Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

183 lines
6.6 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZB 211/10
  4. vom
  5. 12. Januar 2012
  6. in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung
  7. -2-
  8. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
  9. Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter
  10. Dr. Pape und die Richterin Möhring
  11. am 12. Januar 2012
  12. beschlossen:
  13. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am
  14. Main vom 21. September 2010 aufgehoben.
  15. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten
  16. des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
  17. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 45.217,30 €
  18. festgesetzt.
  19. Gründe:
  20. I.
  21. 1
  22. Der Antragsgegner wurde in Finnland durch Urteil des Berufungsgerichts
  23. Kouvola vom 14. März 2007 zur Zahlung von 31.495,58 € und 1.721,55 € zuzüglich Zinsen sowie einer Prozesskostenentschädigung von 12.000 € an, die
  24. C.
  25. O.
  26. verurteilt. Am 21. März 2007 trat die Klägerin des finnischen
  27. - 3 -
  28. Verfahrens nach dem Vertrag der Antragstellerin ihre Ansprüche an die
  29. Rechtsanwaltsgesellschaft A.
  30. antragt die A.
  31. P.
  32. O.
  33. O.
  34. ab. Nunmehr be-
  35. , die finnische Entscheidung für
  36. vollstreckbar zu erklären.
  37. 2
  38. Mit Beschluss vom 23. April 2010 hat das Landgericht die Entscheidung
  39. für vollstreckbar erklärt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsgegner den
  40. Antrag auf Abweisung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung weiter.
  41. II.
  42. 3
  43. Das gemäß Art. 44 EuGVVO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG, § 574
  44. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsmittel führt
  45. zur Aufhebung und Zurückverweisung (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
  46. 4
  47. 1. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 AVAG kann die Zwangsvollstreckung aus
  48. einem im Ausland ergangenen Titel zugunsten eines anderen als des in dem
  49. Titel bezeichneten Berechtigten für zulässig erklärt werden, wenn der Titel nach
  50. dem Recht des Staates, in dem er errichtet worden ist, für oder gegen einen
  51. anderen vollstreckbar ist. Damit kann ein ausländischer Titel auch auf Betreiben
  52. eines Rechtsnachfolgers des ursprünglichen Klägers für vollstreckbar erklärt
  53. werden (vgl. Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 38
  54. EuGVVO Rn. 15; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl.,
  55. Art. 40 EuGVVO Rn. 12). Der Nachweis einer entsprechenden Rechtsnachfolge
  56. ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 AVAG grundsätzlich durch Urkunden zu führen, es
  57. sei denn, die Tatsachen sind bei dem Gericht offenkundig. Jedoch gilt im An-
  58. - 4 -
  59. wendungsbereich der hier einschlägigen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung
  60. von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2001
  61. (EuGVVO), dass gemäß § 55 Abs. 1 AVAG, die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2
  62. AVAG nicht anzuwenden ist und der Nachweis der Rechtsnachfolge mit allen
  63. Beweismitteln geführt werden kann (Geimer/Schütze, aaO Art. 40 Rn. 12). Wird
  64. der Antrag auf Vollstreckbarerklärung nicht von dem unmittelbaren Rechtsnachfolger gestellt, sondern ist Antragsteller ein Rechtsnachfolger eines früheren
  65. Rechtsnachfolgers der ursprünglichen Partei, so muss für jeden dieser Rechtsnachfolger die Berechtigung zur Vollstreckung im Erststaat, in dem der Titel
  66. errichtet worden ist, festgestellt werden.
  67. 5
  68. Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Urteils des Berufungsgerichts Kouvola vom
  69. 14. März 2007 auch durch einen Rechtsnachfolger der ursprünglichen Berechtigten C.
  70. O.
  71. der A.
  72. gestellt werden konnte. Die entsprechende Berechtigung
  73. P.
  74. O.
  75. folgt aus der Abtretung der Rechte aus
  76. dem Urteil durch Vereinbarung vom 21. März 2007. Diese Rechtsanwaltsgesellschaft ist jedoch nicht Antragstellerin in dem Vollstreckbarerklärungsverfahren geworden. Woraus sich die Berechtigung der die Vollstreckung betreibenden A.
  77. O.
  78. ergibt, hat das Beschwerdegericht of-
  79. fen gelassen. Ob es sich bei dieser Gesellschaft um eine Rechtsnachfolgerin
  80. der Zessionarin A.
  81. P.
  82. O.
  83. handelt, ob diese Gesell-
  84. schaft mit der Zessionarin verschmolzen worden ist oder ob lediglich eine Umbenennung vorliegt, ist in der Entscheidung des Beschwerdegerichts offen geblieben.
  85. - 5 -
  86. 6
  87. 2. Das Beschwerdegericht hat sich des Weiteren nicht mit der Frage
  88. auseinandergesetzt, ob die internationale Zuständigkeit der finnischen Gerichtsbarkeit gegeben war. Es führt aus, die internationale Zuständigkeit des
  89. Gerichts des Erststaates unterliege grundsätzlich nicht der Nachprüfung in Vollstreckbarerklärungsverfahren, es sei denn, die ausschließliche internationale
  90. Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVVO stehe in Frage. Diese Auffassung greift zu
  91. kurz, weil sie die weiteren Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung
  92. nicht ausschöpft. Gemäß Art. 35 Abs. 1 EuGVVO, der nach Art. 45 Abs. 1
  93. Satz 1 EuGVVO einer Vollstreckbarerklärung entgegenstehen kann, wird eine
  94. Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Vorschriften der Abschnitte 3, 4 und 6
  95. des Kapitels II verletzt worden sind. Zu diesen Vorschriften gehört neben dem
  96. vom Beschwerdegericht genannten Art. 22 EuGVVO auch die Regelung des
  97. Art. 16 Abs. 2 EuGVVO, die in den Vierten Abschnitt des Kapitels II der Verordnung fällt. Danach kann die Klage eines anderen Vertragspartners gegen den
  98. Verbraucher nur vor den Gerichten des Mitgliedsstaates erhoben werden, in
  99. dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.
  100. 7
  101. Vorliegend hat der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren geltend gemacht, den Vertrag über die Lieferung eines Holzhauses mit der ursprünglichen
  102. Klägerin als Verbraucher abgeschlossen zu haben. Mit diesem Einwand, der,
  103. wäre er berechtigt, zur Versagung der Vollstreckbarerklärung gemäß Art. 16
  104. Abs. 2 EuGVVO hätte führen müssen, hat sich das Beschwerdegericht nicht
  105. befasst. Auch dies muss zur Aufhebung und Zurückverweisung der angefochtenen Entscheidung führen.
  106. 8
  107. 3. Nach der Zurückverweisung wird das Beschwerdegericht zu ermitteln
  108. haben, ob die Antragstellerin A.
  109. O.
  110. nach finni-
  111. schem Recht Einzel- oder Rechtsnachfolgerin der ersten Zessionarin geworden
  112. - 6 -
  113. ist oder mit dieser Gesellschaft identisch ist. Ist von der Antragsberechtigung
  114. der Antragstellerin auszugehen, wird es weiter festzustellen haben, ob der Einwand des Antragsgegners, als Verbraucher nicht der finnischen Gerichtsbarkeit
  115. unterlegen zu haben, durchgreift.
  116. Kayser
  117. Raebel
  118. Pape
  119. Lohmann
  120. Möhring
  121. Vorinstanzen:
  122. LG Limburg, Entscheidung vom 23.04.2010 - 2 O 190/08 OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 21.09.2010 - 26 W 24/10 -