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24 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. VERSÄUMNISURTEIL
  4. V ZR 203/14
  5. Verkündet am:
  6. 25. September 2015
  7. Langendörfer-Kunz
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. ZPO § 167
  19. Fordert das Gericht keinen Gerichtskostenvorschuss an und bleibt der Kläger untätig,
  20. beginnt der ihm im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 167 ZPO
  21. („demnächst“) zuzurechnende Zeitraum einer Zustellungsverzögerung frühestens
  22. drei Wochen nach Einreichung der Klage bzw. drei Wochen nach Ablauf der durch
  23. die Klage zu wahrenden Frist.
  24. WEG § 24 Abs. 6 Satz 2
  25. Macht die Teilungserklärung die Gültigkeit der Beschlüsse der Wohnungseigentümer
  26. von der Protokollierung und der Unterzeichnung durch den Verwalter und zwei von
  27. der Versammlung bestimmten Wohnungseigentümern abhängig (sog. qualifizierte
  28. Protokollierungsklausel), ist in der Versammlung aber nur der Verwalter anwesend,
  29. der zugleich Mehrheitseigentümer ist, genügt es, wenn er das Protokoll unterzeichnet
  30. -2-
  31. (Abgrenzung und Fortführung von Senat, Urteil vom 30. März 2012 - V ZR 178/11,
  32. NJW 2012, 2512).
  33. BGH, Versäumnisurteil vom 25. September 2015 - V ZR 203/14 - LG Frankfurt am Main
  34. AG Langen (Hessen)
  35. -3-
  36. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  37. vom 25. September 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann,
  38. die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter
  39. Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp
  40. für Recht erkannt:
  41. Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, 13. Zivilkammer, vom 16. Juli 2014 aufgehoben.
  42. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
  43. auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  44. Von Rechts wegen
  45. Tatbestand:
  46. 1
  47. Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Beklagte zu 1 hält die Mehrheit der Miteigentumsanteile und ist auch Verwalterin der
  48. Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Teilungserklärung (TE) legt in § 14
  49. Abs. 4 fest, dass die Wohnungseigentümerversammlung beschlussfähig ist,
  50. wenn mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten ist. In § 14 Abs. 8
  51. TE heißt es wie folgt:
  52. -4-
  53. „In Ergänzung des § 23 WEG wird bestimmt, dass zur Gültigkeit
  54. eines Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung außer
  55. den dort genannten Bestimmungen die Protokollierung des Beschlusses erforderlich ist. Das Protokoll ist vom Verwalter und von
  56. zwei von der Eigentümerversammlung bestimmten Wohnungseigentümern zu unterzeichnen.“
  57. 2
  58. Am 16. August 2011 fand eine Eigentümerversammlung statt, in der
  59. mehrere Beschlüsse gefasst wurden, u.a. zur Jahresabrechnung für das Jahr
  60. 2010. In der Versammlung war allein die Beklagte zu 1 als Mehrheitseigentümerin und Verwalterin anwesend. Sie unterschrieb das Protokoll allein. Mit der
  61. am 14. September 2011 bei dem Amtsgericht eingegangenen Beschlussmängelklage haben die Kläger die Ungültigerklärung mehrerer in der Versammlung
  62. gefasster Beschlüsse beantragt. Durch Telefaxschreiben vom 10. Oktober 2011
  63. haben sie das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass ihnen bislang noch keine
  64. Anforderung für den Gerichtskostenvorschuss vorliege, und um dringende Erledigung gebeten. Am selben Tag hat das Amtsgericht den Streitwert festgesetzt;
  65. am 25. Oktober 2011 ist die Vorschussrechnung erstellt und versandt worden.
  66. Der Gerichtskostenvorschuss ist am 4. November 2011 eingegangen. Die Zustellung der Klage an die Beklagten ist jeweils am 15. November 2011 erfolgt.
  67. 3
  68. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger
  69. hat das Landgericht die mit der Klage angefochtenen Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 16. August 2011 für ungültig erklärt. Mit der
  70. zugelassenen Revision möchte die Beklagte zu 1 die Wiederherstellung des
  71. amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
  72. -5-
  73. Entscheidungsgründe:
  74. I.
  75. 4
  76. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Anfechtungsfrist des § 46
  77. Abs. 1 Satz 2 WEG gewahrt. Hierfür genüge die fristgemäße Einreichung der
  78. Klageschrift, da sie noch demnächst im Sinne des § 167 ZPO zugestellt worden sei. Die Kammer gehe in ständiger Rechtsprechung von einem Zeitraum
  79. von drei Wochen aus, in der ein Kläger den Eingang einer gerichtlichen Vorschussanforderung abwarten könne, wobei diese Frist mit Ablauf der einzuhaltenden Anfechtungsfrist beginne. Vorliegend wäre eine mit Ablauf des 16. September 2011 beginnende dreiwöchige Untätigkeitsfrist am 7. Oktober 2011 verstrichen gewesen. Da aber dieser Tag ein Freitag gewesen und das Telefax
  80. des Klägervertreters zur Erinnerung an die gerichtliche Vorschussanforderung
  81. bereits am Montag, dem 10. Oktober 2011 bei dem Amtsgericht eingegangen
  82. sei, hätte eine noch am Nachmittag des 7. Oktober 2011 eingegangene fristgemäße Erinnerung keine spürbare Beschleunigung bewirken können.
  83. 5
  84. In der Sache seien die Beschlüsse der Versammlung vom 16. Oktober
  85. 2011 nicht gültig, da die hierfür nach der Teilungserklärung erforderliche Protokollierung fehle. Das Protokoll sei nur von der Verwalterin, nicht aber auch von
  86. zwei von der Eigentümerversammlung bestimmten Wohnungseigentümern unterzeichnet worden. Diese Unterschriften seien nicht deshalb entbehrlich, weil
  87. die Beklagte zu 1 allein in der Versammlung anwesend gewesen sei und daher
  88. keine weiteren Wohnungseigentümer zur Unterschrift hätten bestimmt werden
  89. können. Andernfalls werde der Zweck der qualifizierten Protokollierungsklausel,
  90. die Richtigkeit des Protokolls zu gewährleisten und Rechtssicherheit durch
  91. Schutz vor inhaltlich und formal nicht ordnungsgemäß protokollierten Beschlüssen zu schaffen, verfehlt. Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammen-
  92. -6-
  93. wirken der als Protokollunterzeichner in Betracht kommenden Wohnungseigentümer, das eine Berufung der Kläger auf die fehlende Gegenzeichnung unter
  94. dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ausschließen könnte, seien nicht
  95. ersichtlich.
  96. 6
  97. Allerdings weise die Gemeinschaftsordnung eine Lücke auf, weil sie keine Regelung für den Fall vorsehe, dass keine zwei Eigentümer in der Versammlung anwesend seien, die dazu bestimmt werden könnten, das Protokoll
  98. zu unterschreiben. Diese Lücke sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in Anlehnung an § 14 Abs. 4 TE zu füllen. Hiernach habe der Verwalter
  99. eine zweite Versammlung mit gleichem Gegenstand einzuberufen, wenn die
  100. Versammlung nicht beschlussfähig sei. In gleicher Weise könne auch bei der
  101. Abwesenheit möglicher Protokollunterzeichner verfahren werden. Für die
  102. streitgegenständlichen Beschlüsse müsse es aber bei der Ungültigkeit bleiben,
  103. da es hier um die Gültigkeit der Beschlüsse einer Erstversammlung gehe.
  104. II.
  105. 7
  106. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Über die Revision ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
  107. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis der Kläger, sondern
  108. auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60,
  109. BGHZ 37, 79, 82).
  110. 8
  111. 1. Zutreffend ist allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts, die
  112. Kläger hätten die einmonatige Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG
  113. gewahrt. Die am 15. November 2011 erfolgte Zustellung ist noch als „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO anzusehen, so dass die Zustellung auf den
  114. Tag der Einreichung der Klage am 14. September 2011 zurückwirkt, an dem
  115. die Anfechtungsfrist noch nicht abgelaufen war.
  116. -7-
  117. 9
  118. a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das
  119. Merkmal „demnächst“ (§ 167 ZPO) nur erfüllt, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei
  120. wird eine Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen, um eine Überforderung des Klägers sicher auszuschließen (vgl. nur Senat, Urteil vom 12. Januar 1996 - V ZR 246/94, NJW 1996, 1060, 1061; BGH,
  121. Urteil vom 10. Februar 2011 - VII ZR 185/07, NJW 2011, 1227 Rn. 8). Dies gilt
  122. für sämtliche Fallgruppen, so dass auch für die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von
  123. 14 Tagen nicht auf die Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung
  124. der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse, sondern darauf
  125. abgestellt wird, um wie viele Tage sich der ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert hat (BGH, Urteil vom
  126. 10. Februar 2011 - VII ZR 185/07, NJW 2011, 1227 Rn. 8). Dieser Rechtsauffassung des VII. Zivilsenats hat sich der Senat aus Gründen der Vereinheitlichung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und zur Herstellung eines einheitlichen Maßstabs angeschlossen (Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 154/14,
  127. NJW 2015, 2666 Rn. 6).
  128. 10
  129. b) Gemessen daran überschreitet die den Klägern zuzurechnende Zustellungsverzögerung den Zeitraum von 14 Tagen nicht.
  130. 11
  131. aa) Dass sie in der Zeit von der Einreichung der Klage bis zum Ablauf
  132. der Klagefrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG am 16. September 2011 nichts unternommen haben, um die Zustellung der Klage zu erreichen, kann ihnen nicht
  133. zum Vorwurf gemacht werden. Wenn eine Klage - wie hier - bereits vor Ablauf
  134. einer durch Zustellung zu wahrenden Frist eingereicht worden ist, die Zustellung der Klage aber erst nach Ablauf der Frist erfolgt ist, sind bis zum Fristablauf eingetretene Versäumnisse in die maßgebliche 14-Tagesfrist nicht mitein-
  135. -8-
  136. zurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1987 - VIII ZR 4/87, BGHZ 103,
  137. 20, 30; Urteil vom 15. Januar 1992 - IV ZR 13/91, NJW-RR 1992, 470, 471).
  138. Die gegenteilige Auffassung der Revision, die generell auf den Zeitpunkt des
  139. Eingangs der Klage abstellen möchte, lässt unberücksichtigt, dass eine Partei
  140. die ihr eingeräumte Frist bis zum letzten Tag ausnutzen darf (vgl. BGH, Urteil
  141. vom 15. Januar 1992 - IV ZR 13/91, NJW-RR 1992, 470, 471). Tut sie dies
  142. nicht, dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
  143. 12
  144. bb) Dadurch, dass die Kläger mit ihrem Hinweis an das Amtsgericht,
  145. ihnen liege bislang noch keine Anforderung für den Gerichtskostenvorschuss
  146. vor, bis zum 10. Oktober 2011 gewartet haben, ist eine ihnen zuzurechnende
  147. Verzögerung der Zustellung von höchstens drei Tagen eingetreten.
  148. 13
  149. (1) Ein dem Kläger anzulastendes Versäumnis kann auch vorliegen,
  150. wenn er nach Einreichung der Klage bzw. nach Ablauf der durch die Klage zu
  151. wahrenden Frist untätig bleibt. Grundsätzlich kann er zwar die Anforderung des
  152. Gerichtskostenvorschusses abwarten. Er muss den Vorschuss nicht von sich
  153. aus berechnen und mit der Klage einzahlen. Dies bedeutet aber nicht, dass er
  154. unbegrenzt lange völlig untätig bleiben darf (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1977
  155. – IV ZR 149/76, BGHZ 69, 361, 364). Wie lange ein Kläger der gerichtlichen
  156. Zahlungsaufforderung längstens entgegensehen kann, ohne dass von einer
  157. ihm anzulastenden Verzögerung ausgegangen werden kann, hat der Bundesgerichtshof noch nicht abschließend entschieden. Anerkannt ist jedoch – hiervon geht auch das Berufungsgericht aus - dass ein Tätigwerden jedenfalls vor
  158. Ablauf von drei Wochen nach Einreichung der Klage bzw. innerhalb von drei
  159. Wochen nach Ablauf der durch die Klage zu wahrenden Frist ausreichend ist
  160. (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1992 - IV ZR 13/91, NJW-RR 1992, 470, 471).
  161. Deshalb beginnt auch der dem Kläger im Rahmen der Prüfung des § 167 ZPO
  162. zuzurechnende Zeitraum einer Zustellungsverzögerung frühestens drei Wo-
  163. -9-
  164. chen nach Einreichung der Klage bzw. drei Wochen nach Ablauf der durch die
  165. Klage zu wahrenden Frist.
  166. 14
  167. (2) Das Zuwarten der Kläger wäre deshalb für die Frage der Zustellungsverzögerung insgesamt unerheblich gewesen, wenn sie sich innerhalb der
  168. ihnen von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugebilligten Frist von
  169. jedenfalls drei Wochen ab Fristablauf, d. h. bis spätestens 7. Oktober 2011
  170. (Freitag) bei dem Amtsgericht nach dem Verbleib der Gerichtskostenrechnung
  171. erkundigt hätten. Dass sie tatsächlich erst am 10. Oktober 2011 (Montag) in
  172. diesem Sinne tätig geworden sind, hat zu einer ihnen zuzurechnenden Zustellungsverzögerung von höchstens drei Tagen geführt. Unter Abzug des auf das
  173. Wochenende fallenden Zeitraums (8. und 9. Oktober 2011) beträgt die Verzögerung sogar nur einen Tag.
  174. 15
  175. cc) Ob den Klägern im Zusammenhang mit der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses möglicherweise eine weitere Zustellungsverzögerung
  176. zuzurechnen ist, kann offen bleiben. Auch wenn davon ausgegangen wird,
  177. dass die Gerichtskostenrechnung ihnen unmittelbar nach ihrem Versand am
  178. 25. Oktober 2011 zugegangen ist, könnte sich aus der Einzahlung des Vorschusses am 4. November 2011 eine ihnen zuzurechnende Verzögerung von
  179. allenfalls wenigen Tagen ergeben. Der maßgebliche 14-Tageszeitraum wäre
  180. auch unter Einbeziehung dieses Umstands nicht überschritten.
  181. 16
  182. 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die in der Eigentümerversammlung vom 16. August 2011 gefassten Beschlüsse nicht bereits deshalb ungültig, weil das Protokoll nur von der Beklagten zu 1 als Verwalterin und Mehrheitseigentümerin, nicht aber auch von zwei von der Eigentümerversammlung bestimmten Wohnungseigentümern unterzeichnet worden
  183. ist.
  184. - 10 -
  185. 17
  186. a) Die Teilungserklärung macht die Gültigkeit von Beschlüssen der
  187. Wohnungseigentümer in § 14 Abs. 8 von der Protokollierung und diese von der
  188. Unterzeichnung durch den Verwalter und zwei von der Eigentümerversammlung bestimmten Wohnungseigentümern abhängig. Eine solche qualifizierte
  189. Protokollierungsklausel ist wegen des berechtigten Interesses der Wohnungseigentümer an einer effektiven Kontrolle und an der sicheren Feststellung der
  190. gefassten Beschlüsse wirksam (Senat, Beschluss vom 3. Juli 1997 - V ZB 2/97,
  191. BGHZ 136, 187, 190 f.; Urteil vom 30. März 2012 - V ZR 178/11, NJW 2012,
  192. 2512 Rn. 16). Sie beruht auf dem Vier-Augen-Prinzip und bezweckt, dass das
  193. Protokoll - zusätzlich zu der Unterschrift des Verwalters - von zwei Personen
  194. unabhängig voneinander gelesen und auf seine Vollständigkeit und inhaltliche
  195. Richtigkeit hin überprüft wird und so Fehler eher auffallen. Dieser Zweck würde
  196. verfehlt, wenn bei der Unterzeichnung des Protokolls eine Vertretung von mehreren Wohnungseigentümern durch eine einzige natürliche Person möglich wäre. Das Protokoll muss deshalb von zwei verschiedenen natürlichen Personen
  197. unterzeichnet werden, die entweder selbst Wohnungseigentümer sind oder für
  198. sich oder andere Wohnungseigentümer handeln (Senat, Urteil vom 30. März
  199. 2012 - V ZR 178/11, NJW 2012, 2512 Rn. 21).
  200. 18
  201. b) Dass es hier schon an der Bestimmung zweier Eigentümer zur Unterzeichnung des Protokolls und in der Folge auch an der tatsächlichen Unterschriftsleistung von zwei von der Eigentümerversammlung bestimmten Wohnungseigentümern fehlt, führt nicht zur Ungültigkeit der in der Versammlung
  202. vom 16. August 2011 gefassten Beschlüsse. Der vorliegend zu beurteilende
  203. Sachverhalt unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von demjenigen,
  204. der dem Urteil des Senats vom 30. März 2012 (V ZR 178/11, NJW 2012, 2512
  205. Rn. 21) zu Grunde lag. Während in dem damaligen Fall neben dem Verwalter
  206. eine ausreichende Anzahl von Personen in der Versammlung anwesend waren, die das Protokoll entsprechend den Anforderungen der Protokollierungs-
  207. - 11 -
  208. klausel hätten unterzeichnen können, hat an der Versammlung am 16. August
  209. 2011 ausschließlich die Beklagte zu 1 als Mehrheitseigentümerin und Verwalterin teilgenommen. Dass in einer solchen Situation ihre alleinige Unterschrift den
  210. Anforderungen der Protokollierungsklausel genügte, ergibt sich aus einer ergänzenden Auslegung der Teilungserklärung.
  211. 19
  212. aa) An den hier in Rede stehenden Fall wurde bei Errichtung der Teilungserklärung offensichtlich nicht gedacht, so dass es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit handelt. § 14 Abs. 8 TE setzt unausgesprochen voraus,
  213. dass in der Eigentümerversammlung neben dem Verwalter mindestens zwei
  214. Wohnungseigentümer anwesend sind. Diese sollen durch ihre Unterschrift die
  215. inhaltliche Richtigkeit des Protokolls bestätigen. Eine solche Bestätigung kann
  216. aber nur dann erfolgen, wenn diese Personen in der Versammlung anwesend
  217. sind. Welche Rechtsfolge eintreten soll, wenn es an der Anwesenheit von mindestens zwei Wohnungseigentümern fehlt, ist in der Teilungserklärung nicht
  218. geregelt. Sie weist insoweit - wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zu
  219. Recht ausführt - eine Regelungslücke auf.
  220. 20
  221. bb) Eine Regelungslücke in einer Teilungserklärung kann nach den
  222. Grundsätzen der ergänzenden (Vertrags-)Auslegung geschlossen werden.
  223. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass - wie stets bei der Auslegung einer Grundbucheintragung - auf den Wortlaut und Sinn abzustellen ist, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt;
  224. Umstände außerhalb der Eintragung und der dort in Bezug genommenen Unterlagen dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen
  225. Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl.
  226. Senat, Beschluss vom 4. Dezember 2014 - V ZB 7/13, NJW-RR 2015, 645
  227. Rn. 8 mwn). Die Ermittlung des im Rahmen der ergänzenden Auslegung entscheidenden hypothetischen Parteiwillens muss deshalb zu einem Ergebnis
  228. - 12 -
  229. führen, das sich aus Sicht eines unbefangenen Betrachters als das nächstliegende darstellt. Dieses Erfordernis ist notwendig, aber auch ausreichend, um
  230. entsprechend dem Ziel des § 10 Abs. 2 WEG den Erwerber des Wohnungseigentums gegen ihm unbekannte Vereinbarungen oder Ansprüche zu schützen
  231. und dem Bestimmtheitserfordernis Rechnung zu tragen (vgl. grundlegend Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - V ZB 22/04, BGHZ 160, 354, 362 f.).
  232. 21
  233. cc) Bei der Ermittlung des hypothetischen Willens des teilenden Eigentümers ist darauf abzustellen, welche Regelung er bei einer angemessenen
  234. Abwägung der berührten Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise
  235. getroffen hätte, wenn er den von ihm nicht geregelten Fall bedacht hätte (Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - V ZB 22/04, BGHZ 160, 354, 365). Die
  236. hierzu erforderliche Auslegung kann der Senat als Revisionsgericht uneingeschränkt selbst vornehmen (Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - V ZB
  237. 22/04, BGHZ 160, 354, 361). Sie führt zu dem Ergebnis, dass die alleinige Unterschrift eines Verwalters, der - wie hier - zugleich Mehrheitseigentümer ist,
  238. dem Protokollierungserfordernis genügt, wenn nur er in der Eigentümerversammlung anwesend ist. Die sonstigen Gültigkeitsvoraussetzungen eines Beschlusses, wozu auch die Beschlussfähigkeit der Eigentümerversammlung
  239. zählt, bleiben hiervon unberührt.
  240. 22
  241. (1) Wesentliche Anhaltspunkte für solch einen hypothetischen Willen des
  242. teilenden Eigentümers ergeben sich aus der Teilungserklärung selbst. Gemäß
  243. § 14 Abs. 4 TE soll eine Eigentümerversammlung beschlussfähig sein, wenn
  244. mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile in der Versammlung vertreten sind.
  245. Vereint ein Eigentümer - so wie hier die Beklagte zu 1 - allein die Mehrheit der
  246. Miteigentumsanteile auf sich, ist eine Eigentümerversammlung deshalb auch
  247. bei der Anwesenheit nur eines einzigen Eigentümers beschlussfähig. Würde
  248. aber auch für diesen Fall die Unterschriftsleistung von zwei von der Eigentü-
  249. - 13 -
  250. merversammlung zu bestimmenden Wohnungseigentümern verlangt, liefe dies
  251. im Ergebnis darauf hinaus, eine weitere, faktische Voraussetzung für die Beschlussfähigkeit der Versammlung zu schaffen. Dies stünde mit der ausdrücklichen und als abschließend zu verstehenden Regelung zur Beschlussfähigkeit
  252. in § 14 Abs. 4 TE nicht im Einklang (vgl. in diesem Sinne auch OLG Hamm,
  253. NJW-RR 2008, 1545, 1547 für den Fall, dass nur ein Vertreter der Wohnungseigentümer anwesend ist).
  254. 23
  255. (2) Aus dem Zweck der Protokollierungsklausel folgt nichts anderes. Sie
  256. soll eine Gewähr dafür schaffen, dass das in dem Protokoll Niedergelegte dem
  257. tatsächlichen Ablauf der Versammlung entspricht. Bestätigen mehrere Personen unabhängig voneinander die Richtigkeit des Protokolls, wird die Richtigkeitsgewähr entsprechend erhöht. Dies ist der Hintergrund des bereits oben
  258. erwähnten Vier-Augen-Prinzips. Sind jedoch neben dem Verwalter nicht zusätzlich zwei weitere Wohnungseigentümer in einer Versammlung anwesend, wäre
  259. es sinnwidrig, neben der Unterschrift des Verwalters die Unterschrift von zwei
  260. Wohnungseigentümern zu verlangen. Mangels Anwesenheit in der Versammlung und eigener Anschauung könnten sie deren Ablauf nicht bestätigen. Aus
  261. ähnlichen Gründen wird auch im Rahmen des § 24 Abs. 6 Satz 2 WEG bei alleiniger Teilnahme des - die anderen Eigentümer vertretenden - Verwalters an
  262. der Eigentümerversammlung dessen Unterschrift als ausreichend angesehen
  263. (vgl. OLG Hamm, ZWE 2013, 215, 216; Palandt/Bassenge, BGB, 74. Aufl., § 24
  264. Rn. 22; Schultzky in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 24 Rn. 142).
  265. 24
  266. (3) Demgegenüber liegt die von dem Berufungsgericht vorgenommene
  267. Auslegung, die Abwesenheit der Eigentümer so zu behandeln wie eine fehlende
  268. Beschlussfähigkeit, so dass (erst) in einer zweiten Versammlung bei erneuter
  269. Abwesenheit der Eigentümer die alleinige Unterschrift des Verwalters genügen
  270. würde, nicht nahe. Zum einen würde auch bei dieser Lösung die Protokollie-
  271. - 14 -
  272. rungsklausel zu einer weiteren Voraussetzung der Beschlussfähigkeit umqualifiziert, obwohl hierfür entsprechend § 14 Abs. 4 TE bereits die Anwesenheit eines Mehrheitseigentümers genügt. Darüber hinaus würde die auch nach Auffassung des Berufungsgerichts im Ergebnis ohne Unterschrift von zwei Wohnungseigentümern mögliche Beschlussfassung nur verzögert und wäre mit dem
  273. zusätzlichen Aufwand einer neuen Eigentümerversammlung verbunden, ohne
  274. dass hierdurch die Richtigkeitsgewähr des Protokolls, die mit der Regelung in
  275. der Teilungsordnung bezweckt ist, erhöht würde.
  276. 25
  277. c) Da die Unterschriftsleistung der Beklagten zu 1 als Verwalterin und
  278. Mehrheitseigentümerin unter das Protokoll den in der Teilungserklärung normierten Protokollierungserfordernissen genügt, weil weitere Wohnungseigentümer nicht anwesend waren, stellt sich die von dem Berufungsgericht aufgeworfene Frage nicht, ob unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs bei
  279. nachweislich kollusivem Zusammenwirken der als Protokollunterzeichner in Betracht kommenden Wohnungseigentümer eine Berufung auf die fehlende Gegenzeichnung im Anfechtungsverfahren ausgeschlossen wäre. Rechtlich unerheblich ist deshalb auch die von der Revision erhobene Verfahrensrüge, dass
  280. das Berufungsgericht die von der Beklagten zu 1 innerhalb der ihr eingeräumten Schriftsatzfrist eingereichte ergänzende Stellungnahme zu der Frage des
  281. Rechtsmissbrauchs nicht zur Kenntnis genommen habe.
  282. III.
  283. 26
  284. Das Berufungsurteil ist wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1,
  285. 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine eigene Entscheidung des Senats (§ 563 Abs. 3
  286. ZPO) ist nicht möglich, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus
  287. - 15 -
  288. folgerichtig - sich mit den von den Klägern weiter erhobenen Anfechtungsgründen nicht befasst hat.
  289. Rechtsbehelfsbelehrung
  290. Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser
  291. ist beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe von einem an diesem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils
  292. durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
  293. Die Einspruchsschrift muss das Urteil, gegen das der Einspruch gerichtet wird, bezeichnen und die Erklärung enthalten, dass und, wenn das Rechtsmittel nur teilweise eingelegt werden solle, in welchem Umfang gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.
  294. In der Einspruchsschrift sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie Rügen, die
  295. die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann die Vorsitzende des
  296. erkennenden Senats die Frist für die Begründung verlängern. Bei Versäumung der Frist für
  297. die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr zugelassen wird.
  298. Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in § 78, § 296 Abs. 1, 3, 4, § 338,
  299. § 339 und § 340 ZPO verwiesen.
  300. Stresemann
  301. Schmidt-Räntsch
  302. Göbel
  303. Brückner
  304. Haberkamp
  305. Vorinstanzen:
  306. AG Langen (Hessen), Entscheidung vom 13.02.2012 - 52 C 78/11 (15) LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 16.07.2014 - 2-13 S 33/12 -