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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IV ZR 386/02
  4. vom
  5. 27. Oktober 2004
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk: ja
  8. BGHZ:
  9. nein
  10. _____________________
  11. ZPO (2002) § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
  12. Hätte eine Nichtzulassungsbeschwerde im Zeitpunkt ihrer Einlegung wegen
  13. grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden müssen und erledigt sich
  14. dieser Zulassungsgrund vor der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde durch eine Entscheidung des Revisionsgerichts in anderer Sache, ist die Revision gleichwohl zuzulassen, wenn sie Aussicht auf Erfolg
  15. hat. Anderenfalls ist die Beschwerde unter Hinweis auf die fehlende Erfolgsaussicht zurückzuweisen (im Anschluß an BGH, Beschluß vom 6. Mai
  16. 2004 - I ZR 197/03 - BGH-Report 2004, 1189 unter 2 b; Beschluß vom
  17. 8. September 2004 - V ZR 260/03 - unter II 2 b bb).
  18. BGH, Beschluß vom 27. Oktober 2004 - IV ZR 386/02 - OLG Bamberg
  19. LG Coburg
  20. -2-
  21. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
  22. die Richterin Dr. Kessal-Wulf
  23. am 27. Oktober 2004
  24. beschlossen:
  25. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision
  26. im Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 10. Oktober 2002 wird auf Kosten der Beklagten
  27. zurückgewiesen.
  28. Streitwert: 40.912 €
  29. Gründe:
  30. I. Die Parteien sind Versicherungsgesellschaften und streiten darum, wer von ihnen letztlich für die Kosten des Rücktransports eines in
  31. Afrika schwer erkrankten Versicherten nach Deutschland einzustehen
  32. hat. Der Versicherte war Mitglied der D.
  33. R.
  34. , die
  35. mit der Klägerin eine Flugrückholkostenversicherung abgeschlossen hatte, den Rücktransport durchführte und dem Versicherten in Rechnung
  36. stellte. Diese Kosten wurden zunächst von der Klägerin getragen, die
  37. nach den Versicherungsbedingungen aber Regreß nehmen konnte, soweit dem Versicherten ein Deckungsanspruch gegen einen anderen, pri-
  38. -3-
  39. mär haftenden Versicherer zustand. Im vorliegenden Fall war der über
  40. die D.
  41. R.
  42. bei der Klägerin Versicherte außerdem
  43. bei der Beklagten krankenversichert. Gegenüber dem Regreßanspruch
  44. der Klägerin hat sich die Beklagte unter anderem auf ein Abtretungsverbot in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf die Unwirksamkeit
  45. der von der Klägerin verwendeten Klauseln über deren nur subsidiäre
  46. Haftung sowie auf die Unanwendbarkeit des § 67 Abs. 1 VVG für den
  47. hier geltend gemachten Rückgriffsanspruch berufen.
  48. Die Vorinstanzen haben der Klage im wesentlichen stattgegeben.
  49. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde.
  50. II. Die Beschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg.
  51. 1. a) Die Beklagte macht geltend, die Revision müsse zur Klärung
  52. der folgenden drei Grundsatzfragen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
  53. ZPO zugelassen werden, nämlich ob ein formularmäßiges Abtretungsverbot in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Krankenversicherung wirksam sei, ob Subsidiaritätsklauseln im Rahmen von Flugrückholkostenversicherungen einer Inhaltskontrolle standhielten und ob
  54. eine Regreßberechtigung aus § 67 Abs. 1 VVG auch dann angenommen
  55. werden könne, wenn der Subsidiärversicherer Zahlungen in Kenntnis
  56. seiner nachrangigen Zahlungsverpflichtung leiste.
  57. b) Diese Fragen sind durch das Urteil des Senats vom 21. April
  58. 2004 (IV ZR 113/03 - VersR 2004, 994) geklärt worden. Die Besonder-
  59. -4-
  60. heiten des vorliegenden Falles rechtfertigen keine Abweichungen oder
  61. Ergänzungen. Allein deshalb kann die Beschwerde hier jedoch nicht zurückgewiesen werden.
  62. 2. a) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist hier bereits am 15. November 2002 eingelegt worden, also vor dem Urteil des Senats vom
  63. 21. April 2004. Im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde hätte der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO
  64. nicht verneint werden können. Mithin konnte der Beschwerdeführer davon ausgehen, daß in einem Revisionsverfahren über die im Allgemeininteresse liegende Klärung der Zulassungsfragen hinaus in seinem individuellen Interesse auch eine volle Überprüfung des Berufungsurteils auf
  65. Rechtsfehler stattfinden werde (zu den Zielen des Revisionsverfahrens
  66. nach neuem Recht vgl. allgemein BVerfG NJW 2004, 1371; Wenzel, NJW
  67. 2002, 3353 f.).
  68. Diese verfahrensrechtliche Position darf dem Beschwerdeführer
  69. nicht durch das Revisionsgericht dadurch entzogen werden, daß durch
  70. seine - vom Beschwerdeführer nicht veranlaßte oder auch nur voraussehbare - Arbeits- und Entscheidungsreihenfolge die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Zulassungsgründe vor der Entscheidung über
  71. seine Nichtzulassungsbeschwerde in einem anderen Verfahren geklärt
  72. werden (so auch BGH, Beschluß vom 6. Mai 2004 - I ZR 197/03 - BGHReport 2004, 1189 unter 2 b; Beschluß vom 8. September 2004 - V ZR
  73. 260/03 - unter II 2 b bb - zur Veröffentlichung bestimmt). Eine solche
  74. Verfahrensweise würde gegen die in Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG verbürgten Erfordernisse der Rechtsmittelklarheit, der Vorhersehbarkeit
  75. staatlichen Handelns sowie der Effektivität des gerichtlichen Rechts-
  76. -5-
  77. schutzes verstoßen (vgl. BVerfGE 49, 148, 164; 74, 228, 234; 96, 27,
  78. 39).
  79. b) Anders kann es allerdings liegen, wenn sich die Zulassungsgründe vor der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde etwa
  80. aufgrund einer dem Revisionsgericht unzugänglichen Entwicklung der
  81. tatsächlichen Verhältnisse des zu beurteilenden Sachverhalts erledigt
  82. haben (wie im Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 12. März 2003 - IV
  83. ZR 278/02 - NJW 2003, 1609 unter II 2 a). Denn für die Frage, ob die
  84. Revision im Hinblick auf § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen ist, kommt
  85. es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts über die Nichtzulassungsbeschwerde an (BGH, Beschluß vom
  86. 20. November 2002 - IV ZR 197/02 - NJW-RR 2003, 352; Beschluß vom
  87. 12. März 2003 aaO; Beschluß vom 8. April 2003 - XI ZR 193/02 - NJW
  88. 2003, 2319 unter 2 c; Beschluß vom 13. August 2003 - XII ZR 303/02 NJW 2003, 3352 unter II 6; Beschluß vom 8. September 2004 aaO unter
  89. II 2 b aa).
  90. c) Danach sind in verfassungskonformer Auslegung von §§ 543
  91. Abs. 2 Satz 1, 544 Abs. 4 ZPO bei einer Beschwerde, die im Zeitpunkt
  92. ihrer Einlegung wegen grundsätzlicher Bedeutung hätte zugelassen werden müssen, bei der sich dieser Zulassungsgrund aber wie hier durch eine Entscheidung des Revisionsgerichts in anderer Sache erledigt hat,
  93. die Erfolgsaussichten des Beschwerdeführers gleichwohl in vollem Umfang vom Revisionsgericht zu prüfen. Die Revision ist zuzulassen, wenn
  94. sie Aussicht auf Erfolg hat. Andernfalls ist die Beschwerde unter Hinweis
  95. auf die fehlenden Erfolgsaussichten zurückzuweisen (vgl. Beschluß vom
  96. -6-
  97. 6. Mai 2004 aaO; Beschluß vom 8. September 2004 aaO unter II 2 b bb
  98. (2.)).
  99. 3. Dementsprechend hat der Senat das hier angegriffene Berufungsurteil auf Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten überprüft. Soweit in der Nichtzulassungsbeschwerde Rechtsfehler gerügt werden, stehen sie im Zusammenhang mit den geltend gemachten Zulassungsgründen und können aus den im Senatsurteil vom 21. April 2004 (aaO) genannten Gründen keinen Erfolg haben. Soweit der Beschwerdeführer
  100. insbesondere geltend macht, im vorliegenden Fall bestehe - anders als
  101. im Falle des Senatsurteils vom 21. April 2004 - keine Vorleistungspflicht
  102. des Subsidiärversicherers und ohne eine solche Verpflichtung sei die
  103. vereinbarte Subsidiaritätsklausel unwirksam (§ 9 AGBG), rechtfertigt dieser Einwand keine andere Beurteilung. Nach Maßgabe der Ziffer 6.4 der
  104. dem Vertrag zwischen der Klägerin und der D.
  105. R.
  106. zugrunde liegenden "Geschriebenen Bedingungen" erfolgen die
  107. Schadenszahlungen monatlich für all diejenigen Schäden, bei denen die
  108. Unterlagen vollständig vorliegen (dazu vgl. Ziffer 6.3 der Bedingungen);
  109. Ziffer 6.6 bestimmt ergänzend, daß der Rückgriff auf andere eventuell
  110. bestehende Kostenträger durch den Versicherer erfolgt. Eine Vorleistung
  111. durch die Klägerin entspricht damit den vertraglichen Vereinbarungen;
  112. -7-
  113. mit ihr wird innerhalb des bestehenden Versicherungsverhältnisses ein
  114. Schaden ersetzt, der unter den genommenen Versicherungsschutz fällt
  115. (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1988 - IVa ZR 143/87 - VersR 1989,
  116. 250 unter 3).
  117. Terno
  118. Dr. Schlichting
  119. Wendt
  120. Seiffert
  121. Dr. Kessal-Wulf