Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

333 lines
19 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 43/10
  5. Verkündet am:
  6. 22. Oktober 2010
  7. Lesniak,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB §§ 902 Abs. 1 Satz 1, 1004 Abs. 1, 1027
  19. Der Anspruch des Berechtigten einer Grunddienstbarkeit auf Beseitigung oder Unterlassung der Beeinträchtigung des Rechts unterliegt nicht der Verjährung, wenn es
  20. um die Verwirklichung des Rechts selbst, und nicht nur um eine Störung in der Ausübung geht.
  21. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2010 - V ZR 43/10 - LG Magdeburg
  22. AG Schönebeck (Elbe)
  23. -2-
  24. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  25. vom 22. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
  26. Richter Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und die Richterin
  27. Dr. Brückner
  28. für Recht erkannt:
  29. Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 9. Februar 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  30. Von Rechts wegen
  31. Tatbestand:
  32. 1
  33. Die Kläger sind Eigentümer in Erbengemeinschaft des Flurstücks
  34. Nr. 852/58. Der Beklagten gehört das westlich angrenzende Grundstück mit der
  35. Flurstücksnummer 853/58. Zu dessen Lasten ist seit August 1980 im Grundbuch eine Grunddienstbarkeit (Wegerecht) zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Flurstücks 852/58 eingetragen.
  36. 2
  37. Ursprünglich nahmen die Berechtigten nur einen kleinen, nahe der östlichen Grenze befindlichen Teil des belasteten Grundstücks in Anspruch, zu welchem sie über das Grundstück eines Dritten gelangten. Nachdem sie diese Zuwegung nicht mehr benutzen durften, gelangten sie von dem den Klägern
  38. -3-
  39. ebenfalls gehörenden Flurstück Nr. 54/1, welches südlich an das belastete
  40. Grundstück angrenzt, wiederum unter Inanspruchnahme eines einem Dritten
  41. gehörenden Grundstücks auf das belastete Grundstück etwa in der Mitte seiner
  42. west-östlichen Ausdehnung und von dort entlang der südlichen Grenze zu ihrem Flurstück Nr. 852/58. Diese Möglichkeit der Zuwegung endete im Jahr
  43. 2002.
  44. 3
  45. Da die Beklagte die Inanspruchnahme ihres Grundstücks in der gesamten west-östlichen Ausdehnung verweigert, haben die Kläger die Verurteilung
  46. der Beklagten zur Duldung des Betretens und Befahrens des belasteten Grundstücks zum Zweck der Bewirtschaftung ihres Flurstücks in der Weise, dass die
  47. Zuwegung von der westlich des belasteten Grundstücks verlaufenden öffentlichen Straße in einer Breite von ca. 3 m an der südlichen Grundstücksgrenze
  48. verläuft, beantragt. Das Amtsgericht hat - soweit hier von Bedeutung - der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die Beklagte - unter Abweisung der weitergehenden Klage - zur Duldung des Betretens und Befahrens des belasteten
  49. Grundstücks verurteilt.
  50. 4
  51. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, will die Beklagte die vollständige Abweisung der
  52. Klage erreichen.
  53. Entscheidungsgründe:
  54. I.
  55. 5
  56. Nach Ansicht des Berufungsgerichts können die Kläger aufgrund der
  57. Grunddienstbarkeit verlangen, dass die Beklagte ihnen und ihren Rechtsnachfolgern die Zuwegung zu ihrem Flurstück über die gesamte west-östliche Aus-
  58. -4-
  59. dehnung des belasteten Grundstücks - also ohne Benutzung des ihnen ebenfalls gehörenden Flurstücks Nr. 54/1 - gestattet. Die Dienstbarkeit sei nicht deshalb erloschen, weil die Kläger die Beseitigung von die gewünschte Zuwegung
  60. beeinträchtigenden Bäumen, welche die Beklagte gepflanzt habe, wegen Verjährung nicht mehr verlangen könnten; denn das belastete Grundstück biete
  61. trotz der vorhandenen Aufbauten und Anpflanzungen genügend Platz für die
  62. Einräumung eines 3 m breiten Weges. Den Gestattungsanspruch hält das Berufungsgericht für nicht verjährt und nicht verwirkt. Einen bestimmten Verlauf der
  63. Zuwegung könnten die Kläger mangels Vereinbarung bei der Wegerechtsbestellung und mangels längerer tatsächlicher Ausübung jedoch nicht verlangen.
  64. Die Beklagte könne den Verlauf bestimmen.
  65. II.
  66. 6
  67. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Duldungsanspruch der Kläger bejaht. Dieser hat seine Grundlage in
  68. §§ 1027, 1004 Abs. 1 BGB.
  69. 7
  70. 1. Entgegen der von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der
  71. mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht ist die von dem
  72. Berufungsgericht ausgesprochene Verurteilung hinreichend bestimmt. Mangels
  73. Vorliegens einer bestimmten Störung wird der Beklagten zu Recht allgemein
  74. aufgegeben, das Betreten und Befahren des mit der Grunddienstbarkeit belasteten Flurstücks zu dulden.
  75. 8
  76. 2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Ansicht "der Instanzgerichte", die Beklagte müsse den Klägern die Ausübung des Wegerechts über
  77. die gesamte west-östliche Länge ihres Grundstücks ermöglichen. Eine örtliche
  78. Ausübungsbeschränkung haben die Dienstbarkeitsberechtigten und -verpflichteten nämlich nicht gewollt.
  79. -5-
  80. 9
  81. a) Das Berufungsgericht hat die an der westlichen Grenze des belasteten
  82. Grundstücks seit den Jahren 1991/1992 geschaffenen Verhältnisse (Anpflanzung von 22 Bäumen) nicht übersehen. Es hat diesen Umstand berücksichtigt
  83. und mit tatbestandlicher Wirkung festgestellt, dass das belastete Grundstück
  84. trotz der Aufbauten und Anpflanzungen genügend Platz für die Einräumung eines 3 m breiten Weges bietet. Dies hat der Senat seiner Beurteilung zugrunde
  85. zu legen, weil die Beklagte es versäumt hat, in der Berufungsinstanz der jetzt
  86. von ihr als unrichtig angesehenen Feststellung mit einem Berichtigungsantrag
  87. nach § 320 ZPO entgegenzutreten; mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3
  88. Satz 1 Nr. 2 ZPO, welche die Revision erhebt, kann die Berichtigung nicht
  89. nachgeholt werden (siehe nur BGH, Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04,
  90. NJW-RR 2007, 1434, 1435 mwN).
  91. 10
  92. b) Auch der Umstand, dass die Beklagte im Dezember 1999 eine Fläche
  93. von ca. 50 m² des an der westlichen Seite zu ihrem Grundstück führenden öffentlichen Weges gepachtet hat, steht der Inanspruchnahme ihres gesamten
  94. Grundstücks für das Wegerecht nicht entgegen. Nach der in dem Berufungsurteil in Bezug genommenen Feststellung des Amtsgerichts erstreckt sich der
  95. Pachtvertrag, den die Beklagte mit der Gemeinde abgeschlossen hat, nicht
  96. über den gesamten sogenannten Gemeindeweg, sondern nur auf den hinteren
  97. Teil. Bis dorthin kann jedermann zu dem belasteten Flurstück gelangen.
  98. 11
  99. c) Ebenfalls nicht übersehen hat das Berufungsgericht den Umstand,
  100. dass die Kläger bislang das Wegerecht nur unter Inanspruchnahme eines Teils
  101. der west-östlichen Ausdehnung des belasteten Grundstücks ausgeübt haben.
  102. Im Hinblick hierauf ist es zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass diese tatsächliche Handhabung die Beklagte nicht berechtigt, den Klägern die Zuwegung über den bisher nicht in Anspruch genommenen Grundstücksteil zu verwehren. Denn zum einen dürfen sie seit mehreren Jahren das anfangs benutzte
  103. -6-
  104. Flurstück 55/3 nicht mehr überqueren. Zum anderen müssen sie nicht das ihnen gehörende Flurstück 54/1 als Zuwegung zu dem belasteten Grundstück
  105. nutzen. Aus der Grundbucheintragung lässt sich - was der Senat selbst feststellen kann (siehe nur Senat, Urteil vom 3. Mai 2002 - V ZR 17/01, NJW 2002,
  106. 3021, 3022 mwN) - nicht entnehmen, dass die Ausübung der Dienstbarkeit auf
  107. einen bestimmten Bereich des belasteten Grundstücks beschränkt sein soll.
  108. Aus der über viele Jahre praktizierten tatsächlichen Handhabung der Ausübung
  109. der Dienstbarkeit, die für die Feststellung einer von den Berechtigten und den
  110. Verpflichteten gewollten örtlichen Ausübungsbeschränkung Bedeutung haben
  111. kann (Senat, Urteil vom 3. Mai 2002 - V ZR 17/01, NJW 2002, 3021, 3022; Urteil vom 7. Oktober 2005 - V ZR 140/04, NJW-RR 2006, 237, 238), ergibt sich
  112. nichts anderes. Zumindest die Kläger und ihre Rechtsvorgängerin wollten die
  113. Ausübung ihres Rechts nicht auf Dauer auf den in Anspruch genommenen Teil
  114. des belasteten Flurstücks beschränken. Sie hatten und haben kein Interesse
  115. daran, dass das Wegerecht sie lediglich zur Benutzung eines kleinen Teils und
  116. später der ca. hälftigen west-östlichen Ausdehnung des belasteten Grundstücks
  117. berechtigt. Denn bei einem Verkauf des herrschenden Grundstücks, den die
  118. Kläger nunmehr beabsichtigen, hat dessen Eigentümer bei einem derart örtlich
  119. beschränkten Wegerecht keine Möglichkeit, über das Grundstück der Beklagten
  120. zu einer öffentlichen Straße zu gelangen.
  121. 12
  122. d) Ob das von der Beklagten gewünschte Ergebnis (örtliche Ausübungsbeschränkung) aus den in Nr. 8 a und Nr. 8 b des Kaufvertrags vom 23. Juni
  123. 1980 enthaltenen Vereinbarungen folgt, wie die Revision meint, ist unerheblich.
  124. Da im Grundbuch auf die in dem Kaufvertrag enthaltene Bewilligung der Dienstbarkeit nicht Bezug genommen wird, dürfen die genannten Vereinbarungen
  125. nicht zu der Ermittlung des von den Vertragsschließenden gewollten Verlaufs
  126. des Weges herangezogen werden (vgl. Senat, Urteil vom 3. Mai 2002 - V ZR
  127. 17/01, aaO).
  128. -7-
  129. 13
  130. 3. Nach den vorstehenden Ausführungen gehen die Erwägungen, mit
  131. denen die Revision die Beschränkung der Inanspruchnahme des belasteten
  132. Grundstücks aufgrund der Vorschriften der §§ 242, 1023 BGB erreichen will, ins
  133. Leere. Denn sie setzen etwas voraus, woran es hier fehlt, nämlich schon die
  134. bisherige Beschränkung der Ausübung der Dienstbarkeit auf einen Teil des belasteten Grundstücks.
  135. 14
  136. 4. Auch der Gedanke einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift
  137. des § 1023 BGB verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Selbst wenn der Dienstbarkeitsverpflichtete die Verlegung der Ausübungsstelle des Wegerechts auf
  138. ein anderes in seinem Eigentum stehendes Grundstück verlangen könnte und
  139. dem Berechtigten die Befugnis zur Verlegung des Rechts auf ein anderes herrschendes Grundstück zustünde (so MünchKomm-BGB/Joost, 5. Aufl., § 1023
  140. Rn. 6 f.), lässt sich daraus nicht ableiten, dass der Verpflichtete die Verlegung
  141. auf ein Grundstück des Berechtigten verlangen könnte. Denn das hätte die teilweise Aufhebung der Dienstbarkeit zur Folge.
  142. 15
  143. 5. Auf das von dem Senat in ständiger Rechtsprechung anerkannte Institut des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses (siehe nur Urteil vom
  144. 31. Januar 2003 - V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 m.umfangr.Nachw.) kann sich
  145. die Revision nicht mit Erfolg stützen. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines
  146. zwingenden Ausnahmefalls im Sinne der Senatsrechtsprechung sind weder
  147. festgestellt noch ersichtlich. Das Bestandsschutzinteresse der Beklagten muss
  148. deshalb hinter das Interesse der Kläger an der Möglichkeit der Ausnutzung des
  149. Wegerechts auf der gesamten west-östlichen Ausdehnung des belasteten
  150. Grundstücks zurücktreten. Die Vorschrift des § 1020 BGB, nach welcher der
  151. Berechtigte die Dienstbarkeit nur unter Schonung des Interesses des Verpflichteten ausüben darf, wahrt die berechtigten Interessen der Beklagten ausreichend.
  152. -8-
  153. 16
  154. 6. Ohne Erfolg rügt die Revision eine Verletzung der Art. 3 Abs. 1, 103
  155. Abs. 1 GG. Die Richtigkeit der als unzutreffend angesehenen Feststellung des
  156. Berufungsgerichts, dass auf dem belasteten Grundstück trotz der Aufbauten
  157. und Anpflanzungen noch genügend Platz für eine ca. 3 m breite Zuwegung zu
  158. dem Grundstück der Kläger ist, kann die Beklagte mit den Verfahrensrügen
  159. nicht mehr zu Fall bringen; denn sie hat es versäumt, im Berufungsverfahren
  160. einen Berichtigungsantrag nach § 320 ZPO zu stellen (vgl. vorstehend unter
  161. 1. a)). Auch erweist sich das Berufungsurteil insoweit weder als überraschend
  162. noch als willkürlich. Das Berufungsgericht hat seine Feststellung "ausweislich
  163. der mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder" getroffen.
  164. 17
  165. 7. Mit Recht hat das Berufungsgericht - von der Revision nicht angegriffen, obwohl es für die Beklagte nachteilig ist - angenommen, dass der Klageanspruch nicht verjährt ist.
  166. 18
  167. a) Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, stehen dem Berechtigten
  168. die in § 1004 BGB bestimmten Rechte zu (§ 1027 BGB). Beeinträchtigung in
  169. diesem Sinn ist jede Störung oder Behinderung der rechtmäßigen Ausübung
  170. der Dienstbarkeit. Dazu gehört auch die Vorenthaltung des Grundstücks, auf
  171. dem die Dienstbarkeit lastet. Der Dienstbarkeitsberechtigte kann die Beseitigung bzw. die Unterlassung einer solchen Beeinträchtigung verlangen (§ 1004
  172. Abs. 1 BGB). Dieser Anspruch ergibt sich unmittelbar aus der Grunddienstbarkeit. Er dient der Verwirklichung des Rechts, das sich aus dem Grundbuch ergibt. Nach § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB unterliegt er dann nicht der Verjährung.
  173. 19
  174. b) Etwas anderes ist, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, der
  175. Entscheidung des Senats vom 23. Februar 1973 (V ZR 109/71, BGHZ 60,
  176. 235 ff.) nicht zu entnehmen. Zwar heißt es dort in dem ersten Leitsatz, dass der
  177. Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB kein Anspruch aus einem eingetrage-
  178. -9-
  179. nen Recht im Sinne des § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB ist. Aber aus den Entscheidungsgründen ergibt sich, dass der Senat diese Aussage für den dem Grundstückseigentümer zustehenden Anspruch auf Beseitigung einer konkreten Eigentumsstörung nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen hat (BGHZ 60, 235,
  180. 239; vgl. auch Urteil vom 22. Juni 1990 - V ZR 3/89, NJW 90, 2555, 2556). Das
  181. ist sowohl auf Zustimmung als auch auf Ablehnung gestoßen (siehe die umfangreichen Nachweise bei Staudinger/Gursky, BGB [2008], § 902 Rdn. 9). Der
  182. Meinungsstreit braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden. Denn der Anspruch des Berechtigten einer Grunddienstbarkeit auf Beseitigung bzw. Unterlassung der Beeinträchtigung des Rechts nach § 1004 Abs. 1 BGB, der aus der
  183. Vorschrift des § 1027 BGB folgt, verjährt jedenfalls dann nicht, wenn es um die
  184. Verwirklichung des Rechts selbst, und nicht nur um eine Störung in der Ausübung geht (OLG Hamburg, ZMR 2003, 485; Bamberger/Roth/Kössinger, BGB
  185. 2. Aufl., § 902 Rn. 4; Erman/Grziwotz, BGB, 12. Aufl., § 1027 Rn. 4; juris PKBGB/Toussaint, 4. Aufl., § 902 Rn. 13; MünchKomm-BGB/Kohler, 5. Aufl.,
  186. § 902 Rn. 5; NK-BGB/Otto, 2. Aufl., § 1028 Rn. 5; Planck/Strecker, BGB,
  187. 5. Aufl., § 1027 Anm. 1 f; Staudinger/Gursky, BGB [2008], § 902 Rn. 9; aA
  188. BGB-RGRK/Rothe, 12. Aufl., § 1028 Rn. 1; MünchKomm-BGB/Joost, 5. Aufl.,
  189. § 1027 Rn. 7; Palandt/Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 1028 Rn. 1). Auf ihn treffen
  190. die Erwägungen, mit denen der Senat die Anwendung der Vorschrift des § 902
  191. Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Anspruch des Grundstückseigentümers auf Beseitigung einer Störung des Eigentums verneint hat, nicht zu.
  192. 20
  193. aa) Die Regelung in § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Ausnahme von
  194. dem in § 194 Abs. 1 BGB enthaltenen allgemeinen Grundsatz, dass Ansprüche
  195. der Verjährung unterliegen. Sie ergibt sich aus dem Zweck des Grundbuchs.
  196. Seine Verlautbarungen sollen Rechtssicherheit schaffen. Um diesen Zweck zu
  197. erreichen, wird vermutet, dass demjenigen, für den ein Recht im Grundbuch
  198. eingetragen ist, dieses Recht zusteht, und dass ein im Grundbuch gelöschtes
  199. - 10 -
  200. Recht nicht besteht (§ 891 BGB); darauf aufbauend wird die Richtigkeit und
  201. Vollständigkeit des Grundbuchs zugunsten eines gutgläubigen Erwerbers fingiert (§ 892 BGB). Auch das Rechtsinstitut der Verjährung dient der Rechtssicherheit; es schützt den Schuldner vor Ansprüchen, deren Bestehen infolge
  202. langer Dauer ihrer Nichtgeltendmachung zweifelhaft und ungewiss erscheint.
  203. Dieses Schutzes bedarf es für Ansprüche aus einem im Grundbuch eingetragenen Recht nicht, wenn sich der Inhalt des Rechts aus dem Grundbuch ergibt.
  204. Denn es besteht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des
  205. Rechts, wie es im Grundbuch eingetragen ist, und damit auch der Ansprüche,
  206. die es dem Berechtigten gewährt.
  207. 21
  208. bb) Das gesetzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis wird nach § 902 Abs. 1
  209. Satz 2 BGB durchbrochen, wenn die Ansprüche aus einem im Grundbuch eingetragenen Recht auf Rückstände wiederkehrender Leistungen oder auf Schadensersatz gerichtet sind. Diese Regelung hat ihren Grund darin, dass von der
  210. Befriedigung solcher Ansprüche die weitere Ausübung des Rechts nicht abhängt und das Grundbuch über die eingetragenen Rechte insoweit, als es die
  211. genannten Ansprüche betrifft, keine Auskunft gibt (Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band III, S. 140). Beides mag für den
  212. Anspruch des Eigentümers auf Beseitigung einer konkreten Beeinträchtigung
  213. des Eigentums nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zutreffen (so Senat, Urteil vom
  214. 23. Februar 1973 - V ZR 109/71, BGHZ 60, 235, 239 für den letztgenannten
  215. Gesichtspunkt). Bei dem hier geltend gemachten Anspruch des aus der Grunddienstbarkeit Berechtigten ist es jedoch anders. Er hat die Verwirklichung des
  216. eingetragenen Rechts selbst und nicht lediglich die Abwehr einer bestimmten
  217. Störung zum Ziel. Versagte man ihn aufgrund zwischenzeitlich eingetretener
  218. Verjährung, wäre die Ausübung des Rechts insgesamt ausgeschlossen oder
  219. beschränkt. Die Grundbucheintragung erwiese sich als bloße rechtliche Hülse,
  220. - 11 -
  221. die nicht mit Leben gefüllt werden könnte. Das entspricht nicht dem Zweck der
  222. Vorschrift des § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. Mugdan, aaO).
  223. 22
  224. cc) Dass sich der Anspruch nicht aus der Grundbucheintragung selbst
  225. ergibt, schadet nicht. Auch der Herausgabeanspruch des Grundstückseigentümers nach § 985 BGB lässt sich nicht dem Grundbuch entnehmen; gleichwohl
  226. unterliegt er nach § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht der Verjährung (siehe nur Senat, Urteil vom 16. März 2007 - V ZR 190/06, NJW 2007, 2183). Der Sache
  227. nach ähnelt der von dem Kläger geltend gemachte Duldungsanspruch diesem
  228. Herausgabeanspruch. Hier wie dort geht es um die Durchsetzung des im
  229. Grundbuch eingetragenen Rechts in dem Sinn, dem Rechtsinhaber die ihm zustehende Rechtsmacht (§§ 903, 1018 BGB) zu verschaffen.
  230. 23
  231. c) Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird durch die Vorschrift des
  232. § 1028 BGB bestätigt. Danach unterliegt der Anspruch des Berechtigten einer
  233. Grunddienstbarkeit auf Beseitigung einer Beeinträchtigung des Rechts, die
  234. durch eine Anlage auf dem belasteten Grundstück verursacht wird, der Verjährung auch dann, wenn die Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist;
  235. mit der Verjährung des Anspruchs erlischt das Recht, soweit der Bestand der
  236. Anlage mit ihm in Widerspruch steht. Diese Regelung weicht von dem in § 902
  237. Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltenen Grundsatz der Unverjährbarkeit ab, allerdings
  238. nur in einem besonderen Fall. Sie hat damit Ausnahmecharakter (vgl. Senat,
  239. Urteil vom 9. Januar 1963 - V ZR 125/61, BGHZ 39, 5, 11). Der Vorschrift bedürfte es indes nicht, wenn jeder Anspruch des Berechtigten einer Grunddienstbarkeit verjähren könnte.
  240. 24
  241. 8. Schließlich hat das Berufungsgericht ebenfalls mit Recht angenommen, dass - unabhängig von der Antwort auf die Frage, ob unverjährbare Ansprüche verwirkt werden können - der Klageanspruch nicht verwirkt ist. Es ist
  242. weder festgestellt noch ersichtlich, dass sich die Beklagte mit Rücksicht auf das
  243. - 12 -
  244. Verhalten der Kläger und ihrer Rechtsvorgängerin darauf eingerichtet hat, dass
  245. diese das Wegerecht nicht mehr geltend machen würden, dass es mit Treu und
  246. Glauben nicht zu vereinbaren ist, dass die Kläger doch noch ihr Recht durchsetzen, und dass unter diesem Gesichtspunkt die Duldung der Ausübung des
  247. Wegerechts auf dem gesamten belasteten Flurstück für die Beklagte unzumutbar ist (vgl. Senat, Urteil vom 16. März 2007 - V ZR 190/06, NJW 2007,
  248. 2183 f.).
  249. III.
  250. 25
  251. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
  252. Krüger
  253. Lemke
  254. Roth
  255. Schmidt-Räntsch
  256. Brückner
  257. Vorinstanzen:
  258. AG Schönebeck (Elbe), Entscheidung vom 04.06.2009 - 4 C 544/08 LG Magdeburg, Entscheidung vom 09.02.2010 - 2 S 214/09 -