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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. II ZR 192/02
  5. Verkündet am:
  6. 31. März 2003
  7. Vondrasek
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. ZPO §§ 129, 130
  18. Ein Rechtsanwalt, der einen bestimmenden Schriftsatz für einen anderen
  19. Rechtsanwalt mit dem Zusatz "für Rechtsanwalt XY" unterzeichnet, übernimmt
  20. mit seiner Unterschrift die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes.
  21. Das gilt auch dann, wenn der Zusatz lautet "für Rechtsanwalt XY, nach Diktat
  22. verreist".
  23. BGH, Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 192/02 - Kammergericht
  24. LG Berlin
  25. -2-
  26. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht
  27. und die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Graf
  28. für Recht erkannt:
  29. Die Revision gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 29. April 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
  30. Von Rechts wegen
  31. Tatbestand:
  32. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ausgleich von Sollsalden in Höhe
  33. von 371.118,69 DM aus der Geschäftsverbindung der Parteien - die Beklagte
  34. führte mit einem von der Klägerin gemieteten Binnenschiff Frachtaufträge aus in Anspruch.
  35. Das Landgericht hat der Klage durch Versäumnisurteil im schriftlichen
  36. Verfahren stattgegeben. Den rechtzeitigen Einspruch der Beklagten hat es
  37. durch Urteil als unzulässig verworfen mit der Begründung, die Beklagte habe
  38. trotz zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich erhobener
  39. Rüge eine Prozeßvollmacht nicht vorgelegt. Mit ihrer Berufung hat die Beklagte
  40. beanstandet, daß das Landgericht ihr nicht nach § 89 ZPO eine Frist zur Bei-
  41. -3-
  42. bringung der Vollmacht gesetzt hat. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Mit
  43. ihrer - zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag, die Berufung
  44. der Beklagten "zurückzuweisen", weiter. Die Klägerin hält die Berufung für unzulässig, weil die Berufungsbegründung nicht von dem Prozeßbevollmächtigten
  45. der
  46. Beklagten,
  47. Rechtsanwalt
  48. E.,
  49. unterzeichnet
  50. wurde,
  51. sondern
  52. von
  53. dem zwar inzwischen, seinerzeit aber noch nicht mit Rechtsanwalt E.
  54. in einer Sozietät verbundenen, ebenfalls am Kammergericht zugelassenen
  55. Rechtsanwalt H.-D. H., und zwar mit dem in Klammern gefaßten Zusatz "für
  56. Rechtsanwalt E., nach Diktat verreist".
  57. Entscheidungsgründe:
  58. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat
  59. die Berufung der Beklagten im Ergebnis mit Recht für zulässig erachtet.
  60. I. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Klammerzusatz für sich
  61. allein genommen die Annahme einer wirksamen Unterschrift nicht rechtfertige.
  62. Mit ihm würde zum Ausdruck gebracht, Rechtsanwalt E. habe den von
  63. ihm zu verantwortenden Schriftsatz nicht mehr unterschreiben können, dem
  64. Unterschriftserfordernis werde nur aus formalen Gründen genügt. Im vorliegenden Falle bestehe aber die Besonderheit, daß Rechtsanwalt E. dem
  65. ebenfalls am Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt H. mit Schreiben
  66. vom 17. Mai 2001 ausdrücklich für diesen Einzelfall eine Untervollmacht erteilt
  67. gehabt habe. Damit habe dieser die Begründungsschrift nicht lediglich aus Gefälligkeit für Rechtsanwalt E.,
  68. sondern
  69. gerade
  70. in Wahrnehmung
  71. der
  72. Untervollmacht und folglich in unmittelbarer Ausführung des Mandats der Be-
  73. -4-
  74. klagten unterzeichnet. Ein solches Handeln bedeute, daß der Unterzeichner
  75. damit auch die Verantwortung für den Inhalt der Erklärung übernommen habe.
  76. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
  77. II. 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und vor
  78. ihm schon des Reichsgerichts (vgl. RGZ 151, 82, 83; BGH, Beschl. v.
  79. 8. Februar 2001 - VII ZR 477/00, NJW 2001, 1581) muß die Berufungsbegründung als bestimmender Schriftsatz die Unterschrift des für sie verantwortlich
  80. Zeichnenden tragen. Die Unterschrift ist zwingendes Wirksamkeitserfordernis.
  81. Sie soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozeßhandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, den Schriftsatz zu verantworten und bei Gericht einzureichen. Für den Anwaltsprozeß bedeutet dies, daß die Berufungsbegründung von einem dazu bevollmächtigten
  82. und bei dem Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfaßt, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben
  83. sein muß. Eine nur "formelle Unterschrift", die erkennen läßt, daß eine eigenverantwortliche Prüfung nicht vorgenommen wurde oder daß der Unterschreibende sich vom Inhalt der schriftlichen Erklärung distanziert, genügt daher nicht
  84. (vgl. Zöller/Greger, ZPO 23. Aufl. § 130 Rdn. 8, 16 m.w.N.).
  85. 2. Die mit dem Klammerzusatz versehene Unterschrift Rechtsanwalt
  86. H.s erfüllt die Voraussetzungen einer wirksamen Unterzeichnung. Bereits der
  87. erste Teil des Zusatzes "für
  88. Rechtsanwalt
  89. E."
  90. macht
  91. deutlich, daß
  92. Rechtsanwalt H. als dessen Unterbevollmächtigter in Wahrnehmung des
  93. Mandats der Beklagten und damit eigenverantwortlich handelte. Ein Rechtsanwalt, der "für" einen anderen Rechtsanwalt eine Berufung begründet, gibt zu
  94. erkennen, daß er als Unterbevollmächtigter tätig wird (vgl. BAG, Urt. v. 22. Mai
  95. -5-
  96. 1990 - 3 AZR 55/90, NJW 1990, 2706). Die Aussage des ersten Teils des Zusatzes wird durch dessen zweiten Teil auch keineswegs relativiert, wie das Berufungsgericht offenbar annimmt. "Nach Diktat verreist" ist lediglich die Erklärung dafür, daß Rechtsanwalt E. die - im übrigen unstreitig von den
  97. D.
  98. Korrespondenzanwälten
  99. der
  100. Beklagten
  101. verfaßte -
  102. Begründungs
  103. schrift wegen seines Urlaubs nicht selbst unterzeichnen konnte; eine Einschränkung oder Zurücknahme der mit der ausdrücklich "für" Rechtsanwalt
  104. E.
  105. geleisteten
  106. Unterschrift
  107. verbundenen
  108. Übernahme
  109. der
  110. Verantwor-
  111. tung für den Inhalt des Schriftsatzes liegt darin nicht. Die Annahme, Rechtsanwalt H. habe sich von dem Inhalt der Berufungsbegründung distanzieren
  112. wollen, scheidet aus. Für einen Rechtsanwalt versteht es sich im Zweifel von
  113. selbst, daß er mit seiner Unterschrift die Verantwortung für den Inhalt eines bestimmenden Schriftsatzes übernimmt. Die Sachlage ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts derjenigen, daß ein Schriftsatz mit dem Zusatz
  114. "i.A." unterzeichnet wird, der die Stellung des Unterschreibenden als die eines
  115. bloßen Erklärungsboten kennzeichnet (BGH, Beschl. v. 5. November 1987
  116. - V ZR 139/87, NJW 1988, 210), nicht vergleichbar.
  117. Die Rüge der Revision, daß das Berufungsgericht für die Auslegung des
  118. der Unterschrift Rechtsanwalt H.s beigefügten Zusatzes nicht auf Umstände
  119. außerhalb des Schriftsatzes hätte abstellen dürfen, greift daher nicht durch.
  120. -6-
  121. III. Das Berufungsurteil läßt auch im übrigen Rechtsfehler nicht erkennen
  122. und erweist sich damit im Ergebnis als richtig.
  123. Röhricht
  124. Goette
  125. Münke
  126. Kurzwelly
  127. Graf