob ein Mieterhöhungsverfahren allein gegen den in der gemeinsam angemieteten Wohnung verbleibenden Mieter durchgeführt werden kann, wenn der aus
  20. der Wohnung ausgezogene Ehegatte mit dem Vermieter seine Entlassung aus dem
  21. Mietverhältnis vereinbart hat und nur der andere Ehegatte seitdem die Wohnung
  22. nutzt und die Miete zahlt.
  23. BGH, Urteil vom 3. März 2004 - VIII ZR 124/03 - LG Krefeld
  24. AG Kempen
  25. -2-
  26. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  27. vom 3. März 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter
  28. Dr. Beyer, Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst
  29. für Recht erkannt:
  30. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer
  31. des Landgerichts Krefeld vom 26. März 2003 wird zurückgewiesen.
  32. Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
  33. Von Rechts wegen
  34. Tatbestand:
  35. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Zustimmung zu einer Mieterhöhung.
  36. Der Beklagte und seine frühere Ehefrau mieteten von der verstorbenen
  37. Rechtsvorgängerin der Klägerin im Jahre 1992 eine Wohnung in K.
  38. zu
  39. einem Mietzins von 500,- DM zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung. Nachdem die Eheleute sich getrennt hatten, zog die Ehefrau des Beklagten aus der
  40. gemeinsam bewohnten Wohnung aus und kündigte das Mietverhältnis mit
  41. Schreiben vom 11. Oktober 1995. Zudem vereinbarte sie mit der Klägerin, daß
  42. das Mietverhältnis zwischen ihnen beendet sei. Der Beklagte bewohnte die
  43. -3-
  44. Mietwohnung im folgenden allein und zahlte die Miete. Die Ehe wurde im Jahre
  45. 2001 geschieden.
  46. Mit Schreiben vom 28. April 1998, das allein an den Beklagten gerichtet
  47. war, verlangte die Klägerin von dem Beklagten die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete auf 620,- DM zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung ab 1. Juli
  48. 1998. Der Beklagte erteilte die Zustimmung nicht.
  49. Das Amtsgericht hat der fristgemäß erhobenen Klage auf Zustimmung
  50. zur Erhöhung des Mietzinses von 500,- DM (255,65 €) auf 620,- DM (317,- €) in
  51. Höhe eines Betrags von monatlich 49,08 € auf 304,73 € ab dem 1. Juli 1998
  52. stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten durch Versäumnisurteil zurückgewiesen und das Versäumnisurteil sodann aufrechterhalten. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte
  53. seinen Klageabweisungsantrag weiter.
  54. Entscheidungsgründe:
  55. I.
  56. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
  57. Die Mieterhöhungsklage sei zulässig, da auf Beklagtenseite keine notwendige Streitgenossenschaft bestehe. Die Ehefrau des Beklagten sei im Zeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens bereits aus dem Mietverhältnis entlassen
  58. gewesen. Hierzu habe es einer Zustimmung des Beklagten nicht bedurft. Der
  59. Grundsatz der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses stehe dem nicht entgegen;
  60. er sei kein Selbstzweck. Eine Aufspaltung des Mietverhältnisses müsse nur
  61. dann verhindert werden, wenn einem der daran Beteiligten (wirtschaftliche oder
  62. -4-
  63. rechtliche) Nachteile aus dem Ausscheiden eines anderen Beteiligten erwachsen könnten; es sei in jedem Einzelfalle zu untersuchen, ob und gegebenenfalls
  64. welche Interessen einer Mietvertragspartei durch das Ausscheiden einer anderen Vertragspartei betroffen seien.
  65. Im vorliegenden Falle habe keiner der Beteiligten ein schützenswertes
  66. Interesse daran, daß die frühere Ehefrau des Beklagten formell in der Mieterstellung verbleibe. Die Klägerin habe durch die Entlassungserklärung auf die
  67. Geltendmachung ihres an sich schützenswerten Interesses an einem weiteren
  68. Schuldner verzichtet. Der Beklagte seinerseits habe keinen wirtschaftlichen
  69. Vorteil, da ihm ein Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB gegen seine
  70. frühere Ehefrau nicht zustehe, nachdem er die gemietete Ehewohnung mehr
  71. als drei Jahre lang allein bewohnt habe.
  72. Die Klage sei auch begründet. Das Mieterhöhungsverlangen sei dem
  73. Beklagten innerhalb der Frist des § 2 Abs. 4 MHG zugegangen, wie die erstinstanzliche Beweisaufnahme ergeben habe; soweit der Beklagte den Zugang
  74. weiterhin bestreite, erschüttere dies den erbrachten Beweis nicht.
  75. II.
  76. Dies hält der rechtlichen Überprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen.
  77. 1. Zutreffend geht die Revision davon aus, daß ein Mieterhöhungsverfahren, das vorliegend den Voraussetzungen des § 2 MHG unterliegt, da das Mieterhöhungsverlangen vom 28. April 1998 vor dem 1. September 2001 zugegangen ist (Art. 229 § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB), nicht gegen einen von mehreren
  78. Mietern allein durchgeführt werden kann. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 MHG ist der
  79. -5-
  80. Zustimmungsanspruch nach Absatz 1 "dem Mieter" gegenüber geltend zu machen. Hat eine Personenmehrheit eine Sache gemietet, sind gegenüber dem
  81. Mieter abzugebende Erklärungen an alle Mitmieter zu richten; dies folgt aus der
  82. Einheitlichkeit des Mietverhältnisses und daraus, daß alle Mitmieter gemeinschaftlich die Mieterseite des bestehenden Mietverhältnisses bilden (Senat,
  83. Rechtsentscheid vom 10. September 1997, BGHZ 136, 314, 323 betreffend § 2
  84. MHG; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 144, 370, 379 betreffend die Kündigung eines Leasingvertrags). Erhebt der Vermieter Klage auf Zustimmung zu einer Erhöhung des Mietzinses bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete, ist ein Fall der
  85. notwendigen Streitgenossenschaft nach § 62 Abs. 1, 2. Alt. ZPO gegeben,
  86. wenn mehrere Personen Mieter sind, da diese die Zustimmung nur gemeinschaftlich erteilen können (KG, NJW-RR 1986, 439, 440; Fischer in Bub/Treier,
  87. Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., VIII Rdnr. 56; Sternel,
  88. Mietrecht, 3. Aufl., I Rdnr. 15; Palandt/Weidenkaff, BGB, 63. Aufl., § 558 b
  89. Rdnr. 7; Staudinger/Emmerich (2003), § 558 a Rdnr. 6; Stein/Jonas/Bork, ZPO,
  90. 21. Aufl., § 62 Rdnr. 20). Die nur gegen einen Streitgenossen erhobene Klage
  91. ist grundsätzlich als unzulässig abzuweisen (BGHZ 36, 187, 191; BGHZ 92,
  92. 351, 353; BGH, Urteil vom 26. Oktober 1990 - V ZR 105/89, NJW-RR 1991, 333
  93. = WM 1991, 239 unter II 1 b; Bork, aaO, Rdnr. 25 m.w.Nachw.). Hiervon ist
  94. auch das Berufungsgericht ausgegangen.
  95. 2. Es kann offenbleiben, ob die frühere Ehefrau des Beklagten wirksam
  96. aus dem Mietverhältnis entlassen wurde, wie das Landgericht angenommen
  97. hat. Die Revision bleibt ohne Erfolg, da dem Beklagten gegenüber dem Mieterhöhungsverlangen der Klägerin die Berufung darauf verwehrt ist, er sei nicht
  98. Alleinmieter der Wohnung (§ 242 BGB).
  99. a) Nach überwiegender Auffassung, die die Revision sich zu eigen
  100. macht, bedarf ein zwischen Vermieter und einem Mitmieter geschlossener Auf-
  101. -6-
  102. hebungsvertrag zu seiner Wirksamkeit auch der Zustimmung des in der Wohnung verbleibenden Mieters (BayObLG, WuM 1983, 107, 108; OLG Koblenz,
  103. NJW 1984, 244; LG Heidelberg, WuM 1993, 342; Blank in Schmidt-Futterer,
  104. Mietrecht, 8. Aufl., Vor § 535 Rdnr. 230; Börstinghaus in Schmidt-Futterer, aaO,
  105. Vor
  106. § 558
  107. Rdnr. 48;
  108. MünchKommBGB/Voelskow,
  109. 3. Aufl.,
  110. §§ 535,
  111. 536
  112. Rdnr. 12; Staudinger/Emmerich, aaO, Vorbem zu § 535 Rdnr. 79, 87, vgl. andererseits
  113. jedoch
  114. aaO,
  115. § 558 a
  116. Rdnr. 7;
  117. Sternel,
  118. aaO,
  119. III
  120. Rdnr.
  121. 338;
  122. Palandt/Heinrichs, aaO, § 311 Rdnr. 7). Tatsachen, die darauf schließen lassen, daß der Beklagte seine Zustimmung zu der mit der Klägerin vereinbarten
  123. Entlassung seiner Ehefrau aus dem Mietverhältnis - gegebenenfalls im Wege
  124. schlüssigen Verhaltens - erteilt hat, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
  125. Nach anderer Auffassung ist die Zustimmung des in der Wohnung
  126. verbleibenden Mieters im Außenverhältnis zwischen Mieter- und Vermieterseite
  127. nicht Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern lediglich Voraussetzung einer Enthaftung
  128. im
  129. Innenverhältnis
  130. der
  131. früheren
  132. Mitmieter
  133. untereinander
  134. (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts,
  135. 8. Aufl., Rdnr. 1022; nicht eindeutig Kloster-Harz/M. Schmid, Ehewohnung
  136. - Partnerwohnung - Wohngemeinschaften, 1999, Rdnr. 2054). Hiernach wäre
  137. die frühere Ehefrau des Beklagten aus dem Mietverhältnis entlassen worden.
  138. b) Einer Entscheidung dieser Streitfrage bedarf es nicht. Der Beklagte
  139. kann sich gegenüber dem Mieterhöhungsverlangen der Klägerin nicht darauf
  140. berufen, daß er der Entlassung seiner früheren Ehefrau aus dem Mietverhältnis
  141. nicht zugestimmt hat. Sein Beharren auf dem von ihm angenommenen Zustimmungserfordernis stellt sich unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu
  142. und Glauben (§ 242 BGB) als unzulässige Rechtsausübung dar. Eine
  143. Rechtsausübung ist - auch ohne daß die Voraussetzungen des § 226 BGB vorliegen - mißbräuchlich, wenn sie beachtliche Interessen eines anderen verletzt,
  144. -7-
  145. ihr aber kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt (BGH, Urteil vom
  146. 24. Februar 1994 - IX ZR 120/93, NJW 1994, 1351 = WM 1994, 623 unter II 2
  147. m.w.Nachw.; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. November 1999 - VII ZR 22/99, WM
  148. 2000, 182 = NJW-RR 2000, 1220 unter II 2 c; Palandt/Heinrichs, aaO, § 242
  149. Rdnr. 50; MünchKommBGB/Roth, 4. Aufl., § 242 Rdnr. 537 f., 551 ff.).
  150. Jedenfalls in diesem Zusammenhang erweist sich die vom Berufungsgericht vorgenommene Interessenabwägung als zutreffend. Der Vermieter, der
  151. einen Aufhebungsvertrag mit einem Mitmieter schließt, hat ein erkennbares Interesse daran, sich hinsichtlich der weiteren Gestaltung des Mietverhältnisses
  152. nur noch an den Mieter zu halten, der aus seiner Sicht noch Vertragspartei ist.
  153. Soweit der Vermieter Zustimmungsverlangen auf Erhöhung des Mietzinses,
  154. Kündigungen und andere Gestaltungserklärungen weiterhin auch an den aus
  155. seiner Sicht aus dem Mietverhältnis entlassenen Mieter richten müßte, stünde
  156. er zum einen insbesondere dann vor erheblichen praktischen Erschwernissen,
  157. wenn der Mieter unbekannten Aufenthalts ist; zum anderen wäre der Vermieter,
  158. da seine Erklärungen der Aufhebungsvereinbarung zuwiderliefen, zu einem widersprüchlichen Verhalten gezwungen. Auf der anderen Seite ist es für den in
  159. der Wohnung verbleibenden Mieter im Außenverhältnis ohne Bedeutung, ob
  160. eine weitere Person Mietpartei ist, da er auch als Gesamtschuldner gegenüber
  161. dem Vermieter die ganze Leistung schuldet (§ 421 BGB); sein Interesse an der
  162. Erhaltung einer weiteren Vertragspartei beschränkt sich auf eventuelle Ausgleichsansprüche im Innenverhältnis der Mieter.
  163. Unter Berücksichtigung dieser Interessenlage kann es nicht im Belieben
  164. des in der Wohnung verbleibenden Mieters stehen, durch Verweigerung der
  165. Zustimmung - folgt man der vorstehend unter a) dargestellten, überwiegend
  166. vertretenen Auffassung - eine Entlassung des Mitmieters aus dem Mietverhältnis zu verhindern. Im vorliegenden Fall ist ein schutzwürdiges Interesse des
  167. -8-
  168. Beklagten daran, sich auf die Mieterstellung seiner früheren Ehefrau zu berufen, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Zusammenleben der Ehepartner ist auf Dauer beendet, ohne daß die Ehefrau die Absicht oder - da sie
  169. sich mit dem Vermieter auf eine Aufhebung des Mietverhältnisses geeinigt hatte - die rechtliche Möglichkeit hatte, die Wohnung wieder mit zu nutzen. Der
  170. Beklagte hat seit dem Auszug seiner Ehefrau spätestens im Oktober 1995 bis
  171. zum Zugang des Mieterhöhungsverlangens vom 28. April 1998 die Wohnung
  172. allein bewohnt und seitdem die Miete allein gezahlt. Er hatte damit seit etwa
  173. zweieinhalb Jahren die Stellung eines Alleinmieters. Insoweit hat der Beklagte
  174. auch nicht vorgetragen, gegen seine frühere Ehefrau Ausgleichsansprüche aus
  175. dem Mietverhältnis geltend gemacht zu haben, wobei offenbleiben kann, ob
  176. dies im Verhältnis zur Klägerin eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte.
  177. Der Beklagte hat sich im übrigen selbst gegenüber der Klägerin darauf berufen,
  178. daß er die gemieteten Räume allein bewohnt, indem er in einem weiteren Verfahren gegenüber den seit 1995 erteilten Nebenkostenabrechnungen eingewandt hat, seine Ehefrau und sein Sohn seien nach ihrem Auszug nicht mehr
  179. bei den den Abrechnungen zugrundeliegenden Personenzahlen zu berücksichtigen.
  180. Angesichts dieser Umstände stellt sich die Berufung auf die formale
  181. Rechtsposition eines Zustimmungserfordernisses als unzulässige Rechtsausübung dar. Der Beklagte muß sich gegenüber dem Mieterhöhungsverlangen
  182. der Klägerin so behandeln lassen, als habe er die Zustimmung zu einer Entlassung seiner Ehefrau aus dem Mietverhältnis, soweit erforderlich, erteilt. Das
  183. Mieterhöhungsverlangen konnte daher wirksam an den Beklagten allein gerichtet und die Klage allein gegen ihn erhoben werden.
  184. -9-
  185. 3. Soweit das Berufungsgericht die Klage nach § 2 MHG als begründet
  186. angesehen hat, erhebt die Revision keine Beanstandungen; Rechtsfehler sind
  187. auch im übrigen nicht ersichtlich.
  188. Dr. Deppert
  189. Dr. Beyer
  190. Wiechers
  191. Dr. Leimert
  192. Dr. Wolst