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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IV ZR 360/15
  5. Verkündet am:
  6. 5. April 2017
  7. Schick
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. ja
  15. BGHR:
  16. ja
  17. AVB D&O-Versicherung (hier § 8.1. AVB-O HV 40/07); BGB § 242 Cd
  18. Der Versicherer einer D&O-Versicherung kann sich in einem Innenhaftungsfall auf
  19. eine Versicherungsbedingung, nach der der Versicherungsschutz nur durch die versicherten Personen geltend gemacht werden kann, nach Treu und Glauben nicht berufen, wenn er einen Deckungsanspruch abgelehnt hat, die versicherten Personen
  20. keinen Versicherungsschutz geltend machen und schützenswerte Interessen des
  21. Versicherers einer Geltendmachung des Anspruchs durch den Versicherungsnehmer
  22. nicht entgegenstehen.
  23. BGH, Urteil vom 5. April 2017 - IV ZR 360/15 - OLG München
  24. LG München I
  25. ECLI:DE:BGH:2017:050417UIVZR360.15.0
  26. -2-
  27. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter Felsch,
  28. die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann, die Richterinnen
  29. Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann auf die mündliche Verhandlung vom
  30. 5. April 2017
  31. für Recht erkannt:
  32. Auf die Revision des Klägers zu 1 wird der Beschluss
  33. des Oberlandesgerichts München - 7. Zivilsenat - vom
  34. 25. Juni 2015 aufgehoben, soweit er den Kläger zu 1 betrifft, und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und
  35. Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  36. Von Rechts wegen
  37. Tatbestand:
  38. 1
  39. Der jetzige Kläger zu 1 (im Folgenden nur: Kläger), der seit dem
  40. Berufungsverfahren auf Klägerseite alleine noch am Rechtsstreit beteiligt
  41. ist, ist der Insolvenzverwalter der früheren Klägerin zu 1 (im Folgenden:
  42. Schuldnerin). Diese ist aufgrund einer Rechtsnachfolge Versicherungsnehmerin einer bei der Beklagten abgeschlossenen D&O-Versicherung,
  43. in der den versicherten Personen Versicherungsschutz für den Fall z ugesagt ist, dass sie wegen einer Pflichtverletzung bei de r Ausübung der
  44. versicherten Tätigkeit aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für
  45. einen Vermögensschaden haftpflichtig gemacht werden. Vertragsgege nstand sind unter anderem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen
  46. -3-
  47. zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Organe juristischer
  48. Personen (AVB-O HV 40/07, im Folgenden nur AVB-O) der Beklagten, in
  49. deren § 8.1. es heißt:
  50. "Anspruch auf Versicherungsschutz können vorbehaltlich
  51. § 1 Ziff. 3 nur die versicherten Personen geltend machen."
  52. 2
  53. Die Schuldnerin nahm zwei ehemalige Vorstandsmitglieder und
  54. zwei ehemalige Prokuristen auf Schadensersatz in Anspruch, denen sie
  55. vorwarf,
  56. noch
  57. während
  58. ihres
  59. Beschäftigungsverhältnisses
  60. bei
  61. der
  62. Schuldnerin die Gründung eines Konkurrenzunternehmens geplant und
  63. vorbereitet zu haben und dabei auch Mitarbeiter abgeworben sowie geheime Geschäftsunterlagen an sich genommen und der Konkurrenz zugänglich gemacht zu haben. Insoweit hatte sie bereits Klagen anhängig
  64. gemacht.
  65. 3
  66. Mit Schreiben vom 31. August 2010 zeigte die Schuldnerin der Beklagten den Versicherungsfall an. Die Beklagte lehnte die Deckung mit
  67. Schreiben vom 9. September 2010 ab. Die in Anspruch genommenen
  68. Personen machten keine Deckungsansprüche geltend. Deshalb erhob
  69. die Schuldnerin die streitgegenständliche Klage auf Feststellung, dass
  70. die Beklagte diesen Personen Versicherungsschutz zu gewähren habe.
  71. 4
  72. Sie war der Auffassung, dass der den Versicherten zustehende
  73. Versicherungsschutz im Ergebnis ihr zugutekomme und ihr daraus resu ltierendes wirtschaftliches Interesse auch ein rechtliches Interesse im
  74. Sinne von § 256 ZPO begründe. Wegen der aufgrund der fehlenden Ge ltendmachung von Deckungsansprüchen durch die Versicherten drohe nden Verjährung bestehe die Gefahr, dass der Deckungsanspruch als B efriedigungsobjekt verloren gehe.
  75. -4-
  76. 5
  77. Sie hielt sich deshalb für prozessführungsbefugt; zumindest ha ndele die Beklagte rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich auf eine fehlende
  78. Prozessführungsbefugnis berufe, da die Versicherten ihre auch dem
  79. Schutz der Klägerin dienenden Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag ohne billigenswerten Grund nicht geltend machten.
  80. 6
  81. Während des Rechtsstreits wurde die Insolvenz über das Verm ögen der Schuldnerin eröffnet. Der Kläger hat den Rechtsstreit aufgenommen.
  82. 7
  83. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, das
  84. Oberlandesgericht die dagegen gerichtete Berufung des Klägers durch
  85. Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wendet
  86. sich der Kläger mit seiner Revision.
  87. Entscheidungsgründe:
  88. 8
  89. Die Revision hat Erfolg.
  90. 9
  91. I. Das Berufungsgericht hat die Prozessführungsbefugnis des Klägers verneint, da nach § 8.1. der AVB-O nur die versicherten Personen
  92. den Anspruch geltend machen könnten, wodurch die Regelung der §§ 44
  93. Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG wirksam abbedungen sei.
  94. 10
  95. Die Klage sei - wegen des Trennungsprinzips - auch unbegründet,
  96. solange im Haftpflichtprozess nicht die Haftung der versicherten Pers o-
  97. -5-
  98. nen geklärt sei. Auch in Fällen der Innenhaftung sei das Unternehmen
  99. gehalten, zunächst einen Titel gegen die versicherten Personen zu erstreiten. Die Befugnis zur Geltendmachung stehe ihm nur dann zu, wenn
  100. ihm als Versicherungsnehmer rechtskräftig ein Anspruch gegen den Ve rsicherten zuerkannt oder wenn der Versicherungsnehmer im Besitz des
  101. Versicherungsscheins sei (§ 45 Abs. 2 VVG) und wenn der Versicherte
  102. zustimme (§ 45 Abs. 3 VVG), was hier nicht der Fall sei. Soweit der Kl äger erstmals in seiner Stellungnahme auf den Hinweisbeschluss vortr age, im Besitz des Versicherungsscheins zu sein, sei dies verspätet,
  103. § 531 Abs. 2 ZPO. Allerdings sei die Regelung des § 45 Abs. 2 VVG ohnehin durch § 8.1. AVB-O mit abbedungen.
  104. 11
  105. II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Kläger ist
  106. prozessführungsbefugt.
  107. 12
  108. 1. Das Recht der Schuldnerin, das zur Insolvenzmasse gehörende
  109. Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, ist gemäß § 80 Abs. 1
  110. InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Kläger übe rgegangen.
  111. 13
  112. 2. Zu diesem Recht gehört nach §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG auch
  113. die Geltendmachung der Rechte der versicherten Personen aus dem
  114. Versicherungsvertrag. Es ist ein Fall der gesetzlichen Prozessstan dschaft gegeben (vgl. OLG Köln NVersZ 2002, 515, 516; OLG Hamm
  115. NJW-RR 1996, 1375, 1376, jeweils zu § 76 VVG a.F.; Brand in Bruck/
  116. Möller, VVG 9. Aufl. § 45 Rn. 11; Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG
  117. 5. Aufl. § 45 Rn. 3; Koch in Looschelders/Pohlmann, VVG 3. Aufl. § 45
  118. Rn. 3 und 9; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht 17. Aufl.
  119. -6-
  120. § 46 Rn. 13). Eine D&O-Versicherung, welche auch Schadensersatzansprüche der Versicherungsnehmerin und ihrer Tochterunternehmen gegen versicherte Personen deckt, ist Versicherung für fremde Rechnung
  121. im Sinne der §§ 43 ff. VVG (vgl. Senatsurteile vom 13. April 2016 - IV ZR
  122. 51/14, AG 2016, 395 Rn. 27 und IV ZR 304/13, BGHZ 209, 373 Rn. 20).
  123. 14
  124. 3. Die Regelung des § 8.1. AVB-O steht der Anwendung der §§ 44
  125. Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG im Streitfall nicht entgegen.
  126. 15
  127. a) Allerdings ergibt die Auslegung des § 8.1. AVB-O, dass durch
  128. diese Klausel die Regelungen der §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG abbedungen werden sollen. Nach dem Bedingungswortlaut, von dem der
  129. durchschnittliche Versicherungsnehmer einer D&O -Versicherung, auf
  130. dessen Verständnis es insoweit maßgeblich ankommt, bei Auslegung der
  131. Klausel ausgehen wird, können den Anspruch auf Versicherungsschutz
  132. vorbehaltlich § 1 Ziff. 3 nur die versicherten Personen geltend machen.
  133. Anders als die Revision meint, erkennt der durchschnittliche Versicherungsnehmer, dass es sich trotz der teilweisen Ähnlichkeit der Formuli erung nicht nur um eine deklaratorische Wiederholung des § 44 Abs. 1
  134. Satz 1 VVG handelt. Im Gegensatz zu § 44 Abs. 1 Satz 1 VVG, der die
  135. materielle Inhaberschaft des Anspruchs betrifft, hat § 8.1. AVB-O dessen
  136. Geltendmachung zum Gegenstand. Indem diese nur den versicherten
  137. Personen möglich sein soll, werden die Regelungen in §§ 44 Abs. 2, 45
  138. Abs. 1 VVG insoweit modifiziert (vgl. Baumann/Gädtke/Henzler in Bruck/
  139. Möller, VVG 9. Aufl. Ziff. 10 AVB-AVG 2011/2013 Rn. 1, 6; Haehling von
  140. Lanzenauer/Kreienkamp in Looschelders/Pohlmann, VVG 3. Aufl. A nhang C Rn. 161; Voit in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. Ziff. 10 AVB-AVG
  141. Rn. 1; Finkel/Seitz in Seitz/Finkel/Klimke, D&O-Versicherung Ziff. 10
  142. AVB-AVG Rn. 2; jeweils zu Ziff. 10.1 AVB-AVG).
  143. -7-
  144. 16
  145. Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch für den Fall
  146. der Innenhaftung. Eine Differenzierung zwischen Außen- und Innenhaftung enthält die Klausel nicht.
  147. 17
  148. b) Im Streitfall ist es der Beklagten jedoch nach Treu und Glauben
  149. verwehrt, sich auf eine fehlende Prozessführungsbefugnis des Klägers
  150. gemäß § 8.1. AVB-O zu berufen. Die Geltendmachung dieses Einwandes
  151. erscheint unter den gegebenen Umständen als Rechtsmissbrauch.
  152. 18
  153. aa) Die in § 8.1. AVB-O geregelte alleinige Befugnis der versicherten Personen, den Anspruch auf Versicherungsschutz geltend zu m achen, will die Geltendmachung des Versicherungsanspruchs demjenigen
  154. vorbehalten, dessen Interesse versichert ist. Eine eigene Prozessführungsbefugnis soll die Versicherten darüber hinaus vor einer Abhängi gkeit von der Bereitschaft des Versicherungsnehmers schützen, den Deckungsanspruch zu verfolgen (vgl. Lange, VersR 2007, 893, 895).
  155. 19
  156. Die Regelung des § 8.1. AVB-O verliert aber dann ihren Sinn,
  157. wenn - wie im Streitfall - der Versicherer einen Deckungsanspruch abgelehnt hat, die versicherten Personen keinen Versicherungsschutz geltend
  158. machen und schützenswerte Interessen des Versicherers einer Geltendmachung des Anspruchs durch den Versicherungsnehmer nicht entg egenstehen.
  159. 20
  160. bb) (1) Die dem Versicherungsnehmer in der hier vorliegenden
  161. Konstellation durch die Klausel drohenden Nachteile wären gravierend.
  162. Ihm bliebe nur der äußerst umständliche und zeitraubende Weg, gegen
  163. die versicherten Personen aus den zwischen diesen und ihm bestehen-
  164. -8-
  165. den Rechtsverhältnissen gerichtlich vorzugehen mit dem Ziel, die vers icherten Personen zur Erhebung von Deckungsklagen gegen den Versicherer zu zwingen. Da eine solche Klage im allgemeinen nur begründet
  166. ist, wenn ein Prozess gegen den Versicherer genügende Erfolgsaussicht
  167. bietet, müsste das mit ihr befasste Gericht auch den Versicheru ngsanspruch einer Vorprüfung unterziehen, ohne dass hierdurch aber die noch
  168. bevorstehende Auseinandersetzung mit dem Versicherer in irgendeiner
  169. Weise gefördert würde. Zudem ergäbe sich bei Durchführung eines so lchen Prozesses ein Interessenwiderstreit insofern, als die versicherten
  170. Personen zunächst mit dem Versicherer gegen den Versicherungsnehmer zusammenarbeiten müssten, im Falle ihres Unterliegens dann aber
  171. gezwungen wären, in einem weiteren Rechtsstreit ihre Interessen gegen
  172. den Versicherer wahrzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 1964 - II ZR
  173. 153/61, BGHZ 41, 327 unter I zur Missbräuchlichkeit der Berufung auf
  174. den Ausschluss der Klagebefugnis eines mitversicherten Betriebsang ehörigen; vgl. auch Senatsurteile vom 11. März 1987 - IVa ZR 240/85, r+s
  175. 1987, 155 unter 3 b, [juris Rn. 15 und 17]; vom 4. Mai 1983 - IVa ZR
  176. 106/81, VersR 1983, 823 unter II 1, [juris Rn. 21]).
  177. 21
  178. (2) Daran ändert der Umstand nichts, dass die Schuldnerin nicht
  179. Inhaberin des Versicherungsanspruchs ist.
  180. 22
  181. (a) Allerdings wird in der vorstehend zitierten Entscheidung des
  182. Bundesgerichtshofs vom 4. Mai 1964 gerade der Umstand, dass der Anspruchsinhaber im Falle der Erfolglosigkeit seines Vorgehens gegen den
  183. allein klagebefugten Versicherungsnehmer keine Möglichkeit hätte, se inen Versicherungsanspruch gegen den Versicherer durchzusetzen, als
  184. "vollends unerträgliche" Folge des Ausschlusses der Klagebefugnis des
  185. Versicherten gesehen (BGH, Urteil vom 4. Mai 1964 - II ZR 153/61,
  186. -9-
  187. BGHZ 41, 327 unter I, juris Rn. 10). Dagegen geht es im Streitfall um die
  188. Klagebefugnis des Insolvenzverwalters der Schuldnerin, die nicht Inhaberin des Versicherungsanspruchs ist. Betroffen ist lediglich ihr wirtschaftliches Interesse.
  189. 23
  190. (b) Aus der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung ergibt sich
  191. aber, dass auch dieses wirtschaftliche Interesse der Schuldnerin an der
  192. Feststellung des Deckungsanspruchs schützenswert ist.
  193. 24
  194. In der Haftpflichtversicherung ist es allgemein anerkannt, dass der
  195. am Versicherungsvertrag nicht beteiligte, geschädigte Dritte ein eigenes
  196. rechtliches Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung
  197. haben kann, dass der Versicherer dem Schädiger Deckungsschutz zu
  198. gewähren habe (Senatsurteil vom 15. November 2000 - IV ZR 2 23/99,
  199. VersR 2001, 90 unter 2 b; Senatsbeschluss vom 22. Juli 2009 - IV ZR
  200. 265/06, VersR 2009, 1485 Rn. 2; Langheid in Langheid/Rixecker, 5. Aufl.
  201. § 100 Rn. 54; Lücke in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 100 Rn. 21; Armbrüster, r+s 2010, 441, 447; Felsch, r+s 2010, 265, 275; R. Johannsen,
  202. r+s 1997, 309, 313; Piontek, Haftpflichtversicherung 2016 § 1 Rn. 15 und
  203. § 3 Rn. 47). Dies hat der Senat in dem erstgenannten Urteil ungeachtet
  204. des in der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzips auch für
  205. die vorweggenommene Deckungsklage in einem Fall ausgesprochen, in
  206. dem wegen Untätigkeit des Versicherungsnehmers dem Haftpflichtglä ubiger der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt verloren zu gehen
  207. drohte. Als Grund dafür, dem Haftpflichtgläubiger ein rechtliches Intere sse an alsbaldiger Feststellung des Deckungsschutzes zuzubilligen, hat
  208. der Senat die Sozialbindung der Haftpflichtversicherung, wie sie in den
  209. §§ 108 Abs. 1, 110 VVG sowie §§ 156 Abs. 1, 157 VVG a.F. zum Ausdruck gekommen ist, angeführt. Diese Bestimmungen bezwecken den
  210. - 10 -
  211. Schutz des Geschädigten; durch sie soll gewährleistet werden, dass die
  212. Versicherungsentschädigung
  213. ihm
  214. zugutekommt
  215. (Senatsurteil
  216. vom
  217. 15. November 2000 - IV ZR 223/99, VersR 2001, 90 unter 2 b).
  218. 25
  219. Im Streitfall gilt nichts anderes. Wegen der Untätigkeit der versicherten Personen drohen die Verjährung des Deckungsanspruchs und
  220. damit der "Verlust" des solventen Schuldners. Da der Versicherungsfall
  221. in der Inanspruchnahme der Versicherten besteht und die gerichtliche
  222. Geltendmachung ihnen gegenüber nach der Klageschrift in allen Fällen
  223. im Jahr 2010 erfolgte, wären die Deckungsansprüche ohne eine He mmung der Verjährung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AVB-O, der eine zweijährige Verjährungsfrist ab Schluss des Jahres vorsieht, in dem die Ve rsicherungsleistung fällig wird, möglicherweise bereits mit Ablauf des Jahres 2012 verjährt.
  224. 26
  225. Die Sozialbindung der Haftpflichtversicherung, die - unter anderem
  226. in Fällen nicht ausreichender privater Mittel des Schädigers - Geschädigte schützen und deren Schadensersatz sichern soll, gilt auch in Innenhaftungsfällen bei der D&O-Versicherung (vgl. Senatsurteile vom 13. April 2016 - IV ZR 51/14, AG 2016, 395 Rn. 33 i.V.m. Rn. 35; IV ZR 304/13,
  227. BGHZ 209, 373 Rn. 25 i.V.m. Rn. 27).
  228. 27
  229. Damit einhergehend hat der Senat unlängst zu § 108 Abs. 2 VVG
  230. entschieden, dass auch ein Unternehmen als Versicherungsnehmerin einer D&O-Versicherung in Innenhaftungsfällen, wenn der Versicherer u nter anderem Schadensersatzansprüche der Versicherungsnehmerin und
  231. ihrer Tochterunternehmen deckt, geschädigter Dritter sei (Urteile vom
  232. 13. April 2016 - IV ZR 304/13, BGHZ 209, 373 Rn. 19 f. und IV ZR 51/14,
  233. AG 2016, 395 Rn. 26 f.). Auch dies verdeutlicht, dass das in den Fällen
  234. - 11 -
  235. der Innenhaftung geschädigte Unternehmen hinsichtlich der Geltendm achung des Deckungsanspruchs nicht aufgrund seiner Stellung als Versicherungsnehmer schlechter stehen darf als ein sonstiger außenstehender Geschädigter. Der geschädigte Versicherungsnehmer ist in der hier
  236. interessierenden Konstellation nicht weniger schützenswert als der g eschädigte Dritte in den Haftpflichtfällen bei Untätigkeit des Versicherungsnehmers (vgl. auch Koch, ZVersWiss 2012, 151, 156 f.; Lange, r+s
  237. 2011, 185).
  238. 28
  239. (3) Dass die Schuldnerin den Ausschluss der Befugnis zur Geltendmachung des Versicherungsanspruchs selbst mit dem Versicherer
  240. vereinbart und sich damit der gesetzlich vorgesehenen Herrschaft da rüber selbst begeben hat, rechtfertigt keine andere Bewertung. Zwar liegt
  241. auch hierin ein Unterschied zu den Konstellationen, in denen es der Ve rsicherungsnehmer ablehnt, die ihm allein zustehende Befugnis auszuüben, die Rechte der (Mit-)Versicherten geltend zu machen. Der Versicherte hat dort keinen Einfluss auf die in den Versicherungsbedingungen
  242. vereinbarte alleinige Befugnis des Versicherungsnehmers, die Rechte
  243. aus dem Versicherungsvertrag auszuüben.
  244. 29
  245. Dem Sinn und Zweck dieses Versicherungsproduktes entsprechend durfte die Schuldnerin aber davon ausgehen, dass die versicherten Personen ihren Anspruch auf Versicherungsschutz regelmäßig schon
  246. im eigenen Interesse geltend machen. Die bei der Beklagten gehaltene
  247. D&O-Versicherung dient als Fremdversicherung gerade der Absicherung
  248. der versicherten Personen, die im Bereich der Außen- und auch der Innenhaftung von Schadensersatzansprüchen befreit werden (vgl. Ingwe rsen, Die Stellung des Versicherungsnehmers bei Innenhaftungsfällen in
  249. der D&O-Versicherung 2011 S. 39 f.).
  250. - 12 -
  251. 30
  252. cc) Dem aufgrund der vorstehenden Erwägungen gerechtfertigten
  253. Interesse des Klägers, den Anspruch der Versicherten geltend machen
  254. zu können, stehen beachtliche Interessen der Beklagten, die eine Berufung auf § 8.1. AVB-O rechtfertigen könnten, nicht entgegen.
  255. 31
  256. Die durch diese Klausel vornehmlich im Interesse der Versicherten
  257. abbedungenen §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG dienen gerade dem Schutz
  258. des Versicherers. Ihm soll die zweckmäßige Abwicklung des Vertrages
  259. erleichtert werden, indem er es nur mit dem Versicherungsnehmer als
  260. seinem Vertragspartner zu tun hat (Motive zum VVG, Nachdruck 1963
  261. S. 148). Es ist deshalb für ihn nicht von Nachteil, wenn statt des § 8.1.
  262. AVB-O wieder die gesetzlichen Regelungen zum Zuge kommen.
  263. 32
  264. Seine Interessen wären allerdings dann nachteilig berührt, wenn er
  265. sich parallel sowohl mit dem Versicherungsnehmer als auch dem von e inem
  266. Versicherungsfall
  267. betroffenen
  268. Versicherten
  269. auseinandersetzen
  270. müsste. Einer solchen Kumulation von Anspruchstellern beugt § 8.1.
  271. AVB-O ebenfalls vor, indem er die Geltendmachung des Deckungsa nspruchs "nur" den versicherten Personen zuweist. Sie ist aber auch nicht
  272. zu besorgen, wenn - wie im Streitfall - die Versicherten den Anspruch
  273. nach einer Deckungsablehnung nicht verfolgen. In dieser Konstellation
  274. gebührt dem dargestellten Interesse des Versicherungsnehmers der Vo rrang.
  275. 33
  276. dd) Schließlich werden keine Interessen der versicherten Personen
  277. beeinträchtigt, wenn sich die Beklagte auf den Ausschluss der Prozessführungsbefugnis der Schuldnerin nicht berufen kann.
  278. - 13 -
  279. 34
  280. Aus dem Umstand, dass zwischen den Parteien zahlreiche Tatsachen im Streit sind, die zu einem Ausschluss des Versicherungsschutzes
  281. der versicherten Personen führen könnten, und die Erfolgsaussichten eines Vorgehens gegen den Versicherer daher unklar sind, folgt schon
  282. deswegen kein Interesse der versicherten Personen am Unterbleiben
  283. des Deckungsprozesses, weil diese nicht zu einem solchen Vorgehen
  284. gezwungen werden sollen. Einem Kostenrisiko sind sie bei einem Vorgehen des Versicherungsnehmers bzw. hier des Klägers auf eigene Rechnung nicht ausgesetzt.
  285. 35
  286. Andere Interessen der versicherten Personen als die Vermeidung
  287. eines Kostenrisikos sind nicht ersichtlich. Die Möglichkeit, dass in einem
  288. Urteil festgestellt werden könnte, sie hätten wissentlich gehandelt, begründet angesichts des parallel geführten Haftpflichtprozesses, bei dem
  289. vorsätzliche Pflichtverletzungen in Rede stehen, kein Interesse am gän zlichen Unterbleiben des Deckungsprozesses.
  290. 36
  291. 4. Auf den Besitz des Versicherungsscheins kommt es im Streitfall
  292. nicht an. Die Vorschrift des § 45 Abs. 2 VVG betrifft den - hier nicht gestellten - Antrag des Versicherungsnehmers auf Zahlung an sich selbst
  293. (Brand in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 45 Rn. 21; Rixecker in Langheid/
  294. Rixecker, VVG 5. Aufl. § 45 Rn. 3; Koch in Looschelders/Pohlmann, VVG
  295. 3. Aufl. § 45 Rn. 4; Klimke in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 45 Rn. 27).
  296. Zahlung an die versicherte Person kann der Versicherungsnehmer demgegenüber nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 und 3 VVG auch una bhängig von der Inhaberschaft am Versicherungsschein oder der Zusti mmung der versicherten Person verlangen (Rixecker in Langheid/Rixecker,
  297. VVG 5. Aufl. § 45 Rn. 3). Das gilt dann auch für die hier vorliegende
  298. Feststellungsklage. Dies entspricht zudem dem Sinn und Zweck der
  299. - 14 -
  300. Norm. Durch § 45 Abs. 2 VVG soll zum Schutz des Versicherten siche rgestellt werden, dass der Versicherungsnehmer ohne dessen Einverständnis die Entschädigungsleistung nur für sich selbst vereinnahmen
  301. oder dem Versicherten die Forderung entziehen kann, wenn er sich
  302. durch den Versicherungsschein legitimiert (Klimke in Prölss/Martin, VVG
  303. 29. Aufl. § 45 Rn. 26). Die Gefahr, dass der Versicherungsnehmer die
  304. Leistung für sich vereinnahmt, droht bei dem hier gestellten Klageantrag
  305. nicht.
  306. 37
  307. III. Da das Berufungsgericht die Klage für unzulässig gehalten hat,
  308. hat es keine Entscheidung zur Sache getroffen und konnte sie auch nicht
  309. treffen. Seine Ausführungen zur Sache gelten grundsätzlich für die Revisionsinstanz als nicht geschrieben (BGH, Urteil vom 24. Januar 2013
  310. - I ZR 51/11, NJW-RR 2013, 1197 Rn. 12 m.w.N.; st. Rspr.). Die Sache
  311. ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  312. 38
  313. Für das weitere Verfahren weist der Senat jedoch darauf hin, dass
  314. die Klage entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht schon
  315. deshalb unbegründet ist, weil die Haftungsfrage der versicherten Personen noch nicht geklärt ist. Der Umstand, dass die Haftungsfrage aufgrund des Trennungsprinzips im Deckungsprozess nicht zu klären ist,
  316. führt im vorweggenommenen Deckungsprozess vielmehr dazu, dass auf
  317. die Behauptungen des Geschädigten abzustellen und die Haftung der
  318. - 15 -
  319. versicherten Personen damit insoweit zu unterstellen ist (Senatsurteil
  320. vom 15. November 2000 - IV ZR 223/99, VersR 2001, 90 unter 2 a).
  321. Felsch
  322. Harsdorf-Gebhardt
  323. Dr. Brockmöller
  324. Lehmann
  325. Dr. Bußmann
  326. Vorinstanzen:
  327. LG München I, Entscheidung vom 18.09.2013 - 8 HKO 27988/12 OLG München, Entscheidung vom 25.06.2015 - 7 U 4126/13 -