Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

970 lines
48 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. II ZR 12/17
  5. Verkündet am:
  6. 20. November 2018
  7. Stoll
  8. Amtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. GmbHG § 16 Abs. 1 Satz 1, § 48
  19. a) Die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG greift auch bei eingezogenen Geschäftsanteilen.
  20. b) Allein die unberechtigte, weil nicht satzungsgemäße Übernahme der Versammlungsleitung als solche stellt bei der GmbH keinen relevanten Verfahrensmangel
  21. dar, der zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit sämtlicher unter dieser Versammlungsleitung gefassten Beschlüsse führt. Vielmehr bedarf es hierfür auch in diesem Fall eines für die Beschlussfassung ursächlichen oder relevanten Durchführungsfehlers bei der Versammlungsleitung.
  22. BGH, Urteil vom 20. November 2018 - II ZR 12/17 - OLG Köln
  23. LG Köln
  24. ECLI:DE:BGH:2018:201118UIIZR12.17.0
  25. -2-
  26. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  27. vom 20. November 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Drescher,
  28. die Richter Wöstmann, Sunder, Dr. Bernau und die Richterin B. Grüneberg
  29. für Recht erkannt:
  30. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
  31. 18. Zivilsenats
  32. des
  33. Oberlandesgerichts
  34. Köln
  35. vom
  36. 15. Dezember 2016 unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels und unter Zurückweisung der Revision
  37. des Klägers im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als
  38. die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 28. Juli 2015 von 10:00 Uhr bis 10:17 Uhr zu den
  39. Tagesordnungspunkten 3, 6.1 und 6.3 für nichtig erklärt worden sind. Die Berufung des Klägers wird auch in diesem Umfang zurückgewiesen.
  40. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 53 %
  41. und der Beklagten zu 47 % auferlegt.
  42. Von Rechts wegen
  43. -3-
  44. Tatbestand:
  45. 1
  46. Der Kläger, sein Vater und W.
  47. waren Gesellschafter der Beklagten.
  48. Der Kläger hielt Geschäftsanteile in Höhe von 62.000 € (31 %), sein Vater Geschäftsanteile in Höhe von 40.000 € (20 %) und W.
  49. Geschäftsanteile in
  50. Höhe von 98.000 € (49 %) des Stammkapitals. Geschäftsführer der Beklagten
  51. waren der Kläger und W.
  52. 2
  53. .
  54. Am 5. März 2014 übertrug der Vater des Klägers seinen Anteil auf den
  55. Kläger. Am 7. März 2014 wurde in einer Gesellschafterversammlung die Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers "im Nennbetrag von EUR 62.000 sowie EUR 40.000" und des Geschäftsanteils seines Vaters "im Nennbetrag von
  56. EUR 40.000" sowie die Aufstockung des Geschäftsanteils W.
  57. um
  58. 102.000 € beschlossen. Zu Beginn der Versammlung hatte der bevollmächtigte
  59. Vertreter des Klägers die Anteilsübertragung auf den Kläger geltend gemacht
  60. und eine entsprechend geänderte notarielle Gesellschafterliste vom 5. März
  61. 2014 vorgelegt, die allerdings noch nicht im Handelsregister aufgenommen war.
  62. Dies erfolgte am 13. März 2014.
  63. 3
  64. Gegen die Einziehung der Anteile haben sowohl der Kläger als auch sein
  65. Vater Klage erhoben. Auf die Klage des Klägers wurden die Beschlüsse über
  66. die Einziehung seines Geschäftsanteils im Nennbetrag von 62.000 € und über
  67. die Aufstockung des Geschäftsanteils W.
  68. für nichtig erklärt, hinsichtlich
  69. der Einziehung des Geschäftsanteils im Nennbetrag von 40.000 € wurde seine
  70. Klage abgewiesen. Die Klage seines Vaters gegen die Einziehung des Geschäftsanteils im Nennbetrag von 40.000 € hatte ebenfalls keinen Erfolg. Beide
  71. Entscheidungen sind rechtskräftig. Die Aufnahme der entsprechend aktualisierten Gesellschafterliste erfolgte am 15. August 2016.
  72. -4-
  73. 4
  74. Zuvor fand am 28. Juli 2015 von 10:00 Uhr bis 10:17 Uhr eine Gesellschafterversammlung der Beklagten statt, in der W.
  75. gegen den Wider-
  76. spruch des Klägers die Versammlungsleitung übernahm und in der Beschlüsse
  77. zu folgenden Tagesordnungspunkten gefasst wurden:
  78. 5
  79. TOP 1:
  80. Nichtfeststellung des Jahresabschlusses 2013
  81. TOP 2:
  82. Thesaurierung des Gewinns 2013
  83. TOP 3:
  84. Keine Entlastung der Geschäftsführung für 2013
  85. TOP 4:
  86. Nichtfeststellung des Jahresabschlusses 2014
  87. TOP 5:
  88. Thesaurierung des Gewinns 2014
  89. TOP 6.1:
  90. Keine Entlastung des Geschäftsführers B.
  91. 2014
  92. TOP 6.2:
  93. Entlastung des Geschäftsführers M.
  94. G.
  95. TOP 6.3:
  96. Entlastung des Geschäftsführers H.
  97. W.
  98. TOP 7:
  99. Keine Bestellung eines neuen Geschäftsführers
  100. TOP 8:
  101. Kein Abschluss von Beraterverträgen mit B.
  102. P. L.
  103. TOP 9:
  104. Aufrechterhaltung des Hausverbots gegen P.
  105. Bei den Abstimmungen wurden die Stimmen W.
  106. L.
  107. für
  108. für 2014
  109. für 2014
  110. oder
  111. L.
  112. jeweils mit
  113. "98.000 €", die Stimmen des Klägers mit "62.000 €" gezählt. Bis auf die Beschlüsse betreffend ihre eigene Entlastung für das Jahr 2014 (Tagesordnungspunkte 6.1 und 6.3), bei denen sie sich jeweils der Stimme enthielten, stimmte
  114. W.
  115. stets für, der Kläger stets gegen den vorgeschlagenen Beschluss.
  116. W.
  117. stellte jeweils die Beschlussfassung gemäß dem Beschlussvorschlag
  118. fest, außer zu Tagesordnungspunkt 6.3, bei der ihm nach seiner Feststellung
  119. keine Entlastung erteilt wurde.
  120. -5-
  121. 6
  122. Der Kläger hat beantragt, die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 9 für nichtig zu erklären, hilfsweise ihre Nichtigkeit festzustellen. Das
  123. Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger
  124. klageerweiternd die Feststellung beantragt, dass der Geschäftsanteil Nr. 1 in
  125. Höhe von 40.000 € nicht durch Beschluss vom 7. März 2014 eingezogen worden sei und er als Inhaber der Geschäftsanteile Nr. 1 in Höhe von 40.000 € und
  126. Nr. 3 in Höhe von 62.000 € Mehrheitsgesellschafter der Beklagten sei.
  127. 7
  128. Das Berufungsgericht hat die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 7 mit Urteil vom 15. Dezember 2016 für nichtig erklärt und die Klage
  129. "im Übrigen (zu den TOP 8 und 9)" abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, W.
  130. Stimme habe mit seinem Anteil von 49 % des Stammkapitals
  131. nicht jeweils den Ausschlag für die Mehrheit gegeben, weil der Kläger als Inhaber eines Anteils von 51 % legitimiert gewesen sei. Materiell-rechtlich habe er
  132. zwar nur über einen Anteil von 31 % verfügt, weil nach dem rechtskräftigen Abschluss der Vorprozesse ein bestandskräftiger und wirksamer Beschluss über
  133. die Einziehung des Geschäftsanteils Nr. 1 im Nennbetrag von 40.000 € vorliege. Formell sei er aber hinsichtlich dieses eingezogenen Geschäftsanteils noch
  134. legitimiert gewesen, weil die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1
  135. GmbHG auch im Fall der Einziehung greife. Die demnach fehlerhafte Berücksichtigung seiner Gesellschafterstimmen sei ursächlich für die Beschlüsse zu
  136. den Tagesordnungspunkten 1 bis 7, da Stimmverbote des Klägers gemäß bzw.
  137. analog § 47 Abs. 4 GmbHG insoweit nicht ersichtlich seien. Das gelte insbesondere auch für die negativ gefassten Beschlussanträge zu den Tagesordnungspunkten 3 und 6.1. Anders sei dies jedoch bei den Tagesordnungspunkten 8 und 9, bei denen der Kläger einem Stimmverbot unterlegen bzw. seine
  138. gesellschafterliche Treuepflicht einer Ablehnung entgegengestanden habe. Insoweit ergebe sich auch kein kausaler Beschlussmangel daraus, dass W.
  139. auch nicht zur Übernahme der Versammlungsleitung befugt gewesen sei, weil
  140. -6-
  141. für die Beschlussfassung letztlich allein die Stimmrechtsausübungen der Gesellschafter und nicht die Versammlungsleitung maßgebend gewesen sei.
  142. 8
  143. Mit Beschluss vom 25. Januar 2017 hat das Berufungsgericht nach vorherigem Hinweis das Urteil wegen offensichtlicher Unrichtigkeit nach § 319 ZPO
  144. dahingehend berichtigt, dass es den Zusatz "(TOP 8 und 9)" im Tenor gestrichen, die klageerweiternden Feststellungsanträge des Klägers im Tatbestand
  145. aufgenommen und zur Abweisung dieser Anträge in den Entscheidungsgründen auf seine Ausführungen zur bestandskräftigen Einziehung des Geschäftsanteils Nr. 1 verwiesen hat.
  146. 9
  147. Gegen das Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
  148. Entscheidungsgründe:
  149. 10
  150. Die Revision des Klägers hat keinen, die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg.
  151. 11
  152. A. Beide Revisionen sind gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Berufungsgericht die Revision nicht
  153. nur zu ihren Gunsten zugelassen.
  154. 12
  155. Die Zulassung der Revision im Tenor des Berufungsurteils enthält keine
  156. Einschränkung. Eine solche ist auch der Begründung der Zulassungsentscheidung durch das Berufungsgericht, die Revision werde "zum einen im Hinblick
  157. darauf" zugelassen, dass die für die Entscheidung über die Beschlüsse zu
  158. TOP 1 bis 7 maßgebliche Frage der Geltung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG
  159. -7-
  160. auch für eingezogene Geschäftsanteile nicht hinreichend geklärt sei, nicht zu
  161. entnehmen.
  162. 13
  163. 1. Allerdings kann sich eine Beschränkung der Zulassung auch aus der
  164. Begründung der Zulassungsentscheidung ergeben, wenn aus den Entscheidungsgründen mit ausreichender Klarheit hervorgeht, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nur wegen eines
  165. abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollte (vgl. BGH, Urteil vom
  166. 14. Mai 2004 - V ZR 304/03, WM 2005, 198, 199 mwN, insoweit in BGHZ 159,
  167. 179 nicht abgedruckt). Das kann der Fall sein, wenn in den Urteilsgründen eine
  168. als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfrage aufgeführt wird, die sich nur
  169. für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt, der
  170. Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann. Auch kann sich aus den Entscheidungsgründen eines Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit ergeben, dass die Revision nur bezüglich der Partei zugelassen worden ist, zu deren Nachteil das Berufungsgericht die von ihm als klärungsbedürftig empfundene Rechtsfrage entschieden
  171. hat (st.Rspr.; siehe nur BGH, Beschluss vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17,
  172. NJW 2018, 1880 Rn. 10 f. mwN). Nicht ausreichend ist jedoch, wenn das Berufungsgericht lediglich eine Begründung für die Zulassung genannt hat, ohne
  173. weiter erkennbar zu machen, dass es auch die Zulassung der Revision auf den
  174. Teil des Streitgegenstands beschränken wollte, der durch die in der Begründung genannte Rechtsfrage betroffen ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2003
  175. - XII ZR 92/01, BGHZ 153, 358, 361 mwN).
  176. 14
  177. 2. Hier fehlt es an einer hinreichend klaren Beschränkung der Zulassung.
  178. Die vom Berufungsgericht als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage ist
  179. zwar nur für das Unterliegen der Beklagten hinsichtlich der vom Berufungsgericht für nichtig erklärten Tagesordnungspunkte 1 bis 7 von Bedeutung. Ange-
  180. -8-
  181. sichts der einleitenden Formulierung "zum einen" kann aber nicht sicher davon
  182. ausgegangen werden, dass das Berufungsgericht darin den einzigen Zulassungsgrund gesehen und nicht nur von der Angabe weiterer, seiner Ansicht
  183. nach ebenfalls gegebener Zulassungsgründe abgesehen hat. Jedenfalls lässt
  184. sich seiner Begründung nicht mit der erforderlichen Klarheit entnehmen, dass
  185. es nicht nur eine Begründung für seine Zulassungsentscheidung geben, sondern zugleich eine Beschränkung auf die Entscheidung zu den Beschlüssen zu
  186. den Tagesordnungspunkten 1 bis 7 bzw. zu Gunsten der Beklagten vornehmen
  187. wollte.
  188. 15
  189. 3. Die demnach unbeschränkte Zulassung erstreckt sich auf das Urteil in
  190. seiner nach § 319 ZPO berichtigten Fassung und damit auch auf die Abweisung
  191. der Feststellungsanträge des Klägers. Der Berichtigungsbeschluss wirkt auf die
  192. Zeit der Verkündung des Urteils zurück und dessen neue Fassung gilt als die
  193. ursprüngliche (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 1983 - V ZR 21/83, BGHZ 98,
  194. 184, 186; Beschluss vom 24. Mai 2006 - IV ZB 47/05, FamRZ 2006, 1114, 1116
  195. mwN), so dass auch insoweit die Zulassungsentscheidung des Berufungsgerichts gilt. Das gilt unabhängig davon, ob das Berufungsgericht zu Recht nach
  196. § 319 ZPO vorgegangen ist oder - wie der Kläger geltend macht - eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO hätte vornehmen müssen. Der Berichtigungsbeschluss ist rechtskräftig und als solcher für das Revisionsverfahren bindend.
  197. 16
  198. Rechtskräftige Berichtigungsbeschlüsse sind vom Revisionsgericht
  199. grundsätzlich nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, d.h. die Einhaltung der Grenzen des § 319 ZPO, zu überprüfen. Sie können nur dann unbeachtet bleiben,
  200. wenn wegen offenkundiger schwerer Mängel Unwirksamkeit anzunehmen ist
  201. (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1994 - IX ZR 193/93, BGHZ 127, 74, 76; Urteil
  202. vom 9. November 1994 - XII ZR 184/93, NJW 1995, 1033 mwN). Dies ist etwa
  203. der Fall, wenn ohne die Voraussetzungen des § 319 ZPO nachträglich erstmals
  204. -9-
  205. die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels herbeigeführt wird (vgl. BGH, Urteil vom
  206. 8. März 1956 - III ZR 265/54, BGHZ 20, 188, 191 ff.; Urteil vom 8. Juli 1980
  207. - VI ZR 176/78, BGHZ 78, 22, 23; Urteil vom 14. Juli 1994 - IX ZR 193/93,
  208. BGHZ 127, 74, 76 f.; Beschluss vom 11. Mai 2004 - VI ZB 19/04, NJW 2004,
  209. 2389) oder wenn der Beschluss tatsächlich keine Berichtigung nach § 319 ZPO
  210. zum Gegenstand hat, also ohne gesetzliche Grundlage ergangen ist (vgl. BGH,
  211. Urteil vom 12. Januar 1984 - III ZR 95/82, NJW 1985, 742).
  212. 17
  213. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Das Berufungsgericht hat in seinem
  214. Berichtigungsbeschluss angenommen, dass die Abweichung der verkündeten
  215. von der nach der Senatsberatung gewollten Urteilsfassung vor dem Hintergrund
  216. der nach dem Sitzungsprotokoll aufgenommenen Feststellungsanträge offensichtlich sei. Das ist im Hinblick darauf, dass das verkündete Urteil (unter II.
  217. Nr. 1 a der Entscheidungsgründe) auch Ausführungen des Berufungsgerichts
  218. zur wirksamen Einziehung des Geschäftsanteils Nr. 1 und damit zum Gegenstand der Feststellungsanträge des Klägers enthielt, vertretbar. Jedenfalls entbehrt der Berichtigungsbeschluss damit nicht einer gesetzlichen Grundlage.
  219. 18
  220. B. In der Sache hat die Revision des Klägers keinen Erfolg. Die Revision
  221. der Beklagten ist teilweise begründet.
  222. 19
  223. I. Der Kläger wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht seinem Antrag, die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 8 und 9 für
  224. nichtig zu erklären, nicht entsprochen hat. Die Revision der Beklagten ist insoweit begründet, als sie sich gegen die Nichtigerklärung der Beschlüsse zu den
  225. Tagesordnungspunkten 3, 6.1 und 6.3 wendet, hinsichtlich der übrigen für nichtig erklärten Beschlüsse aber unbegründet.
  226. 20
  227. 1. Der Kläger ist als Gesellschafter der Beklagten anfechtungsbefugt, da
  228. er jedenfalls Inhaber des Geschäftsanteils Nr. 3 über 62.000 €, dessen Einzie-
  229. - 10 -
  230. hung rechtskräftig für nichtig erklärt wurde, und als solcher auch in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist.
  231. 21
  232. Über diese Anfechtungsbefugnis hinaus ist kein besonderes Rechtsschutzinteresse des Klägers in Bezug auf die beanstandeten Beschlüsse erforderlich. Jeder Gesellschafter hat ein Recht darauf, dass die Gesellschafterversammlung nur solche Beschlüsse fasst, die mit Gesetz und der Satzung bzw.
  233. dem Gesellschaftsvertrag im Einklang stehen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar
  234. 1965 - II ZR 287/63, BGHZ 43, 261, 265 f.; MünchKommGmbHG/Wertenbruch,
  235. Anh. § 47 Rn. 189; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., Anh. zu § 47
  236. Rn. 71; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., Anh. § 47
  237. Rn. 160).
  238. 22
  239. 2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der
  240. Kläger bei der Beschlussfassung am 28. Juli 2015 jedenfalls formell gemäß
  241. § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG auch hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 im
  242. Nennbetrag von 40.000 € legitimiert war und seine Stimme daher auch diesbezüglich hätte gewertet werden müssen.
  243. 23
  244. a) Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft im
  245. Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs
  246. ihrer Beteiligungen als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in
  247. der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist.
  248. Greift die Vermutung des § 16 Abs. 1 GmbHG, stehen dem betreffenden Gesellschafter sämtliche Mitgliedschaftsrechte, d.h. auch das Stimmrecht, gegenüber der Gesellschaft zu, ohne dass es auf seine wahre Berechtigung ankommt
  249. (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2015 - KZR 90/13, ZIP 2015, 678 Rn. 29
  250. - Dentalartikel zu § 16 Abs. 1 GmbHG aF; Verse in Henssler/Strohn, GesR,
  251. - 11 -
  252. 3. Aufl., § 16 GmbHG Rn. 13 f.; Winter in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG,
  253. 3. Aufl., § 16 Rn. 15 mwN).
  254. 24
  255. b) Der Kläger war im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 28. Juli 2015
  256. als Inhaber des Geschäftsanteils Nr. 1 in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste ausgewiesen, da er seit dem 13. März 2014 als dessen
  257. Inhaber dort eingetragen war und eine Gesellschafterliste, in der die Einziehung
  258. des Geschäftsanteils enthalten ist, erst am 15. August 2016 aufgenommen
  259. wurde.
  260. 25
  261. c) Die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG greift entgegen der Ansicht der Beklagten auch bei eingezogenen Geschäftsanteilen. Dass
  262. die Einziehung den Untergang bzw. die Vernichtung des betroffenen Geschäftsanteils zur Folge hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. September 1998
  263. - II ZR 172/97, BGHZ 139, 299, 302) und bereits mit der Mitteilung des Beschlusses an den Gesellschafter wirksam wird, wenn er weder nichtig ist noch
  264. für nichtig erklärt wird (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2012 - II ZR 109/11,
  265. BGHZ 192, 236 Rn. 8), steht dem nicht entgegen.
  266. 26
  267. aa) § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt seinem Wortlaut nach bei jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung, ohne danach zu unterscheiden, worauf diese Veränderung beruht.
  268. 27
  269. Die Einziehung eines Geschäftsanteils hat eine solche personelle Änderung zur Folge, wenn der davon betroffene Gesellschafter keinen anderen Geschäftsanteil mehr besitzt und damit seine Gesellschafterstellung insgesamt
  270. verliert. Besitzt er noch andere Geschäftsanteile, tritt jedenfalls eine Änderung
  271. im Umfang seiner Beteiligung ein. Gleiches gilt für die Beteiligung der übrigen
  272. Gesellschafter, wenn mit der Einziehung eine Kapitalerhöhung verbunden wird.
  273. Dementsprechend wird die Anteilseinziehung auch in der Literatur überwiegend
  274. - 12 -
  275. als von der Vorschrift erfasst angesehen, sei es als Veränderung in der Person
  276. eines Gesellschafters und/oder - bei Kapitalveränderungen durch die Einziehung - als Veränderung im Umfang ihrer Beteiligung (vgl. Fastrich in
  277. Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 16 Rn. 9; Noack in Baumbach/Hueck,
  278. GmbHG, 21. Aufl., § 40 Rn. 6; BeckOK GmbHG/Wilhelmi [Stand: 01.11.2017],
  279. § 16 Rn. 8; Sosnitza in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl.,
  280. § 34 Rn. 132; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 40 Rn. 14; ders.
  281. in Festschrift Marsch-Barner, 2018, S. 35, 38; MünchKommGmbHG/Heidinger,
  282. 3. Aufl., § 16 Rn. 20; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 16
  283. Rn. 26, § 34 Rn. 74; Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl.,
  284. § 16 Rn. 13, 20; Scholz/Seibt, GmbHG, 12. Aufl., § 16 Rn. 19; Ulmer/Löbbe,
  285. GmbHG, 2. Aufl., § 16 Rn. 26 und 33; Hasselmann, NZG 2009, 409, 410;
  286. Kleindiek, GmbHR 2017, 815, 816; Wolff, BB 2010, 454, 455, 456; Wagner,
  287. GmbHR 2016, 463, 464; Wachter, GmbHG 2018, 1129, 1138; Mayer,
  288. DNotZ 2008, 403, 407; Vossius, DB 2007, 2299; aA Menkel, NZG 2018, 891,
  289. 893; Pentz, Festschrift Marsch-Barner, 2018, S. 431, 444 ff.).
  290. 28
  291. bb) Aus der Begründung des Regierungsentwurfs zur Neufassung des
  292. § 16 Abs. 1 GmbHG (BT-Drucks. 16/6140, S. 37 f.) ergibt sich nicht, dass eingezogene Anteile von dieser Legitimationswirkung nicht erfasst sein sollten.
  293. 29
  294. Nach der Gesetzesbegründung soll die Neufassung der Vorschrift
  295. - anders als die bis zum 31. Oktober 2008 geltende Regelung in § 16 Abs. 1
  296. GmbHG aF - nicht nur bei einer "Veräußerung" des Geschäftsanteils, d.h. bei
  297. rechtsgeschäftlicher Übertragung durch Abtretung gelten, sondern bei allen
  298. Formen des Anteilsübergangs, insbesondere der Gesamtrechtsnachfolge. Die
  299. Verkehrsfähigkeit von GmbH-Anteilen - so die Gesetzesbegründung weiter werde dadurch nicht eingeschränkt, da die Eintragung in die Gesellschafterliste
  300. zeitnah erfolgen könne.
  301. - 13 -
  302. 30
  303. Daraus ergibt sich nicht, dass eingezogene Geschäftsanteile von der
  304. Neuregelung nicht erfasst sein sollten. Bei der Einziehung eines Geschäftsanteils gibt es zwar keinen "Anteilsübergang" im eigentlichen Sinne und keine zu
  305. schützende "Verkehrsfähigkeit", weil der Geschäftsanteil - anders als bei anderen Fällen eines rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Anteilsübergangs, wie
  306. etwa bei Erbfällen oder Umwandlungen - mit der Einziehung untergeht (so
  307. Menkel, NZG 2018, 891, 893). Daraus folgt aber nicht zwingend, dass die Einziehung von der Neuregelung ausgenommen sein sollte. Für ihre Einbeziehung
  308. spricht vielmehr, dass die Situation bei einer Einziehung der einer Anteilsübertragung jedenfalls wirtschaftlich insoweit vergleichbar ist, als im Fall der Einziehung ein zuvor existenter Anteil nunmehr nicht mehr dem bisher Berechtigten
  309. zusteht, sondern eine anteilige Veränderung der Beteiligungsquoten der übrigen Gesellschafter bewirkt wird, die zwar nicht rechtlich, wohl aber im Ergebnis
  310. der "Anwachsung" des Anteils des aus einer Personengesellschaft entspricht
  311. (vgl. MünchKommGmbHG/Strohn, 3. Aufl., § 34 Rn. 64 mwN; Ulmer/Habersack
  312. in Ulmer, GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rn. 66 mwN).
  313. 31
  314. cc) Auch den übrigen Regelungen des § 16 GmbHG ist kein Ausschluss
  315. der Legitimationswirkung bei eingezogenen Geschäftsanteilen zu entnehmen.
  316. 32
  317. Die besondere Regelung in § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG für Handlungen
  318. eines Erwerbers eines Geschäftsanteils lässt nicht den Rückschluss zu, dass
  319. deswegen auch die allgemeine Regelung in Satz 1 der Vorschrift nur für Fälle
  320. gilt bzw. gelten soll, in denen es einen Erwerber des Geschäftsanteils gibt (aA
  321. Menkel, NZG 2018, 891, 893). Das Gleiche gilt für die Regelung in § 16 Abs. 3
  322. GmbHG betreffend den gutgläubigen Erwerb, die nach der Regierungsbegründung
  323. ausdrücklich
  324. nur
  325. für
  326. existente
  327. Geschäftsanteile
  328. gelten
  329. soll
  330. (BT-Drucks. 16/6140, S. 39). Beide Regelungen sprechen eher für eine Erstreckung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG auf eingezogene Anteile, da die Legiti-
  331. - 14 -
  332. mationswirkung des Absatzes 1 bereits an jede "Veränderung" in den Personen
  333. der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung anknüpft, wohingegen
  334. Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3 der Vorschrift enger gefasst sind und ausdrücklich einen Erwerb bzw. einen Erwerber des Anteils voraussetzen.
  335. 33
  336. Damit trifft auch der Einwand nicht zu, die Aufnahme der Einziehung in
  337. den Anwendungsbereich von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG würde dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers widersprechen, der die Legitimationswirkung
  338. nur für existente Geschäftsanteile vorgesehen habe (so Menkel, NZG 2018,
  339. 891, 893). Aus der Geltung von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG für eingezogene
  340. Geschäftsanteile folgt nicht zwingend, dass auch § 16 Abs. 3 GmbHG im Fall
  341. der Einziehung anwendbar wäre, weil § 16 Abs. 3 GmbHG nicht nur eine "Veränderung" sondern einen "Erwerb" voraussetzt.
  342. 34
  343. dd) Sinn und Zweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG sprechen zudem für
  344. eine Erstreckung auf eingezogene Geschäftsanteile.
  345. 35
  346. Die Regelung soll zum einen zur Missbrauchs- und Geldwäschebekämpfung Transparenz über die Anteilseignerstrukturen bewirken (Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140 S. 37). Zum anderen dient sie der Rechtssicherheit, indem innerhalb der Gesellschaft klare Verhältnisse geschaffen werden,
  347. wer im Verhältnis zur Gesellschaft berechtigt und verpflichtet ist (vgl. Verse in
  348. Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 16 GmbHG Rn. 1; Scholz/Seibt,
  349. GmbHG, 12. Aufl., § 16 Rn. 4; MünchKommGmbHG/Heidinger, 3. Aufl., § 16
  350. Rn. 13). Ob das Anliegen der Transparenzgewinnung bei der Einziehung eines
  351. Geschäftsanteils nicht mehr greift, weil der Anteilseigner mit der Einziehung
  352. seine Gesellschafterstellung verliert und damit Vermögensverschiebungen mit
  353. kriminellem Hintergrund auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage nicht mehr möglich seien (so Menkel, NZG 2018, 891, 893; Pentz, Festschrift Marsch-Barner,
  354. - 15 -
  355. 2018, S. 431, 445 f.), mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls widerspräche es
  356. dem Ziel der Schaffung von Rechtssicherheit und -klarheit, würde man eingezogene Anteile von der formellen Legitimationswirkung der Vorschrift ausnehmen und stattdessen auf die materielle Rechtslage abstellen, da die Berechtigung bzw. Verpflichtung eines Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft im
  357. Fall der Einziehung dann wieder eine u.U. schwierige und aufwendige materiellrechtliche Prüfung erfordern würde.
  358. 36
  359. Dass die formelle Legitimation damit dazu führen kann, dass ein "Wettlauf" zwischen Gesellschaft und Gesellschafter stattfindet, weil die Gesellschaft
  360. möglichst rasch eine Änderung der Gesellschafterliste herbeizuführen und der
  361. betroffene Gesellschafter dies zu verhindern sucht, ist mit der vom Gesetzgeber
  362. mit der Neuregelung des § 16 Abs. 1 GmbHG bewirkten erheblichen Aufwertung der Gesellschafterliste verbunden. Ob und in welcher Weise in dieser
  363. Situation dem Schutzbedürfnis der beiderseits Beteiligten ggf. neben der Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes Rechnung zu tragen ist, bedarf hier
  364. keiner Entscheidung.
  365. 37
  366. ee) Dagegen macht die Beklagte ohne Erfolg geltend, dass § 16 Abs. 1
  367. GmbHG nach der Literatur einen existenten, aber nicht richtig aufgenommenen
  368. Geschäftsanteil
  369. J. Schmidt,
  370. voraussetze
  371. GmbHG,
  372. 3. Aufl.,
  373. (so
  374. Ebbing
  375. § 16
  376. in
  377. Rn. 68;
  378. Michalski/Heidinger/Leible/
  379. BeckOK
  380. GmbHG/Wilhelmi
  381. [Stand: 01.11.2017], § 16 Rn. 36; Pfisterer in Saenger/Inhester, GmbHG,
  382. 3. Aufl., § 16 Rn. 9; Pentz, Festschrift Marsch-Barner, 2018, S. 431, 446).
  383. 38
  384. Begründet wird diese Auffassung in der Literatur damit, dass die Gesellschafterliste nur die Berechtigung einer Person an einem bestehenden Geschäftsanteil mit unwiderleglicher Vermutungswirkung ausweisen, nicht jedoch
  385. einen nicht existierenden Anteil fiktiv zur Entstehung bringen könne. Dies mag
  386. - 16 -
  387. für Fälle gelten, in denen in der Gesellschafterliste ein Geschäftsanteil ausgewiesen ist, der zu keinem Zeitpunkt existiert hat. Im Fall der Einziehung ist aber
  388. ein früher existierender Anteil fälschlich weiterhin in der Liste eingetragen. Die
  389. Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG führt damit nicht zur
  390. scheinbaren Entstehung eines noch nie existierenden, sondern nur zum
  391. scheinbaren Fortbestand eines früher vorhandenen Geschäftsanteils.
  392. 39
  393. ff) Anders als die Beklagte meint, stehen auch Sinn und Zweck des § 34
  394. GmbHG einer Einbeziehung eingezogener Geschäftsanteile in den Anwendungsbereich von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nicht entgegen. Anderes ergibt
  395. sich insbesondere nicht aus der von der Beklagten angeführten Rechtsprechung des Senats zur Wirksamkeit der Einziehung bereits mit der Mitteilung des
  396. Einziehungsbeschlusses an den betroffenen Gesellschafter, wenn der Einziehungsbeschluss weder nichtig ist noch für nichtig erklärt wird (BGH, Urteil vom
  397. 24. Januar 2012 - II ZR 109/11, BGHZ 192, 236 Rn. 8). Zwar hat der Senat diese Entscheidung u.a. damit begründet, dass eine andernfalls entstehende
  398. Schwebelage bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des
  399. Einziehungsbeschlusses erhebliche Nachteile für die Gesellschaft habe, weil
  400. dem ausgeschiedenen Gesellschafter in diesem Fall seine mitgliedschaftlichen
  401. Rechte jedenfalls grundsätzlich zunächst erhalten blieben, obwohl dies zumindest dann, wenn ein wichtiger Grund in seiner Person zur Einziehung geführt
  402. habe, der Gesellschaft und den verbleibenden Gesellschaftern gerade unzumutbar sei, und es gelte, die Nachteile der weiteren Mitgliedschaft eines solchen "Störenfrieds" weitgehend zu vermeiden. Diese Ausführungen betreffen
  403. jedoch nur die materiell-rechtliche Legitimation des betroffenen Gesellschafters.
  404. Sie verhalten sich nicht zu der hier zu entscheidenden Frage, ob der materiellrechtlichen Legitimation auch dann der Vorrang zu gewähren ist, wenn der Betroffene zwar nicht mehr materiell, aber immer noch formell nach § 16 Abs. 1
  405. Satz 1 GmbHG legitimiert ist. Dass die damit fortbestehende Schwebelage
  406. - 17 -
  407. ebenfalls zu einer nachteiligen Situation für die Gesellschaft führen kann, reicht
  408. allein nicht aus, um deswegen von der Anwendung der gesetzlich angeordneten Legitimation abzusehen. Zudem wird diese Schwebelage, d.h. die Unsicherheit über die Gesellschafterstellung des Betroffenen, im Fall der Anfechtung des Einziehungsbeschlusses nicht durch die Legitimationswirkung der Liste begründet, sondern durch die Unsicherheit über das Vorliegen der materiellrechtlichen Einziehungsvoraussetzungen.
  409. 40
  410. gg) Nicht zu folgen ist der Beklagten schließlich auch darin, dass der
  411. Kläger nach § 16 Abs. 1 GmbHG aufgrund des eingezogenen Geschäftsanteils
  412. allenfalls noch anfechtungsbefugt sei, wohingegen die von ihm in Bezug auf
  413. diesen Anteil abgegebenen Stimmen bei der Überprüfung der Wirksamkeit der
  414. Beschlüsse vom 28. Juli 2015 nicht berücksichtigt werden dürften.
  415. 41
  416. Eine solche Beschränkung der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1
  417. GmbHG auf den Fortbestand allein der Anfechtungsbefugnis ist mit dem Zweck
  418. der Regelung, Rechtssicherheit im Verhältnis zwischen den Gesellschaftern
  419. und der Gesellschaft zu schaffen, nicht zu vereinbaren, weil damit die Wirksamkeit der Stimmrechtsausübung letztlich doch wieder von einer u.U. komplexen
  420. rechtlichen Prüfung abhängig gemacht würde. Zudem widerspräche dies dem
  421. bereits oben genannten Grundsatz, dass dem Eingetragenen aufgrund von § 16
  422. Abs. 1 GmbHG sämtliche Mitgliedschaftsrechte, insbesondere auch das Stimmrecht als Gesellschafter, weiterhin zustehen (vgl. Verse in Henssler/Strohn,
  423. GesR, 3. Aufl., § 16 GmbHG Rn. 13 f. mwN; Winter in Gehrlein/Born/Simon,
  424. GmbHG, 3. Aufl., § 16 Rn. 15 mwN).
  425. 42
  426. d) Die Berufung des Klägers auf § 16 Abs. 1 GmbHG verstößt nicht
  427. gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).
  428. - 18 -
  429. 43
  430. Die Beklagte macht ohne Erfolg geltend, dass ein Gesellschafter, der
  431. wisse, dass sein Anteil eingezogen wurde, und die beantragte Korrektur der
  432. eingereichten Gesellschafterliste aktiv verhindert habe, sich jedenfalls dann,
  433. wenn die Wirksamkeit der Einziehung später gerichtlich bestätigt werde, nach
  434. Treu und Glauben nicht mehr darauf berufen könne, seine bis dahin ausgeübten Gesellschafterrechte seien wirksam gewesen.
  435. 44
  436. aa) Dass der Kläger die Änderung der Gesellschafterliste zu verhindern
  437. versucht hat, ist ihm bereits deshalb nicht vorzuwerfen, weil die Wirksamkeit der
  438. Einziehung nicht evident war und ihm damit auch bewusst sein musste. Das gilt
  439. nicht nur, weil zwischen den Parteien streitig und ungeklärt war, ob ein wichtiger
  440. Grund für die Einziehung des Geschäftsanteils in der Person seines Vaters vorlag, sondern auch, weil der Geschäftsanteil im Zeitpunkt der Einziehung zwar
  441. übertragen, die Übertragung aber noch nicht in die Gesellschafterliste eingetragen war.
  442. 45
  443. bb) Zudem würde die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1
  444. GmbHG unterlaufen, würde man ihre Geltendmachung bei nachträglich festgestellter Wirksamkeit der Einziehung und damit der Unrichtigkeit der fortbestehenden Eintragung generell als treuwidrig ansehen. Damit wären die in der Zeit
  445. bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der Einziehung unter
  446. Beteiligung des noch eingetragenen Gesellschafters gefassten Beschlüsse
  447. wiederum der Unsicherheit ausgesetzt, dass sie sich im Nachhinein doch als
  448. nicht wirksam gefasst bzw. anfechtbar erweisen könnten. Eine solche Unsicherheit sollte mit der Regelung des § 16 Abs. 1 GmbHG gerade vermieden
  449. werden. § 16 Abs. 2 GmbHG aF regelte deswegen ausdrücklich, dass der Erwerber auch von dem Veräußerer gegenüber der Gesellschaft in Bezug auf das
  450. Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlungen gegen sich gelten
  451. lassen muss. Diese Regelung ist zwar mit der Neufassung des § 16 GmbHG
  452. - 19 -
  453. gestrichen worden. Nach der Regierungsbegründung des Gesetzentwurfs geschah dies aber allein deshalb, weil man kein Regelungsbedürfnis mehr sah, da
  454. sich die dort geregelten Rechtsfolgen bereits aus § 16 Abs. 1 GmbHG ableiten
  455. ließen (BT-Drucks. 16/6140, S. 38). Eine Rückwirkung der Listenänderung ist
  456. dagegen nur in § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG für Handlungen des Erwerbers bei
  457. - hier nicht erfolgter - unverzüglicher Aufnahme der neuen Liste in das Register
  458. vorgesehen. Daher sind Gesellschafterbeschlüsse, die unter Mitwirkung des
  459. unrichtig noch eingetragenen Gesellschafters gefasst wurden, auch nach der
  460. Änderung/Korrektur der Gesellschafterliste nicht wegen dessen Mitwirkung anfechtbar bzw. bleiben wirksam (vgl. Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 16 GmbHG Rn. 14, 18; MünchKommGmbHG/Heidinger,
  461. 3. Aufl., § 16 Rn. 142, 218 mwN).
  462. 46
  463. e) Aus den gleichen Gründen kann auch die Ausübung der Stimmrechte
  464. durch den Kläger nicht als Verstoß gegen die gesellschafterliche Treuepflicht
  465. gewertet werden. Entgegen der Ansicht der Beklagten war der Kläger nicht gehalten, jedenfalls sein Stimmrecht in Bezug auf den eingezogenen Anteil bis zur
  466. gerichtlichen Entscheidung über die Wirksamkeit der Einziehung ruhen zu lassen. Die Berufung auf § 16 Abs. 1 GmbHG und die darauf gestützte Ausübung
  467. der Stimmrechte könnte - wenn überhaupt - nur dann als Treuepflichtverletzung
  468. gewertet werden, wenn der betroffene Gesellschafter positiv um die Wirksamkeit der Einziehung weiß oder sie sich ihm aufdrängen muss. Das ist hier nicht
  469. der Fall.
  470. 47
  471. 3. Die danach fehlerhafte Nichtberücksichtigung der Stimmen des Klägers in Bezug auf den Geschäftsanteil Nr. 1 hat indes nur bei einem Teil der
  472. angefochtenen Beschlüsse zu einer unrichtigen Beschlussfeststellung geführt.
  473. - 20 -
  474. 48
  475. a) Eine unrichtige Beschlussfeststellung aufgrund unrichtiger Stimmzählung liegt nur dann vor, wenn der Fehler für das festgestellte Beschlussergebnis
  476. ursächlich ist (vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 11. Aufl., § 45 Rn. 101; Zöllner/
  477. Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., Anh. § 47 Rn. 117).
  478. 49
  479. b) Nach § 9 Nr. 4 Satz 4 der Satzung der Beklagten werden Beschlüsse
  480. der Gesellschafter mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst, soweit nicht das
  481. Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag eine andere Mehrheit vorschreiben. Nach
  482. Satz 5 und 6 gewähren je 100 € eines Geschäftsanteils eine Stimme und gilt ein
  483. Antrag im Fall der Stimmengleichheit als abgelehnt.
  484. 50
  485. c) Danach sind hier die Beschlussfeststellungen zu den Tagesordnungspunkten 1, 2, 4, 5, 6.2 und 7 wegen unrichtiger Stimmzählung unrichtig.
  486. 51
  487. Da der Kläger nicht nur hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 3 (Nennbetrag 62.000 €) sondern auch hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 (Nennbetrag 40.000 €) stimmberechtigt war und bezüglich dieser Beschlüsse keinem
  488. Stimmrechtsverbot analog § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG unterlag, konnte die
  489. Stimme W.
  490. mit dessen Geschäftsanteil Nr. 2 (Nennbetrag von 98.000 €)
  491. nicht jeweils den Ausschlag für die Mehrheit gemäß § 9 Abs. 4 Satz 4 der Satzung geben. Vielmehr hätte aufgrund der Neinstimmen des Klägers eine Ablehnung der Beschlüsse festgestellt werden müssen.
  492. 52
  493. d) Anderes gilt für die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 3, 6.1,
  494. 6.3, 8 und 9.
  495. 53
  496. aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterlag der Kläger
  497. auch bei den Beschlüssen zu den Tagesordnungspunkten 3 und 6.1 betreffend
  498. seine Nichtentlastung als Geschäftsführer für die Jahre 2013 und 2014 einem
  499. Stimmrechtsverbot analog § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG.
  500. - 21 -
  501. 54
  502. Das Berufungsgericht hat den Anwendungsbereich von § 47 Abs. 4
  503. Satz 1 GmbHG rechtsfehlerhaft zu eng gefasst, indem es angenommen hat, die
  504. Vorschrift greife ihrem Wortlaut nach nur ein, wenn ein Gesellschafter durch die
  505. Beschlussfassung positiv entlastet werden solle, was bei der hiesigen negativen
  506. Fassung der Beschlussanträge nicht der Fall sei. Unter Entlastung im Sinne von
  507. § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG ist nicht nur die Billigung der Geschäftsführung eines Gesellschafters im positiven Sinne zu verstehen, sondern auch ihre Missbilligung. Das an den in § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG genannten Fall der Interessenkollision geknüpfte Stimmverbot ist über den Gesetzeswortlaut hinaus für
  508. alle Gesellschafterbeschlüsse verallgemeinerungsfähig, die darauf abzielen,
  509. das Verhalten eines Gesellschafters zu billigen oder zu missbilligen (vgl. BGH,
  510. Urteil vom 20. Januar 1986 - II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 33; Urteil vom 4. April
  511. 2017 - II ZR 77/16, ZIP 2017, 1065 Rn. 10).
  512. 55
  513. Eine solche Missbilligung der Geschäftsführung des Klägers war hier mit
  514. der vorgeschlagenen Beschlussfassung verbunden, da seine Entlastung nach
  515. der Begründung des Beschlussantrags wegen ihm vorgeworfener unberechtigter Zahlungen, deren Ausmaß derzeit noch nicht feststehe, nicht erteilt werden
  516. sollte. Mit Blick darauf sowie auf den in diesem Stimmverbot zum Ausdruck
  517. kommenden Grundgedanken, dass ein Gesellschafter nicht Richter in eigener
  518. Sache sein soll (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 - II ZR 73/85, BGHZ 97,
  519. 28, 33), unterlag der Kläger daher auch bei diesen Beschlüssen einem Stimmrechtsverbot, die demnach mit den Stimmen W.
  520. 56
  521. wirksam gefasst wurden.
  522. bb) Bezüglich des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 6.3 (Entlastung
  523. W.
  524. für das Jahr 2014) ist die Revision der Beklagten bereits deshalb be-
  525. gründet, weil der vom Kläger laut Antrag angegriffene Beschluss nicht gefasst
  526. und von W.
  527. auch nicht als Beschlussergebnis festgestellt wurde. Vielmehr
  528. - 22 -
  529. ist W.
  530. nach der aus dem Protokoll ersichtlichen Feststellung für das Ge-
  531. schäftsjahr 2014 keine Entlastung erteilt worden.
  532. 57
  533. cc) Für die Beschlussfassung zu den Tagesordnungspunkten 8 und 9 ist
  534. die Nichtberücksichtigung der in Bezug auf den eingezogenen Geschäftsanteil
  535. abgegebenen Stimmen des Klägers ebenfalls nicht ursächlich geworden. Die
  536. Feststellung des Berufungsgerichts, dass der Kläger einem Stimmrechtsverbot
  537. analog § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG unterlag, soweit mit dem Beschluss zu
  538. Punkt 8 der Abschluss von Beraterverträgen mit ihm selbst abgelehnt wurde,
  539. und seine gesellschafterliche Treuepflicht einer Ablehnung der Beschlüsse betreffend den Nichtabschluss von Beraterverträgen mit seinem Vater und die
  540. Aufrechterhaltung des Hausverbots für seinen Vater entgegenstand, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.
  541. 58
  542. 4. Schließlich sind die am 28. Juli 2016 gefassten Beschlüsse entgegen
  543. der Ansicht des Klägers auch nicht bereits deswegen sämtlich für nichtig zu
  544. erklären, weil W.
  545. 59
  546. unberechtigt die Versammlungsleitung übernommen hat.
  547. a) Allerdings war W.
  548. nicht zur Leitung der Versammlung befugt.
  549. Nach § 9 Nr. 2 Satz 4 der Satzung führt den Vorsitz in der Versammlung der
  550. anwesende Gesellschafter, der die größte Beteiligung hält, hilfsweise derjenige,
  551. der im Einvernehmen aller Anwesenden zum Vorsitzenden bestimmt wird. Da
  552. der Kläger hinsichtlich der Geschäftsanteile Nr. 1 und Nr. 3 und damit hinsichtlich einer Beteiligung von insgesamt 102.000 € legitimiert war, kam ihm und
  553. nicht W.
  554. 60
  555. die Stellung des Versammlungsleiters zu.
  556. b) Der darin liegende Verfahrensmangel führt jedoch nur dann zur Anfechtbarkeit des Beschlusses gemäß bzw. analog § 243 Abs. 1 AktG, wenn er
  557. relevant war bzw. ist. Dies hat das Berufungsgericht rechtfehlerfrei verneint.
  558. - 23 -
  559. 61
  560. aa) Abzustellen ist dabei auf die Relevanz für das Mitgliedschafts- bzw.
  561. Mitwirkungsrecht des Gesellschafters im Sinne eines dem Beschluss anhaftenden Legitimationsdefizits, das bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit gemäß § 243 Abs. 1 AktG rechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004
  562. - II ZR 250/02,
  563. BGHZ 160,
  564. 385,
  565. 391 f.;
  566. Urteil
  567. vom
  568. 10. Oktober
  569. 2017
  570. - II ZR 375/15, ZIP 2017, 2245 Rn. 74). Anfechtbarkeit ist danach ausgeschlossen, wenn dem Verfahrensverstoß die für eine sachgerechte Meinungsbildung
  571. eines objektiv urteilenden Gesellschafters erforderliche Relevanz fehlt (vgl.
  572. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 - II ZR 375/15, ZIP 2017, 2245 Rn. 74).
  573. 62
  574. bb) Eine solche Relevanz hat das Berufungsgericht hier rechtsfehlerfrei
  575. mit der Begründung verneint, dass letztlich nicht die Versammlungsleitung
  576. W.
  577. sondern die Stimmrechtsausübung der beiden Gesellschafter für die
  578. Beschlüsse maßgebend gewesen sei. Diese Feststellung fehlender Relevanz
  579. der unberechtigten Übernahme der Versammlungsleitung für eine sachgerechte
  580. Meinungsbildung und -ausübung der Gesellschafter ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass es Aufgabe des
  581. Versammlungsleiters ist, für eine ordnungsgemäße, neutrale, sachgerechte und
  582. effiziente Erledigung der Versammlungsgegenstände zu sorgen (vgl. Bayer in
  583. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 48 Rn. 16; Römermann in Michalski/
  584. Heidinger/Leibl/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 48 Rn. 106 ff.; Scholz/Seibt,
  585. GmbHG, 12. Aufl., § 48 Rn. 35 f.) und er nicht kraft seiner Funktion Einfluss auf
  586. den Inhalt der Entscheidungen nehmen darf (vgl. MünchKommGmbHG/
  587. Liebscher, 2. Aufl., § 48 Rn. 111). Daraus folgt aber nicht, dass bereits die unberechtigte Übernahme der Versammlungsleitung als solche einen relevanten
  588. Verfahrensmangel sämtlicher unter dieser Leitung gefassten Beschlüsse darstellt. Vielmehr bedarf es auch dann eines für die Beschlussfassung ursächlichen oder relevanten Fehlers des Versammlungsleiters bei Durchführung der
  589. - 24 -
  590. Versammlung. Dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwischen
  591. W.
  592. einerseits und dem Kläger und dessen Vater andererseits ein erhebli-
  593. ches Zerwürfnis bestand, reicht danach für die Annahme eines relevanten Verfahrensmangels nicht aus.
  594. 63
  595. II. Soweit der Kläger mit der Revision die Feststellung begehrt, dass der
  596. Geschäftsanteil Nr. 1 nicht eingezogen wurde und er Mehrheitsgesellschafter
  597. der Beklagten ist, hat sein Rechtsmittel ebenfalls keinen Erfolg.
  598. 64
  599. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass nach der
  600. rechtskräftigen Abweisung der Klagen des Klägers und seines Vaters gegen die
  601. Einziehung des Geschäftsanteils Nr. 1 über 40.000 € am 7. März 2014 ein bestandskräftiger und wirksamer Einziehungsbeschluss vorliegt und der Kläger
  602. daher auch nicht Mehrheitsgesellschafter der Beklagten ist.
  603. 65
  604. 1. Entgegen der Ansicht des Klägers steht mit der Rechtskraft der Klageabweisungen in den Vorprozessen rechtskräftig fest, dass der Einziehungsbeschluss vom 7. März 2014 wirksam ist.
  605. 66
  606. Der Kläger macht ohne Erfolg geltend, die Rechtskraft der Abweisung
  607. seiner Klage gegen den Einziehungsbeschluss erstrecke sich nur auf das Fehlen von Anfechtungsgründen, nicht aber von Nichtigkeitsgründen, weil er im
  608. dortigen Verfahren nur beantragt habe, den Beschluss für nichtig zu erklären
  609. und nicht, hilfsweise seine Nichtigkeit festzustellen.
  610. 67
  611. a) Die Rechtskraft der Entscheidungen in den Vorprozessen erstreckt
  612. sich unabhängig von der Formulierung des dortigen Klageantrags sowohl auf
  613. Anfechtungs- als auch auf Nichtigkeitsgründe aus dem dort vorgetragenen Lebenssachverhalt.
  614. - 25 -
  615. 68
  616. Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage verfolgen dasselbe materielle Ziel,
  617. nämlich die richterliche Klärung der Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses
  618. mit Wirkung für und gegen jedermann (Urteil vom 17. Februar 1997
  619. - II ZR 41/96, BGHZ 134, 364, 366 f.). Soweit diesen Klagen derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt, ist es eine vom Gericht durch Subsumtion zu beantwortende, revisible Rechtsfrage, ob § 248 AktG oder § 249 AktG (analog)
  620. Anwendung findet. Insoweit liegt derselbe Streitgegenstand vor. Dementsprechend erstreckt sich die Rechtskraft eines auf eine Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage hin ergehenden Urteils auch unabhängig von der Formulierung des
  621. Klageantrags sowohl auf die Beurteilung von Nichtigkeits- als auch von Anfechtungsgründen aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts. Wird eine dieser Klagen rechtskräftig abgewiesen, ist die Erhebung einer weiteren Klage mit identischem Streitgegenstand - gleichgültig in welcher Form - unzulässig. Wird einer
  622. solchen Klage stattgegeben, so ist die Erhebung einer erneuten derartigen Klage - auch bei Wechsel der Klageart - ebenfalls ausgeschlossen (vgl. BGH,
  623. Urteil vom 17. Februar 1997 - II ZR 41/96, BGHZ 134, 364, 366 f.; Dörr in
  624. Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 246 Rn. 47; Hüffer/Schäfer in MünchKommAktG,
  625. 4. Aufl., § 246 Rn. 22 f.). Das gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur in
  626. Fällen, in denen die Feststellung der Nichtigkeit beantragt wurde, weil der
  627. Nichtigkeitsantrag als weitergehender Antrag den Anfechtungsantrag einschließe. Vielmehr hat der Senat auch einen Antrag auf Nichtigerklärung in einen Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit umgedeutet (vgl. BGH,
  628. Urteil vom 20. September 1999 - II ZR 345/97, ZIP 1999, 1843, 1844).
  629. 69
  630. b) Es ist nicht ersichtlich und wird von der Revision auch nicht geltend
  631. gemacht, dass der Kläger sich zur Begründung seiner Klage auf Beschlussmängelgründe aufgrund eines anderen Lebenssachverhalts, der nicht bereits
  632. Gegenstand der Vorprozesse war, berufen hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom
  633. 8. Februar 2011 - II ZR 206/08, ZIP 2011, 637 Rn. 10 a.E.). Der vom Kläger mit
  634. - 26 -
  635. der Revision geltend gemachte Einwand, die von der Beklagten geltend gemachten Einziehungsgründe hätten tatsächlich nicht vorgelegen und der gegen
  636. seinen Vater gerichtete und auf angebliche Gründe in der Person seines Vaters
  637. gestützte Einziehungsbeschluss sei ohnehin aufgrund der erfolgten Anteilsabtretung ins Leere gegangen, war vielmehr bereits Gegenstand der Vorprozesse.
  638. Damit steht die Rechtskraft der dortigen Entscheidungen seiner erneuten Klage
  639. gegen den Einziehungsbeschluss entgegen.
  640. 70
  641. 2. Ohne Erfolg macht der Kläger weiter geltend, der Einziehungsbeschluss betreffend den Geschäftsanteil Nr. 1 sei ins Leere gegangen, weil er
  642. auf Gründe in der Person seines Vaters gestützt worden sei, obwohl er - der
  643. Kläger - im Zeitpunkt der Einziehung bereits materiell-rechtlich Inhaber des Geschäftsanteils gewesen sei.
  644. 71
  645. a) Zutreffend ist, dass die Gründe für die Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils in der Person des Gesellschafters vorliegen müssen. Da im Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses am 7. März 2014 aber noch der Vater des
  646. Klägers als Inhaber des betroffenen Geschäftsanteils in der im Handelsregister
  647. aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen war, konnte bzw. kann die Beklagte sich aber - trotz der Anteilsübertragung vom 5. März 2014 - auf § 16
  648. Abs. 1 Satz 1 GmbHG berufen, wonach der Vater des Klägers im Verhältnis zu
  649. ihr weiterhin als Anteilsinhaber galt. Damit war die Beklagte berechtigt, den Geschäftsanteil aus Gründen, die in der Person des Vaters des Klägers lagen,
  650. einzuziehen (vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 16 Rn. 14;
  651. Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 16 GmbHG Rn. 18;
  652. MünchKommGmbHG/Heidinger, 3. Aufl., § 16 Rn. 20, 143; Bayer in Lutter/
  653. Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 16 Rn. 40; Lutter/Kleindiek in Lutter/
  654. Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 34 Rn. 32; Scholz/Seibt, GmbHG, 12. Aufl.,
  655. § 16 Rn. 39). Ob die Beklagte stattdessen auch auf die Person des Klägers hät-
  656. - 27 -
  657. te abstellen können, weil § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG seinem Wortlaut nach nur
  658. das Verhältnis des Gesellschafters zur Gesellschaft (d.h. für die Geltendmachung von Mitgliedschaftsrechten) regeln und daher im Verhältnis der Gesellschaft zum Gesellschafter (d.h. bei Mitgliedschaftspflichten, Kaduzierung, Einziehung u.a.) nicht "nur" der in der im Handelsregister aufgenommenen Liste
  659. Eingetragene als Gesellschafter gelten und die Gesellschaft statt seiner auch
  660. den wahren Anteilsinhaber in Anspruch nehmen könnte, bedarf hier keiner Entscheidung, weil die Gesellschaft sich jedenfalls - wie hier - auf die Wirkung des
  661. § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG berufen kann.
  662. 72
  663. Dass die aktualisierte Gesellschafterliste bereits am 13. März 2014 im
  664. Handelsregister aufgenommen wurde, gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ist insoweit nicht anwendbar. Die Vorschrift bezieht sich bereits ihrem Wortlaut nach nur auf Rechtshandlungen, die
  665. der Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis bereits vorgenommen
  666. hat, und soll ihm die Ausübung von Mitwirkungsrechten bereits vor seiner Eintragung
  667. ermöglichen
  668. (Begründung
  669. des
  670. Regierungsentwurfs,
  671. BT-Drucks. 16/6140, S. 37 f.). Sie soll jedoch nicht dazu dienen, eine bereits
  672. erfolgte Einziehung eines Geschäftsanteils materiell-rechtlich wieder rückgängig
  673. zu machen.
  674. 73
  675. b) Die Berufung der Beklagten auf § 16 Abs. 1 GmbHG verstößt auch
  676. nicht gegen Treu und Glauben. Da die Beklagte bis auf die Mitteilung des Klägers von der Anteilsabtretung und die ihr zu Beginn der Gesellschafterversammlung vorgelegte aktualisierte Gesellschafterliste keine weiteren Erkenntnisse zu der Übertragung hatte und ihr ein berechtigtes Interesse an der Einziehung des Geschäftsanteils des Vaters des Klägers in Anbetracht des zerrüt-
  677. - 28 -
  678. teten Verhältnisses nicht abzusprechen ist, stellt sich ihre Berufung auf die formelle Legitimation des Vaters nicht als treuwidrig dar.
  679. Drescher
  680. Wöstmann
  681. Bernau
  682. Sunder
  683. B. Grüneberg
  684. Vorinstanzen:
  685. LG Köln, Entscheidung vom 17.03.2016 - 91 O 41/15 OLG Köln, Entscheidung vom 15.12.2016 - 18 U 58/16 -