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829 lines
50 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. II ZR 3/04
  5. Verkündet am:
  6. 16. Juli 2007
  7. Vondrasek
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Berichtigter Leitsatz
  13. Nachschlagewerk:
  14. BGHZ:
  15. BGHR:
  16. ja
  17. ja
  18. ja
  19. "TRIHOTEL"
  20. BGB § 826 A, Gg; GmbHG §§ 30, 31
  21. a) An dem Erfordernis einer als "Existenzvernichtungshaftung" bezeichneten Haftung des
  22. Gesellschafters für missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende Gesellschaftsvermögen wird festgehalten.
  23. b) Der Senat gibt das bisherige Konzept einer eigenständigen Haftungsfigur, die an den
  24. Missbrauch der Rechtsform anknüpft und als Durchgriffs(außen)haftung des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ausgestaltet, aber mit einer Subsidiaritätsklausel im Verhältnis zu den §§ 30, 31 GmbHG versehen ist, auf. Stattdessen knüpft er
  25. die Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters an die missbräuchliche Schädigung
  26. des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens an und ordnet sie
  27. - in Gestalt einer schadensersatzrechtlichen Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft allein in § 826 BGB als eine besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung ein.
  28. c) Schadensersatzansprüche aus Existenzvernichtungshaftung gemäß § 826 BGB sind
  29. gegenüber Erstattungsansprüchen aus §§ 31, 30 GmbHG nicht subsidiär; vielmehr besteht zwischen ihnen - soweit sie sich überschneiden - Anspruchsgrundlagenkonkurrenz.
  30. BGH, Urteil vom 16. Juli 2007 - II ZR 3/04 - OLG Rostock
  31. LG Rostock
  32. -2-
  33. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und
  34. die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und Caliebe
  35. für Recht erkannt:
  36. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats
  37. des Oberlandesgerichts Rostock vom 10. Dezember 2003 aufgehoben.
  38. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  39. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 1. Zivilsenat des
  40. Berufungsgerichts zurückverwiesen.
  41. Von Rechts wegen
  42. Tatbestand:
  43. Der Kläger nimmt als Sonderinsolvenzverwalter über das Vermögen der
  44. 1
  45. A.
  46. mbH (im Folgenden: Schuldnerin) den Beklag-
  47. ten u.a. wegen existenzvernichtenden Eingriffs auf Zahlung in Höhe der zur Insolvenztabelle angemeldeten und anerkannten Gläubigerforderungen von
  48. 713.996,51 € in Anspruch.
  49. 2
  50. Die Schuldnerin, die im Jahre 1991 mit einem Stammkapital von
  51. 300.000,00 DM gegründet wurde, pachtete ab dem 1. September 1993 von
  52. dem Beklagten ein mit dem Gastronomieobjekt TRIHOTEL in R.
  53. bebautes
  54. -3-
  55. Grundstück und betrieb das Hotel. Zu dieser Zeit hielten der Beklagte 52 % und
  56. seine Ehefrau I.
  57. W.
  58. 48 % der Gesellschaftsanteile der Schuldnerin. Der
  59. Beklagte war bis August 1999 deren alleiniger, von den Beschränkungen des
  60. § 181 BGB befreiter Geschäftsführer und danach bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Mai 2000 ihr Prokurist; seine Ehefrau hatte ihm bereits 1996
  61. Generalvollmacht erteilt.
  62. 3
  63. Im Jahre 1996 erwarb die Mutter des Beklagten, D.
  64. Geschäftsanteile
  65. der
  66. als
  67. Vorratsgesellschaft
  68. W.
  69. gegründeten
  70. gesellschaft mbH (nachfolgend: J.
  71. , sämtliche
  72. J.
  73. GmbH) und
  74. bestellte den Beklagten zum alleinigen, von den Beschränkungen des § 181
  75. BGB befreiten Geschäftsführer. Auf diese Gesellschaft übertrug der Beklagte
  76. noch in demselben Jahr seine 52%-ige Beteiligung an der Schuldnerin.
  77. 4
  78. Laut einer Darlehensurkunde vom 20. Dezember 1997 gewährte die Mutter des Beklagten der Schuldnerin ein Darlehen von 150.000,00 DM, das durch
  79. Sicherungsübereignung von - im Einzelnen näher bezeichnetem - Hotelinventar
  80. der Schuldnerin besichert wurde; zwischen den Parteien besteht Streit über die
  81. Auszahlung des Darlehens und den Umfang der Sicherungsübereignung.
  82. 5
  83. Durch Aufhebungsvertrag vom 20. März 1998 beendeten der Beklagte
  84. und die Schuldnerin den an sich bis 31. August 1998 befristeten Pachtvertrag
  85. über das mit dem TRIHOTEL bebaute Grundstück vorzeitig zum 31. März 1998.
  86. An demselben Tag erwarben die J.
  87. GmbH 90 % und die Mutter des Beklag-
  88. ten 10 % der Anteile an einer weiteren Vorratsgesellschaft, die sodann in W.
  89. -
  90. Hotel GmbH umfirmierte; die Erwerber wurden dabei vom Beklagten aufgrund
  91. einer ihm von seiner Mutter 1996 erteilten Generalvollmacht vertreten. Der Beklagte war und ist derzeit noch der - von den Beschränkungen des § 181 BGB
  92. befreite - Geschäftsführer der W.
  93. -Hotel GmbH. Mit dieser Gesellschaft
  94. -4-
  95. schloss der Beklagte - zugleich als deren Vertreter - ebenfalls mit Wirkung ab
  96. 31. März 1998 einen neuen Pachtvertrag über das mit dem Hotel bebaute
  97. Grundstück. Am 31. März 1998 schlossen die W.
  98. -Hotel GmbH und die
  99. Schuldnerin, beide vertreten durch den Beklagten, ferner einen Geschäftsbesorgungs- und Managementvertrag dahingehend, dass die Schuldnerin die Management- und Organisationsaufgaben des Hotelbetriebes zu erledigen hatte
  100. und hierfür als Pauschalhonorar eine Umsatzbeteiligung i.H.v. 40 % der Hotelumsätze erhalten sollte; zudem verpflichtete sich die Schuldnerin, das gesamte
  101. Hotelinventar in den unmittelbaren Besitz der W.
  102. -Hotel GmbH zu übertragen
  103. und selbst nur noch Besitzdienerin zu sein. In einem noch an demselben Tag
  104. abgeschlossenen 1. Nachtrag zu dem Geschäftsbesorgungs- und Managementvertrag verpflichtete sich die Schuldnerin - angesichts des nur vorläufig
  105. geschätzten, voraussichtlichen Geschäftsverlaufs - gegenüber der W.
  106. -Hotel
  107. GmbH, im Januar des folgenden Jahres einer Herabsetzung des umsatzbezogenen Pauschalhonorars zuzustimmen, sofern die vereinbarten 40 % der Hotelumsätze überhöht und die der W.
  108. -Hotel GmbH verbleibenden Umsätze für
  109. diese nicht auskömmlich seien. Durch Vertrag vom 24. August 1998 trat D.
  110. W.
  111. , vertreten kraft Generalvollmacht durch den Beklagten, ihre sämtlichen
  112. Geschäftsanteile an der J.
  113. 6
  114. GmbH an diesen ab.
  115. Im Verlaufe des Jahres 1998 verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der Schuldnerin. Nachdem bereits im vorangegangenen Geschäftsjahr
  116. ein Fehlbetrag entstanden war, erwirtschaftete die Schuldnerin 1998 einen weiteren Fehlbetrag i.H.v. ca. 250.000,00 DM, so dass sich - zusammen mit dem
  117. Verlustvortrag des Vorjahres - ein Bilanzverlust von 299.588,15 DM ergab. Mit
  118. Nachtrag vom 1. Januar 1999 wurde die Umsatzbeteiligung der Schuldnerin auf
  119. 28 % herabgesetzt, weil diese - wie der Beklagte behauptet - weniger und
  120. schlechter ausgebildetes Personal für den Hotelbetrieb eingesetzt habe.
  121. -5-
  122. 7
  123. Infolge eines neuerlichen Jahresfehlbetrags von ca. 670.000,00 DM
  124. wuchs im Jahre 1999 der Gesamtbilanzverlust auf 967.834,28 DM an. Am
  125. 31. Januar 2000 hoben die Schuldnerin und die W.
  126. -Hotel GmbH den am
  127. 31. März 1998 geschlossenen Geschäftsbesorgungs- und Managementvertrag
  128. auf, wobei die W.
  129. -Hotel GmbH durch den Beklagten und die Schuldnerin
  130. durch dessen Ehefrau als Prokuristin vertreten wurde. Der Aufhebungsvertrag
  131. sah vor, dass die Schuldnerin der W.
  132. -Hotel GmbH weiterhin die Nutzung des
  133. Hotelinventars überlassen und diese als Gegenleistung hierfür das gesamte
  134. Personal der Schuldnerin übernehmen sollte. Zwischenzeitlich hat die W. Hotel GmbH alle Arbeitnehmer der Schuldnerin übernommen und führt den Hotelbetrieb allein weiter. Auf Eigenantrag der Schuldnerin vom 25. April 2000
  135. wurde am 15. Mai 2000 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
  136. Schuldnerin eröffnet. Die verfügbare Insolvenzmasse belief sich auf den Kassenbestand von 108,07 DM.
  137. 8
  138. Das Landgericht hat der auf Zahlung im Umfang der zur Insolvenztabelle
  139. angemeldeten und anerkannten Forderungen von 713.996,51 € gerichteten
  140. Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
  141. 9
  142. Im Verlauf des Revisionsverfahrens hat die W.
  143. -Hotel GmbH nach An-
  144. gaben des Beklagten die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen entweder erworben oder erfüllt. Der Beklagte ist der Ansicht, dass sich der Rechtsstreit dadurch erledigt habe. Dem hat der Kläger unter Hinweis darauf widersprochen, dass weder die alten Insolvenzgläubiger noch deren potentielle
  145. Rechtsnachfolgerin ihm gegenüber irgendeine Erklärung abgegeben hätten und
  146. dass sie jedenfalls die Rechtsstellung des den vorliegenden Rechtsstreit finan-
  147. -6-
  148. zierenden Prozessfinanzierers beachten müssten; zumindest dauere das Insolvenzverfahren derzeit noch an.
  149. Entscheidungsgründe:
  150. 10
  151. Die Revision des Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des
  152. angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen
  153. Senat des Berufungsgerichts (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
  154. 11
  155. I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
  156. 12
  157. Der Beklagte habe als mittelbarer Gesellschafter aus dem Gesichtspunkt
  158. der Existenzvernichtungshaftung für den Forderungsausfall der Gläubiger im
  159. Umfang der Anmeldung zur Insolvenztabelle einzustehen. Ein existenzvernichtender Eingriff habe in mehrfacher Hinsicht vorgelegen. So habe bereits die Sicherungsübereignung des Hotelinventars an die Mutter des Beklagten ohne
  160. greifbare Gegenleistung die Fähigkeit der Schuldnerin zur Erhaltung ihrer Liquidität durch Kreditaufnahme gegen Sicherheit faktisch beseitigt. Auch die vorzeitige Aufhebung des Pachtvertrages sei unternehmerisch nicht mehr vertretbar
  161. gewesen; stattdessen habe der Beklagte das Liquidationsverfahren einleiten
  162. müssen. Ferner habe der Geschäftsbesorgungs- und Managementvertrag vom
  163. 31. März 1998 nebst den dazu vereinbarten Nachträgen die W.
  164. -Hotel GmbH
  165. in unvertretbarer Weise auf Kosten der Schuldnerin begünstigt.
  166. 13
  167. II. Diese Beurteilung hält in wesentlichen Punkten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  168. 14
  169. Schon nach den bisherigen, vom Senat im Wege der Rechtsfortbildung
  170. entwickelten Rechtsprechungsgrundsätzen über die Haftung des Gesellschaf-
  171. -7-
  172. ters wegen existenzvernichtenden Eingriffs, die bislang als eigenständiges Haftungsinstitut in Form einer subsidiären Außenhaftung ausgestaltet wurde (seit
  173. BGHZ 151, 181 - KBV; vgl. zuletzt: Sen.Urteile v. 13. Dezember 2004
  174. - II ZR 206/02, ZIP 2005, 117 - Autovertragshändler - sowie II ZR 256/02,
  175. ZIP 2005, 250 - Handelsvertreter), kommt zwar der Beklagte als möglicher Haftungsadressat in Betracht; jedoch sind bereits weder die Sicherungsübereignung des Hotelinventars noch die vorzeitige Aufhebung des Pachtvertrages am
  176. 20. März 1998 als haftungsrelevante "Eingriffe" anzusehen, während bezüglich
  177. der Ausgestaltung des Geschäftsbesorgungs- und Managementvertrages vom
  178. 31. März 1998 nebst Nachträgen die Feststellungen des Berufungsgerichts auf
  179. einer verfahrensfehlerhaften Übergehung erheblichen Sachvortrags des Beklagten beruhen (§ 286 ZPO).
  180. 15
  181. Das angefochtene Urteil hat aber gleichermaßen auch unter Zugrundelegung des im Rahmen der vorliegenden Entscheidung geänderten Haftungskonzepts der Existenzvernichtungshaftung, die der Senat nunmehr (ausschließlich)
  182. als besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung in § 826
  183. BGB einordnet und in diesem Rahmen als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft ausgestaltet (dazu nachfolgend unter 1 ff.), keinen Bestand.
  184. 16
  185. 1. Der Senat hält zwar weiterhin - zur Vermeidung einer durch das Haftungssystem der §§ 30, 31 GmbHG offen gelassenen Schutzlücke (dazu grundlegend: Röhricht, Festschrift 50 Jahre BGH, Bd. I, 83, 92 ff.; ders., ZIP 2005,
  186. 505, 514; vgl. auch: Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG 18. Aufl. § 13
  187. Rdn. 18; Zöllner, Festschrift Konzen, 1, 13 f.; Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034,
  188. 2037) - an der begrifflich auch künftig als "Existenzvernichtungshaftung" bezeichneten Haftung des Gesellschafters für missbräuchliche, zur Insolvenz der
  189. Gesellschaft führende oder diese vertiefende "kompensationslose" Eingriffe in
  190. deren der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubi-
  191. -8-
  192. ger dienendes Gesellschaftsvermögen (vgl. nur BGHZ 151, 181) und den diesen Eingriffstatbestand nach dem bisherigen Entwicklungsstand der Senatsrechtsprechung kennzeichnenden sowie näher eingrenzenden Merkmalen (vgl.
  193. zuletzt: Sen.Urteile v. 13. Dezember 2004 aaO) fest.
  194. 17
  195. Der Senat gibt jedoch das bisherige Konzept einer eigenständigen Haftungsfigur, die an den Missbrauch der Rechtsform anknüpft und als Durchgriffs(außen)haftung des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ausgestaltet, aber mit einer Subsidiaritätsklausel im Verhältnis zu den
  196. §§ 30, 31 GmbHG versehen ist, auf. Stattdessen knüpft er die Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters an die missbräuchliche Schädigung des im
  197. Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens an und ordnet
  198. sie - in Gestalt einer schadensersatzrechtlichen Innenhaftung gegenüber der
  199. Gesellschaft - allein in § 826 BGB als eine besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung ein.
  200. 18
  201. 2. a) Nach dem vom Senat in seiner bisherigen neueren Rechtsprechung
  202. - unter Aufgabe der Haftung im sog. qualifiziert faktischen Konzern (vgl. dazu:
  203. BGHZ 122, 123, 130 - TBB) - entwickelten Haftungstatbestand der Existenzvernichtungshaftung (seit: BGHZ 149, 10 - Bremer Vulkan) hat der Gesellschafter
  204. einer GmbH für die Gesellschaftsschulden persönlich einzustehen, wenn er auf
  205. die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens keine Rücksicht nimmt und der
  206. Gesellschaft ohne angemessenen Ausgleich - offen oder verdeckt - Vermögenswerte entzieht, die sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt. Greift
  207. er in das der Gesellschaft überlassene und als Haftungsfonds erforderliche
  208. Vermögen gleichwohl ein und bringt dadurch die Gesellschaft in die Lage, ihre
  209. Verbindlichkeiten nicht mehr oder nur noch in geringerem Maße erfüllen zu
  210. können, so missbraucht er nach dem bisherigen Senatskonzept die Rechtsform
  211. der GmbH. Damit soll er zugleich grundsätzlich die Berechtigung verlieren, sich
  212. -9-
  213. auf die Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG zu berufen, soweit die
  214. der Gesellschaft durch den Eingriff insgesamt zugefügten Nachteile nicht bereits durch etwa bestehende Ansprüche nach §§ 30, 31 GmbHG ausgeglichen
  215. werden können; abwenden kann der Gesellschafter die unbeschränkte Außenhaftung nur, wenn er nachweist, dass der Gesellschaft im Vergleich zu der
  216. Vermögenslage bei redlichem Verhalten nur ein begrenzter - und dann in diesem Umfang auszugleichender - Nachteil entstanden ist (vgl. dazu die Entwicklung
  217. der
  218. Senatsrechtsprechung
  219. seit
  220. BGHZ 149,
  221. 10
  222. - Bremer
  223. Vulkan;
  224. BGHZ 150, 61; BGHZ 151, 181 - KBV; zuletzt Sen.Urt. v. 13. Dezember 2004
  225. aaO - je m.w.Nachw.).
  226. b) Bei kritischer Analyse und Bewertung des derzeit erreichten Entwick-
  227. 19
  228. lungsstandes dieses Rechtsprechungsmodells (vgl. insoweit exemplarisch aus
  229. dem umfangreichen Schrifttum: Altmeppen, ZIP 2001, 1837; Dauner-Lieb aaO
  230. S. 2034; Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht
  231. der
  232. GmbH,
  233. 183 ff.;
  234. Liebscher,
  235. GmbH-Konzernrecht
  236. Rdn. 437 ff.;
  237. Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402; Matschernus, Die Durchgriffshaftung wegen
  238. Existenzvernichtung in der GmbH, 64 ff.; Priester, ZGR 1993, 512; K. Schmidt,
  239. NJW 2001, 3577; Ulmer, ZIP 2001, 2021; Wiedemann, ZGR 2003, 283; Zöllner
  240. aaO S. 3 ff.; zuletzt: Weller, DStR 2007, 1166; Ihrig, DStR 2007, 1170) ist festzustellen, dass zum Schutze des zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger
  241. erforderlichen Gesellschaftsvermögens gegen existenzvernichtende, d.h. zur
  242. Insolvenz der Gesellschaft führende oder eine solche vertiefende Eingriffe des
  243. Gesellschafters eine Haftungssanktion gegen diesen unzweifelhaft erforderlich
  244. ist, soweit das gesetzliche System der §§ 30, 31 GmbHG versagt bzw. wegen
  245. seiner begrenzten Reichweite die gebotene Schutzfunktion von vornherein nicht
  246. erfüllen kann.
  247. - 10 -
  248. 20
  249. aa) Während über Anlass und Notwendigkeit einer Haftungssanktionierung der rechtsmissbräuchlichen "Ausplünderung" des Gesellschaftsvermögens
  250. durch den Gesellschafter auf der "Tatbestandsebene" keine Zweifel bestehen,
  251. gilt dies nicht gleichermaßen für die Verwirklichung dieses Schutzes des Haftungsfonds durch die Art und Weise der Lückenschließung auf der "Rechtsfolgenseite". Das vom Senat bisher zum existenzvernichtenden Eingriff entwickelte Haftungsmodell ist auf der Rechtsfolgenebene von einer gewissen Inhomogenität und dogmatischen Unschärfe gekennzeichnet, die - so auch im vorliegenden Fall - ersichtlich zu Unsicherheiten in der praktischen Anwendung durch
  252. die betroffenen Parteien wie auch die Instanzgerichte geführt haben.
  253. 21
  254. Das derzeitige Haftungskonzept setzt aufgrund der von dem Vorgängermodell der Haftung im sog. qualifiziert faktischen Konzern übernommenen Subsidiaritätsklausel (vgl. dazu die Leitentscheidung BGHZ 122, 123, 131 - TBB)
  255. mit einer Innenhaftung nach den Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31
  256. GmbHG an. Versagen diese Grundregeln des Kapitalschutzes der GmbH, weil
  257. die eingriffsbedingte Schädigung des Gesellschaftsvermögens durch jene Primäransprüche nicht ausgeglichen werden kann, sondern deren negative Folgen
  258. darüber hinausreichen (insbesondere: sog. Kollateralschäden) oder bilanziell
  259. nicht angemessen abgebildet werden, so kommt erst dann eine durchgriffsrechtlich strukturierte, grundsätzlich unbeschränkte Außenhaftung wegen Verlustes des Haftungsprivilegs des § 13 Abs. 2 GmbHG zum Zuge. Diese zunächst unbegrenzte Durchgriffshaftung kann aber schließlich in eine verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung einmünden, weil - zur Abmilderung des
  260. zunächst unbegrenzten Durchgriffs und zur Vermeidung von Überreaktionen
  261. der Rechtsordnung (vgl. Röhricht, ZIP aaO S. 514) - dem Gesellschafter die
  262. Möglichkeit eröffnet wird, den Nachweis zu führen, dass bei ordnungsgemäßem
  263. Vorgehen ein geringerer Schaden entstanden wäre, der dann nur in diesem
  264. Umfang auszugleichen ist.
  265. - 11 -
  266. 22
  267. bb) Neben dieser als selbständige Anspruchsgrundlage konzipierten Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs hat der Senat auch stets - wie
  268. schon bei dem Vorgängermodell der Haftung im qualifiziert faktischen Konzern eine konkurrierende Haftung des Gesellschafters aus dem Gesichtspunkt der
  269. sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) in Betracht gezogen.
  270. Sämtliche der vom Senat im Rahmen der Entwicklung der Existenzvernichtungshaftung entschiedenen Fälle betrafen - auch - Konstellationen, die eine
  271. derartige potentiell konkurrierende Haftung aus § 826 BGB nach sich ziehen
  272. konnten: Das gilt insbesondere für die - die Existenzvernichtungshaftung nur
  273. am Rande der in Rede stehenden Ansprüche gegen Manager behandelnden Ausgangsentscheidung "Bremer Vulkan" (BGHZ 149, 10), für die weitere Leitentscheidung "KBV" (BGHZ 151, 181) und wird besonders deutlich an der Entscheidung "Rheumaklinik" (Sen.Urt. v. 20. September 2004 - II ZR 302/02,
  274. ZIP 2004, 2138). In diesen Fällen hat der Senat eine Haftung aus § 826 BGB
  275. dem Grunde nach mit denselben begrifflichen Merkmalen wie bei dem Haftungsinstitut des existenzvernichtenden Eingriffs gekennzeichnet und bejaht,
  276. indem er den planmäßigen Entzug von Gesellschaftsvermögen im Sinne der
  277. Verringerung der Zugriffsmasse zu Lasten der Gläubiger und zum eigenen Vorteil des Gesellschafters als dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widersprechend und damit sittenwidrig eingestuft hat (vgl. z.B.
  278. BGHZ 151, 181, 185 - KBV; Sen.Urt. v. 20. September 2004, ZIP aaO S. 2139
  279. - Rheumaklinik). Dabei hat der Senat auch diese Deliktshaftung bislang als eine
  280. Außenhaftung des Gesellschafters unmittelbar gegenüber den Gläubigern angesehen und dafür ausreichen lassen, dass die Gesellschaftsgläubiger "infolge
  281. der Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen geschädigt worden sind"; er hat angenommen, der Schaden bestehe in einer Masseverkürzung und betreffe damit
  282. sämtliche Gläubiger (Sen.Urt. v. 20. September 2004, ZIP aaO S. 2140 - Rheumaklinik).
  283. - 12 -
  284. 23
  285. 3. Der Senat lässt nunmehr das bisherige, im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Modell der Existenzvernichtungshaftung als selbständiges
  286. Rechtsinstitut im Sinne einer eigenen Anspruchsgrundlage mit der beschriebenen eigenständigen Rechtsfolgenseite fallen und ordnet den existenzvernichtenden Eingriff - freilich ebenfalls durch richterrechtlichen Gestaltungsakt - jetzt
  287. dogmatisch allein als besondere Fallgruppe im Rahmen der allgemeinen deliktischen Anspruchsnorm des § 826 BGB ein, und zwar - im Gleichlauf mit den
  288. gesellschaftsrechtlichen Schutznormen der §§ 30, 31 GmbHG - als Innenhaftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft selbst.
  289. 24
  290. a) Ausgangspunkt für das Erfordernis einer Verantwortlichkeit des Gesellschafters im Falle kompensationsloser, zur Insolvenz führender - oder diese
  291. vertiefender - Eingriffe in das auch als Haftungsfonds für die Gläubiger dienende Gesellschaftsvermögen ist - wie schon erwähnt - eine Lücke im Kapitalschutzrecht der GmbH in Bezug auf derartige Eingriffe des Gesellschafters, die
  292. nicht oder nicht in vollem Umfang durch die §§ 30, 31 GmbHG ausgeglichen
  293. werden können. Dabei handelt es sich namentlich um solche Eingriffe des Gesellschafters, die als solche oder deren Folgen in der für § 30 GmbHG maßgeblichen Stichtagsbilanz zu fortgeführten Buchwerten nicht oder nur ungenügend
  294. abgebildet werden, so dass die Schutzfunktion der Kapitalerhaltungsvorschriften von vornherein versagt; ferner geht es um solche Eingriffe, bei denen eine
  295. Rückgewähr nach § 31 GmbHG allein die Insolvenz nicht mehr zu beseitigen
  296. vermag (vgl. dazu: Röhricht, Festschrift aaO, S. 93 f.; ders., ZIP aaO S. 514;
  297. vgl. auch: Hueck/Fastrich aaO § 13 Rdn. 18; Dauner-Lieb aaO S. 2037 f.).
  298. 25
  299. Bei der Bestimmung der Rechtsgrundlage und der sachgerechten Grenzen der Verantwortlichkeit des Gesellschafters für Eingriffe in den im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Haftungsfonds, mit denen die Solvenz der Gesellschaft beeinträchtigt wird, geht es allein darum, dieses Vermögen der Gesell-
  300. - 13 -
  301. schaft unter Schließung der von §§ 30, 31 GmbHG offen gelassenen Schutzlücke auch jenseits der Stammkapitalziffer, soweit es zur Gläubigerbefriedigung
  302. benötigt wird, vor derartigen Eingriffen des Gesellschafters zu schützen
  303. (Röhricht, ZIP aaO S. 514). Der existenzvernichtende Eingriff in das Gesellschaftsvermögen stellt - wie der Senat schon bislang geurteilt hat - einen Verstoß gegen die Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger während
  304. der Lebensdauer der GmbH dar; dabei ist die dem Gesellschafter solchermaßen als Verhaltenspflicht auferlegte Rücksichtnahmepflicht als das systemimmanente normative Korrelat der Instrumentalisierung der GmbH als haftungsbegrenzende Institution zu verstehen (Zöllner aaO S. 23).
  305. 26
  306. Das Schutzmodell zur Lückenschließung hat an dem durch den Verstoß
  307. gegen diese Rücksichtnahmepflicht verletzten Schutzobjekt, d.h. an dem namentlich im Gläubigerinteresse gebundenen Gesellschaftsvermögen selbst
  308. - und nicht etwa bei den "mittelbar", d.h. reflexartig durch den Haftungsfonds
  309. geschützten Forderungen des einzelnen bzw. der Vielzahl der Gläubiger - anzusetzen.
  310. 27
  311. Anders als der Senat bislang angenommen hat, besteht allerdings kein
  312. Bedürfnis, einen solchen missbräuchlichen Eingriff in das Gesellschaftsvermögen mit einem Verlust des Haftungsprivilegs gegenüber den Gesellschaftsgläubigern und damit mit einer "Durchgriffshaftung wegen Missbrauchs der Rechtsform der GmbH" (BGHZ 151, 181) zu sanktionieren. Rechtsfolge wäre nämlich
  313. - im Sinne einer zumindest dogmatisch konsequent zu Ende gedachten Haftungskonstruktion - eine grundsätzlich unbeschränkte Durchgriffs-Außenhaftung
  314. gegenüber den Gläubigern nach dem Vorbild einer Analogie zu § 128 HGB
  315. - wie sie der Senat im Übrigen weiterhin für die Fälle der Vermögensvermischung bejaht, ohne diese freilich in die Fallgruppe des existenzvernichtenden
  316. - 14 -
  317. Eingriffs einzuordnen (so jüngst Sen.Urt. v. 14. November 2005 - II ZR 178/03,
  318. ZIP 2006, 467 im Anschluss an BGHZ 125, 366). Diesen Weg hat der Senat
  319. aber - wie die Korrekturen des Modells über die Subsidiarität und den Einwand
  320. des gebotenen Alternativverhaltens zeigen - im Ergebnis zu Recht nicht beschritten, weil eine derartige uneingeschränkte Erfolgshaftung Gefahr liefe, in
  321. einer Vielzahl von Fällen weit über das Ziel hinauszuschießen und der Gesellschaftsform der GmbH - entgegen den Zielen des Gesetzgebers - den Boden
  322. zu entziehen.
  323. 28
  324. b) Der missbräuchliche Eingriff in das Gesellschaftsvermögen unter Verstoß gegen die Verpflichtung zur Respektierung seiner Zweckbindung zur vorrangigen Gläubigerbefriedigung ist freilich schon begrifflich und auch funktionell
  325. kein Missbrauch der Rechtsform, der als solcher an den Fehlgebrauch der
  326. Rechtsform selbst anknüpft und nur bei ihrer Schaffung oder beim Gebrauchmachen von ihr, also beim Abschluss von Geschäften denkbar ist (so zutreffend
  327. Zöllner aaO S. 11). Deshalb kommt als gebotener Ausgleich für den kompensationslosen, durch missbräuchlichen Eingriff verursachten Entzug des Gesellschaftsvermögens entsprechend dem grundsätzlich geltenden präventiven "Basisschutzkonzept" der §§ 30, 31 GmbHG nur eine Ersatzhaftung gegenüber der
  328. Gesellschaft selbst als Trägerin des geschädigten Gesellschaftsvermögens und
  329. damit eine Innenhaftung in Betracht. Dadurch wird die im Hinblick auf den engen Anwendungsbereich der §§ 30, 31 GmbHG entstehende Schutzlücke für
  330. das Gesellschaftsvermögen auch jenseits der Stammkapitalziffer, soweit es zur
  331. Gläubigerbefriedigung benötigt wird, systemkonform geschlossen: Die Existenzvernichtungshaftung soll wie eine das gesetzliche Kapitalerhaltungssystem
  332. ergänzende, aber deutlich darüber hinausgehende "Entnahmesperre" wirken,
  333. indem sie die sittenwidrige, weil insolvenzverursachende oder -vertiefende
  334. "Selbstbedienung" des Gesellschafters vor den Gläubigern der Gesellschaft
  335. - 15 -
  336. durch die repressive Anordnung der Schadensersatzpflicht in Bezug auf das
  337. beeinträchtigte Gesellschaftsvermögen ausgleicht.
  338. 29
  339. c) Anknüpfend an die Qualifizierung des existenzvernichtenden Eingriffs
  340. als Verstoß gegen die Schutzpflicht der Respektierung der Zweckbindung des
  341. Gesellschaftsvermögens bedarf es zur Sanktionierung des Verstoßes nicht
  342. zwingend eines selbständigen, im Wege der Rechtsfortbildung zu schaffenden
  343. gesellschaftsrechtlich fundierten Haftungsinstituts zur Erfüllung der durch die
  344. §§ 30, 31 GmbHG offen gelassenen Schutzlücke; vielmehr ist es ausreichend,
  345. diese Schutzfunktion im Bereich der ohnehin bereits seit jeher hierfür herangezogenen gesetzlichen, deliktischen Schadensersatznorm des § 826 BGB anzusiedeln, und zwar wiederum in Form einer Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft.
  346. 30
  347. d) Die Einordnung der Existenzvernichtungshaftung als besondere Fallgruppe des § 826 BGB bietet sich schon deshalb an, weil bereits nach der bisherigen Senatsrechtsprechung die Fälle der Existenzvernichtungshaftung sich
  348. - wie gezeigt - im Grundsatz zwanglos unter diese Norm subsumieren ließen.
  349. § 826 BGB verbietet vorsätzliche Schädigungen des Gesellschaftsvermögens,
  350. die gegen die guten Sitten verstoßen. Dass dies bei einer planmäßigen "Entziehung" von - der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger unterliegendem - Vermögen der Gesellschaft mit der Folge der Beseitigung ihrer Solvenz der Fall ist, kann, wenn dies zudem - wie regelmäßig - zum
  351. unmittelbaren oder mittelbaren Vorteil des Gesellschafters oder eines Dritten
  352. geschieht, nicht bezweifelt werden (vgl. schon BGHZ 151, 181, 185). Dem Vorsatzerfordernis ist genügt, wenn dem handelnden Gesellschafter bewusst ist,
  353. dass durch von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung veranlasste Maßnahmen das Gesellschaftsvermögen sittenwidrig geschädigt wird; dafür reicht es
  354. aus, dass ihm die Tatsachen bewusst sind, die den Eingriff sittenwidrig machen,
  355. - 16 -
  356. während ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit nicht erforderlich ist. Eine derartige Sittenwidrigkeit betrifft nicht nur die Fälle, in denen die Vermögensentziehung geschieht, um den Zugriff der Gläubiger auf dieses Vermögen zu verhindern, sondern ist auch dann anzunehmen, wenn die faktische dauerhafte Beeinträchtigung der Erfüllung der Verbindlichkeiten die voraussehbare Folge des
  357. Eingriffs ist und der Gesellschafter diese Rechtsfolge in Erkenntnis ihres möglichen Eintritts billigend in Kauf genommen hat (Eventualdolus).
  358. 31
  359. Die Bestimmung der Grenzen einer Existenzvernichtungshaftung durch
  360. ihre Einordnung allein in den Anwendungsbereich der Deliktsnorm des § 826
  361. BGB erscheint dem Senat auch deshalb angemessen, weil eine reine erfolgsbezogene Verursachungshaftung - wie bereits erwähnt - über das Ziel der angemessenen Lückenschließung hinausginge und eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung auch nicht die korrekte Sanktionsreaktion auf den existenzvernichtenden Eingriff als schuldhafter Verletzung einer Verhaltenspflicht, d.h.
  362. der Rücksichtnahmepflicht des Gesellschafters in Bezug auf das der Zweckbindung der vorrangigen Gläubigerbefriedigung unterliegenden Gesellschaftsvermögen, wäre. Die Begrenzung der Schadensersatzpflicht nach § 826 BGB auf
  363. mindestens eventualvorsätzliches Handeln ist die folgerichtige Beschränkung
  364. der Haftung entsprechend dem objektiven Haftungstatbestand des existenzvernichtenden Eingriffs, der einen gezielten, betriebsfremden Zwecken dienenden
  365. Entzug von Vermögenswerten voraussetzt, die die Gesellschaft zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten benötigt (vgl. nur Sen.Urt. v. 13. Dezember 2004
  366. - II ZR 256/02, ZIP aaO S. 252 - Handelsvertreter).
  367. 32
  368. e) Die Ausgestaltung dieser Haftung als (deliktische) Schadensersatzhaftung ist auch insoweit folgerichtig, als es im Rahmen der gebotenen Schutzlückenschließung darum geht, die von den §§ 30, 31 GmbHG nicht erfassten
  369. bzw. erfassbaren "weitergehenden" Kollateralschäden zu decken, soweit dies
  370. - 17 -
  371. zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist. Die Einordnung der Existenzvernichtungshaftung in den Rahmen eines in § 826 BGB integrierten (Innen-)
  372. Haftungskonzepts vermeidet von vornherein die Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten, die sich aus dem bisherigen mehrgleisigen Schutzsystem mit
  373. einer primären Innenhaftung nach §§ 30, 31 GmbHG, einer dieser nachfolgenden, im Ansatz unbegrenzten Durchgriffs-Außenhaftung im Sinne einer reinen
  374. Erfolgshaftung und der sich wiederum daran anschließenden partiellen Umkehr
  375. in eine verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung zur Begrenzung auf die
  376. tatsächlichen Kollateralschäden ergeben.
  377. 33
  378. f) Da die Schadensersatzhaftung nach § 826 BGB eine Ersatzhaftung im
  379. Sinne des Einstehenmüssens für die durch den Entzug von Gesellschaftsvermögen herbeigeführte Insolvenzreife der Gesellschaft oder die Vertiefung ihrer
  380. Insolvenz darstellt, also Eingriffsausgleich ist, erscheint es als selbstverständlich, dass diese Haftung eine reine Innenhaftung ist, bei der die Gesellschaft als
  381. unmittelbar an ihrem - freilich zweckgebundenen Vermögen - Geschädigte die
  382. Gläubigerin des Anspruchs ist; demgegenüber ist dem Gesellschaftsgläubiger
  383. als nur "mittelbar" von der Eingriffsfolge Betroffenem - zumindest grundsätzlich - nicht der direkte, etwa mit dem Anspruch der Gesellschaft konkurrierende,
  384. gleichartige Deliktsanspruch gegen den Gesellschafter zu gewähren. Die Ausgestaltung der Existenzvernichtungshaftung gemäß § 826 BGB als Innenhaftung, die auf der vorrangigen Anknüpfung an die sittenwidrige Schädigung des
  385. Vermögens der Gesellschaft beruht, stellt in Ausfüllung ihrer Funktion als Instrument der Schließung einer durch das Kapitalerhaltungsrecht des GmbHG
  386. offen gelassenen Schutzlücke die gebotene folgerichtige "Verlängerung" jenes
  387. Schutzsystems der §§ 30, 31 GmbHG auf der Ebene des Deliktsrechts dar. Ein
  388. Direktanspruch der Gläubiger stünde im Widerspruch zu dem in den Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG verwirklichten - bei der Existenzvernichtungshaftung zu beachtenden - Grundsatz, dass der Gläubigerschutz durch
  389. - 18 -
  390. die Gesellschaft mediatisiert bzw. die gläubigerschützende Haftung zugunsten
  391. der Gesellschaft "kanalisiert" wird. Ob dies in besonders gelagerten Ausnahmefällen - etwa wenn das Restvermögen der Gesellschaft gezielt zum Zwecke der
  392. Schädigung eines einzigen verbliebenen Gesellschaftsgläubigers "beiseitegeschafft" wird - anders zu beurteilen sein könnte, bedarf aus Anlass der Entwicklung der Grundstruktur des neuen Modells keiner Erörterung.
  393. 34
  394. g) Bei Insolvenzreife ist im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
  395. der - originär der Gesellschaft zustehende - Anspruch wegen Existenzvernichtung aus § 826 BGB vom Insolvenzverwalter geltend zu machen, ohne dass es
  396. - anders als nach dem früheren Außenhaftungsmodell (vgl. dazu: Sen.Urt. v.
  397. 20. September 2004, ZIP aaO S. 2140 - Rheumaklinik; Sen.Urt. v. 25. Juli 2005
  398. - II ZR 390/03, ZIP 2005, 1734, 1738) - zur Begründung der Zuständigkeit des
  399. Insolvenzverwalters einer Analogie zu § 93 InsO bedarf.
  400. 35
  401. Damit besteht insoweit auch ein Gleichlauf mit den "Basisansprüchen"
  402. aus §§ 30, 31 GmbHG, bei denen es sich ebenfalls um genuine Innenhaftungsansprüche handelt, die im Insolvenzverfahren vom Insolvenzverwalter geltend
  403. zu machen sind.
  404. 36
  405. Freilich hat diese Innenhaftung sowohl bezüglich der Ansprüche aus
  406. §§ 30, 31 GmbHG also auch hinsichtlich derjenigen wegen Existenzvernichtung
  407. aus § 826 BGB zur Folge, dass den Gesellschaftsgläubigern, da es um den
  408. Ausgleich des unmittelbaren Entzugs des Vermögens der Gesellschaft durch
  409. ihren Gesellschafter geht, hinsichtlich beider Anspruchsnormen eine eigene
  410. Forderungszuständigkeit fehlt, so dass sie im Fall der Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens - insbesondere bei masseloser Insolvenz - den Gesellschafter
  411. nicht ohne weiteres unmittelbar selbst in Anspruch nehmen können. Dies ist
  412. indessen eine Folge des gerade auch in der Insolvenz der Gesellschaft wirksam
  413. - 19 -
  414. werdenden Trennungsprinzips (§ 13 Abs. 2 GmbHG), das grundsätzlich nicht
  415. dadurch durchbrochen werden darf, dass dem Gesellschaftsgläubiger der unmittelbare Zugriff auf den Gesellschafter gestattet wird. Das ist im Bereich der
  416. §§ 30, 31 GmbHG unumstritten, gilt aber auch für die darüber hinausgehenden
  417. Ansprüche der Gesellschaft wegen Existenzvernichtung aus § 826 BGB. Außerhalb des Insolvenzverfahrens sind daher die Gläubiger auf den "Umweg"
  418. verwiesen, erst aufgrund eines Titels gegen die Gesellschaft nach der Pfändung und Überweisung der Gesellschaftsansprüche gegen den Gesellschafter
  419. vorgehen zu können (vgl. auch Sen.Urt. v. 24. Oktober 2005 - II ZR 129/04,
  420. ZIP 2005, 2257 - zur Unterbilanzhaftung als Innenhaftung).
  421. 37
  422. In der Praxis wird diese - innenhaftungsbedingte - Erschwernis für die
  423. Gesellschaftsgläubiger ohnehin eine geringere Rolle spielen, als in der Literatur
  424. hervorgehoben wird, weil im Regelfall bei Insolvenzreife der Gesellschaft der
  425. Insolvenzverwalter erfolgversprechende Ansprüche aus Existenzvernichtungshaftung im Insolvenzstatus aktivieren und dann auch gegen den Gesellschafter
  426. verfolgen wird. Ist hingegen ein existenzvernichtender Eingriff eher unwahrscheinlich oder schwer belegbar, so dass der Insolvenzverwalter von der
  427. Rechtsverfolgung Abstand nimmt und die Insolvenz "masselos" bleibt, so ist es
  428. für den Gesellschaftsgläubiger nicht unzumutbar, wenn er bei dem - von dem
  429. Insolvenzverwalter als dem berufenen Vertreter der Verfolgung der Gläubigerinteressen ohnehin als wenig erfolgversprechend eingestuften - Versuch einer
  430. Realisierung seiner Forderung auf den beschriebenen prozessualen Umweg
  431. angewiesen ist.
  432. 38
  433. h) Anders als nach dem bisherigen Haftungsmodell eines selbständigen
  434. Existenzvernichtungsanspruchs besteht für die Annahme einer Subsidiarität des
  435. Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB im Verhältnis zu den Ansprüchen
  436. aus §§ 30, 31 GmbHG keine Notwendigkeit.
  437. - 20 -
  438. 39
  439. Zwar dient die Existenzvernichtungshaftung als solche und ihre Einordnung nunmehr in § 826 BGB der Schließung einer Schutzlücke für die durch
  440. den Eingriff veranlassten Schäden "jenseits der Stammkapitalziffer", also insbesondere die weitergehenden sog. Kollateralschäden als Folge des Eingriffs.
  441. Eine Ausgestaltung des neuen Haftungsmodells dahingehend, die Schadensersatzhaftung auch nur jenseits der Grenze der §§ 30, 31 GmbHG beginnen zu
  442. lassen, ist jedoch schon deswegen nicht zwingend geboten, weil die Haftung an
  443. dem einheitlichen, zur Insolvenz der Gesellschaft führenden Eingriff in das Gesellschaftsvermögen anknüpft. Auf der Rechtsfolgenseite umfasst der zu ersetzende Schaden den nach §§ 30, 31 GmbHG bestehenden Erstattungsanspruch
  444. gegen den Gesellschafter auf Rückgewähr der empfangenen verbotenen Leistungen. Zudem steht die Schutzfunktion der deliktsrechtlichen Norm des § 826
  445. BGB einer Schadensersatzbegrenzung entgegen.
  446. 40
  447. Nach dem neuen Haftungskonzept des Senats besteht daher zwischen
  448. beiden Ansprüchen, soweit sich diese überschneiden, Anspruchsgrundlagenkonkurrenz. Dadurch wird im Übrigen der Gesellschaft bzw. dem Insolvenzverwalter die Rechtsverfolgung in zulässiger Weise erleichtert, weil auch dann,
  449. wenn etwa der Nachweis eines existenzvernichtenden Eingriffs i.S. des § 826
  450. BGB nicht gelingt, die Rechtsverfolgung - ohne Änderung des prozessualen
  451. Streitverhältnisses - immer noch wenigstens im Umfang des Vorliegens verbotener Auszahlungen i.S. der §§ 30, 31 GmbHG erfolgreich sein kann.
  452. 41
  453. i) Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt im Rahmen von § 826
  454. BGB grundsätzlich, dass die Gesellschaft als Gläubigerin die Darlegungs- und
  455. Beweislast für alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Delikts
  456. trägt (st.Rspr.: vgl. nur BGHZ 30, 226; 160, 134, 145; h.M.: vgl. nur
  457. Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl. vor § 284 Rdn. 20 m.w.Nachw.), mithin insbesondere in diesem Rahmen auch den vollen Kausalitätsnachweis zu erbringen hat.
  458. - 21 -
  459. 42
  460. 4. Auch nach diesen neuen Maßstäben hält das angefochtene Urteil den
  461. Revisionsangriffen in zentralen Punkten nicht stand.
  462. 43
  463. a) Allerdings kommt der Beklagte - entgegen der Ansicht der Revision als möglicher Adressat einer Existenzvernichtungshaftung in Betracht.
  464. 44
  465. Nach den insoweit auch im Rahmen von § 826 BGB fortgeltenden - vom
  466. Berufungsgericht noch zutreffend zugrunde gelegten - Grundsätzen der bisherigen Senatsrechtsprechung ist Adressat einer Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs auch derjenige, der zwar nicht an der geschädigten GmbH,
  467. wohl aber an einer Gesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits Gesellschafterin der
  468. GmbH ist (Gesellschafter-Gesellschafter); dies gilt jedenfalls dann, wenn er einen beherrschenden Einfluss auf die (geschädigte) Gesellschaft ausüben kann
  469. (Sen.Urt. v. 13. Dezember 2004 - II ZR 206/02, ZIP 2005, 117, 118 - Autovertragshändler). In dieser Lage ist nicht auf die formaljuristische Konstruktion,
  470. sondern auf die tatsächliche Einflussmöglichkeit abzustellen. Es wäre unbillig,
  471. wenn sich derjenige, in dessen Händen die Entscheidungsstränge der verschiedenen Gesellschaften zusammenlaufen, mit dem Hinweis auf seinen nur
  472. mittelbaren Anteilsbesitz der Verantwortung entziehen und die Gläubiger auf
  473. eine Inanspruchnahme der zwischengeschalteten Gesellschaft verweisen könnte. Wer in einer solchen Konstellation wie ein Gesellschafter handelt, muss sich
  474. auch wie ein solcher behandeln lassen.
  475. 45
  476. Der Beklagte ist dementsprechend bei der gebotenen Gesamtbetrachtung auch für den Zeitraum ab Übertragung seiner Mehrheitsanteile an der
  477. Schuldnerin auf die damals im Alleinbesitz seiner Mutter stehende J.
  478. GmbH
  479. im Jahr 1996 bis zur (Wieder-)Erlangung der - nunmehr mittelbaren - Mehrheitsmacht an der Schuldnerin infolge des Erwerbs aller Anteile an der J.
  480. GmbH von seiner Mutter im August 1998 als unmittelbarer ("faktischer") Gesell-
  481. - 22 -
  482. schafter der Schuldnerin zu behandeln. Während der gesamten Zeit der werbenden Tätigkeit der Schuldnerin war es der Beklagte, der ihre Geschicke,
  483. wenn auch mittels unterschiedlicher rechtlicher Konstruktionen unter Einbeziehung seiner Ehefrau und seiner Mutter, maßgeblich bestimmte. So war er bis
  484. August 1999 deren alleiniger Geschäftsführer und danach Prokurist. Bereits in
  485. der Zeit, in der er zunächst Mehrheitsgesellschafter der Schuldnerin war, hatte
  486. ihm die einzige Mitgesellschafterin, seine Ehefrau, schon 1996 Generalvollmacht erteilt. Nachdem er seine Anteile an der Schuldnerin zunächst auf die
  487. J.
  488. GmbH übertragen hatte, war er deren alleiniger Geschäftsführer sowie
  489. Generalbevollmächtigter seiner Mutter als damaliger Alleingesellschafterin der
  490. J.
  491. GmbH. Später wurde er selbst Alleingesellschafter der J.
  492. GmbH und
  493. damit wieder - nunmehr mittelbarer - Mehrheitsgesellschafter der Schuldnerin.
  494. Darüber hinaus war er alleiniger Geschäftsführer der W.
  495. Anteile ihrerseits zu 90 % von der J.
  496. -Hotel GmbH, deren
  497. GmbH und im Übrigen von der Mutter
  498. des Beklagten gehalten wurden. In sämtlichen Positionen als Geschäftsführer
  499. war er von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Bei dieser Sachlage
  500. kann dahinstehen, dass er die formale Gesellschafter-Gesellschafterposition
  501. erst nach dem Zustandekommen der Mehrzahl der potentiell existenzvernichtenden Vertragsabschlüsse und -gestaltungen erlangt hat. Zumindest hat er
  502. sich die ihm vorgeworfenen fortwirkenden andauernden Beeinträchtigungen als
  503. Folge der angeblich für die Schuldnerin nicht auskömmlichen Umsatzbeteiligung "zu eigen gemacht"; zur Zeit der weiteren Herabsetzung der Vergütung
  504. war er im Übrigen bereits deren mittelbarer Gesellschafter.
  505. 46
  506. Darauf, dass im Rahmen des neuen Haftungskonzepts nach § 826 BGB
  507. ohnehin für eine Haftungszurechnung an den Beklagten eine Beteiligung i.S.
  508. von § 830 BGB ausreichen würde und eine solche in der vorliegenden Konstellation während der Zwischenzeit der "Verlagerung" seiner Mehrheitsbeteiligung
  509. an der Schuldnerin auf seine Mutter zumindest nahe liegt, kommt es danach
  510. - 23 -
  511. nicht mehr an; Gleiches gilt für eine - parallel mögliche - Verantwortlichkeit des
  512. Beklagten als Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG in diesem Zeitraum.
  513. 47
  514. b) Rechtsfehlerhaft ist indessen die Annahme des Berufungsgerichts, die
  515. Sicherungsübereignung des Hotelinventars stelle sich als existenzvernichtender
  516. Eingriff dar. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob - worüber die Parteien streiten - insoweit ein wirksames Rechtsgeschäft vorliegt. Wäre die Sicherungsübereignung - ebenso wie der zugrunde liegende Darlehensvertrag - ein
  517. Scheingeschäft, weil - wie das Berufungsgericht in Art. 103 Abs. 1 GG verletzender Weise angenommen hat - überhaupt kein Darlehen gewährt werden
  518. sollte und auch nicht wurde, wäre sie gemäß § 117 BGB nichtig. Schon deshalb
  519. kommt es nicht auf die Ansicht des Berufungsgerichts an, es fehle für eine Sicherungsübereignung an einer verifizierbaren Gegenleistung.
  520. 48
  521. Im Übrigen waren in jedem Fall die übliche Weiterbenutzung des Sicherungsgutes seitens des Sicherungsgebers und damit insoweit auch die Betriebsfortführung sichergestellt. Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, die
  522. Sicherungsübereignung habe eine empfindliche Beeinträchtigung der Kreditfähigkeit der Schuldnerin nach sich gezogen, fehlt dafür jeglicher konkrete - für
  523. die Auslösung einer Haftung wegen Existenzvernichtung oder aus § 43 Abs. 2
  524. GmbHG erforderliche - Anhalt; nach den Feststellungen ist schon nicht ersichtlich, inwiefern tatsächlich ein Bedürfnis zur Kreditaufnahme bestanden hätte,
  525. dem gerade wegen der Sicherungsübereignung nicht hätte entsprochen werden
  526. können. Tatsächlich sind Kredite aufgenommen worden, die durch Gesellschafterbürgschaften abgedeckt wurden.
  527. 49
  528. c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts stellt auch die Vereinbarung vom 20. März 1998 über die vorfristige Aufhebung des Pachtvertrages bezüglich des Betriebsgrundstücks zum 31. März 1998 auf der Grundlage der bis-
  529. - 24 -
  530. herigen tatrichterlichen Feststellungen keinen existenvernichtenden Eingriff dar.
  531. Abgesehen davon, dass der Pachtvertrag ohnehin fünf Monate später ausgelaufen wäre, befand sich die Schuldnerin im Zeitpunkt der Aufhebung mit erheblichen Pachtzahlungen im Rückstand, so dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt gewesen wäre. Unabhängig von der Frage, ob etwa die Pachtüberlassung bereits eigenkapitalersetzend geworden war, bedeutete die Kündigung
  532. zum einen, dass die Schuldnerin für die Zukunft keinen Pachtzins mehr zahlen
  533. musste; zum anderen hat der Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen, er habe
  534. der Schuldnerin alle etwa noch rückständigen Pachtzahlungen mit Ablauf des
  535. 31. März 1998 vollständig erlassen. Die Aufhebung des Pachtvertrages mit der
  536. Schuldnerin und ein Neuabschluss mit der W.
  537. -Hotel GmbH entzog der
  538. Schuldnerin auch nicht ihre Existenzgrundlage. Denn der gleichzeitig abgeschlossene Management- und Geschäftsbesorgungsvertrag sah vor, dass die
  539. Schuldnerin das Hotel - ohne für den Pachtzins aufkommen zu müssen - weiterhin in wesentlichem Umfang gegen Umsatzbeteiligung betreiben konnte.
  540. 50
  541. d) War somit durch den Management- und Geschäftsbesorgungsvertrag
  542. an sich die Grundlage für ein weiteres selbständiges Wirtschaften der Schuldnerin gegeben, so kann hierin ein existenzvernichtender Eingriff i.S. der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung gemäß § 826 BGB allenfalls dann liegen,
  543. wenn die in dem Vertrag vorgesehene Umsatzbeteiligung von zunächst 40 %
  544. derart unvertretbar niedrig war, dass eine Insolvenz der Schuldnerin als Folge
  545. einer solchen Unangemessenheit bereits zu jenem Zeitpunkt praktisch unausweichlich war. Dies hat das Berufungsgericht zwar im Ergebnis offenbar angenommen, jedoch insoweit - wie die Revision mit Recht rügt - keine verfahrensrechtlich einwandfreien Feststellungen getroffen. Hierzu hätte es die von der
  546. Schuldnerin insbesondere durch die Bereitstellung des Personals und des Inventars erbrachte Leistung zu derjenigen der W.
  547. -Hotel GmbH, die den
  548. Pachtzins und die sonstigen Sachkosten zu tragen hatte, in Beziehung setzen
  549. - 25 -
  550. und mit Hilfe eines - nicht nur von dem insoweit beweispflichtigen Kläger, sondern gegenbeweislich auch vom Beklagten beantragten - Sachverständigengutachtens die zwischen den Parteien umstrittene Frage der Branchenüblichkeit
  551. oder -unüblichkeit des Management- und Geschäftsbesorgungsvertrages klären
  552. müssen.
  553. 51
  554. e) Ähnliches gilt für die auf Verlangen der W.
  555. -Hotel GmbH durch
  556. Nachtrag vom 1. Januar 1999 vereinbarte, erhebliche Herabsetzung der Umsatzbeteiligung der Schuldnerin auf 28 %. Der Beklagte hat dies zum einen mit
  557. einer - auch vom Kläger nicht in Abrede gestellten - geringeren Auslastung des
  558. Hotels und zum anderen damit begründet, dass die Schuldnerin weniger und
  559. schlechter ausgebildetes Personal für den Hotelbetrieb eingesetzt habe. Auch
  560. hiermit hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt, obwohl unstreitig ist, dass in dem betreffendem Zeitraum zehn Fachkräfte von der Schuldnerin
  561. entlassen wurden, so dass jedenfalls ein stark reduzierter Einsatz von Personal
  562. vorgelegen hat. Zwar könnte das Argument des Umsatzrückganges durch geringere Gästezahlen allein die Reduzierung der Vergütung nicht ohne weiteres
  563. rechtfertigen, weil mit dem Absinken des Umsatzes automatisch auch die Vergütung der Schuldnerin zurückging, so dass eine zusätzliche Reduktion der Beteiligungsquote die Schuldnerin zugunsten der W.
  564. -Hotel GmbH "doppelt" tref-
  565. fen musste. Gleichwohl greift auch in diesem Zusammenhang die Revisionsrüge des Beklagten durch, dass die streitige Frage einer Unausgewogenheit der
  566. Vergütung infolge der zusätzlichen Reduzierung des umsatzabhängigen Pauschalhonorars und einer daraus etwa resultierenden "Existenzvernichtung" der
  567. Schuldnerin verfahrensrechtlich einwandfrei nur nach Einholung eines - auch
  568. insoweit beantragten - Sachverständigengutachtens hätte beantwortet werden
  569. können.
  570. - 26 -
  571. 52
  572. III. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das Berufungsurteil
  573. der Aufhebung; mangels Endentscheidungsreife ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562, 563 Abs. 1 ZPO), damit es auf der
  574. Grundlage der neuen Rechtsprechung des Senats zum existenzvernichtenden
  575. Eingriff - ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien auch zu mindestens
  576. hilfsweise in Betracht kommenden Ansprüchen aus §§ 30, 31 GmbHG, eventuell auch aus § 43 Abs. 2 GmbHG - die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.
  577. 53
  578. Im Einzelnen weist der Senat noch auf Folgendes hin:
  579. 54
  580. 1. Das Berufungsgericht wird im Wesentlichen der Frage der vom Kläger
  581. behaupteten Unausgewogenheit der vereinbarten Umsatzbeteiligung von zunächst 40 % und später 28 % nachzugehen und den diesbezüglich angebotenen Sachverständigenbeweis zu erheben haben. Sollte die Umsatzbeteiligung
  582. der Schuldnerin von nur 40 % bzw. deren Herabsetzung auf sogar 28 % sich
  583. als grob unangemessen und damit unternehmerisch unvertretbar erweisen und
  584. im Zeitpunkt der jeweiligen Vereinbarung - für den Beklagten erkennbar (vgl.
  585. zum Vorsatz: BGH, Urt. v. 11. November 2003 - VI ZR 371/02, NJW 2004, 446,
  586. 448) - zwangsläufig auf die Insolvenz der Schuldnerin hinausgelaufen sein
  587. (Kausalitätsfrage), so wäre in einem weiteren Schritt im Rahmen der Schadensberechnung zu klären, wie hoch der dadurch bei der Schuldnerin entstandene Gewinnausfall im Verhältnis zu einer angemessenen Beteiligung ist.
  588. 55
  589. Dieser Differenzgewinnausfall ist dann vom Beklagten nach § 826 BGB
  590. zu ersetzen, soweit er für die Fähigkeit der Gesellschaft, ihre Schulden zu bezahlen, notwendig ist.
  591. 56
  592. 2. Soweit die W.
  593. -Hotel GmbH die angemeldeten Insolvenzforderungen
  594. erfüllt oder erworben hat und sich nunmehr in der Rolle als Insolvenzgläubigerin
  595. - 27 -
  596. selbst nicht mehr als durch den Beklagten "geschädigt" ansieht und es infolgedessen zu einer Einstellung des Insolvenzverfahrens kommen sollte, würde freilich i.S. des § 826 BGB ein Schaden bzw. auch i.S. der §§ 30, 31 GmbHG das
  597. Erfordernis der "Rückleistung" an den Kläger entfallen, weil der Betrag zur Befriedigung von Gläubigern nicht mehr benötigt wird.
  598. 57
  599. Zu dem vom Beklagten jedenfalls zu ersetzenden Schadensersatz gehören auch die Kosten des vorläufigen Insolvenzverfahrens und des Insolvenzverfahrens, soweit die Schuldnerin ohne den schädigenden Eingriff nicht insolvenzreif geworden wäre. Unter Umständen wird das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auch zu prüfen haben, ob die Kosten des Prozessfinanzierers
  600. berücksichtigungsfähig sind, was nur anhand des - bislang nicht vorgetragenen - Vertrages beantwortet werden könnte.
  601. Goette
  602. Kurzwelly
  603. Gehrlein
  604. Kraemer
  605. Caliebe
  606. Vorinstanzen:
  607. LG Rostock, Entscheidung vom 20.03.2003 - 4 O 177/01 OLG Rostock, Entscheidung vom 10.12.2003 - 6 U 56/03 -