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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. III ZR 408/04
  4. vom
  5. 15. September 2005
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk: ja
  8. BGHZ:
  9. nein
  10. BGHR:
  11. ja
  12. BGB § 839 Cb, StVollzG §§ 81 ff
  13. Das an Justizvollzugsbedienstete gerichtete Verbot, Gefangenen Waffen, Ausbruchswerkzeuge und andere gefährliche Sachen zu überlassen, bezweckt
  14. auch und gerade den Schutz anderer Vollzugsbediensteter.
  15. BGH, Beschluss vom 15. September 2005 - III ZR 408/04 - OLG Koblenz
  16. LG Trier
  17. -2-
  18. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2005 durch
  19. den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und
  20. Dr. Herrmann
  21. beschlossen:
  22. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
  23. der Revision in dem Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 20. Oktober 2004 - 1 U 1471/02 wird zurückgewiesen.
  24. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
  25. (§ 97 Abs. 1 ZPO).
  26. Streitwert: 22.800,00 €
  27. Gründe
  28. I.
  29. Die Kläger sind Justizvollzugsbeamte. Sie machen gegen das beklagte Land Amtshaftungsansprüche für Gesundheitsschäden geltend, die
  30. sie bei dem gewaltsamen Ausbruch des Gefangenen A.
  31. tizvollzugsanstalt T.
  32. aus der Jus-
  33. erlitten. Die Entweichung wurde dadurch ermög-
  34. licht, dass die Streithelferin des Beklagten, seinerzeit ebenfalls Justizvollzugsbedienstete, dem Gefangenen heimlich Ausbruchswerkzeuge und
  35. eine Schusswaffe zukommen ließ. Die Kläger holten den Gefangenen von
  36. -3-
  37. einem Hofgang ab. Dabei wurden sie von A.
  38. überwältigt, der hierfür
  39. die eingeschmuggelte Pistole einsetzte.
  40. Dem auf die Pflichtverletzungen der Streithelferin gestützten Amtshaftungsanspruch der Kläger hält der Beklagte unter anderem entgegen,
  41. diese hätten ihrerseits ihre Dienstpflichten verletzt, indem sie die ihnen
  42. obliegende ordnungsgemäße Durchsuchung des Gefangenen, seiner Sachen und des Haftraums unterlassen hätten.
  43. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht
  44. hat ihr unter Berücksichtung des Mitverschuldens eines der Kläger stattgegeben. Mit seiner Beschwerde erstrebt der Beklagte die vom Berufungsgericht versagte Zulassung der Revision.
  45. II.
  46. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Rechtsfortbildung nicht erforderlich ist (§ 543 Abs. 2
  47. Satz 1 Nr. 2 ZPO).
  48. 1.
  49. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob
  50. ein Amtsträger (hier die Kläger), der es pflichtwidrig versäumt, den Eintritt
  51. eines Schadensereignisses zu verhindern, aus der pflichtwidrigen Mitverursachung der entsprechenden Gefahr durch einen gleich- oder nachrangig verpflichteten anderen Amtsträger (hier die Streithelferin des Beklagten) einen Amtshaftungsanspruch gegen seinen Dienstherrn herleiten
  52. kann, ist hier nicht klärungsbedürftig. Maßgebend ist der jeweilige Zweck
  53. der verletzten Amtspflicht.
  54. -4-
  55. Das von der Streithelferin verletzte Verbot, Gefangenen Ausbruchswerkzeuge und Waffen zu überlassen, dient gerade dem Schutz
  56. der übrigen Strafvollzugsbediensteten, da vor allem dieser Personenkreis
  57. den von diesen Gegenständen ausgehenden Gefahren ausgesetzt ist.
  58. Insbesondere Waffen, die Gefangenen, wie hier, zum Zweck des Ausbruchs überlassen werden, sind in erster Linie, dazu bestimmt, gegen
  59. Vollzugsdienstangehörige eingesetzt zu werden. Es ist deren Aufgabe,
  60. Entweichungen zu verhindern, so dass Widerstand hiergegen, der mit der
  61. Waffe gebrochen werden soll, vor allem von diesen Personen zu erwarten
  62. ist. Dem entspricht, dass der Begriff der - hier beeinträchtigten - Sicherheit
  63. der Anstalt in §§ 81 ff StVollzG auch die Abwendung von Gefahren für die
  64. in der Haftanstalt aufhältigen Personen erfasst (Calliess/Müller-Dietz,
  65. Strafvollzugsgesetz, 9. Aufl., 2002, § 81 Rn. 4). Gleiches gilt für den
  66. Schutzzweck von § 121 StGB (Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. § 121
  67. Rn. 1).
  68. Einer Klarstellung zu diesem Problemkreis durch ein Revisionsurteil
  69. bedarf es nicht. Die Einbeziehung anderer Vollzugsbediensteter in den
  70. Schutzbereich des an die Vollzugsangehörigen gerichteten Verbots, Gefangenen Waffen zu überlassen, liegt auf der Hand. In Rechtsprechung
  71. und
  72. Literatur
  73. wird
  74. Gegenteiliges
  75. nicht
  76. vertreten
  77. (siehe
  78. vielmehr
  79. Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts
  80. Rn. 647; die allerdings den hier zu entscheidenden Fall zum Anlass für
  81. ihre Ausführungen genommen haben dürften).
  82. 2.
  83. Pflichtverletzungen von geschädigten Vollzugsangehörigen bei der
  84. Durchsuchung des Gefangenen, des Haftraums und seiner Sachen sind
  85. dementsprechend, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat,
  86. nur über § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen.
  87. -5-
  88. 3.
  89. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 S. 2
  90. Halbs. 2 ZPO abgesehen.
  91. Schlick
  92. Streck
  93. Galke
  94. Kapsa
  95. Herrmann