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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 473/00
  5. Verkündet am:
  6. 5. Februar 2004
  7. Preuß
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. KO § 30 Nr. 2
  19. Die Befriedigung einer fremden Schuld ist dem Gläubiger gegenüber nicht gemäß
  20. § 30 Nr. 2 KO anfechtbar.
  21. BGH, Urteil vom 5. Februar 2004 - IX ZR 473/00 - OLG Celle
  22. LG Verden (Aller)
  23. -2-
  24. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  25. vom 5. Februar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
  26. Raebel, Neškovi , Vill und Cierniak
  27. für Recht erkannt:
  28. Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 16. November 2000 wird auf Kosten des
  29. Klägers zurückgewiesen.
  30. Von Rechts wegen
  31. Tatbestand:
  32. Der Kläger ist Verwalter im Konkurs über das Vermögen der B.
  33. GmbH (Gemeinschuldnerin). Der Beklagte war Eigentümer des Betriebsgrundstücks der Gemeinschuldnerin. Er verpachtete das
  34. Grundstück am 13. Oktober 1994 an die Straßen- und Tiefbaugesellschaft
  35. Gebr. H.
  36. GmbH & Co. (im folgenden: Fa. H. ). Diese vermietete das Be-
  37. triebsgrundstück an die Gemeinschuldnerin. P.
  38. und Geschäftsführer der Fa. H.
  39. schuldnerin. Die Fa. H.
  40. F.
  41. , Gesellschafter
  42. , war auch Geschäftsführer der Gemein-
  43. geriet mit ihren Pachtzahlungen gegenüber dem Be-
  44. klagten mit mehr als 150.000 DM in Verzug. Der Beklagte erwirkte gegen sie
  45. einen entsprechenden Zahlungstitel.
  46. -3-
  47. Nachdem die Gemeinschuldnerin im Jahre 1997 in wirtschaftliche
  48. Schwierigkeiten geraten war, veräußerte sie das Geschäftsinventar. Der Käufer
  49. erwarb vom Beklagten auch das Betriebsgrundstück. Nachdem der Käufer den
  50. Kaufpreis für das Inventar geleistet hatte, überwies die Gemeinschuldnerin am
  51. 11. Juni und 1. Juli 1997 jeweils 75.000 DM an den Beklagten zur Ablösung von
  52. Pachtforderungen.
  53. Am 16. September 1997 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet. Der Kläger hat deren Zahlungen an den
  54. Beklagten gemäß § 32 Nr. 1, § 31 Nr. 1 und § 30 Nr. 2 KO angefochten. Das
  55. Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 150.000 DM nebst 4%
  56. Zinsen seit dem 19. August 1998 zu zahlen. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des
  57. landgerichtlichen Urteils.
  58. Entscheidungsgründe:
  59. Die Revision ist unbegründet.
  60. I.
  61. 1. Das Berufungsgericht hat die Anfechtungstatbestände des § 30 Nr. 1
  62. und des § 31 Nr. 1 KO jeweils aus tatsächlichen Gründen verneint. Dies greift
  63. die Revision nicht an.
  64. Die Anfechtung gemäß § 32 Nr. 1 KO hat das Berufungsgericht abgelehnt, weil keine unentgeltliche Verfügung vorgelegen habe. Das nimmt die Re-
  65. -4-
  66. vision hin und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Beklagte hat durch
  67. die Zahlungen seine Forderungen gegen die Fa. H.
  68. als Hauptpächterin verlo-
  69. ren (vgl. § 267 BGB). Das Berufungsgericht stellt unangefochten fest, daß diese
  70. Forderung werthaltig war. Darin liegt die Gegenleistung des Beklagten (vgl.
  71. BGHZ 41, 298, 301 ff; 141, 96, 99).
  72. 2. Die Anfechtung gemäß § 30 Nr. 2 KO hat das Berufungsurteil mit der
  73. Begründung abgelehnt, der Beklagte sei nicht Konkursgläubiger im Sinne dieser Bestimmung. Die Gemeinschuldnerin habe mit der Zahlung der zwei Raten
  74. von jeweils 75.000 DM auf eine Schuld der Fa. H.
  75. gezahlt. Es könne nicht
  76. festgestellt werden, daß auch eine entsprechende Verpflichtung der Gemeinschuldnerin gegenüber dem Beklagten bestanden habe. Dessen Behauptung,
  77. die Fa. H.
  78. und die Gemeinschuldnerin hätten bereits 1994 einen Beitritt der
  79. Gemeinschuldnerin zur Schuld der Fa. H.
  80. vereinbart, habe der Kläger bestrit-
  81. ten und sich auch hilfsweise nicht zu eigen gemacht. Auch könne nicht festgestellt werden, daß zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten eine
  82. Vereinbarung über die Zahlung der zwei Raten von je 75.000 DM zustande gekommen sei. Somit sei davon auszugehen, daß die Gemeinschuldnerin auf eine
  83. fremde Schuld gezahlt habe.
  84. Die Tilgung einer fremden Schuld, für die der Gemeinschuldner nicht
  85. einzustehen habe, könne aber nicht nach § 30 Nr. 2 KO angefochten werden,
  86. weil es sich nicht um eine Konkursforderung handele.
  87. Die weiteren Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 30 Nr. 2 KO hat
  88. das Berufungsgericht dahingestellt sein lassen.
  89. -5-
  90. II.
  91. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu § 30 Nr. 2 KO halten rechtlicher Nachprüfung stand.
  92. 1. Die Revision greift die Feststellung des Berufungsgerichts nicht an, die
  93. Gemeinschuldnerin sei gegenüber dem Beklagten zur Zahlung von 150.000 DM
  94. nicht verpflichtet gewesen. Soweit die Revisionserwiderung meint, es fehle bereits an einer Rechtshandlung der (späteren) Gemeinschuldnerin gegenüber
  95. dem Beklagten, weil Leistungen der Gemeinschuldnerin nur gegenüber der
  96. Fa. H.
  97. erbracht worden seien, trifft dies nur bereicherungsrechtlich zu. Der
  98. Begriff der Rechtshandlung im Sinne des Anfechtungsrechts, hier des § 30
  99. Nr. 2 KO, ist aber nicht identisch mit dem bereicherungsrechtlichen Begriff der
  100. Leistung. Der anfechtungsrechtliche Begriff der Rechtshandlung ist im weitesten Sinne zu verstehen. Er meint jedes Handeln, das eine rechtliche Wirkung
  101. auslöst (vgl. BGH, Urt. v. 26. Januar 1983 - VIII ZR 257/81, ZIP 1983, 334, 335)
  102. und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann (Henckel, Kölner Schrift zur InsO 2. Aufl. S. 820 Rn. 19). Dazu zählen neben Willenserklärungen auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen (BGH,
  103. Urt. v. 15. Oktober 1975 - VIII ZR 62/74, WM 1975, 1182, 1184). Daß hier in
  104. den Überweisungen der späteren Gemeinschuldnerin solche Rechtshandlungen lagen, kann danach nicht zweifelhaft sein.
  105. 2. Die Revision stützt sich auf die Meinung, die Befriedigung einer fremden Schuld könne nicht deshalb unanfechtbar sein, weil sich die Forderung des
  106. Gläubigers gegen einen anderen als den Gemeinschuldner richte, ihr Inhaber
  107. also streng genommen nicht zu den Konkursgläubigern gehöre. Eine andere
  108. Auffassung laufe dem Zweck des § 30 KO zuwider, vorkonkursliche Schmäle-
  109. -6-
  110. rungen der Masse auszugleichen (Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 30 Rn. 40).
  111. Dieser Meinung ist nicht zu folgen.
  112. Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 21. Mai 1980 - VIII ZR 40/79,
  113. WM 1980, 779, 780, ausdrücklich offengelassen, ob die Tilgung fremder Verbindlichkeiten durch die Gemeinschuldnerin nach § 30 Nr. 2 KO anfechtbar sein
  114. kann. Die Frage ist nunmehr zu verneinen, soweit sich die Anfechtung gegen
  115. den Gläubiger richtet.
  116. Der Begriff Konkursgläubiger ist in § 3 KO gesetzlich umschrieben als
  117. persönlicher Gläubiger, der einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch an den Gemeinschuldner hat. Für eine ausdehnende Auslegung oder entsprechende Anwendung besteht keine Veranlassung.
  118. a) Zunächst ergibt sich nichts daraus, daß § 30 Nr. 2 KO auch eine Anfechtung für den Fall vorsieht, daß der Gläubiger eine Befriedigung nicht zu beanspruchen hatte. Gemeint sind hier die Fälle unvollkommener Verbindlichkeiten (z.B. Spiel oder Wette; §§ 762 f BGB), verjährter Forderungen, heilender
  119. Erfüllung formungültiger Verträge (z.B. § 313 Satz 2 BGB a.F. - jetzt § 311b
  120. Abs. 1 Satz 2 BGB; § 766 Satz 3 BGB) oder aufschiebend bedingter Forderungen (Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 30 Rn. 204; vgl. auch MünchKommInsO/Kirchhof, aaO § 131 Rn. 14 f).
  121. b) Zweck des § 30 KO ist es, eine vorkonkursliche Schmälerung der
  122. Masse auszugleichen, um eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger zu
  123. ermöglichen. Wird auf eine fremde Schuld an einen Dritten geleistet, der nicht
  124. Gläubiger des Gemeinschuldners ist, tritt gemäß § 267 BGB Erfüllung ein, wenn
  125. -7-
  126. der Gläubiger die Leistung nicht ablehnt; dies darf er nur, wenn der Schuldner
  127. widerspricht, § 267 Abs. 2 BGB. Mit der Erfüllung erlischt die Forderung des
  128. Gläubigers gegen den Schuldner (Palandt/Heinrichs, BGB 63. Aufl. § 267
  129. Rn. 6). In der Leistung liegt eine Zuwendung gegenüber dem Dritten, die unter
  130. den erleichterten Voraussetzungen des § 32 KO anfechtbar ist, wenn dessen
  131. Forderung gegen den Schuldner nicht werthaltig war.
  132. War der Gemeinschuldner dem Schuldner nicht zu dieser Leistung verpflichtet, kann er gemäß § 32 KO gegenüber dem Schuldner anfechten (BGHZ
  133. 41, 298, 302) oder gegen diesen Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend machen (BGHZ 70, 389, 396 f; Palandt/Heinrichs aaO § 267
  134. Rn. 7).
  135. Leistet der Gemeinschuldner aufgrund eines Anspruchs oder einer Weisung des Schuldners, stellt sich dies im Verhältnis der Beteiligten als eine Leistung des Gemeinschuldners an den Schuldner dar, der hierdurch von einer
  136. Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger befreit wird.
  137. Es liegen in diesen Fällen zwei Leistungsverhältnisse vor, nämlich zwischen Gemeinschuldner und Schuldner einerseits und zwischen Schuldner und
  138. Gläubiger andererseits. Wie im Bereicherungsrecht kommt auch im Konkursrecht bei derartigen Fallkonstellationen eine Anfechtung grundsätzlich nur im
  139. jeweiligen Leistungsverhältnis in Betracht. Dies ist angemessen, weil hierdurch
  140. die Risiken den Leistungsverhältnissen zugeordnet werden, auf die die Parteien
  141. Einfluß haben. Besteht zwischen Gemeinschuldner und Gläubiger keine
  142. Rechtsbeziehung, ist es im Rahmen des § 30 Nr. 2 KO nicht gerechtfertigt, daß
  143. der Gläubiger das Insolvenzrisiko des Gemeinschuldners tragen und den geleisteten Betrag zurückerstatten muß. Der Gemeinschuldner kann vielmehr seine
  144. -8-
  145. Leistung an den Schuldner anfechten, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Nur in diesem Verhältnis läßt sich auch beurteilen, ob etwa eine kongruente oder inkongruente Deckung vorliegt.
  146. Wird der Schuldner seinerseits zahlungsunfähig, verwirklicht sich auch
  147. dieses Risiko in dem jeweiligen Leistungsverhältnis. Leistet der Gemeinschuldner aufgrund seiner von ihm mitgestalteten Rechtsbeziehung zu dem Schuldner, ist es angemessen, daß er dessen Insolvenzrisiko trägt. Der Gemeinschuldner hätte es auch zu tragen, wenn er unmittelbar an den Schuldner selbst
  148. gezahlt hätte. Im Verhältnis des Schuldners zum Gläubiger hat ebenfalls jede
  149. Seite das Insolvenzrisiko der anderen zu tragen. Würde man im Konkurs des
  150. Gemeinschuldners eine Anfechtung gegenüber dem Zahlungsempfänger zulassen, träfe diesen ein doppeltes Insolvenzrisiko, nämlich das von Gemeinschuldner und Schuldner. Dies wäre in aller Regel nicht sachgerecht.
  151. Der Anspruch des § 37 KO geht dahin, daß ein Gegenstand, der ohne
  152. die anfechtbare Rechtshandlung zur Konkursmasse gehören würde, ihr zum
  153. Zwecke der Verwertung wieder zugeführt wird. Der Gemeinschuldner hat durch
  154. seine Zahlung an den Beklagten eine mittelbare Zuwendung an dessen
  155. Schuldner erbracht. Anfechtungsrechtlich sind solche Zuwendungen im allgemeinen so zu behandeln, als habe der Berechtigte die mittelbare Zuwendung
  156. vom Gemeinschuldner erworben (vgl. BGHZ 142, 284, 288; Urt. v. 19. März
  157. 1998 - IX ZR 22/97, WM 1998, 968, 975). Mit der Erfüllung der Schuld der
  158. Fa. H.
  159. durch die Zahlung an den Beklagten hat allein die Fa. H.
  160. einen wirt-
  161. schaftlichen Wert aus dem Vermögen der Gemeinschuldnerin erlangt.
  162. 3. Die Erfüllung einer fremden Schuld soll nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung auch ein nach § 30 Nr. 1 Fall 1 KO anfechtbares Rechts-
  163. -9-
  164. geschäft sein (Jaeger/Henckel, aaO § 30 Rn. 103 a.E., Rn. 148 Mitte; MünchKomm-InsO/Kirchhof § 132 Rn. 5, § 130 Rn. 19).
  165. Die Anfechtung nach dieser Vorschrift hat das Berufungsgericht auch
  166. deshalb verneint, weil der Kläger nicht nachgewiesen habe, daß der Beklagte
  167. eine Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin gekannt habe. Ob die Anfechtung nach dieser Vorschrift gegenüber dem Beklagten möglich gewesen wäre,
  168. kann hier deshalb offenbleiben. Die Frage wäre im übrigen, sofern überhaupt
  169. das Vorliegen eines Rechtsgeschäfts im Sinne dieser Bestimmung anzunehmen wäre, wie bei § 30 Nr. 2 KO aufgrund umfassender Interessenabwägung
  170. zu entscheiden.
  171. Kreft
  172. Raebel
  173. Vill
  174. Neškovi
  175. Cierniak