Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

213 lines
9.9 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. III ZR 120/09
  5. Verkündet am:
  6. 11. Februar 2010
  7. Kiefer
  8. Justizangestellter
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. - 2 -
  13. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 11. Februar 2010 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dörr,
  15. Dr. Herrmann, Hucke und Tombrink
  16. für Recht erkannt:
  17. Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 21. Zivilsenats des
  18. Oberlandesgerichts München vom 2. März 2009 aufgehoben.
  19. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  20. über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  21. Von Rechts wegen
  22. Tatbestand
  23. 1
  24. Die Kläger machen gegen den beklagten Wirtschaftsprüfer Ersatzansprüche im Zusammenhang mit einer Beteiligung an der F.
  25. Z.
  26. GbR
  27. geltend, die sie am 20. August 2003 zeichneten.
  28. 2
  29. Die Anlage wurde anhand eines von der Fondsgesellschaft herausgegebenen Emissionsprospekts vertrieben. Unter anderem nach Nummer 10 der
  30. darin enthaltenen Erläuterungen der rechtlichen Grundlagen des Fonds hatte
  31. zur Absicherung der Kapitalanleger ein Wirtschaftsprüfer die Kontrolle über die
  32. zweckgerechte Verwendung der Gesellschaftereinlage übernommen. Dem lag
  33. - 3 -
  34. ein im Prospekt hinter dem Gesellschaftsvertrag als Anlage 2 abgedruckter Mittelverwendungskontrollvertrag zwischen der F.
  35. Z
  36. . GbR und dem dort
  37. noch nicht benannten Wirtschaftsprüfer zugrunde. Dieser Vertrag enthielt insbesondere folgende Regelungen:
  38. "§ 1 Sonderkonto
  39. (1) Die Fonds-Gesellschaft richtet ein Sonderkonto bei einem
  40. Kreditinstitut ein, über das sie nur gemeinsam mit dem Beauftragten verfügen kann ("Sonderkonto"). Auf das Sonderkonto
  41. sind die Gesellschaftereinlagen einzuzahlen und die von der
  42. Fonds-Gesellschaft ausgereichten Darlehen zu tilgen.
  43. § 4 Haftung
  44. (1) Dieser Vertrag wird als Vertrag zu Gunsten Dritter, und zwar
  45. zu Gunsten aller Gesellschafter abgeschlossen. Die Gesellschafter können aus diesem Vertrag eigene Rechte herleiten.
  46. (2) Schadensersatzansprüche gegen den Beauftragten können
  47. nur geltend gemacht werden, wenn die Fonds-Gesellschaft
  48. oder die Gesellschafter nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermögen."
  49. 3
  50. Weiter enthielt der Vertrag in § 1 Abs. 3 die Bedingungen, unter denen
  51. Zahlungen von dem Sonderkonto geleistet werden durften und deren Einhaltung der Mittelverwendungskontrolleur zu überwachen hatte.
  52. 4
  53. Der Beklagte war Mitte März 2003 als Mittelverwendungskontrolleur gewonnen worden und hatte mit der Fondsgesellschaft den im Prospekt wiedergegebenen Vertrag abgeschlossen.
  54. - 4 -
  55. Nachdem Mitte Dezember 2004 wirtschaftliche Schwierigkeiten der
  56. 5
  57. Fondsgesellschaft offen gelegt wurden, befindet sich diese seit Ende des Jahres 2005 in Liquidation. Die Kläger begehren von dem Beklagten im Wege des
  58. Schadensersatzes die Rückzahlung der von ihnen geleisteten Einlage abzüglich
  59. der aus der Liquidation erhaltenen Beträge Zug um Zug gegen Abtretung des
  60. Anspruchs auf Auszahlung weiteren Liquidationserlöses. Ferner beantragen sie,
  61. festzustellen, dass der Beklagte sich mit der Annahme der angebotenen Abtretung in Verzug befinde und sie von möglichen noch bestehenden Verpflichtungen aus der Beteiligung freizustellen habe. Sie werfen dem Beklagten unter anderem vor, er habe die ihm nach dem Vertrag übertragene Mittelverwendungskontrolle nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Insbesondere habe die Fondsgesellschaft entgegen § 1 Abs. 1 des Mittelverwendungskontrollvertrags (im Folgenden: MVKV) und den Angaben im Prospekt ohne Mitwirkung des Beklagten über die angelegten Gelder verfügen können.
  62. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom
  63. 6
  64. Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Ansprüche
  65. weiter.
  66. Entscheidungsgründe
  67. Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des ange-
  68. 7
  69. fochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  70. - 5 -
  71. I.
  72. 8
  73. Nach dessen Auffassung scheiden Forderungen gegen den Beklagten
  74. wegen Verletzung seiner aus dem Mittelverwendungskontrollvertrag folgenden
  75. Pflichten aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 MVKV aus. Diese
  76. Klausel unterliege keiner AGB-Kontrolle, da sie zwischen der F.
  77. Z.
  78. GbR und dem Beklagten individuell ausgehandelt worden sei.
  79. 9
  80. Deliktische Ansprüche scheiterten an nicht ausreichendem Sachvortrag.
  81. II.
  82. 10
  83. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  84. 11
  85. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann sich der Beklagte
  86. gegenüber den Anlegern - und damit auch gegenüber den Klägern - nicht auf
  87. die Subsidiarität seiner Haftung gemäß § 4 Abs. 2 MVKV berufen. Die Klausel
  88. ist insoweit nach § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB unwirksam, wie der Senat mit Urteil
  89. vom 19. November 2009 (III ZR 108/08 - ZIP 2009, 2446, zur Veröffentlichung
  90. in BGHZ vorgesehen) entschieden hat, das ein Urteil desselben Berufungssenats zu demselben Beklagten, demselben Fonds, demselben Mittelverwendungskontrollvertrag und zu einem auch ansonsten im Wesentlichen gleich gelagerten Sachverhalt betraf. Danach gilt zusammengefasst Folgendes:
  91. - 6 -
  92. 12
  93. 1.
  94. Bei § 4 Abs. 2 MVKV handelt es sich um eine der Inhaltskontrolle nach
  95. §§ 307 ff BGB unterliegende Klausel. Zwar ist sie vordergründig eine einzeln
  96. ausgehandelte Vertragsbestimmung, da sie - nach dem im Revisionsverfahren
  97. zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand - individuell zwischen dem Beklagten und der Fondsgesellschaft vereinbart worden ist. Allerdings handelt es sich
  98. um eine Bestimmung, die für eine Vielzahl von vertraglichen Verhältnissen vorformuliert ist und die der Beklagte über die zwischen der Fondsgesellschaft und
  99. den Anlegern geschlossenen Verträge gegenüber diesen verwendete. In der
  100. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass es für die Anwendbarkeit des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht darauf
  101. ankommt, ob derartige Klauseln Bestandteil eines zweiseitigen Vertrags sind.
  102. Vielmehr können nach dem Schutzzweck des AGB-Rechts auch vorformulierte
  103. Klauseln der Inhaltskontrolle unterliegen, die nicht im engen Sinne Vertragsbedingungen sind, sofern sie im Zusammenhang mit einer vertraglichen Beziehung stehen (Senat aaO S. 2446 Rn. 12 m.w.N.).
  104. 13
  105. Der Schutzzweck der §§ 305 ff BGB gebietet es, auch § 4 Abs. 2 MVKV
  106. der Inhaltskontrolle zu unterwerfen (Senat aaO S. 2447 f Rn. 13 ff). Bei dem
  107. Mittelverwendungskontrollvertrag handelt es sich um vorformulierte Bedingungen, die Ausdruck einer die Vertragsfreiheit einschränkenden überlegenen Verhandlungsmacht des Beklagten und der Fondsgesellschaft gegenüber den Anlegern sind. Die Bedingungen des zwischen dem Beklagten und der Fondsgesellschaft geschlossenen Vertrags sollten nach den übereinstimmenden Vorstellungen der Beteiligten von vornherein gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Anlegern Verwendung finden, ohne dass eine Bereitschaft des Beklagten oder der Fondsgesellschaft erkennbar war, über ihren Inhalt zu verhandeln.
  108. Der Anleger sah sich damit in zumindest gleicher Weise den vorformulierten
  109. Bedingungen des Drittschutzes ausgeliefert wie bei einem unmittelbaren Ver-
  110. - 7 -
  111. tragsschluss mit dem Beklagten. Er hatte - wie bei Vertragsverhandlungen mit
  112. ungleicher Gestaltungsmacht sonst auch - nur die Wahl, den Beitrittsvertrag
  113. abzuschließen und den damit vermittelten Schutz durch die Mittelverwendungskontrolle zu den vorformulierten Bedingungen in Anspruch zu nehmen oder auf
  114. beides zu verzichten. Die inhaltliche Gestaltungsmacht lag insoweit einseitig bei
  115. dem Beklagten sowie der Fondsgesellschaft (Senat aaO Rn. 14). Die Interessenlage des Anlegers ist in Bezug auf den Mittelverwendungskontrollvertrag
  116. auch sonst mit der eines Vertragsschließenden vergleichbar, der im Hinblick auf
  117. die Leistungen der Gegenseite eigene Dispositionen - hier den Beitritt zur
  118. Fondsgesellschaft - vornimmt (Senat aaO S. 2448 Rn. 15).
  119. 14
  120. 2.
  121. Die Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 MVKV ist, soweit die Ansprüche
  122. der Anleger beschränkt werden, gemäß § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB unwirksam.
  123. Eine nach § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB unzulässige Haftungsbegrenzung liegt
  124. unter anderem vor, wenn der Gläubiger auch wegen Ersatzansprüchen aufgrund grob fahrlässiger Pflichtverletzungen darauf verwiesen wird, seine Schadensersatzforderungen zunächst bei anderen, eventuell mithaftenden Personen
  125. geltend zu machen (Senat aaO Rn. 16 m.w.N.). So liegt es hier. § 4 Abs. 2
  126. MVKV nimmt Ansprüche aufgrund grob fahrlässiger Pflichtverletzungen nicht
  127. von der Haftungseinschränkung aus.
  128. - 8 -
  129. 15
  130. 3.
  131. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die Anwendung von § 309 Nr. 7
  132. Buchst. b BGB auf § 4 Abs. 2 MVKV auch nicht aufgrund der Erwägung ausgeschlossen, der durch den Vertrag begünstigte Anleger erwerbe nur ein abgespaltenes Recht, das von vornherein nur in begrenztem Umfang bestehe, so
  133. dass er durch die fragliche Klausel nicht in ihm an sich zustehenden Rechten
  134. beschränkt werde (siehe zu den Einzelheiten Senat aaO Rn. 17 ff).
  135. III.
  136. 16
  137. Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1
  138. ZPO). Da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu den dem Beklagten vorgeworfenen Verletzungen
  139. seiner aus dem Mittelverwendungskontrollvertrag folgenden Pflichten getroffen
  140. hat, kann der Senat eine eigene Sachentscheidung nicht treffen. Die Sache war
  141. daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Haftung des Beklagten auch die in dem in der Parallelsache III ZR
  142. 109/08 ergangenen Senatsurteil vom 19. November 2009 (ZIP 2009, 2448)
  143. aufgestellten Grundsätze zu beachten haben. Gegebenenfalls wird es sich auch
  144. mit den weiteren Rügen der Revision zu befassen haben, auf die nä-
  145. - 9 -
  146. her einzugehen der Senat im derzeitigen Verfahrensstadium keine Veranlassung sieht.
  147. Schlick
  148. Dörr
  149. Hucke
  150. Herrmann
  151. Tombrink
  152. Vorinstanzen:
  153. LG München I, Entscheidung vom 07.08.2008 - 32 O 24902/07 OLG München, Entscheidung vom 02.03.2009 - 21 U 4670/08 -